Montag, 29. November 2010

Vor 87 Jahren im Rheinland: November 1923

Die tiefe Unruhe und Verstörtheit nach dem Ersten Weltkrieg treibt auf einen Höhepunkt zu - nicht nur in Bayern

In einer neuen Dokumentation (1) mit erstmals veröffentlichten historischen Filmaufnahmen kann man ein bischen von der tiefen Verstörtheit und Unruhe herausspüren, von der das deutsche Volk im November 1923 - nicht nur in Bayern und nicht nur im Zusammenhang mit dem dortigen Hitlerputsch - erfaßt gewesen war.

Denn zur gleichen Zeit ereignete sich im Rheinland die Niederschlagung der Seperatistenbewegung (Wikip.), der rheinischen Bewegung "Los von Berlin", der anfangs auch Konrad Adenauer angehörte, und der in Bayern eine (ebenfalls katholisch motivierte) Bewegung "Los von Berlin" parallel ging. Doch die Separatisten, die im Rheinland mit der französischen Besatzungsmacht zusammenarbeiteten und auf den Dörfern plündern gingen, hatten keinen Rückhalt in der Bevölkerung, blieben Außenseiter. Obwohl die Dokumentation versucht, ihnen viel Verständnis entgegenzubringen, wird doch deutlich, wie sehr diese Separatisten von den Menschen gehaßt worden sein müssen.

Ein Zeitungsartikel in der "Rhein-Zeitung" in Koblenz aus dem Jahr 2008 gibt einen ähnlichen eindruck von den Geschehnissen. Wenn man diese Unruhe im damaligen Rheinland im Blick behält, werden einem auch die gleichzeitigen Ereignisse in München und anderen Landesteilen Deutschlands oder Österreichs besser nachvollziehbar.
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  1. Bredenbrock, Claus: Der Feind am Rhein. Die alliierte Besatzung nach dem Ersten Weltkrieg. Ein Film. (WDR, Phönix, --> Youtube 1, 2, 3)

Freitag, 26. November 2010

"Hören Sie mit Ihren üblen Lügen auf oder Ihr Blog wird gelöscht."

Als Beispiel, was für anonyme Zuschriften man als Blogger bekommt, soll hier eine heute nachmittag eingegangene Email veröffentlicht werden. Warum die dortigen inhaltlichen Erörterungen nicht einfach als Kommentar zu dem zugehörigen Blogbeitrag geschrieben wurden, stehe dahin. Wohl um der Drohung willen, die den Anfangssatz bildet, und die jede vernünftige Diskussion von vornherein ausschließt:
"Hören Sie mit Ihren üblen Lügen auf oder Ihr Blog wird gelöscht."
Was soll der Quark? Als hätte ein einzelner Haitianischer Auswanderer, als der sich der Schreiber ausgibt, die Macht, einen Blog zu löschen. Was sollen diese Drohungen und Unterstellungen? Auf diesem Blog werden Argumente ausgetauscht, es findet kein bewußtes Lügen statt. Die Email also lautet:
Dear Mr.Bading,

Please stop your vicious lies, or your Blog will be deleted.
Lies like that seen on your site:

Aber schließlich wird man doch noch fündig, auf einer Diskussionsseite antwortet "Gast" "Chen019" auf die Fragestellung

"Why the discrepancy between the Dominican Republic & Haiti?"

Different average cognitive ability may be a factor.

Unterschiedliche intellekutelle Fähigkeiten könnten ein Faktor sein, gewiß. Er wird sogar der ausschlaggebende Faktor sein. Und nach der Nennung einiger akuteller IQ-Literatur, die für den Neuling sicherlich lesenswert ist, sagt "Chen019":

Die nordamerikanischen Schwarzen haben einen IQ von grob 85. Sie haben aber ihre weißen Mitbürger in der Geschichte offenbar bislang noch nicht so abgemurkst und aus dem Land geekelt wie die Haitianer. Die Schwarzen in Afrika haben einen IQ von grob 65. Haiti liegt also dazwischen. Ein paar weiße Vorfahren haben sich auch hier mit eingemischt, wodurch der durchschnittliche IQ der Haitianer gehoben worden sein wird.

Außerdem wird auf Haiti ein afrikanisch geprägtes Kreolisch gesprochen, kein europäisch geprägtes. Dieser Umstand braucht auch nicht unwichtig sein. Denn Muttersprache prägt nicht ganz unbedeutend Wahrnehmung, Motivation und Verhaltenstendenzen einer Bevölkerung. - Weshalb wir übrigens auch mit unserer eigenen Sprache nicht so ganz achtlos umgehen sollten.
The evidence is:

Studies of skin color. Studies relating darkness of skin color and IQ are easy to do and many have been reported over the years. This literature consistently shows that the correlation of IQ with skin color in the black population is quite low. Even Audrey Shuey (1966), one of the most vehement supporters of the view that the B/W IQ gap is genetic in origin, reached the conclusion that IQ is only weakly associated with skin color. Typical correlations are in the range of .15 (and are even less with degree to which facial features are rated as "Negroid"). Even if we ignore the advantages that might accrue to "blacks" with light skin, a correlation of 0.15 does not suggest that European ancestry exerts a strong genetic influence on IQ. On the other hand, many of the studies reviewed by Shuey had small samples and dubious sampling procedures, and moreover the .15 estimate could be low due to error of measurement. Both skin color and IQ are measured with high reliability, but a major problem with these studies is that while skin color may seem to be a straightforward indicator of degree of European ancestry, it is not. Skin color varies substantially in Sub-Saharan African populations. As a result, some Africans have relatively light skin for reasons that have nothing to do with European ancestry. A strong test of the "European ancestry" hypothesis therefore requires a more reliable indicator.
Studies measuring European ancestry via blood group indicators. Fortunately there are data available that reinforce the null implications of the skin color studies. The frequency of different blood groups varies by race. Under the genetic hypothesis, blacks with mor "European" blood types should have more European genes and hence higher IQs. But Sandra Scarr and her colleagues (Scarr, Pakstis, Katz, & Barker,1977) found that the correlation between IQ and "European" heritage among blacks was only 0.05 in a sample of 144 black adolescent twin pairs. When skin color and socio-economic status were controlled, the correlation dropped slightly to -6
.02. Importantly, although they found the typical correlation of .15 between skin color and IQ, suggesting that the comparable correlations in other studies are due not to Europeanness of genes but to some other factor associated with skin color in the black population.
Loehlin and colleagues (1973) also correlated the estimated Europeanness of blood groups (rather than the Europeanness of individuals, estimated from their blood groups) with IQ in two different small samples of blacks. They found a .01 correlation in one sample and a nonsignificant -.38 correlation in the other sample, with the more African blood groups having higher IQ.

Greetings from an Haitian Expatriate
Auf die Argumente selbst möchte man sich ja auch gerne einlassen. Und sie seien hier deshalb auch gerne zur Diskussion gestellt. Allerdings ist es hochgradig ärgerlich, wenn man dann beim Überprüfen feststellt, daß dieser Text gar nicht - wie impliziert - von dem anonymen Schreiber selbst stammt, sondern nur über "Copy und Paste" als der eigene ausgegeben wird, ohne die entsprechende Literaturangabe mitzuteilen. Der Text ist offenbar von dem Psychologen Richard Nisbett verfaßt, wie man leicht im Netz herausbekommen kann (pdf.) und stammt offenbar aus dem Jahr 1998.

Dementsprechend ist die angegebene Literatur allesamt älteren Datums, was schon einmal ein wenig bezeichnend ist. Nisbett ist bekannt als Forscher, der den Zusammenhang zwischen Volksgruppenzugehörigkeit und Intelligenz zu verneinen versucht. Ich habe gegenwärtig keine Möglichkeit, mir die angegebene Literatur anzuschauen oder mich tiefergehender in diese Diskussion einzulassen. Das hat - bis zum Beweis des Gegenteils - der anonyme Schreiber ja offensichtlich auch nicht getan.

Ihm ging es wohl nur darum, seine Drohung mit ein bischen Text zu untermalen. Aber: So wie dieser anonyme Schreiber redet kein neutral wissenschaftlich denkender Mensch.

Unser Blogbeitrag selbst hatte gar keine definitiven Behauptungen aufgestellt, er hatte nur eine Hypothese formuliert, er hatte Fragen gestellt.

Aber man kann sich nach den bisherigen Erfahrungen fast sicher sein, daß der anonyme Schreiber auf diesen Blogbeitrag sowieso nicht antworten wird und nicht aus seiner Anoymität heraustreten wird.  Diese anonymen Schreiber bleiben gerne Dunkelmänner. Insofern werde ich bis zum Beweis des Gegenteils davon ausgehen, daß der Schreiber dieser Droh-Email gar kein Haitianischer Auswanderer ist, als der er sich ausgibt und als der er glaubt, sich empört fühlen zu dürfen. Die Empörung ist sowieso völlig fehl am Platz, schon weil es in dem kritisierten Blogbeitrag heißt:
Eine IQ-starke Bevölkerung wie Japan kann ein Erdbeben oder eine Flutkatastrophe genauso unvermittelt treffen wie eine IQ-schwache Bevölkerung wie eben die von Haiti oder die von New Orleans. Und das Mitgefühl gehört den Menschen hier wie dort gleichermaßen.
Aber nicht nur deshalb. Wenn Intelligenz eine Rolle spielt bei der Gestaltung von Gesellschaften, dann täte man auch den Haitianern sehr viel mehr Gutes, wenn man das beachten würde, als wenn man es ignorieren würde. Es wäre dann zutiefst inhuman, diesen Umstand nicht zu beachten.

Dienstag, 23. November 2010

Zur Frage nach dem Anteil der Freimaurer an der Machtergreifung Adolf Hitlers, an der Gestapo und damit am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges (3. Teil)

"Die Nachkriegsgesellschaft im langen Schatten des Nationalsozialismus" (Buchtitel, 2008)

Der "Spiegel" - (nur) in der Frühzeit ein (totalitaristisches) "Nazi-Blatt"?

