Samstag, 26. März 2011

"... Der durch uns hingeht wie ein Gott ..."

Der stolze Gast

"Er darf, er soll's nicht länger treiben, 
sein Stolz ist unser aller Spott,
Er soll nicht mehr im Lande bleiben, 
der durch uns hingeht wie ein Gott.

Er lacht beim Ruf der Münsterglocken, 
trägt Tag und Nacht sein breites Schwert,
Und trotzig schüttelt er die Locken, 
wenn man ihn unsere Sitte lehrt.

Mit fremden Weisen, kühn und wilde, 
bezwang er unsrer Skalden Kunst: –
Verbann' ihn, Königin Gunilde, 
nicht länger schirm' ihn deine Gunst.

Er kam, ein Flüchtling, sturmverschlagen, 
ans Land und niemand weiß woher:
Die Welle soll ihn wieder tragen, 
den Wilden, in das wilde Meer."

Vom Drachenhelm bis auf die Sohlen 
stand er gehüllt in schwarzes Erz:
Er schwieg: nur manchmal flog verstohlen 
sein Blick durchs Fenster küstenwärts.

Er stand zunächst an ihrem Throne, 
gestützt auf seinen hohen Schild;
Sie lächelt unter ihrer Krone 
und dräut ihm mit dem Finger mild:

"Ihr hört, wie schwer sie Euch verklagen: 
wie wollt Ihr Euch verteid'gen? Sprecht."
Doch er, den Blick emporgeschlagen, 
sprach: "Königin, sie haben recht.

Ich fühle hoch mich, unvergleichbar, 
ob diesen frommen, zahmen Herrn
Und ihrem Sinn so unerreichbar, 
wie ihrem Arm der Morgenstern."

"Hörst du sein freches Überheben! 
Auf, werft den Höhnemund ins Meer!"
Sie aber sprach mit leisem Beben: 
"Und, Fremdling, dieser Stolz, woher?"

"Woher? Nicht, weil dem neuen Glauben 
sich nie dies freie Haupt gebeugt,
Nicht, weil ich, wie der Falk die Tauben, 
die Christenritter oft gescheucht,

Nicht, weil wie Heklas Feueratem 
mein Lied all' ihre Singkunst schmolz,
Nein, nicht auf mir und meinen Taten, 
– auf einem Weibe ruht der Stolz.

Wohl mag sein Haupt zu Sternen heben 
und fühlen sich den Göttern gleich
Der Mann, dem Seel' und Leib gegeben 
die schönste Maid im Nordenreich."

"Und wo, du Prahler," scholl's im Saale, 
"und wer ist dieses Wunderweib?"
Da warf den Schild von schwarzem Stahle 
er mächtig über seinen Leib,

Sein breites Schwert schwang er mit Schalle 
und auf den Thronsitz sprang er hin:
"Dies Weib? wohlan, ihr kennt es alle: 
hier steht es, eure Königin!"
"Ha, Tod dem Frevler," klang es wieder 
und alle Klingen wurden bloß.
"Zu spät," sprach er vom Thron hernieder: 
"der alten Götter Macht ist groß.

Blickt aus zum Strand! Hört ihr es schallen? 
Hie Thor und Odhin! tönt's mit Wucht,
Und meine Drachenschiffe wallen 
mit stolzen Wimpeln in die Bucht.

Mein ist das Reich: und in drei Stunden, 
Herr Bischof, räumet Ihr das Land.
Doch du, mein Weib, das sich verbunden 
dem Flüchtling arm und unbekannt,

Die schönste Nordlandskrone legen 
will auf die weiße Stirn' ich dir,
Denn Sigurd bin ich von Norwegen 
und Meer und Inseln dienen mir."

                                             Felix Dahn

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Peter Sloterdijk hat ganz recht - in "Zorn und Zeit" (1) -, daß in unserer Gesellschaft, Kultur und Psychologie mit und seit Sigmund Freud vor allem Erotik und Libido als handlungsleitende Motive in den Vordergrund gestellt sind. Wann schon einmal sind es der Stolz, der Mut, die Beherztheit, der "Mannesmut", der gerechte Zorn, die Zivilcourage, das Gefühl für Würde und Ehre? In wem würde denn noch leben das Wort Nietzsches (1, S. 60) ...
"Der Mensch strebt nicht nach Glück; nur der Engländer tut das."
Verloren geht dabei vielleicht nicht viel. Verloren geht dabei wohl nur, daß wir noch Menschen sind.

_______________
1. Sloterdijk, Peter: Zorn und Zeit. Politisch-psychologischer Versuch. Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main 2006

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