Dienstag, 10. November 2020

"Querdenkende" Nationalsozialisten nach 1945 - Wie sie die Geschichte des Dritten Reiches sahen ...

Thema hier: Johann von Leers über den vielfältigen Canaris-Verrat während des Dritten Reiches (1954/55)
 
Vorbemerkung: Bis zum Jahr 2014 hat der Bloginhaber hier auf dem Blog - wie an den damaligen Blogartikeln erkennbar wird - sehr intensiv viele zeitgeschichtliche Fragen recherchiert, insbesondere auch zu den weniger bekannten Hintergründen des Dritten Reiches. Irgendwann ist er dabei auch auf die Thematik "Eichmann vor Jerusalem" (21) (also in Argentinien) und auf den Kreis der nationalsozialistischen Intelektuellen rund um die dortige Zeitschrift "Der Weg" gestoßen. Diese Zeitschrift hat er intensiv durchforstet damals. Nicht alle Aufsatzentwürfe, die damals aus diesen Recherchen heraus entstanden, sind bis heute hier auf dem Blog veröffentlicht worden, sondern schlummern seither als Entwürfe im "Blogarchiv". Durch Anfragen wird der Bloginhaber gerade veranlaßt, den folgenden Aufsatzentwurf aus dem Jahr 2013 - ohne weitere inhaltliche Überarbeitung - öffentlich zu machen (erstmals). Das ist ein etwas mißliches Unterfangen, denn der Bloginhaber steckt gar nicht mehr so stark in der Thematik drin wie das vor sieben Jahren der Fall war, als er die spannenden Recherchen damals recht willkürlich abbrach (weil sich solche - wenn man einmal anfängt - als "endlos" herausstellen). Aufgrund des zeitlichen Abstandes muten dem Bloginhaber nun selbst manche Charakterisierungen und Bewertungen in diesem Blogartikelentwurf als "ungewöhnlich" oder gar "kühn" an. Die Perspektive dieses Blogs auf das Dritte Reich war und ist ja seit den damaligen Recherchen auch immer noch eine recht ungewöhnliche. Die damaligen Bewertungen und Charakterisierungen werden sicherlich auch weiterhin ihre Berechtigung haben und sollten schon deshalb sieben Jahre später nicht "abgemildert" werden. Denn das wäre auch eine Verfälschung unseres ursprünglichen Kenntnisstandes, vor dem auch dieser Aufsatzentwurf damals entstanden ist. (I.B.)

Nach 1945 teilte sich das deutsche Nachdenken über die Ursachen des Geschichtsablaufs zwischen 1933 und 1945 in zwei Gruppen. Die eine Gruppe stellte den deutschen Widerstand gegen Adolf Hitler als vorbildlich in den Mittelpunkt ihres Nachdenkens. Ihr Geschichtsbild hat seither an vielen Stellen Risse erhalten. Der "Widerständler" Wilhelm Canaris und viele seiner Mitarbeiter waren nicht nur "Verschwörer gegen Hitler" und sei es sogar um den Preis einer deutschen Niederlage im Zweiten Weltkrieg. Sie trieben vielmehr jene imperialistische Politik Hitlers - zwischendurch - sogar kräftig voran und wehrten in diesem Zusammenhang die Entmachtung der kriegsunwilligen Wehrmachtspitze im Jahr 1938 nur halbherzig ab. Zwar versuchen dies viele Historiker oder Zeitzeugen damit zu entschuldigen, daß man zur besseren Tarnung hätte "mitmachen" müssen. Aber immer mehr Einzelheiten, die bekannt werden, widersprechen einem solchen schlichten Geschichtsbild. Sie sind auch hier auf dem Blog zum Teil schon behandelt worden (bis Ende 2013).