Rudolf Augstein 1973
In Teil 1 und Teil 2 dieser Aufsatzreihe gaben wir einige Daten zu den Hintergründen des Reichstagsbrandes wieder und der Art seiner geschichtlichen Aufarbeitung durch Fritz Tobias und zwar ausgerichtet nach jenen Vorarbeiten, die von dem Journalist Hersch Fischler zu diesem Thema veröffentlicht worden sind. Hier im 3. Teil soll nun Hersch Fischler selbst zu Wort kommen mit den wesentlichsten Auszügen seiner Aufsätze und Artikel. Zur allgemeineren Einordnung soll aber zuvor aus einer Rezension zu einer Biographie von Rudolf Augstein zitiert werden (19), die gut die allgemeine Situation in der frühen Bundesrepublik umreißt, in die sich auch die Mitarbeit von Fritz Tobias beim "Spiegel" einordnet. In der Frühzeit beschäftigte der "Spiegel",

das "deutsche Nachrichtenmagazin" ehemaliges Führungspersonal der Gestapo, der Reichskriminalpolizei und des Sicherheitsdienstes (SD) nicht nur als Autoren. Mit Georg Wolff und Horst Mahnke waren Leute als stellvertretender Chefredakteur (Wolff) und Ressortleiter (Wolff und Mahnke) tätig, die vorher schon beim Sicherheitsdienst der SS Karriere gemacht hatten. (...)

"Einen Kujau musste Augstein nie beschäftigen, seine Serien wurden von echten Nazis geschrieben." (...)

(Der Historiker) Hachmeister charakterisierte den SD korrekt als "Mischung aus Secret Service, Meinungs-Observatorium, Ideologiefabrik und Mordbüro". Beim "Spiegel" habe zwar keine Direktive existiert, "die auf Entschuldung der NS-Täter zielte", dennoch habe das Magazin für SD-Leute "als Relaisstation für neue Orientierung im demokratischen Staat" gedient: "Der Spiegel entwickelte sich zu einer SD-Mailbox, in der kräftig um die eigene Sache geworben wurde." 
Prof. H. Köhler, Hersch Fischler

Wenn man den Mordfall Barschel aus der Sicht von Wolfgang Baentsch betrachtet, könnte man noch heute sagen, daß der "Spiegel" - - - eine "Mischung aus Secret Service, Meinungs-Observatorium, Ideologiefabrik und Mordbüro" darstellt. Und auffallend genug ist es, daß weder die Chefredakteure des "Spiegel" selbst, noch die der "Zeit" bis heute bereit waren, sich mit diesen merkwürdigen NS-Frühgeschichten ihrer eigenen Publikationsorgane zu beschäftigen.

Ein Loblied auf die - von Sozialdemokraten gesäuberte - Kriminalpolizei im NS-Staat. Wo? - Im "Spiegel".

Hersch Fischler nun (siehe auch Foto rechts) schreibt konkreter zu den speziellen Hintergründen des Falles "Fritz Tobias", der sich in diese allgemeine Situation beim "Spiegel" und in der frühen Bundesrepublik (31 - 33) einordnet (7):

Im Heft vom 29. September 1949 kündigte Rudolf Augstein eine Serie über den Chef des Reichskriminalpolizeiamtes Arthur Nebe und die Geschichte der deutschen Kriminalpolizei im III. Reich an („Das Spiel ist aus - Arthur Nebe“). Anhand zahlreicher großer Kriminalfälle wurde dargestellt, wie erst die zunehmende Zentralisierung der kriminalpolizeilichen Arbeit in der Weimarer Republik und im III. Reich die Lösung komplexer Kriminalfälle ermöglichte. Sie schilderte eindrucksvolle Ermittlungserfolge der Kriminalisten in dem bereits in der Weimarer Republik konzipierten und 1936 von den Nationalsozialisten realisierten Reichskriminalpolizeiamt (RKPA). Der SPIEGEL behauptete, es habe im Dritten Reich entscheidende Unterschiede zwischen RKPA einerseits und der Gestapo, sowie dem Sicherheitsdienst (SD) der SS andererseits gegeben, obwohl Heydrich 1939 alle drei Institutionen im Reichssicherheitshauptamt (RSHA) zusammengefaßt hatte. Die führenden Kriminalisten des RKPA seien praktisch (mit Ausnahme von RKPA-Chef Arthur Nebe, dessen Verstrickung in den Völkermord an den Juden und andere NS-Verbrechen eindringlich geschildert wurde) keine Nationalsozialisten gewesen, sondern nur formal, gleichsam „honoris causa“, und unfreiwillig Mitglieder der SS geworden. (...)

Die Nebe-Serie wurde die längste, die der SPIEGEL jemals veröffentlichte. Offenbar lag sie dem Spiegel-Begründer Augstein besonders am Herzen. Zum Abschluß der Serie machte er in einem Nachwort nochmals deutlich, worauf es ihm ankam: Die Serie führe „den heutigen Polizeiverantwortlichen vor Augen, daß die Kriminalpolizei zentrale Weisungsbefugnis für das gesamte Bundesgebiet nötig hat" und deshalb „auf ihre alten Fachleute zurückgreifen muß, auch wenn diese mit einem SS-Dienstrang angeglichen worden waren.“ Eine Ausschaltung der „Angeglichenen“ bei der Besetzung der Bundeskriminalpolizei würde nur Bonner „Partei-Kriminalisten“ Raum schaffen. Im Dritten Reich politisch verfolgte, insbesondere sozialdemokratische und aus Emigration zurückgekehrte Polizeifachleute hatten damals im SPIEGEL keine gute Presse. Sie wurden im Gegensatz zu den „Angeglichenen“ als unterqualifiziert dargestellt.

Offensichtlich also waren hier Polizeifachleute angesprochen, die unter Otto Braun und Carl Severing die preußische Polizei aufgebaut hatten und die - unter anderem - der (Auslands-)Finanzierung der NSDAP nachgegangen waren. Hierzu zählt insbesondere Wilhelm Abegg, der die preußische Polizei nach dem Ersten Weltkrieg aufgebaut hatte, und der während des Dritten Reiches vielfältige Aktivitäten zum Sturz Hitlers entfaltete und auch nach 1945 voller Tatendrang war. Er starb 1951. Sehr plausibel also, daß sich diese Spiegel-Serie insbesondere gegen Abegg und seinen tatendurstigen Kreis richtete, mit dem man sich auch einmal genauer befassen sollte. Hersch Fischler schreibt weiter:

Die treibende Kraft für die Errichtung des BKA war (...) der ehemalige Kriminalkommissar, SS- und SD-Mann Paul Dickopf (...) Schon die internen Papiere Dickopfs (...) machen deutlich, daß Augsteins Kommentare und die Berichterstattung des SPIEGEL zur Lage der Kriminalpolizei und zur Schaffung des BKA in den entscheidenden Jahren 1949-1951 paßgenau mit Dickopfs Konzept übereinstimmten. Zum Teil entsprechen wichtige Details der Berichte wortgetreu vertraulichen Informationen Dickopfs und leisteten ihm geschickt publizistische Schützenhilfe, z.B. im SPIEGEL-Bericht vom 9. März 1950, wo sozialdemokratischen Polizeifachleuten geschickt die Demokratie gefährdende Absichten hinsichtlich des BKA unterstellt werden. (...)

All das sollte eigentlich Anlaß geben, sich einmal sehr gründlich mit Wilhelm Abegg zu beschäftigen. Fischler weiter:

Wo alte Kameraden des RSHA eindeutig schwer belastet waren, verzögerte sich die Wiederverwendung mitunter. Aber auch hier half Augsteins Spiegel nach. Am 14. März 1951 berichtete er über das gerade erlassene BKA-Gesetz und monierte, daß „die Elite der alten Sherlock Holmes aus dem RKPA“ zwar „rehabilitiert, aber in der Mehrzahl bis jetzt noch nicht wieder eingestellt“ sei. Zehn noch wartende deutsche Kriminalisten wurden namentlich aufgeführt. Darunter befanden sich drei, die bereits in die allerersten Anfänge der „fachmännischen“ NS-Kriminalistik verwickelt gewesen waren, die Reichstagsbrandermittlungen. Neben Kriminalrat a.D. Helmut Müller, der in der Nacht des Reichstagsbrands die nicht von v. d. Lubbe stammende Fingerspuren gesichert hatte, befinden sich unter diesen Männern zwei, die für die weitere Spiegel-Berichterstattung eine entscheidende Rolle spielen sollten: Dr. (Walter) Zirpins, der die für Marinus van der Lubbe verhängnisvollen polizeilichen Geständnisprotokolle gefertigt und vor dem Reichsgericht beschworen hatte, und Kriminalrat a.D. Rudolf Braschwitz, der in der Reichtagsbrandkommission der Geheimen Staatspolizei 1933 ermittelte. (...)

Auch Zirpins stieg wieder empor. Begleitet von der publizistischen Fürsprache des SPIEGEL wurde er 1951 Leiter des Referates 24 (Kriminalpolizei) im niedersächsischen Innenministerium und damit (...) faktischer Leiter (des Landeskriminalamtes). (...)
Der 1951 zusammen mit Zirpins zur Wiedereinstellung empfohlene Reichstagsbrandermittler Dr. Braschwitz war unterdessen ebenfalls wieder aufgestiegen. Er wurde stellvertretender Leiter der Kripohauptstelle Dortmund. Am 2. Januar 1959 schrieb ein ehemaliger Gestapohäftling an die Staatsanwaltschaft Dortmund, er habe Dr. Braschwitz Ende 1958 zufällig gesehen und wiedererkannt. Im Oktober 1933 hätte ihn Braschwitz zusammen mit anderen Gestapobeamten schwer mißhandelt um eine Aussage zu erpressen. Es gab sofort Pressemeldungen über den Vorfall. Braschwitz' Tätigkeit in der Reichstagsbrandkommission der politischen Polizei wurde sofort ein Thema und es wurde der Vorwurf erhoben, Braschwitz habe 1933 vor dem Reichsgericht als Zeuge falsch ausgesagt. Die Staatsanwaltschaft Dortmund leitete Anfang 1959 ein Ermittlungsverfahren gegen Braschwitz wegen des Verdachts des Meineids im Reichstagsbrandprozeß ein (Aktenzeichen 10 Js 1/59).

