Wenn man immer wieder
salbungsvolle christliche Sonntagsandachten im Radio zu hören kriegt,
fragt man sich, wie eigentlich die Menschen in früheren Jahrhunderten
auf all dieses "Salbungsvolle", Unechte, Gemachte reagiert haben. Was
findet man zum Beispiel, wenn man in der Google-Bildersuche nach
Anschauungs-Material für die folgenden Gedichtzeilen sucht:
Diethelm Trausenit
(1349)
Diethelm Trausenit, warum bot
bei Sankt Stephan dir niemand Dach und Gelaß?
Sie scheun wohl in deiner Zunge den Spott,
in deinen Augen den Haß.
Die Heiligen, die dein Meißel weckt,
die tragen dein eigen unheilig Gesicht.
Sie stehen steif, sie lächeln versteckt:
aber fromm sind sie nicht.
(...)
(Josef Weinheber)
Abb. 1: Die Lächelnde Madonna von Lauter (um 1260 n. Ztr.) (südliche Rhön) |
"... aber fromm sind sie nicht."
- Man meint doch, solche christlichen "Heiligen"-Figuren zu kennen.
Aber im Netz sind sie gar nicht so leicht zu finden. Das könnte einen
überhaupt auf das Thema "Lächeln und subversives Grinsen in der Kunst" bringen. Wie steht es da zum Beispiel mit dem Lächeln der vorklassischen, griechischen Skulpturen, dem "heiteren" (?) "ionischen Lächeln"? Und mit so vielem anderen Lächeln und Grinsen auf diesem Gebiet? Hier jedenfalls noch zwei weitere Netz-Funde:
Abgesehen
davon, ob wir uns heute "Erlöste" oder "Heilige" oder vorbildlich
"Gläubige" so vorstellen wie in diesen Bildern noch einmal die Frage:
Darf man in christlichen Gottesdiensten heute nicht mehr so subversiv
grinsen wie es doch sogar die in den Kirchen stehenden Figuren selbst
tun? - - -
Man möchte meinen, wer religiöse Gemeinsamkeit mit anderen Menschen sucht, sollte ihnen mitunter auch zu erkennen geben, wenn er das Gefühl hat, daß er diese gerade in diesem Augenblick nicht empfindet und sieht. Waren die mittelalterlichen Menschen, Künstler da bewußter oder unbewußter ehrlicher als wir heute? Wir haben alles fein säuberlich getrennt: Auf der einen Seite der ernste Gottesdienst und die salbungsvollen (Radio-)Morgenandachten. Und auf der anderen Seite die Talkshow. Und beide haben nichts miteinander zu tun. - Vielleicht liegt da überhaupt das ganze Problem? ...
Man möchte meinen, wer religiöse Gemeinsamkeit mit anderen Menschen sucht, sollte ihnen mitunter auch zu erkennen geben, wenn er das Gefühl hat, daß er diese gerade in diesem Augenblick nicht empfindet und sieht. Waren die mittelalterlichen Menschen, Künstler da bewußter oder unbewußter ehrlicher als wir heute? Wir haben alles fein säuberlich getrennt: Auf der einen Seite der ernste Gottesdienst und die salbungsvollen (Radio-)Morgenandachten. Und auf der anderen Seite die Talkshow. Und beide haben nichts miteinander zu tun. - Vielleicht liegt da überhaupt das ganze Problem? ...
Abb. 3: "Erlöste" - Fürstenportal Bamberger Dom |
- - -
Soweit
der kurze - und auch reichlich krude - Gedankengang eines Blogbeitrages, wie er seit dem 16. Dezember 2007 auf dem Vorgänger- und Parallelblog dieses Blogs zu
lesen gewesen war und ist. - Mit welcher Überraschung muß man als Autor dieses
alten Blogbeitrages nun zur Kenntnis nehmen, daß gut vier Jahre nach seinem
Erscheinen, nämlich vom 27. April bis zum heutigen Tag, den 16.
September 2012, im Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseum Mainz eine
Sonderausstellung stattgefunden hat mit dem Titel: "Seliges Lächeln und höllisches Gelächter - Das Lachen in Kunst und Kultur des Mittelalters" (s. Abb. 4).
Abb. 4: "Seliges Lächeln und höllisches Gelächter" - Sonderausstellung in Mainz, 2012 |
Das
muß einem ja geradezu so vorkommen, als hätte man mit seinem
Blogbeitrag vor knapp fünf Jahren die erste Anregung zur
Zusammenstellung dieser Ausstellung gegeben. Diese Ausstellung greift,
wie allseits zu lesen, ein Thema auf, das noch keine vorherige
Kunstausstellung in dieser Weise aufgegriffen hatte. Und merkwürdiger Weise hatten wir im Dezember 2007 die Idee zu diesem Thema. Ob man in Mainz zur gleichen Zeit auf fast dieselben Ideen gekommen ist wie wir? Vielleicht lag das Thema damals einfach in der Luft? (!!!) - - -
Der Tenor in dieser Ausstellung scheint nun - was man in ersten Berichten so liest - nicht auf dem Thema der Subversivität des Lachens zu liegen. Aber wir werden uns den Ausstellungsband besorgen, um zu sehen, was dort aus dem Thema gemacht worden ist. Und wie differenziert und mit welchen Tiefgang es ausgearbeitet und ausgelotet worden ist.
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- Wilhelmy, Winfried: Seliges Lächeln, höllisches Gelächter. Das Lachen in Kunst und Kultur des Mittelalters. Schnell & Steiner-Verlag, 24. April 2012 (Amazon)
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