Für die andere Gruppe war der deutsche Widerstand gegen Adolf Hitler während des Krieges einfach nur "Verrat" an Deutschland. Auf diese Widerständler richtete sich deshalb der ganze Haß dieser Gruppe. Sie machten diese Widerständler nach und nach für alles Unglück verantwortlich, das Deutschland zwischen 1933 und 1945 ihrer Ansicht nach wiederfahren war. Dieser Gruppe fühlten sich nach 1947 natürlich nur noch wenige Deutsche zugehörig. Intellektuell sammelte sich diese Gruppe ab 1947 um den deutsch-argentinischen Dürer-Verlag in Buenos Aires in Argentinien und um seine Zeitschrift "Der Weg". Es waren dies Menschen wie Johann von Leers, Otto Skorzeny, Wilfried van Oven, Dieter Vollmer, Willem Sassen (1918-2001) (Wiki). Wenn sie in ihrer Erschütterung über den militärischen Zusammenbruch des Dritten Reiches über seine Ursachen nachdachten, stand natürlich unter anderem die Gruppe des deutschen Widerstandes gegen Hitler im Mittelpunkt ihres Nachdenkens.

Abb. 1: Johann von Leers (1902-1965) - Nationalsozialistischer Schriftsteller

Es ist nun erstaunlich, daß um so mehr zeitlichen Abstand wir zu den Ereignissen vor und nach 1945 bekommen, wir zunehmend erkennen, daß auch die letztgenannte Gruppierung wesentliche Einsichten zum Geschichtsablauf hatte, wenn sie dabei jedoch auch manchmal über das Ziel hinausgeschossen sein mag. Aber das ist ja die erstgenannten Gruppierung viel zu oft auch. In vielen größeren Gesamtzusammenhängen ist sie aber wohl der eigentlichen, heute erkennbaren Hintergrund-Geschichte des Dritten Reiches oft viel näher gekommen, als die erstgenannten Gruppierung.

Es wurden dort in Argentinien schon genau die gleichen Fragen gestellt, die sich auch heute zunehmend den Historikern stellen, und von denen wir viele schon hier auf dem Blog behandelt haben: Wer steckt eigentlich wirklich hinter dem Reichstagsbrand? Wer hinter der Gestapo, den Röhm-Morden, der Blomberg-Fritsch-Krise, dem Canaris-Geheimdienst? Und welche Ziele wurden mit all dem verfolgt? Otto Skorzeny und Wilfried von Oven waren ja schon früh mißtrauisch geworden gegenüber dem Wirken des Wilhelm Canaris im Zusammenhang mit dem spanischen Bürgerkrieg und dem Nichteintritt Spaniens in den Zweiten Weltkrieg, was zur Nichteroberung Gibraltars durch die Deutschen führte.

Als erster war es wohl der völkische Schriftsteller Johann von Leers (1902-1965) (Wiki), der vielen Wahrheiten um die Hintergründe des Reichstagsbrandes und der Geschichte des Dritten Reiches, wie wir aus der Sichtweise des vorliegenden Blogs sagen müssen, schon Ende 1954 erstaunlich nahe gekommen ist. von Leers war "intellektualisiert" worden "im Jünger-Kreis", so heißt es im Klappentext zu der jüngst zu ihm erschienenen Biographie (Sennholz 2013). Er stand also den Kreisen, die hinter dem Dritten Reich standen, einerseits erstaunlich nahe, war aber zugleich offenbar diesen gegenüber auch reichlich ahnungslos und naiv.

Doch Ende 1954 konnte er sich schon vieles besser "zusammenreimen", was da seit 1933 von Seiten der rechtskonservativen "Widerständler" geschehen war. Er schreibt da (5, S. 852):

Zum ersten Male erfährt nun die Öffentlichkeit, daß sich die Regierung Hitlers buchstäblich vom ersten Tage an einer ausgezeichnet organisierten, im Schutze des eigenen militärischen Geheimdienstes getarnten konservativen Verschwörung gegenüber sah. Wegen ihrer soliden Stützpunkte in der russophilen Bendlerstraße und anderen wichtigen Reichsministerien gelang es einem kleinen, aber fanatischen Zirkel östlich orientierter Militärs und konservativer Politiker, allmählich einen konspirativen Apparat aufzubauen, der später England zur Kriegserklärung an das Reich veranlaßte, dann im Kriege durch zielbewußte Blendung der deutschen Kriegsführung den alliierten Sieg überhaupt erst ermöglicht, bis er dann in der Flamme seiner letzten verzweifelten Aktion, dem Attentat vom 20. Juli 1944, bis auf geringwertige Reste verbrannte.

