Freitag, 13. September 2019

"Tötet den deutschen Adler!"

Kriegsziel seit 100 Jahren

Die an der Universität von Chicago seit 1929 herausgegebene, der europäischen, neuzeitlichen Geschichte gewidmete Fachzeitschrift "The Journal of Modern History" erinnert auf ihrem aktuellen Umschlagbild einmal erneut an eine Karrikatur aus den Anfangsmonaten des Ersten Weltkrieges (1, 2) (Abb. 1). Mit ihr soll an das Rahmenthema dieser Ausgabe erinnert werden: "Staatliche Gewaltausbrüche im Europa des 20. Jahrhunderts"*).

Abb. 1: "Kill that Eagle" (1914) - Gezeichnet von John Henry Amschewitz (Herkunft: Wikip.)

Die ausgewählte, recht eindrucksvolle Karte ist - offensichtlich im August 1914 - in England gezeichnet worden von dem damals 32-jährigen Rabbinersohn John Henry Amschewitz (1882-1942) (Geni). Den heutigen Herausgebern der Zeitschrift, die offensichtlich zum Teil ebenfalls jüdischer Herkunft sind, wird die jüdische Herkunft dieses Karikaturisten sicher bewußt sein. Amschewitz ging später nach Südafrika. Er wird gekennzeichnet als (Barronmaps):
Ein bekannter, in England geborener jüdischer Künstler, satirischer Kartenzeichner, Laienschauspieler und südafrikanischer Zeitungskarrikaturist.
Freund und Mentor von Amschewitz war - vermittelt von den Müttern beider - der ebenfalls aus einer jüdisch-russischen Emigrantenfamilie stammende britische Künstler Isaac Rosenberg (1890-1918) (Wiki). Dieser ist 1918 im Ersten Weltkrieg - für England - gefallen (s. Google Bücher). Für einen in England geborenen Künstler zeigt Amschewitz in dieser Karrikatur aus dem August 1914 eine ziemliche große innere Distanz gegenüber den damaligen Kriegsanliegen Englands auf, wenn er diese bezeichnet als "Business as usual". Seine Karte ist schon zur Jahreswende 1914/15 in Deutschland nachgedruckt worden mit der Erläuterung (3):
"Ein Dokument der Perfidität Albions bildet diese satirische Europakarte. Während der Deutsche Gut und Blut fürs Vaterland einsetzt, betrachtet England den Krieg nur als Geschäft, indem es lächelnd sagt: 'Business as usual' (Geschäft wie gewöhnlich.)"
Weiterhin macht die Karte insbesondere die Kriegsanliegen Österreich-Ungarns lächerlich. Wir erhalten die Erläuterung (4):
"Diese Karte zeigt Österreich-Ungarn im Zentrum, dargestellt als die tragische Hanswurst-Figur Pierrot der europäischen Pantomime, der ewig nach unerwiderter Liebe schmachtet.
Das ist - zumindest aus heutiger Sicht - eine mehr als sonderbare Wahrnehmung der Vielvölker-Monarchie Österreich-Ungarn. War sie tatsächlich nur noch eine hilflose, traurige Figur im Spiel der Weltgeschichte? Aus Sicht des Rabbinersohnes Amschewitz offensichtlich schon. Weiter wird uns erläutert (4):
Großbritannien wird dargestellt als ein Mann, dessen Arme schon von früheren Konflikten blutig sind. (...) Er sieht die Situation als 'das gewöhnliche Geschäft' an. Italien wird als Opernsänger dargestellt mit dem Liedtext 'Du hast mich verliebt gemacht in dich. Aber nie war das mein Wunsch gewesen.'"
(Italien war zwar mit Deutschland verbündet, wollte aber von dieser vormaligen "Liebe" bei Kriegsausbruch nichts mehr wissen.) Das Ottomanische Reich wird - trotz seiner Furcht - von den Deutschen in die Schlacht getragen. Aus den kleineren europäischen Staaten wird mit Operngläsern auf dieses Szenario geblickt. Man ist noch nicht ganz heraus aus dem Modus der wohlgefälligen Opern-Atmosphäre der Zeit von vor 1914. Man ist fast noch im Reich des Traumes.