Da damals in der Öffentlichkeit und der Geschichtswissenschaft noch die Meinung herrschte, daß der Reichstagsbrand von den Nationalsozialisten gelegt und die tatsächlichen Täter von der politischen Polizei gedeckt wurden, waren nachhaltige Ermittlungen nicht zu vermeiden. Zeugen wurden herangezogen, unter anderem Dr. Zirpins, der 1933 ja ebenfalls als Mitglied der politischen Polizei in Sachen Reichstagsbrand ermittelt hatte. Für Dr. Zirpins entstand Gefahr, selbst Beschuldigter eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts des Meineids zu Ungunsten Marinus van der Lubbes vor dem Reichsgericht zu werden.

Ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, da die Ermittlungen gegen Braschwitz sich ausdehnten, kündigte Rudolf Augstein im SPIEGEL vom 21. Oktober 1959 in einem engagierten Editorial die Serie über den Reichstagsbrand mit neuen, umwälzenden Erkenntnissen an: Jahrelange, gründlichst vom SPIEGEL überprüfte Recherchen des Oberregierungsrates Fritz Tobias hätten ergeben, daß Marinus van der Lubbe Alleintäter gewesen sei.

Juristische Ermittlungen gegen hohe bundesdeutsche Beamte veranlassen das Tätigwerden

  1. des "Spiegel"
  2. von Verfassungsschutz-Mann Fritz Tobias und 
  3. des "Instituts für Zeitgeschichte" in München (1959)
Proteste gegen Globke

Also ein hochgradig auffälliges zeitliches Zusammentreffen, alles gut aufeinander abgestimmt. Man hatte sich sogar in langjährigen Vorarbeiten auf derartige Ereignisse "weitsichtig" vorbereitet. - Und man fragt sich schon hier parallel, worauf sich Fritz Tobias dann möglicherweise eigentlich mit seiner Arbeit zur Blomberg-Fritsch-Krise vorbereitet hatte ... Wollte er einen Gestapo-Mann wie Werner Best bei Gelegenheit "unter die Arme greifen" ...? Und war das dann nicht mehr nötig, da Werner Best sich über lange Jahre hinweg mit ärztlichen Attesten behalf und schließlich vor der Verfahrenseröffnung starb?

Übrigens an dieser Stelle gleich der Hinweis, daß nicht nur (etwaig) die Freimaurer so verfahren sind, wie hier beschrieben, sondern auch die katholische Lobby hochgestellte Persönlichkeiten wie den Staatssekretär Globke (Foto rechts) vor juristischen Zugriffen geschützt hat (32). Und außerdem der Hinweis, daß es auch sonst mancherorts "Nazijäger" mit "Nazivergangenheit" gegeben hat (33). Über diese ganz merkwürdigen "Erfolggeschichten der Bundesrepublik Deutschland", die noch wenigen wirklich richtig ins Bewußtsein gedrungen ist, müßte überhaupt einmal ein Gesamtüberblick erarbeitet werden. Gerade erst hat sich das Auswärtige Amt dazu durchgerungen, die personellen Kontinuitäten über das Jahr 1945 hinweg unter die Lupe zu nehmen (siehe Foto links). - Fischler jedenfalls weiter:

Zirpins selbst trat in der Serie als glaubwürdiger Kronzeuge für die Alleintäterschaft Marinus van der Lubbes auf. (...) Der Autor der Serie, Fritz Tobias, arbeitete bereits 1951 bei Zirpins Wiederverwendung mit ihm im niedersächsischen Innenministerium zusammen und beide hatten, wie aus einem Schreiben von Tobias an Zirpins vom 13.Februar 1960 hervorgeht, in Sachen Getto Lodz „böse Absichten“ Dritter zu befürchten. (...)
Die Serie wirkte für Dr. Zirpins wie eine maßgeschneiderte Entlastung gegen mögliche Vorwürfe, er habe vor dem Reichsgericht gegen Marinus van der Lubbe falsch ausgesagt und andere, nationalsozialistische Täter gedeckt. (...) Da van der Lubbe leider mit dem Tode bestraft und hingerichtet wurde, so Augstein in seinem engagierten Nachwort im SPIEGEL 2/1960, sei das Thema Reichstagsbrand erledigt und sollte „aus und vergessen“ sein. (...) Die SPIEGEL-Serie zeigte Wirkung. Beschuldigte ehemalige Nationalsozialisten und auch Dr. Braschwitz beriefen sich auf die Ergebnisse des angeblich sorgfältig recherchierenden SPIEGEL und erreichten eine Einstellung der Verfahren. Gegen Zirpins wurde in Zusammenhang mit seiner Ermittlungstätigkeit in Sachen Reichstagsbrand kein Verfahren mehr eröffnet.

An anderer Stelle (11) erfahren wir von noch höher gestellten "Interessierten" an einer Popularisierung der Alleintäter-These:

"Es gab es einen hohen Beamten im Bonner Innenministerium, der ein Interesse daran hatte, seine kriminelle Verstrickung in den Fall Reichstagsbrand zu verheimlichen", sagte der Zeithistoriker Hersch Fischler der Netzeitung, der die Aktennotiz von 1962 fand.
Es geht um Ministerialdirektor Hans Schneppel (1903-1973), seinerzeit Leiter der Abteilung VI des Bundesinnenministeriums, Öffentliche Sicherheit, zuständig für Geheimschutz, Staatsschutz I und Bundesverfassungsschutz, Staatsschutz II und Bundeskriminalamt, Bundesgrenzenschutz und Bereitschaftspolizei der Länder. Mit der Fülle dieser Dienstbereiche war Schneppel einer der wichtigsten und einflussreichsten Bonner Beamten.
Zur Zeit des Reichstagsbrandes - 30 Jahre vorher - war Hans Schneppel Assessor bei der Politischen Polizei, Abt. I A im Berliner Polizeipräsidium gewesen, die durch Oberregierungsrat Diels direkt aus der Polizeiabteilung von Görings Preußischem Innenministerium geleitet wurde.
In der Nacht des Brandes stellte er rechtswidrige Haftbefehle gegen Regimegegner aus, die noch in der gleichen Nacht vollstreckt wurden. (...)
Später spielte Schneppel beim Reichstagsbrandprozess als Mitarbeiter der Gestapo eine wichtige Rolle. Die Originalakten (...). Aus ihnen geht hervor, dass Hans Schneppel im Herbst 1933 dabei half, Aussagen im Reichstagsbrandprozess vorzubereiten und zu manipulieren.
Beispielsweise forderte er den Leiter des Geheimen Staatspolizeiamts, Rudolf Diels, in einem Schreiben auf, seine zu erwartende Zeugenaussage vor dem Reichsgericht im voraus abzustimmen, um das deutlich ins Wanken geratene Alibi des SA-Führers Graf Helldorf nicht noch mehr zu erschüttern.
Manipulationen zu Gunsten NS-Verdächtiger waren auch nach damaligem Recht strafbar. Wären Schneppels kriminelle Verstrickungen in die Ermittlungen zum Reichstagsbrand Anfang der 60er Jahre bekannt geworden, so hätte dies seine Karriere in größte Turbulenzen gebracht und wahrscheinlich beendet, meint Fischler.
Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel hatte 1959/60 mit einer groß angelegten Serie über spektakuläre Forschungsergebnisse zum Reichstagsbrand überrascht.Für Schneppel waren die dort vorgetragenen Erkenntnisse ein guter Schutz. Die Spiegel-Serie behauptete, die Nationalsozialisten seien am Reichstagsbrand von 1933 völlig unbeteiligt gewesen und die damaligen Kriminalisten hätten keine NS-Täter gedeckt. Recherchiert hatte die Serie Fritz Tobias - ein Verfassungsschützer.
Fischler ist nach seinen Recherchen überzeugt, daß Schneppel selbst es war, der die Entwicklung der Alleintäterthese förderte. Für seine Auffassung sprechen die Parallelen in den beruflichen Lebensläufen von Hans Schneppel und Fritz Tobias. (...)
Tobias arbeitete ab 1959 in Hannover im Verfassungsschutz, während Schneppel zur gleichen Zeit in Bonn als oberster Beamter die Aufsicht über den Verfassungsschutz übernahm. Fischlers Fazit: "In Sachen Reichstagsbrand strickte also ein Verfassungsschutzbeamter mit der Alleintäterthese eine Legende, die frühere kriminelle NS-Verstrickungen des obersten Ministerialbeamten, der den Verfassungsschutz beaufsichtigen sollte, vertuschte."
Die vom Spiegel verbreitete Alleintäterthese hatte Aufsehen erregt - und starke Zweifel. Das Institut für Zeitgeschichte (IfZ) musste sich mit der Spiegel-Publikation befassen und beauftragte den Historiker Hans Schneider, den Fall zu überprüfen. Schneider kam 1962 zu dem Ergebnis, dass die Behauptung, van der Lubbe habe den Reichstag allein in Brand gesetzt, schlichtweg eine Geschichtsfälschung sei. (...)
Anhaltspunkte dafür, dass Hans Schneppel 1962 mit den ihm vertrauten, geheimdienstlichen Methoden in die Forschungsarbeit des IfZ eingreifen ließ, um Hans Schneiders unbequem gewordene Arbeit zu blockieren, sieht er aber in der "dubiosen, an Zersetzungsstrategien von Geheimdiensten erinnernden Vorgehensweise und der Lautlosigkeit des Vorgehens des Instituts gegen Schneider, die ohne Niederschlag in den Erörterungen des Stiftungs- oder wissenschaftlichen Beirates blieb". Fischler: "Wie anders war es möglich, dass eine so einschneidende Maßnahme wie ein generelles Publikationsverbot für einen wissenschaftlichen Mitarbeiter vor dem wissenschaftlichen Beirat nicht erörtert wurde?"

Norden, SED, 1963

Über diese und weitere zu schildernde Hintergründe ist 2003 eine Fernsehdokumentation beim SWR erstellt worden. In Youtube-Video's (a, b) kann man wesentliche Auszüge dieser Dokumenation ansehen. Es werden auch alle Hauptbeteiligten in Interview's vorgestellt (vor allem Fritz Tobias, Prof. Mommsen vom IfZ, sowie der jetzige Leiter des IfZ).