Das ist natürlich ein ungewollter Scherz des Johann von Leers gewesen. Der größte Teil dieser Verschwörergruppe überlebte das Umbruchjahr 1945. Aber das konnte ein von Leers wohl im Jahr 1954, als es noch keine langjährigen Forschungen etwa zum Reichstagsbrand gab, noch gar nicht so recht übersehen.

von Leers: Der militärische Geheimdienst unter Canaris stand hinter dem Reichstagsbrand

Wenn man das folgende von ihm liest, kann man sich im Hinterkopf behalten, daß nicht die genannten Personen selbst die Hauptrolle gespielt haben müssen, sondern noch weitgehend unbekannte Kreise und Klüngel, die hinter ihnen standen und auch diese dirigierten. von Leers jedenfalls schreibt (5):

So sammelte sich buchstäblich vom ersten Tage an eine hintergründige Opposition. Neben dem militärischen Schleicher-Hammerstein-Kreis der Oberfohren-Flügel der DNVP, die "Jungkonservative Vereinigung" mit Ewald v. Kleist-Schmenzin, Fabian v. Schlabrendorff, Hans-Bernd Gisevius, eine Gruppe orthodoxer Protestanten um Professor Karl Bonhoeffer, seine Söhne Dietrich und Klaus, sein Schwiegersohn Hans v. Dohnanyi und Rüdiger v. Schleicher und der mit ihnen eng befreundete Otto John. Verflochten damit war der nationalbolschewistische "Widerstandskreis" Ernst Niekischs sowie Erich Klauseners "Katholische Aktion". Als auslösendes Moment und Fanal sollte der Brand des Reichstagsgebäudes dienen, seine Flammen den blutigen Zusammenstoß zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten heraufbeschwören.

Viele von diesen Personen hatten also Geheimdienstkontakte, schon damals, im Jahr 1933. Oder sagen wir es anders: die deutschen Geheimdienste behielten schon damals - wie sie es seither immer machen - nicht nur Hitler selbst, sondern auch die Hitler-Opposition in guter Kontrolle. von Leers schreibt weiter über den Reichstagsbrand unter anderem (5):

Als ausführendes Organ der Brandstiftung muß die Abteilung II der "Abwehr" angesehen werden. Nur sie besaß alle technischen Hilfsmittel. Die gestellte Aufgabe bedeutete für sie wenig mehr als eine Routineangelegenheit der Art, wie sie sie vielfach im Ruhrkampf durchexerziert hatte. Als Mittel kam flüssiger Phosphor in Betracht, ein Brandstiftungsmittel, das damals nur in Fachkreisen bekannt war und von dem schon eine kleine Menge genügte, einen Großrand hervorzurufen.

Er zitiert mehrmals Hans Bernd Gisevius und charakterisiert ihn ähnlich, wie wir ihn schon charakterisiert hatten (5):