Übrigens entsteht nicht der Eindruck, daß der Künstler der Karrikatur, die offensichtlich noch im August 1914 entstanden ist, die Erwartung hatte, daß der hier dargestellte, ausgebrochene Krieg etwa durch einen schnellen deutschen oder russischen Sieg bald beendet sein könnte, was ja sowohl an der Ost- wie an der Westfront Deutschlands damals leicht hätte möglich sein können. Die Zuschauer stellen sich eher stimmungsmäßig auf eine vielstündige Oper ein ... So offensichtlich auch die Stimmung des Amschewitz im August 1914.

Später, 1930, hat Amschewitz auch eine Ausgabe religiöser Texte des Judentums illustriert ("The Passover Hagadah", s. ZVAB). 

Hitlers taktische Erwägungen in "Mein Kampf"


In dieser Folge des "Journal of Modern History" werden Hitlers taktische Erwägungen in "Mein Kampf" von Seiten eines deutschen Historikers untersucht (7). Taktische Erwägungen unter anderem dahingehend, sich nicht gegen die katholische Kirche zu stellen wie dies zuvor die Schönerer-Bewegung in Österreich getan hatte. Dies waren Ausführungen, die sich damals - 1925 - vor allem - unausgesprochen - mit den Zielsetzungen von Erich Ludendorff und den damaligen Völkischen Norddeutschlands auseinandersetzten. Außerdem findet sich in dieser Folge eine Besprechung des Buches "Hitler’s Monsters - A Supernatural History of the Third Reich" von Eric Kurlander (9). Ein schnelles Querlesen der Besprechung läßt nicht erkennen, daß fundamental Neues in diesem Buch enthalten sein könnte. Aber das Buch läßt sich sicher gut parallel setzen zu unserer eigenen Buchveröffentlichung zu diesem Thema - Okkultgeschichte des Dritten Reiches - das als ein einigermaßen unerschöpfliches benannt werden muß (10). Eric Kurlander scheint die Dinge nicht sehr unähnlich zu der in unserer eigenen Bucherveröffentlichung wahrzunehmen. Ein weiterer Aufsatz in dieser Ausgabe, die "Staatlichen Gewaltausbrüchen im Europa des 20. Jahrhundert" gewidmet ist, behandelt "Die drei Gesichter von Freud" (!!!) (6).

Das ist eine gute Gelgenheit, daran zu erinnern, mit welchen klassischen Worten auf Wikipedia Sloderdijk's zentrales Buch "Zorn und Zeit" schon seit Jahren zusammen gefaßt wird (5):
"Sloterdijk zeigt auf, daß eine produktive Form des Zorns zunächst durch das Christentum und dann durch die Psychoanalyse unterdrückt worden ist."**)
Man hat zwar nicht in Erinnerung, daß Sloterdijk das selbst irgendwo tatsächlich so zugespitzt und deutlich gesagt hat. Aber man kann sicher sagen, daß solche Gedanken im Hintergrund seines Buches stehen. Und besser auf den Punkt gebracht werden können die letzten 2000 Jahre Weltgeschichte, gestaltet nach jüdischen, gruppenevolutionären Strategien wohl nicht so leicht.***) In dem Aufsatz wird nun von Vorgängen im Jahr 1994 berichtet, als eine große, unkritische Freud-Ausstellung in Washington D.C. angekündigt worden war (6):
"A leading Freud critic, Peter J. Swales, a dogged independent researcher and self-proclaimed provocateur, gathered forty-two signatures (later fifty) on a petition insisting, among other demands, that the exhibit include “the full spectrum of informed opinion about the status of Freud’s contribution to intellectual history” (...) And open warfare, aimed at destroying institutions and reputations, if not lives, is what followed."
Also 1994 brach ein Krieg aus, an dessen Ende nicht der deutsche Adler getötet worden war, sondern die Psychoanalyse von Sigmund Freud. Im selben Jahr 1994 erschienen ebenfalls in den USA erstens "The Bell Curve" von Charles Murray und zweitens "A People that shall dwell alone" von Kevin MacDonald. Aber wer von den Deutschen hat etwas diesem wesentlichen geistigen Ringen mitbekommen? Und doch gestaltete es die geistige Landschaft des Erdballs grundlegend um. Nun werden also in dem genannten Aufsatz drei neu erschienene Biographien über Sigmund Freud sehr ausführlich erörtert. Das Resümee nach fast hundert Seiten ist vernichtend (6):
"The hold of some of Freud’s most famous theories, and even more his personal authority, have been seriously weakened where they have not entirely dissipated, even among analysts. In its fundamental ways of theorizing psychology generally, and sex and gender in particular, his era is not ours. Within psychoanalysis, Freud’s metapsychology is dead, mentioned if at all only to be dismissed. Freud’s female psychology (...) diagnosed from contemporary feminist perspectives as cultural pathology. Freud himself is now seen as flawed morally and psychologically and very much a figure of his time. A half century of feminist criticism and research on Freud’s life have done their work; he will never again be the larger than life culture hero he once was, even for his advocates."
In einer geisteswissenschaftlichen Zeitschrift wie "The Journal of Modern History" scheinen das ja noch neue Nachrichten zu sein (ähm, räusper). Zu fragen bliebe dann doch eigentlich nur noch, mit welcher modernen, evolutionären Psychologie zu der produktiven Form des Zornes der heidnischen Antike zurückgekehrt werden kann. Vielleicht wollten die Herausgeber der Zeitschrift ja mit der Auswahl des Umschlagbildes einen Hinweis geben, einen Hinweis darauf, daß der zu tötende deutsche Adler diesen gesunden Zorn spätestens seit 1914 verkörpert.