Fischler stellt dann Mutmaßungen darüber an, warum die Sowjetunion und die DDR, die im Besitz der Reichstagsbrand-Akten waren, offenbar ebenfalls kein Interesse an der Klärung der Sachverhalte hatten, bzw. an der Richtigstellung der westdeutschen Geschichtsverfälschung durch Fritz Tobias: Sie konnten durch die Monopolisierung ihres Wissens führende Beamte der westdeutschen Kriminalpolizei erpressen. Ein allgemein übliches Vorgehen in damaliger Zeit, das noch längst nicht erschöpfend erforscht ist.

Beispielsweise präsentierte der DDR-Politiker Albert Norden (siehe Bild links) im Jahr 1963 belastende Dokumente über die nationalsozialistische Vergangenheit des westdeutschen Bundesvertriebenenministers  Hans Krüger, der daraufhin seinen Hut nehmen mußte (Wikip.). Vielleicht noch viel aufschlußreicher als die Tatsache, wann die DDR Vergangenheits-Aufklärung gegenüber westdeutschen Politikern betrieb, wäre es wohl zu fragen, wann sie das nicht tat. Und was man daraus für Schlußfolgerungen hinsichtlich von Gegenleistungen ableiten kann.

Zündete der Pressereferent von Josef Goebbels den Reichstag an?

Weiter berichtet Fischler über den der persönlichen Pressereferent von Josef Goebbels, Wilfried von Oven, der 1951 mit einem von Rudolf Augstein persönlich unterschriebenen Presseausweis als "Spiegel"-Korrespondent nach Argentinien geschickt worden ist:

In den sechziger Jahren informierte der Berliner Journalist Alfred Weiland den damaligen Bundesjustizminister und auch den SPIEGEL über seine Erlebnisse in den Tagen vor der Reichstagsbrandstiftung. Er gab an, er habe damals als Funktionär der Allgemeinen Arbeiterunion (AAU), einer von Moskau unabhängigen syndikalistischen linken Organisation, Kontakt mit van der Lubbe gehabt, der von den holländischen Rätekommunisten nach Berlin gesandt worden sei. Van der Lubbe sei aber in seiner Unwissenheit und Naivität in Kreise von SA- und politischen Polizei-Spitzel geraten. Diese hätten ihn in provokative, aufsehenerregende Aktionen hineingezogen, die die Notstandsmaßnahmen der Regierung Hitler rechtfertigen und herbeiführen sollten. Ein Student Wilfried van Oven (!) sei damals ebenfalls Mitglied der AAU gewesen. Er habe Kontakt zu van der Lubbe gehabt und sei nach dem Reichstagsbrand zu den Nationalsozialisten übergegangen.

Fischlers These: Nicht die Nazis, sondern die Nationalkonservativen zündeten den Reichstag an - wegen des "Osthilfe-Skandals" rund um Otto von Hindenburg

Hersch Fischler schreibt an anderer Stelle (6):

Der Holländer Constant Ferdinand Schoch wurde nach tagelanger Fahndung am 4. März 1933 festgenommen, weil er der Fahrer eines von der Bevölkerung als verdächtig gemeldeten holländischen Autos war, das am Nachmittag des Brandtages und auch zur Brandzeit am Reichstag beobachtet worden war. (...)

Und aus Anlaß dieses Schoch kommt Fischler zu sprechen auf die tatsächlichen Hintergründe des Reichstagsbrandes nach seiner eigenen Einschätzung. Offenbar sind die Andeutungen, die Fischler hier macht, noch an keiner Stelle in der Literatur wie angekündigt weiter ausgeführt worden:

(...) Da aber im Fall des Tatverdächtigen Schoch, wie noch gezeigt werden wird, Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß nicht nur die Nationalsozialisten, sondern auch ihre damaligen konservativen Koalitionspartner an der Brandstiftung im Reichstag beteiligt waren, stellt sich die Frage nach dem cui bono, nach den Motiven dieses politischen Verbrechens, die Historiker und Politikwissenschaftler am meisten interessieren, unter neuen Gesichtspunkten. Die Geschichtswissenschaft hat Anlaß, die Bedeutung des Reichstagsbrandes für das Ende von Weimar und die Machteroberung der Nationalsozialisten nochmals zu untersuchen.

Fischler schreibt (6):

Bislang unbekannte Beweise und Indizien liefern Anhaltspunkte dafür, daß die Nationalsozialisten zusammen mit ihren damaligen Koalitionspartnern von der Kampffront Schwarz-Weiß-Rot (Franz von Papen, Deutschnationale Volkspartei und Stahlhelm) den Brand im Reichstag legten. Die Akten des Fond 551 werfen neue Fragen zur Rolle von Hitlers konservativen Koalitionspartnern bei der Machteroberung der Nationalsozialisten auf. Sie lenken die Aufmerksamkeit auf den Osthilfeskandal im Januar und Februar 1933, dessen Bedeutung für die Bildung des Kabinetts Hitler, die Auflösung und Neuwahl des Reichstags und das Ende von Weimar zwar vielfach angedeutet, aber nicht ausführlich untersucht wurde.

Zu diesem Zweck haben wir ja schon ausführlich den überraschend auskunftfreudigen Wikipedia-Artikel zum Osthilfe-Skandal zitiert. Fischler schreibt dann:

(...) Die Dokumente des Fond 551 (...) zwingen dazu, nochmals zu überprüfen, inwieweit nicht auch die konservativen Bündnispartner der Nationalsozialisten von der "Kampffront Schwarz-Weiß-Rot" ein drängendes Motiv für die Teilnahme an der Reichstagsbrandstiftung hatten und die Nationalsozialisten ein starkes Interesse an deren Komplizenschaft.

Die überaus schnelle Machteroberung der Nationalsozialisten im Jahre 1933 läßt im Rückblick leicht verkennen, wie die Haltung der Koalitionspartner in der Hitlerregierung gegenüber dem Reichstag tatsächlich aussah. Nicht nur die Nationalsozialisten, sondern auch ihre Partner von der Kampffront Schwarz-Weiß-Rot wollten dem Reichstag als demokratischem Parlament unter allen Umständen ein Ende bereiten. Die Nationalkonservativen waren dem Reichstag gegenüber sogar noch feindlicher eingestellt als die Nationalsozialisten.

Die Nationalsozialisten waren stärkste Fraktion im Reichstag und nutzten ihre Reichstagspräsenz sehr effektiv. Einer ihrer Führer, Göring, war Reichstagspräsident. Sie konnten im Reichstag die Präsidialregierungen wirksam bedrohen, bei möglichen Koalitionsregierungen unverzichtbarer Partner sein, Einkommen für ihre in der Regel nicht gerade wohlhabenden Funktionäre erzielen und sehr wirksam Propaganda treiben. Die Kampffront Schwarz-Weiß-Rot hatte keine relevante Präsenz im Reichstag. Franz von Papen hatte sich mit seiner früheren Partei, dem Zentrum, gründlichst überworfen und besaß keinen eigenen parlamentarischen Anhang. Der Stahlhelm war ein politischer Verband ehemaliger Frontkämpfer, der die Parteiendemokratie explizit ablehnte und eine außerparlamentarische Opposition zwecks Beseitigung des "Weimarer Systems" zugunsten einer autoritären, monarchistischen Regierung betrieb. Die Deutschnationale Volkspartei war mit ihrer geringen Anzahl von Abgeordneten parlamentarisch ohne relevanten Einfluß und ohne entscheidende Bedeutung für Koaltionsbildungen. Auch ihr Ziel war die Beseitigung des "Weimarer Systems" und des Parteieneinflusses zugunsten einer autoritären, die Monarchie wieder errichtenden Regierung, wofür sie im Reichstag aber kaum etwas bewirken konnte. Stattdessen zog sie sich noch die Kritik ihrer Sympathisanten und potentiellen Wähler zu, sich zu sehr am parlamentarischen System zu orientieren.
Im Januar und Februar 1933 war der Reichstag Hitlers Koalitionspartnern - also von Papen, dem Stahlhelm und den Deutschnationalen - gerade besonders verhaßt geworden. In ihm drohte die parlamentarische Untersuchung eines Skandals, der viele prominente Mitglieder von DNVP und Stahlhelm betraf und sowohl die Deutschnationale Partei, von Papen, als auch den Reichspräsidenten Hindenburg und sogar die von den Nationalkonservativen verehrte Familie des Kaisers in Doorn an den öffentlichen Pranger zu stellen drohte. Hitlers konservative Koalitionspartner hatten wirklich drängende Motive, den Reichstag auszuschalten ....

Reichstag anzünden, damit der "Osthilfeskandal" sich von selbst erledigt

(Hervorhebung nicht im Original.) Leider gibt es zum Tatmotiv "Osthilfeskandal" am Ende dann nur die folgende redaktionelle Bemerkung:

Zur weiteren Ausleuchtung des Osthilfeskandals als einem möglichen Motivhintergrund nationalkonservativer Mittäterschaft am Reichstagsbrand hat Hersch Fischler ein zweites Manuskript angekündigt, das die Redaktion des Forums später nachreichen wird.

In dem Zusammenhang könnte wichtig sein, daß, wie schon im früheren Teil erwähnt, der Berliner Polizeipräsident zuvor als Vermittler gegenüber dem Kaiser in Holland tätig gewesen ist, Zusammenhänge, die ja auch von Fischler angedeutet werden. Aber ie gesagt, von Fischler ist ein solches zweites Manuskript bislang offenbar nicht veröffentlicht worden. (Oder haben wir es übersehen?)

Spannend ist ja diese seine These unter anderem deshalb - und hier mag sich ein Kreis schließen -, weil auch der Freimaurer- und Kriegsgener Erich Ludendorff im Jahr 1932 in seiner Wochenzeitung "Ludendorffs Volkswarte" den Osthilfe-Skandal rund um den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg breit thematisierte und ihn - offenbar richtigerweise - als einen der Hauptgründe dafür annahm, daß Hindenburg Hitler zum Reichskanzler ernannte. Möglicherweise handelt es sich hier also keineswegs um "abseitige" Themen, sondern um die zentralsten, die man sich überhaupt nur vorstellen kann. Jedenfalls schreibt Fischler weiter:

Die politische Polizei wurde von einem wenige Tage zuvor neu ernannten Chef geleitet, Oberregierungsrat Dr. Rudolf Diels. Diels war ein Günstling des Nationalsozialisten Göring und des nationalkonservativen Vizekanzlers im Kabinett Hitler, Franz von Papen. Er wurde im April 1933 der erste Chef der Gestapo.