Die Plastizität der Schilderung läßt deutlich durchblicken, daß Gisevius zu den Eingeweihten und Mittätern der Brandstiftung gehört.
Genau das war auch unser eigener Eindruck bei der Lektüre der vielen Bücher des Hans Bernd Gisevius. Aber das ist allerdings hier doch schon sehr deutlich gesagt. So weit waren wir selbst noch nicht gegangen! Johann von Leers war schon im Jahr 1933 mit der Zurückweisung der Behauptungen des Reichstagsabgeordneten der DNVP Ernst Oberfohren (1881-1933) (Wiki) beschäftigt (1). Schon von daher mußte er Einblick gehabt haben in die Vorwürfe zu den Hintergründen des Reichstagsbrandes. Schauen wir uns Oberfohren etwas genauer an. Er war an der Spitze der DNVP ein Gegenspieler von Hugenberg gewesen und scheint wegen seines Wissens um die Hintergründe des Reichstagsbrandes ermordet worden zu sein. Auf Wikipedia heißt es über ihn (Wiki) (zitiert natürlich nach der Version von 2013):
Im Januar 1933 befürwortete Oberfohren ein Zusammengehen der DNVP mit der NSDAP. Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten im Frühjahr 1933 distanzierte Oberfohren sich von Hugenberg und dessen NSDAP-nahen Kurs. Obwohl er auch noch für das Ermächtigungsgesetz vom März 1933 stimmte, das mit der Zusammenlegung von Legislative und Exekutive die Grundlage für die Errichtung der NS-Diktatur bildete, sah er sich verstärkt politischen Gängelungen ausgesetzt: Er wurde zunächst bespitzelt und mehrmals verhört. Am 29. März 1933 wurde sein Büro und einen Tag später seine Privatwohnung von Nationalsozialisten durchsucht. Obwohl er noch am 22. März als Fraktionsvorsitzender bestätigt wurde, legte er am 30. März sein Reichstagsmandat nieder und zog sich aus der Politik zurück.
Oberfohren war also zunächst einmal nur - grob gesagt - ein kritischer Geist und "Quertreiber". Weiter heißt es nun über ihn (Wiki) (zitiert nach der Version von 2013):
Eine Oberfohren zugeschriebene Denkschrift über den Reichstagsbrand, die der "Manchester Guardian" Ende April veröffentlichte (The Oberfohren-Memorandum), ...
- das von Leers zu jener Zeit in der britischen Presse zu widerlegen versuchte (1) -
... wahrscheinlich aber von Albert Norden stammte, mag zu seinem Tod beigetragen haben: Am 8. Mai 1933 wurde Oberfohren in Kiel erschossen aufgefunden.
Wie wohl dieser Tod auf von Leers gewirkt hat? Weiter (Wiki) (zitiert nach der Version von 2013):
In der Literatur dominiert die Auffassung, daß er den Schikanen durch die Nationalsozialisten, die er bis zu dieser Zeit hatte erdulden müssen, psychisch nicht gewachsen war und sich deshalb das Leben nahm. Alternativ kursiert die Behauptung, daß der Ernst Röhm nahestehende ehemalige Kampfbundführer Paul Röhrbein Oberfohren als eine den Nationalsozialisten unbequeme Persönlichkeit ermordete und den Mord als Suizid tarnte. Diese Behauptung, die angeblich auf Prahlereien Röhrbeins nach seiner kurz darauf erfolgten Inhaftierung gegenüber anderen Häftlingen zurückgeht, läßt sich in der Literatur erstmals in einer Exilanten-Publikation aus dem Jahr 1936 nachweisen.
Dieser SA-Führer Paul Röhrbein (1890-1934) (Wiki) war Mitglied des gar nicht so einflußlosen Homosexuellen-Kreises um Ernst Röhm. Dadurch war er womöglich an der Brandstiftung des Reichstages und der Vertuschung, dem "Cover up" der Brandstifter beteiligt. Warum er dann aber womöglich mit seinen Auftraggebern in Zwist geriet und sogar von Röhm selbst fallengelassen worden ist, wird noch nicht so recht deutlich. Über Röhrbein heißt es auf Wikipedia bislang nur (Wiki) (Version 2013):
Im Sommer 1933 wurde Röhrbein aus unbekannten Gründen in „Schutzhaft“ genommen. In der Literatur taucht in diesem Zusammenhang häufig die unbelegte Behauptung auf, Röhrbein habe mit dem Reichstagsbrand vom Februar 1933 zu tun gehabt, sei womöglich sogar Mitglied eines Trupps gewesen, der durch einen unterirdischen Tunnel in das Reichstagsgebäude eingedrungen sei und diesen angesteckt habe. Daneben wurde auch der Verdacht geäußert, Röhrbein habe am 7. Mai 1933 als Anführer eines SA-Rollkommandos den DNVP-Politiker Ernst Oberfohren ermordet, der die Nationalsozialisten belastendes Material zum Reichstagsbrand gesammelt haben soll, und die Tat anschließend als Selbstmord getarnt. Diese Behauptung geht auf den ehemaligen Chefredakteur der Münchener Sonntagszeitung, Walter Tschuppik, zurück, der 1934 im Exil in der österreichischen (oder tschechischen) Zeitung Der Morgen erklärte, Röhrbein 1933 im Polizeigefängnis Löwengrube als Mitgefangenen getroffen zu haben. Dabei habe Röhrbein ihm gestanden, Oberfohren im Auftrag Görings umgebracht zu haben.
Soweit übersehbar, erfolgte die Schutzhaft, die Isolationshaft und Folter von Röhrbein in Übereinstimmung mit den Wünschen Röhms. Was ihn aber keinesfalls vor seiner eigenen Ermordung schützte, heißt es doch weiter (Wiki):
In der Nacht vom 30. Juni zum 1. Juli 1934 wurde Röhrbein anläßlich der als Röhm-Putsch bekannt gewordenen politischen Säuberungswelle der Nationalsozialisten vom Frühsommer 1934 von Angehörigen der Dachauer SS-Lagerwache erschossen. Außer ihm wurden noch vier weitere Männer getötet, die seit längerem als „Schutzhäftlinge“ in Dachau festgehalten wurden.
Ein offenbar sehr verwickeltes Geschehen, über das noch nicht alle Hintergründe klar zu sein scheinen. Einmal erneut wird deutlich wie kräftig offenbar gemordet wurde auch beim "Cover up" der eigentlichen Urheber des Reichstagsbrandes - und der Machtergreifung allgemein.