Ob dieser deutsche Adler noch lebendig ist?

_______________
*) "European State Violence in the Twentieth Century"
**) "Sloterdijk argues that a productive form of rage has been suppressed by first Christianity and then psychoanalysis."
***) In dem Zusammenhang stoßen wir gerade auch auf eine Stellungnahme des oft gepriesenen Slavoj Žižek zu Kevin MacDonald (8). Von dieser sollte man wissen, ist sie doch außerordentlich lesenswert und lehrreich. Sie spricht von einer "neuen Barbarei", die sich in den geistesgeschichtlichen Einordnungen von Kevin MacDonald widerspiegeln würde. Es würde sich in ihnen widerspiegeln die "Selbstzerstörung der Vernunft", das "Gegenteil einer hochreflexiven, selbstironischen Haltung". Žižek weiter: "Kein Wunder, daß man sich beim Lesen von Autoren wie MacDonald oft nicht entscheiden kann, ob man eine Satire liest oder eine 'ernsthafte' Argumentationslinie". Kevin MacDonald ordnet er aus altmarxistischer Sicht den "bürgerlichen Irrationalen" zu. Nun denn, dann dürfte damit zu Kevin MacDonald ja wohl alles gesagt sein. - Nur, woher der marxistische Antisemitismus eines Josef Stalin und Konsorten herrührt, darüber dürfen wir uns weiter wundern. Vermutlich auch letzte Überreste "bürgerlichen Irrationalismus" beim "Großen Vorsitzenden" Josef Stalin.
___________________
  1. https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/e0/European_Revue_%28Kill_That_Eagle%29_1914.jpg
  2. "Cover Image," The Journal of Modern History 91, no. 3 (September 2019): Front Cover. https://doi.org/10.1086/705934, Inhaltsübersicht: https://www.journals.uchicago.edu/toc/jmh/2019/91/3
  3. https://www.europeana.eu/portal/de/record/9200290/bildarchivaustria_at_Preview_14295072.html
  4. https://www.peacepalacelibrary.nl/imagecollection/european-revue-kill-that-eagle-1914/
  5. https://en.wikipedia.org/wiki/Rage_and_Time
  6. Gerald Izenberg, "Three Faces of Freud," The Journal of Modern History 91, no. 3 (September 2019): 625-660.  https://doi.org/10.1086/704384
  7. Thomas Vordermayer, "Tactical Guidelines in Adolf Hitler’s Mein Kampf," The Journal of Modern History 91, no. 3 (September 2019): 525-556.  https://doi.org/10.1086/704567  
  8. Steve Sailer: Slavoj Žižek on Kevin MacDonald's "Culture of Critique" July 8, 2014, http://www.unz.com/isteve/slavoj-zizek-on-kevin-macdonalds-culture-of-critique/
  9. Derek Hastings: Book Review Hitler’s Monsters: A Supernatural History of the Third Reich. By Eric Kurlander. New Haven, CT: Yale University Press, 2017. Pp. 422, https://www.journals.uchicago.edu/doi/abs/10.1086/704427
  10. Bading, Ingo: Wer auf dem Tiger reitet kann nicht absitzen. Hitler und die Astrologen. 

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