Auch Gestapo-Chef Rudolf Diels vertuschte die Schuldigen am Reichstagsbrand und durfte 1949 für den "Spiegel" schreiben ...

Bei dem Namen Rudolf Diels mögen so manche Glocken läuten. Auch dieser leitende Gestapo-Beamte Rudolf Diels war - schon 1949 - ein "Spiegel"-Autor gewesen (Wikip.). Er wurde als „Beamter zur Wiederverwendung“ bis zu seinem Tode vom Land Niedersachsen besoldet (s. Wikip.). Diels hatte sich 1930 gegen Abegg gestellt, war also frühzeitig eine leitende Persönlichkeit bei der preußischen Polizei, die Kooperationsbereitschaft mit den Nationalsozialisten zeigte, so wie alle anderen mit den Reichstagsbrand-Ermittlungen Befaßten. Diels starb im November 1957 an einem Jagdunfall. Kurz zuvor soll er den Plan gehabt haben, in Zusammenarbeit mit dem "Institut für Zeitgeschichte" eine Rekonstruktion der Vorgänge um den Reichstagsbrand zu erarbeiten (s. Wikip.). Fischler nun weiter:

Dem Verdacht gegen Heise und Albrecht gingen Diels Beamte nicht weiter nach. Auch an den Ermittlungen gegen F.C.A. Schoch, einen Holländer, der am 4.3 nach einer am 28.2 einsetzenden Fahndung festgenommen wurde, scheint man kein Interesse gehabt zu haben. Schochs Wagen mit holländischem Kennzeichen war von zahlreichen Zeugen am Brandtag vor Portal 5 des Reichstag beobachtet und als verdächtig gemeldet worden. Die politische Polizei stellte bei den Vernehmungen Schochs fest, daß dieser auch zur Brandzeit vor dem Reichstag gehalten hatte und zuvor am Mittag wahrscheinlich im Reichstag gewesen war. Obwohl er kein Alibi für die Anfangszeit der Brandstiftung hatte, wurde Schoch schnell freigelassen, als er intensive Kontakte zu Deutschnationalen und Sympathien für die Nationalsozialisten offenbarte. Der Tatverdacht gegen ihn wurde nie bekannt. Während des III.Reiches lebte er in Deutschland und Österreich und nahm eine Führungsposition in Goebbels Filmindustrie ein. (...)
Da wichtigen Spuren nicht weiter nachgegangen wurde, wenn sie ins Lager der Regierungpartner verwiesen, geben die Akten des Fonds 551 außer zu den bereits erwähnten drei Personen Albrecht, Heise und Schoch keine Hinweise zu der wahrscheinlichen Identität der beteiligten Brandstifter. Die Spuren lassen es aber als plausibel erscheinen, daß die Brandstiftung von Nationalsozialisten und ihren damaligen nationalkonservativen Bündnispartnern unter Beihilfe von Beamtenpersonal des Reichstages vorgenommen wurde. (Seit 1932 war Göring Reichstagspräsident) (...)

Wie in den Akten enthaltene Zeugenaussagen nahelegen, die von der politischen Polizei nicht beachtet wurden, öffneten Helfer ihnen wahrscheinlich die Portale 2 und 3.

Schon 1929 hatten Freikorpskämpfer einen Bombenanschlag auf den Reichstag verübt

Fischler weiter:

Die Nationalsozialisten und ihnen nahestehende radikale Gruppierungen hatten damals eigene Nachrichtendienste für die Ausspähung der Kommunisten und Linken. Die suchten nach jungen tatdurstigen Aktivisten wie van der Lubbe, die man irreführen und für Provokationen nutzen konnte. Wegen seiner mangelnden Sehkraft war es besonders leicht, van der Lubbe etwas vorzuspielen, ohne in Gefahr zu geraten, daß er später viel verraten konnte.

Eine sehr wichtiger Hinweis, der 1933 nicht verfolgt wurde, führt zu einem Bombenanschlag auf den Reichstag, der 1929 stattfand. Das Attentat ist heute völlig vergessen. Am 1. September 1929 ließen ehemalige Freikorpskämpfer eine Zeitbombe an der Nordseite des Reichstags explodieren. Die Bombenleger von 1929 kamen aus der Organisation Consul bzw. Brigade Ehrhardt, die in der frühen Weimarer Republik rechtsterroristisch aktiv war (z.B. Rathenau-Mord) und dann 1933 zeitweilig zu den Nationalsozialisten und zur SS stieß. Die Ermittler hätten 1933 dieser Spur sofort nachgehen müssen, taten dies aber nicht, selbst als sie aus der Bevölkerung auf sie hingewiesen wurden. Nach späteren Berichten eines Beteiligten und zeitgenössischen Zeugen war einer der Bombenleger von 1929 der später berühmt gewordene Schriftsteller Ernst von Salomon (1902-1972), der als Mitglied der Organisation Consul schon wegen Beihilfe beim Rathenaumord verurteilt worden war.

Die Reichstagsbrandstiftung weist in wichtigen Punkten erstaunliche Übereinstimmungen mit dem Attentat von 1929 auf. (...)

Im Februar 1933 war Ernst von Salomon wieder in Berlin in der Organisation des Kapitän Ehrhardt aktiv. Andere Täter des Reichstagsattentats von 1929 waren zur SS gestoßen, blieben aber trotzdem bei Ehrhardt organisiert. Ehrhardt verfolgte die Strategie, einen kommunistischen Aufstandsversuch zu provozieren oder vorzutäuschen, um dann mittels einer Notverordnung die Weimarer Demokratie durch eine nationale Diktatur abzulösen und die Kommunisten auszuschalten. (...)
Die 1933 nicht verfolgte Spur zum Reichstagsattentat von 1929 wirft heute noch die Frage auf, ob sich die nationalsozialistischen Führer nicht der "bewährten" Terroristen der früheren Organisation Consul bedienten, um die Reichstagsbrandstiftung "professionell" durchführen zu lassen. 

Soweit die - soweit übersehbar - wesentlichsten Thesen von Hersch Fischler zum Thema Reichstagsbrand.

Woher kommt dieses allseitige Denken und Handeln auf "ähnlichen Frequenzen" nach 1945?

Es ist nun bemerkenswert, daß es gerade Ludendorff war, der viel zur öffentlichen Kritik an diesen Vorgängen beitrug, und daß gerade dieser Ludendorff nun von Fritz Tobias, der auch die eigentlichen Brandstifter des Reichstages deckt, in seiner aus heutiger Sicht durch und durch vorbildlichen Hitler-Feindschaft des Jahres 1933 "entzaubert" werden soll.

Was treibt und trieb diesen Mann Fritz Tobias? Was weiß er und was sucht er zu vertuschen? Die Mitschuld deutscher Freimaurer an der Reichskanzlerschaft Hitlers, an ihrer Stabilisierung, an der Ausschaltung der kriegsunwilligen Generalität 1938? Also die Mitschuld deutscher Freimaurer am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges? Wie anders können wir uns einen Reim auf all den vielen Filz rund um "Spiegel", Fritz Tobias und das Institut für Zeitgeschichte machen? Warum dachten sie alle gleichzeitig auf den "gleichen Frequenzen"? Wie kann so etwas zustande kommen?