Der Verfassungsschutz-Mann und Spiegel-Historiker Fritz Tobias schreibt 1962 in seinem Buch "Der Reichstagsbrand" (15, S. 583):
Eine der verwegensten, aber auch politisch zielbewußtesten Legenden-Konstruktionen wurde nach dem Kriege von emigrierten Nationalsozialisten in Argentinien regelrecht zusammengebastelt. Als Verfasser zeichnete Paulus van Obbergen, hinter welchem Namen sich niemand anders verbirgt als Dr. Johann von Leers, der sich heute Osman Amin von Leers nennt und aus seiner nationalsozialistischen Überzeugung und seinem fanatischen Antisemitismus auch heute noch kein Hehl macht. Seine Darstellung "Vom Reichstagsbrand zum Untergang des Reiches" erschien im Organ des berüchtigten Dürer-Verlages, Buenos Aires, "Der Weg", ....

Wenn ein Mitarbeiter des niedersächsischen Verfassungsschutzes eine solche Zuschreibung vornimmt, wird man ihr schwer ohne alle Anhaltspunkte widersprechen wollen.

von Leers: Canaris war der Auslöser der stalinistischen Säuberungen des Jahres 1937

von Leers überblickt jedenfalls gar nicht, daß das Ziel der Hinterleute der "kontrollierten Opposition" des Dritten Reiches gar nicht einmal gewesen sein muß, den Ausbruch eines Weltkrieges zu verhindern oder Hitler vor dem Ausbruch eines solchen Krieges zu stürzen, sondern vielmehr zunächst einmal einfach nur, die ehrlich gemeinte Opposition gegenüber einem neuen Weltkrieg zu "kontrollieren" und in Schach zu halten. Und zwar auch gar nicht einmal besonders wegen Hitler-Freundlichkeit. So weit kann von Leers nicht denken. Interessant ist die Deutung der Tuchatschewski-Affäre durch von Leers:

Eine Militärverschwörung unter der Leitung Marschall Tuchatschewskis entstand. Während der Beisetzungsfeierlichkeiten für den englischen König nahmen Vertrauensleute Tuchatschewskis Fühlung mit Mitgliedern der deutschen Delegation, um für ihre Staatsstreichpläne sich der Hilfe Adolf Hitlers zu versichern. Auf der Rückreise weilte Tuchatschewski selbst einige Tage in Berlin. Jetzt bot sich für Canaris eine ausgezeichnete Gelegenheit, Adolf Hitlers Auftenpolitik einen schweren Schlag zu versetzen. Die Informationen gerieten nämlich in die falschen Kanäle. Wahrscheinlich über Kapitän Patzig, der als Kommandant eines Kriegsschiffes an der Beisetzung in England teilnahm, erhielt Canaris Kenntnis von dem Vorhaben der Russen. Seine Gegenaktion bestand darin, über Abwehrkanäle den prosowjetischen Benesch über die Vorgänge zu informieren und so Stalin zu warnen. Die anschließenden blutigen Säuberungen führten zur Massakrierung der letzten potentiellen antikommunistischen Kräfte der Sowjetunion. Ein Vorgang, der ohne Zweifel sich auf Hitlers spätere Ostpolitik auswirkte. Um auch hier die Spuren zu verwischen, erfand der Kreis um Canaris später nach dem Tode Heydrichs die Version, daß angeblich der SD mittels Brieffälschungen Tuchatschewski ans Messer geliefert habe. Das war eine Lüge. Die Nachkriegs-Öffentlichkeit schluckte sie ungeprüft. 

Immerhin eine interessante Sichtweise und Deutung, von der man nicht gleich auf den ersten Blick sich zu sagen getraut, ob sie völlig unrealistisch sein muß. Jedenfalls bekommt so diese Affäre viel eher einen Sinn. Und sie macht einmal erneut deutlich, wie sehr es der Abwehr daran gelegen gewesen sein könnte (in Übereinstimmung mit einem Friedrich Hielscher?), die Sowjets mit ihren Methoden nach Mitteleuropa hineinzuziehen. Diese Deutung erweitert den Deutungsspielraum insgesamt.

von Leers meint dann, der Sturz Blombergs sei auf Betreiben der Abwehr zustande gekommen. Hier berücksichtigt er wohl zu wenig die Gestapo.

Was von Leers dann über das Wirken der Canaris-Abwehr während des Zweiten Weltkrieges sagt, deckt sich mit den Einschätzungen dieses Blogs vollständig.

Auf diesen Aufsatz von Leers aufbauend ging dann womöglich Otto Skorzeny (Paul Beneke) aus Madrid noch deutlich weiter. (Siehe nächster Beitrag.) [2020: Dem Bloginhaber ist gerade nicht klar, welcher Beitrag hiermit gemeint ist und ob er schon veröffentlicht wurde.]

Leiter des Forschungsamtes Korvettenkapitän Hans Schimpf ( - 10.4.1935).

[2020: Dem Bloginhaber ist gerade nicht klar, weshalb dieser Name in diesem Aufsatzentwurf genannt wurde.]

... Wilfried von Oven (1912-2008) (Wiki) war Autor des Dürer-Verlages mit seinen Erinnerungen an Joseph Goebbels. von Oven ist 1951 nach Argentinien gekommen ... (Wiki)

... ausgestattet mit einem von Rudolf Augstein unterschriebenen Presseausweis. Als Auslandskorrespondent berichtete er (...) für den "Spiegel" und die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Später schrieb er für die deutschsprachige argentinische Zeitung "Freie Presse" und gab unter eigener Regie den "La Plata Ruf" heraus. Laut Mitteilung des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" vom Juni 2013 bestätigte der Bundesnachrichtendienst (BND) diesem, daß von Oven ab 1950 zunächst für die Organisation Gehlen, dann nach dessen Gründung bis 1966 unter verschiedenen Decknamen für den BND als Informant des Geheimdienst tätig war.
...
 