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Literatur

1. Tobias, Fritz: Stehen Sie auf, van der Lubbe“. Der Reichstagsbrand 1933 – Geschichte einer Legende. Nach einem Manuskript von Fritz Tobias. Nach einem Manuskript von Fritz Tobias. In: Der Spiegel Heft 43/1959 bis Doppelheft 1-2/1960
2. Tobias, Fritz: Der Reichstagsbrand. Legende und Wirklichkeit. Rastatt : Grote, 1962
3. Tobias, Fritz: Auch Fälschungen haben lange Beine. Des Senatspräsidenten Rauschnings „Gespräche mit Hitler“. In: Karl Corino (Hrsg.): Gefälscht! Betrug in Politik, Literatur, Wissenschaft, Kunst und Musik. Greno, Nördlingen 1988, S. 91–105.
4. Tobias, Fritz: Ludendorff, Hindenburg und Hitler. Das Phantasieprodukt des Ludendorff-Briefes. In: Uwe Backes, Eckhard Jesse und Rainer Zitelmann (Hrsg.): Die Schatten der Vergangenheit. Impulse zur Historisierung des Nationalsozialismus. Propyläen Verlag Frankfurt/Main und Berlin 1990, S. 319–342
5. Tobias, Fritz: Der Sturz der Generäle. Hitler und die Blomberg-Fritsch-Krise 1938 (mit Karl-Heinz Janßen). München : C. H. Beck, 1994
5a. Köhler, Otto: Offizielle Mitarbeiter. In: Konkret, 05/1992
6. Fischler, Hersch: Reichstagsbrand, Osthilfeskandal und das Ende von Weimar: Plädoyer für ein Quellenstudium jenseits verhärteter Polarisierungen. Auf: Reichstagsbrandforum (Startbeitrag) (ohne Datum, wohl 1995)
7. Fischler, Hersch: Der SPIEGEL und der Reichstagsbrand 1933. In: "Wupper Nachrichten", Nr. 7, 8 und 9 (ab 13.4.1996)
8. Fischler, Hersch: "Neue Spuren" - Interview mit Hersch Fischler zur Premiere des Stücks "Aus Protest!". In: Programmheft zum Stück "Aus Protest! Der Reichstagsbrandstifter Marinus van der Lubbe" Deutsches Theater Berlin, Kammerspiele Regie Ronald Steckel, Uraufführung: 16. Oktober 2000
9. Brack, Gerhard: NZZ attackiert Rudolf Augstein - netzeitung.de (8.12.2000)
11. Brack, Gerhard: Geschichtslegende für einen Verfassungsschützer (alt) - netzeitung.de wichtiger Artikel (11.1.2001) -
12. Brack, Gerhard: «Reine Propagandareden» - netzeitung.de (11.1.2001)
13. Brack, Gerhard: Aussagen aufeinander abstimmen - netzeitung.de (24.1.2001)
14. Brack, Gerhard: Die Personen - netzeitung.de (24.1.2001)
16. Brack, Gerhard: Reichstagsbrand am Rosenmontag - netzeitung.de (27.2.2001)
17. Brack, Gerhard: Die Spur der Namensschilder - netzeitung.de (2.3.2001)
19. Gutmair, Ulrich: Vergessene Kameraden - netzeitung.de (9.7.2002) - wichtiger Artikel über Rudolf Augstein
20. Kellerhoff, Sven Felix: Gibt es Neues vom Reichstagsbrand? - Nachrichten DIE WELT. 26.2.2003
20a. Fischler, Hersch; Becker, Holger: Als Schneppel aus dem Schneider kam | deutschesneuland.de (ohne Datum)
22. Schulzki-Haddouti, Christiane: Der Reichstagsbrand - Telepolis. 25.02.2006
23. Pamperrien, Sabine: Rudolf Augsteins Super-Scoop - netzeitung.de (16.1.2007)
24. Fischler, Hersch: . Auf: Spiegelkritik.de, 8.3.2007
25. Schmitz, Henrik: Reichstagsbrand: Über eine schwierige Recherche | evangelisch.de. Interview mit Miriam Bunjes, 8.7.2010
27. Lothar Gruchmann: Ludendorffs „prophetischer“ Brief an Hindenburg vom Januar/Februar 1933. Eine Legende. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. 47. Jahrgang, Oktober 1999, S. 559–562
28. Eberle, Henrik: Briefe an Hitler. Ein Volk schreibt seinem Führer. Unbekannte Dokumente aus Moskauer Archiven, Bastei Lübbe 2007, S. 188 - 194.
29. Diesener, Gerald: Rezension von Tobias / "Der Sturz der Generäle". In: Comparativ – Zeitschrift für Globalgeschichte und vergleichende Gesellschaftsforschung - Heft 5. 5/1995, S. 159
30. Buchholz, Arden: Rezensionen von Tobias / "Der Sturz der Generäle"in: Central European History, (1996), 29: 265-267
31. Meining, Stefan: Feindstaat Israel: Der SED-Staat und die Juden (1949–1990). In: Einsichten und Perspektiven. Bayerische Zeitschrift für Politik und Geschichte, 3/2008
32. Reinhardt, Bernd: Der deutsche Jurist Fritz Bauer und die braune Vergangenheit der BRD. Der Dokumentarfilm "Fritz Bauer - Tod auf Raten" von Ilona Ziok. 11.3.2010
33. Mix, Andreas: NS-Aufarbeitung - Nazijäger mit Vergangenheit - einestages, 28.11.2008  

Zur Frage nach dem Anteil der Freimaurer an der Machtergreifung Adolf Hitlers, an der Gestapo und damit am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges (2. Teil)

Rudolf Augstein - wirkte er an der Vertuschung eines NS-Justizverbrechens mit?

Es ruft mit Recht Empörung hervor, wenn man erfährt, daß Angehörige der bundesdeutschen Nachkriegselite wie Walter Jens, Jürgen Habermas oder Günther Grass ihre jugendliche Nähe zum Nationalsozialismus nach 1945 über viele Jahrzehnte hinweg abgeleugnet und vertuscht haben. Es gibt aber noch krassere Fälle. Und das sind wohl die weitaus bedeutenderen, die auch diese anderen harmloseren Fälle erst ganz verständlich machen können. Denn es gibt auch Jahrzehnte lange "Chefankläger" des Nationalsozialismus, "Sturmgeschütze der Demokratie", die Jahrzehnte lang nationalsozialistische Verbrechen und Verbrecher von ihrer prominenten, einflußreichen Stelle aus vertuscht haben. Deren antinationalsozialistische Haltung also durch und durch unglaubwürdig und aufgesetzt ist. Ein solcher Mensch ist kein geringerer als Rudolf Augstein, der Herausgeber des "Kirchenblattes" der bundesdeutschen Eliten, des "Spiegel".

Wie kann das sein: Chefankläger des Nationalsozialismus und zugleich Vertuscher von nationalsozialistischen Verbrechen? Es kommt eben immer darauf an, "wer" jeweils diese Verbrechen beging. War es ein Nazi, der "eigentlich" kein Nazi war (in den Augen Augsteins und manches anderen), und der deshalb nach 1945 "wiederverwendet" werden konnte, dann konnten, sollten und mußten seine Straftaten und Verbrechen "selbstverständlich" vertuscht werden. Dann mußte "selbstverständlich" um seinetwillen die Geschichte umgeschrieben werden.

Wir brauchen solche ansonsten "verdienten Leute" ja nicht auch noch als "Schuldige", wo wir doch schon genügend andere haben! Etwa die öffentlichkeitswirksam in Nürnberg und an anderen Orten in Prozessen und Spruchkammerverfahren Verurteilten und gegebenenfalls Hingerichteten, bzw. mundtot Gemachten, Eingeschüchterten, im sozialen Ansehen Vernichteten.

Als Leiter eines Landeskriminalamtes, sagen wir in Hannover, ist man in den 1950er Jahren ein vielbeschäftigter Mann. Und man ist ein Mensch, der aufgrund seiner abwechslungsreichen Laufbahn viele Leute in Ministerien, Behörden, Politik und Medien kennt und zu vielen solcher Leute Kontakt hat. Nun, eben "Vitamin B". Vielleicht beruht dieses "Vitamin B" auch auf einer Mitgliedschaft in einer Freimaurerloge - wer weiß? Ohne solche Kontakte jedenfalls geht es "ja" "heutzutage" nicht. Man hat ja auch viel durchgemacht. Erst die Nazis. Dann der Krieg. Und jetzt hat man auch einfach nicht die Zeit - und auch nicht die Muse und die Geduld, sich mit Vorwürfen zu seiner eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen.

Drittes Reich? Zweiter Weltkrieg? War da etwas? Aber man ist schließlich auch ein "unentbehrlicher", "unersetzbarer" Beamter dieser Republik. Als ein solcher Beamter hat man sich schon vor 1945 seiner Behörde gegenüber erwiesen. Und dieser Meinung ist ja auch unser guter Freund und Unterstützer Rudolf Augstein (siehe nächster Teil). Und das auch ganz im Gegensatz zu jenen sozialdemokratisch gesonnenen oberen Polizeibeamten, die da 1933 so dümmlich ihre Posten verloren und nach 1945 wieder in ihre Positionen zurückdrängten. Die aber besetzt gehalten werden mußten - eben gegen jene Sozialdemokraten, die da zurück wollten - ganz klar. Warum? Nunja ... Wir "linksliberalen Rechtsfaschisten" dienen jedenfalls dem Staat viel zuverlässiger, als jene - unzuverlässigen, geradlinig gebliebenen Sozialdemokraten ... Die haben ja diese "schwere" Zeit bis 1945 gar nicht mit gemacht. Die wissen ja gar nicht, was "heutzutage" - - - politische Straftaten sind.

Der Leiter der Kriminalpolizei Niedersachsen - wirkte er 1933 an einem Justizmord mit?

Und man weiß ja auch sonst, was solche sozialdemokratischen Beamten für einen Schaden im höheren Polizeidienst anrichten können, falls sie weiterhin - wie vor 1933 - auf ihrer demokratischen Geradlinigkeit beharren sollten. Wer weiß, auf was für Gedanken diese Leute noch kommen können. Oder falls sie etwa weiter darauf beharren sollten, nach den eigentlich Schuldigen an dem Nationalsozialismus und dem Dritten Reich zu fahnden. Etwa solche Leute etwa wie der ehemalige Staatssekretär Wilhelm Abegg, der in den 1920er Jahren unter dem preußischen Innenminister Carl Severing und dem Ministerpräsidenten Otto Braun die preußische Polizei aufgebaut hatte. Und der 1930 die Naivität besaß, nach den ausländischen Geldquellen Adolf Hitler zu fahnden, die den damaligen überraschenden Wahlerfolg der Nationalsozialisten bewirkt haben sollten. Und der durch dieses Fahnden glaubte, die Nationalsozialisten aufhalten zu können. Unmöglich solche Leute. Wie konnten sie nur. Da war man ja schon damals selbst seiner Zeit viel weiter voraus. So natürlich auch heute. Man hatte sich längst - und weitsichtig - mit den Nazis "arrangiert". ...

Deshalb "mußten" wir ja auch beim Reichstagsbrand ..., na, Sie verstehen schon. "Wir". - Wir?

Nach 1945 drängten sozialdemokratische Polizeibeamte zurück in die Kriminalpolizei - und Augstein und Gleichgesinnte hielten sie für ungeeignet

Ganz unbrauchbar ist sie jedenfalls, die Naivität solcher Leute. Da hat man doch viel Anlaß, eisern bei der Fahne zu bleiben und wird von seinen alten Seilschaften dabei gestärkt. Man darf seine Behörde nicht jetzt, wo man so viel - "glücklich", so möchte man doch sagen - überstanden hat, zum Schluß noch verlassen und "fahnenflüchtig" werden ... Fahnenflüchtig? Waren wir nie. Werden wir nie sein. Wir dienen dem Staat. Punkt. Ganz egal welchem. Legal, illegal - scheißegal: Das Wohl des Staates geht über alles - heute wie damals. Damals.

Und sollten gegen einen tatsächlich berechtigte schwerwiegende Vorwürfe bestehen. Nunja, vor 1945, man weiß ja, wie das damals war ... Man mußte mitmachen. Und man weiß ja, was nach 1945 geschah: Die Kleinen hängte man, uns Große ließ man laufen ... Gut also, sollten berechtigte schwerwiegende Vorwürfe bestehen, dann wäre es eben ratsam, wenn man sie mehr oder weniger stillschweigend und im Einvernehmen mit zumindest den meisten Beteiligten "zu den Akten" legen würde. Sagen wir etwa: den Vorwurf, man hätte im Jahr 1933 als Kriminalpolizist der preußischen Polizei an einem Justizmord mitgewirkt - zugunsten der Nationalsozialisten.