/ Entwurf: 24.11.2013 /

___________________________________________
  1. van Obbergen, Paulus (= Johann von Leers): The Oberfohren Memorandum London German Information Bureau, 1933
  2. von Oven, Wilfried: Mit Goebbels bis zum Ende. Dürer-Verlag, Buenos Aires. Band 1 1949 (295 S.), Bd. 2 1950
  3. Obbergen, Paulus van (= Johann von Leers): Invasion 1944 - Sieg der Alliierten oder der deutschen Verschwörer? In: Der Weg, Jg. 1954, S. 561 - 568
  4. von Leers, Johann: Zum Fall Otto John. In: Der Weg, Jg. 1954, S. 619 - 626
  5. Obbergen, Paulus van (= Johann von Leers): Vom Reichstagsbrand zum Untergang des Reiches. Aufsatz in drei Teilen. In: Der Weg, Buenos Aires, 12/1954, S. 851 - 858, 1955, S. 23 - 30, 169 - 174 (enthalten in: ScribdEbookArchive.org)
  6. Beneke, Paul: Franco hielt den Schlüssel in der Hand. Warum Spanien 1941 nicht in den Krieg eintrat. In: Der Weg, 1955, S. 641 - 648
  7. Leers, Johann von: Reichsverräter II, 2. Folge. Sonderheft zu „Der Weg“. Dürer Verlag, Buenos Aires 1955 (siehe Metapedia)
  8. Leers, Johann von: Reichs-Verräter III. dritte Folge [Sonderheft der Zeitschrift: 'Der Weg'] Dürer-Verlag, Buenos Aires 1956 (67 S.)
  9. Beneke, Paul: Canaris und der Tod Udets. In: Der Weg, 1956, S. 157 - 166
  10. Beneke, Paul: Die Rolle der Gestapo. In: Der Weg (Buenos Aires, Argentinien) 10 (1956): 353 - 358, 476 - 480 (enthalten in: ScribdEbookArchive.org)
  11. von Leers, Johann von: Geschichte des deutschen Volkes - deutsch gesehen - Band 1: Von der Frühzeit bis zum Beginn der Neuzeit, Herausgegeben von einer Arbeitsgemeinschaft unter Leitung von Prof. Dr. Johann von Leers, Sonderdruck der Zeitschrift "Der Weg". Dürer-Verlag, Buenos Aires 1956
  12. Sievers, Wolf: Hintergründe des deutschen Polizei-Regimes in Frankreich. In: Der Weg, 1956, S. 605 - 611
  13. Der Weg. Unabhängige Monatsschrift für Freiheit und Ordnung in Staat, Politik, Wirtschaft, Recht und Kultur. 11. Jahrgang, 1957. 12 Hefte in einem Band. Dürer-Verlag, Buenos Aires 1957 (896 S.) 
  14. Roth, Heinz: Widerstand im Dritten Reich. 2. ergänzte Auflage, Selbstverlag Odenhausen/Lumda 1976 (Scribd, Ebook, Archive.org)
  15. Tobias, Fritz: Der Reichstagsbrand - Legende und Wirklichkeit. Grote, 1962 (723 S.) (Google Bücher, engl.)
  16. Irving, David: Das Reich hört mit. Görings "Forschungsamt" - Der geheimste Nachrichtendienst des Dritten Reiches. Arndt-Verlag, Kiel 1989 (Scribd) [u.a.über Hans Schimpf]
  17. Meding, Holger M.: Der Weg. Eine deutsche Emigrantenzeitschrift in Buenos Aires 1947 - 1957.  wvb Wissenschaftlicher Verlag Berlin 1997 (182 S.)
  18. von Oven, Wilfred: Ein "Nazi" in Argentinien. VAWS, 1999 (224 S.) (Google Bücher)
  19. Gorman, Robert F.: Great Events from History. The 20th century, 1901-1940, Band 5. Salem Press, 2007 (3453 S.) (Google Bücher) [erwähnt von Leers Oberfohren-Zurückweisung]
  20. Stahl, Kurt Daniel: Erlösung durch Vernichtung. Von Hitler zu Nasser - Das bizarre Schicksal des deutschen Edelmannes und Professors Johann von Leers. In: Die Zeit, 30. Mai 2010
  21. Stangneth, Bettina: Eichmann vor Jerusalem. Das unbehelligte Leben eines Massenmörders. Arche Literatur-Verlag, Zürich, Hamburg 2011 (Google Bücher)
  22. Sennholz, Marco: Johann von Leers. Ein Propagandist des Nationalsozialismus. be.bra wissenschaft verlag, Berlin 2013 (Amazon)
  23. Senft, Alexandra: Johann von Leers - Übelster Antisemit seiner Zeit. Besprechung des Buches von Marco Sennholz: In: FAZ, 07.11.2013

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