Ärgerliche Sache!

Ärgerliche Sache! Zum Glück ist man gut eingebunden in die alten Seilschaften, gut gedeckt, etwaig, durch seine Logenmitgliedschaft. Haben wir nicht jemanden in unserer Behörde oder in unserem weitläufigen Bekanntenkreis, in unserer Loge, der das übernehmen könnte? Diesen - Verzeihung: "Fall"? Kann man da nicht einen befähigten Kerl dransetzen? Er müßte Geduld besitzen, weitläufig Literatur studieren, Akten wälzen, Detailarbeit betreiben und dazu noch die Fähigkeit besitzen, einen solchen Wust dann auch noch publizieren zu können. Falls das notwendig werden sollte. Nur dann. Also so etwas wie ein Historiker. Es muß ja kein studierter sein. Aber so jemanden muß es doch geben. Gibt es doch im Roman von George Orwell haufenweise, solche Leute, die nach jedem Systemwechsel die Dokumente in den Archiven austauschen und die Geschichte umschreiben.

Abb. 1: Fritz Tobias

- Was halten Sie denn von unserem Kollegen, hm, Fritz Tobias, (Jahrgang 1912) (Wiki)? (Siehe Foto rechts.) War auch Kriegsteilnehmer, zuverlässiger Mann. Mitarbeiter des Landsamtes für Verfassungsschutz Niedersachsen. Einer von der richtigen Sorte. War der nicht auch, mit Ihnen, damals ... Lodz und so ... - - -? Und überhaupt. Der identifiziert sich doch sehr stark mit - - - "unserer Sache". Mit "unserer Behörde". Mit "unserer Loge". Na, Sie wissen schon. Die gehen ihm über alles. Der sieht auch, daß damals eben die Verhältnisse so waren, daß die Dinge so geschehen "mußten" wie sie geschahen, und daß man damals eben so handeln mußte, wie gehandelt worden ist. Alles andere wäre einfach nur Idiotie gewesen. Und daß das heute nicht so gesagt werden kann, wie es damals war, ist doch auch klar. Ja, natürlich, "mehr Demokratie wagen". Das ist doch für die Massen gesagt. Wer meint denn so etwas ernst? Ich bitte Sie!

- - - Etwaige Überlegungen Mitte der 1950er Jahre in hohen bundesdeutschen Staatsbehörden zum Thema: Wie betreibe ich "interessenlose" Zeitgeschichtsforschung.

Fritz Tobias - "unser Mann für schwierige Fälle"

In der Nacht vom 27. zum 28. Februar 1933 also brannte er, der Deutsche Reichstag (siehe Reichstagsbrand – Wikipedia). Im folgenden ein kurzes Video, um einen Eindruck vom Originalton der damaligen Tage zu haben. 

(Durch den "Abmahnwahn 2.0" ist auch das hier bisher eingestellt gewesene Video wieder aus dem Netz entfernt worden. Es scheinen sehr starke Bestrebungen im Gange zu sein, durch die geschichtliches und kulturelles Wissen, das durch das Internet - wie Wikipedia beweist - so vorteilhaft für alle im Netz zugänglich gemacht werden kann, weiterin innerhalb weniger Sendeanstalten, Archive und Internet-Archive monopolisiert werden soll. Google-Bücher mit seinen lächerlichen "Text-Schnippseln" ist dafür gegenwärtig der beste Beleg. Aber auch die Löschung so vieler historischer Filmaufnahmen, sowie wertvoller Filmdokumentationen im Netz zeigen dies, sowie die Abmahnungen derer, die sie ahnungslos weitergeben.)

Hermann Göring, der Berliner SA-Führer (spätere Berliner Polizeipräsident) Graf Helldorf und viele sonstige Nationalsozialisten wiesen es weit von sich, den Reichstag angezündet zu haben, um einen Vorwand zur Verfolgung von Regimegegnern zu haben. Na, wo kämen wir auch hin? Wir sind ja schließlich Politiker. Dabei nahm die ganze Welt nichts anderes an. Bis zum Jahr 1959 (1). Und das ist nun der "rote Faden", der sich durch die zeithistorische Arbeit des Hobbyhistorikers, Verfassungsschutzmannes, Geschichtsverfälschers und - unsere These: Logenbruders - Fritz Tobias zieht (1-5):

  • Fall 1: Es besteht die allgemeine Überzeugung, die Nationalsozialisten hätten 1933 den Reichstag angezündet. Kriminalpolizei und Gestapo hätten die Täterschaft der Nationalsozialisten vertuscht, um ihre Herrschaft zu stabilisieren. Fritz Tobias nimmt die waghalsige Aufgabe auf sich, als ein einzelner gegen eine Mehrheitsmeinung anzuargumentieren (1, 2). Aus einem Komplott der Nationalsozialisten macht er ein - - - Zufallsereignis. Aus einer Tätergruppe einen - - - Einzeltäter. Aus damals schuldig gewordenen Kriminalbeamten - - - Unschuldige. Tobias argumentiert mit plumpen Argumenten. Das verhindert nicht seinen bleibenden Erfolg.
  • Fall 2: Es besteht die allgemeine Überzeugung, die Gestapo hätte 1938 die Blomberg-Fritsch-Krise inszeniert, um den Nationalsozialisten lästige, kriegsunwillige Generäle abzuschütteln. Fritz Tobias nimmt die waghalsige Aufgabe auf sich, als ein einzelner gegen eine Mehrheitsmeinung anzuargumentieren (5). Aus einem Komplott der Gestapo und der Nationalsozialisten macht er ein - - - Zufallsereignis. Aus damals schuldig gewordenen Gestapo- und Kriminalbeamten - - - Unschuldige. Tobias argumentiert mit lächerlich plumpen Argumenten. Das verhindert nicht seinen bleibenden Erfolg. - Oder wäre etwa in den letzten 20 Jahren irgendwo in der Geschichtswissenschaft Kritik an dem Buch von Fritz Tobias zu diesem Thema geäußert geworden?
  • Fall 3: In Schulbüchern und vielen Geschichtswerken wird immer wieder ein prophetisches Telegramm Erich Ludendorffs an Paul von Hindenburg vom 30. Januar 1933 zitiert, in dem Erich Ludendorff die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler mit ungemein deutlichen, scharfen Worten verurteilt (siehe 1. Teil dieser Aufsatzreihe). Fritz Tobias nimmt die waghalsige Aufgabe auf sich, als ein einzelner gegen eine Mehrheitsmeinung anzuargumentieren (4). Ein Zeugnis, das einen Erich Ludendorff unschuldig werden läßt für die Diktatur des Nationalsozialismus versucht er zu entkräften, um die These der Mitschuld Ludendorffs am Nationalsozialismus weiterhin um so besser propagieren zu können. Fritz Tobias argumentiert mit lächerlich plumpen Argumenten. Das verhindert nicht seinen bleibenden Erfolg (27).

Fritz Tobias, das personifizierte schlechte "Gewissen" der deutschen, mit dem Nationalsozialismus verbündeten Freimaurerei?

Warum findet nun aber so ein einzelner, so dilettantisch arbeitender, ja, einer, der sich mit grob anti-wissenschaftlichen Methoden von ähnlich gelagerten "Historikern" unterstützen läßt (siehe nächster Teil) überall und immer wieder so viel Interesse und Widerhall bei "seriösen" wissenschaftlichen Koautoren, "seriösen" Verlagen, Instituten, Zeitschriften, die dann seine Meinung flugs zur neuen Mehrheitsmeinung umgestalten? Fast drängt sich ja ein Vergleich auf mit der vormaligen Minderheitsmeinung des Hamburger Historikers Fritz Fischer zur deutschen "Kriegsschuld" von 1914 und der Art, wie diese vormalige Minderheitsmeinung zur neuen Mehrheitsmeinung umgemodelt wurde mit ein paar publizistischen Handgriffen. ... Und auch hier spielte das Wochenmagazin der "Spiegel" nicht gerade die unerheblichste Rolle ...

Nun, der Journalist Hersch Fischler gibt, was zumindest das Thema Reichstagsbrand anbelangt, eine einleuchtende Erklärung (6 - 26) für das Verhalten von Fritz Tobias, unterstützt von dem Journalisten Gerhard Brack, der darüber im Jahr 2003 beim Südwestfunk auch einen Film gedreht hat (siehe Kurzfassung des Filmes in den beiden Videos des nächsten Beitrages). Allerdings gibt er eine Erklärung mit so weitreichenden Implikationen, daß sie einen bestätigenden und ergänzenden Blick werfen läßt auf viele, zum Teil ganz andersartige Ereignisse in der deutschen Geschichte und Zeitgeschichtsforschung der letzten 80 Jahre und ihrer vielen "false flag"-Operationen und Täuschungsversuche, und daß sie das Verfassen der vorliegenden kleinen Aufsatzreihe veranlaßte.

Die schwere geschichtliche Verantwortung von ... "Staatsdienern" - vor 1933, nach 1933, nach 1945

Es geht dabei immer um eine Entschuldigung der schweren geschichtlichen Verantwortung von 33er- und 45er-Wendehälsen in der deutschen Kriminalpolizei und in Staatsschutzkreisen. Fritz Tobias scheint das personifizierte schlechte Gewissen dieser Kreise zu sein. Freilich nicht in der ehrlich-aufrichtigen Weise etwa eines Martin Niemöller und seines Stuttgarter Schuldbekenntnisses, sondern in der verdrucksten Weise eines deutschen "Staatsschützers". Nunja, eine Kirche kann sich Offenheit leisten - aber ich bitte Sie, doch keine Staats(schutz)behörde, die den Staat vor "Idioten" schützen muß.

Fett schwimmt immer oben - Filz und personelle Kontinuitäten in vielen ähnlichen Fällen ...

Der Fall Fritz Tobias wirft ein krasses und grelles Licht auf personelle Kontinuitäten zeitlich über zwei Systemwechsel hinweg und institutionell auf - die Gewaltenteilung ausschaltende - personelle Verflechtungen zwischen Polizei, Justiz, Medien, "Wissenschaft", Politik und "Staatsschutz". Personelle Kontinuitäten und Verflechtungen, 

  • wie sie dann in ähnlicher Weise sowohl 1945 wie auch 1989 bezüglich der DDR und ihrer "Staatssicherheit" beobachtet werden konnten. (Die Westkontakte der Stasi sind bis heute nicht wirklich aufgearbeitet. Alles "wie damals" ...)
  • die auch erst einen "ungeklärten" Fall Barschel ermöglicht haben (wo der "Spiegel" wie beim Reichstagsbrand eine hervorragende Rolle spielte und spielt),
  • die den staatlich gelenkten RAF-Terrorismus ermöglicht haben (bei dessen geschichtlicher Aufarbeitung der "Spiegel"-Chef Stefan Aust ebenfalls verharmlosend tätig war und ist),
  • wie sie sich in ähnlicher Weise hinsichtlich des Linksterrorismus in Italien andeuten (Regine Igel). Hier wurden klar die Freimaurerei und der CIA als tragende Momente dieser Verflechtungen benannt.
  • Ähnliche Verflechtungen deuten sich beim "ungeklärten" Fall Jörg Haider an. Auch hier gibt es viele Hinweise auf Verflechtungen mit der österreichischen Freimaurerei und mit internationalen, amerikanischen Motivlagen (ohne den CIA läuft wohl auch da nichts).

Fritz Tobias - Freimaurerarbeit zur Systemstabilisierung?

Man wird deshalb wohl nicht gänzlich fehlgehen, als tragendes Moment der Aktivitäten und des Erfolges von Fritz Tobias ebenfalls die deutsche und die internationale Freimaurerei anzunehmen. Die deutsche Freimaurerei hat traditionell schon immer in Hannover einen der Schwerpunkte ihrer Arbeit gehabt. Hierher zog auch Paul von Hindenburg, nachdem er aus dem aktiven Dienst ausgeschieden war. Man darf getrost annehmen, daß die Freimaurerei auch weitreichenden Einfluß ausübte und übt auf die Arbeit der Historiker des "Insituts für Zeitgeschichte" in München, die Fritz Tobias so gefördert haben und seine Kritiker mit krass wissenschaftlichem Fehlverhalten für fast 40 Jahre mundtot gemacht haben (siehe nächster Beitrag).

Man darf auch getrost annehmen, daß die Freimaurerei weitreichenden Einfluß ausübt in solchen staatstragenden Wochenzeitungen hinein wie dem "Spiegel".

Welche Rolle spielte das staatstragende "Institut für Zeitgeschichte", welche der staatstragende "Spiegel"?

Die Freimaurerei, Geheimdienste und ähnliche verdeckt arbeitende Lobbygruppen werden es es also sein, die diese institutionellen Verflechtungen und personellen Kontinutitäten über alle Systemwechsel hinweg sicherstellen: Fett schwimmt immer oben. Sie beteiligen sich hier wie sonst an den vielen Fällen von Orwell'scher Geschichts-Umschreibung. Daß auch der deutsche Historiker Helmut Krausnick an der Förderung von Tobias beteiligt war und an der Hemmung seiner Kritiker (siehe nächster Teil), läßt fragen, inweiweit seine "bahnbrechenden" Forschungen zu den Einsatzgruppen-Kommandos während des Rußland-Krieges eigentlich auch dazu gedient haben könnten, "verdiente" Freimaurerbrüder, die dort "zwangsläufig" dabei sein mußten, in Schutz zu nehmen.

"False flag"-Operationen, Operationen unter "falscher Flagge" also schon spätestens seit 1933, organisiert und bis heute verbrämt von "Staatsschützern", die dann zwangsläufig auch ihre Geschichte selbst schreiben? Verbrämen müssen sie ja ihre Geschichte ständig, um fröhlich, unbehelligt und unkritisiert so weiter arbeiten zu können wie bisher. Die Völker müssen ja weiter in ihrer ahnungslosen Naivität gehalten werden.

Ausblick

Die hier in Paraphrase wiedergegebenen Ereignisse zu den Hintergründen der Aufarbeitung der Geschichte des Reichstagsbrandes sollen im nächsten Beitrag noch einmal anhand der wichtigsten Auszüge der Aufsätze und Artikel von Hersch Fischler selbst zur Darstellung kommen.

Und künftige Beiträge werden auch fragen müssen, welches schlechte Gewissen Freimaurerei, Staatsschutz und Kriminalpolizei geplagt haben muß, als sie in so vielen Geschichtsbüchern noch der 1980er Jahre die unwahrscheinlich präzise Voraussicht Erich Ludendorffs von 1933 lasen, so daß sich Fritz Tobias veranlaßt sah, hier weiterhin "Geschichtsrevision" zu betreiben (4). War es der Umstand, daß Erich Ludendorff bis zu seinem Tod 1937 nicht nur einer der schärfsten Gegner der Freimauerei war, nicht nur einer der prägnantesten Warner vor einem neuen Weltkrieg, sondern daß Erich Ludendorff zudem in engem persönlichen Austausch mit jenen Generälen gestanden hatte, die in der Blomberg-Fritsch-Krise gestürzt wurden, und der deshalb ähnlich wie jene Generäle von der Gestapo bekämpft wurde?

Waren es solche Umstände, die das personifizierte "schlechte Gewissen" deutscher Staatsschutzkreise, nämlich Fritz Tobias, dazu antrieb "nachzuweisen", daß für den Wortlaut dieses Telegramms von Ludendorff kein Originaldokument mehr vorliegt? Mehr nämlich konnte er gar nicht nachweisen, er konnte aber den Kontext der ausgesprochenen Gegnerschaft Ludendorffs gegenüber den Nationalsozialisten und der Freimaurerei mal eben unbehandelt beiseite lassen und auf solche Weise Geschichtsfälschung betreiben. Daß es übrigens für den Wortlaut dieses Telegramms viel Plausibilität gibt, haben inzwischen viele weitere veröffentlichte Telegramme Ludendorffs deutlich machen können (28), die auch Fritz Tobias schon kannte, zumindest hätte kennen müssen.

(Fortsetzung in --> Teil 3.)

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Literatur

  1. Tobias, Fritz: Stehen Sie auf, van der Lubbe“. Der Reichstagsbrand 1933 – Geschichte einer Legende. Nach einem Manuskript von Fritz Tobias. Nach einem Manuskript von Fritz Tobias. In: Der Spiegel Heft 43/1959 bis Doppelheft 1-2/1960
  2. Tobias, Fritz: Der Reichstagsbrand. Legende und Wirklichkeit. Rastatt : Grote, 1962
  3. Tobias, Fritz: Auch Fälschungen haben lange Beine. Des Senatspräsidenten Rauschnings „Gespräche mit Hitler“. In: Karl Corino (Hrsg.): Gefälscht! Betrug in Politik, Literatur, Wissenschaft, Kunst und Musik. Greno, Nördlingen 1988, S. 91–105.
  4. Tobias, Fritz: Ludendorff, Hindenburg und Hitler. Das Phantasieprodukt des Ludendorff-Briefes. In: Uwe Backes, Eckhard Jesse und Rainer Zitelmann (Hrsg.): Die Schatten der Vergangenheit. Impulse zur Historisierung des Nationalsozialismus. Propyläen Verlag Frankfurt/Main und Berlin 1990, S. 319–342
  5. Tobias, Fritz: Der Sturz der Generäle. Hitler und die Blomberg-Fritsch-Krise 1938 (mit Karl-Heinz Janßen). München : C. H. Beck, 1994
  6. Fischler, Hersch: Reichstagsbrand, Osthilfeskandal und das Ende von Weimar: Plädoyer für ein Quellenstudium jenseits verhärteter Polarisierungen. Auf: Reichstagsbrandforum (Startbeitrag) (ohne Datum, wohl 1995)
  7. Fischler, Hersch: Der SPIEGEL und der Reichstagsbrand 1933. In: "Wupper Nachrichten", Nr. 7, 8 und 9 (ab 13.4.1996)
  8. Fischler, Hersch: "Neue Spuren" - Interview mit Hersch Fischler zur Premiere des Stücks "Aus Protest!". In: Programmheft zum Stück "Aus Protest! Der Reichstagsbrandstifter Marinus van der Lubbe" Deutsches Theater Berlin, Kammerspiele Regie Ronald Steckel, Uraufführung: 16. Oktober 2000
  9. Brack, Gerhard: NZZ attackiert Rudolf Augstein - netzeitung.de (8.12.2000)
  10. Brack, Gerhard: Unerwünschte Forschungen zum Reichstagsbrand - netzeitung.de (26.12.2000)
  11. Brack, Gerhard: Geschichtslegende für einen Verfassungsschützer (alt) - netzeitung.de wichtiger Artikel (11.1.2001) -
  12. Brack, Gerhard: «Reine Propagandareden» - netzeitung.de (11.1.2001)
  13. Brack, Gerhard: Aussagen aufeinander abstimmen - netzeitung.de (24.1.2001)
  14. Brack, Gerhard: Die Personen - netzeitung.de (24.1.2001)
  15. Brack, Gerhard: Mit dem Reichstagsbrand zur Aufhebung der Grundrechte - netzeitung.de (27.2.2001)
  16. Brack, Gerhard: Reichstagsbrand am Rosenmontag - netzeitung.de (27.2.2001)
  17. Brack, Gerhard: Die Spur der Namensschilder - netzeitung.de (2.3.2001)
  18. Brack, Gerhard: Reichstagsbrand: Tobias weiter von Alleintäter-These überzeugt - netzeitung.de (12.4.2001)
  19. Brack, Gerhard: Vergessene Kameraden - netzeitung.de (9.7.2002) - wichtiger Artikel über Rudolf Augstein
  20. Kellerhoff, Sven Felix: Gibt es Neues vom Reichstagsbrand? - Nachrichten DIE WELT. 26.2.2003
  21. Brack, Gerhard: Dubiose Informanten geschützt - Kölner Stadt-Anzeiger (23.2.2006)
  22. Schulzki-Haddouti, Christiane: Der Reichstagsbrand - Telepolis. 25.02.2006
  23. Pamperrien, Sabine: Rudolf Augsteins Super-Scoop - netzeitung.de (16.1.2007)
  24. Fischler, Hersch: . Auf: Spiegelkritik.de, 8.3.2007
  25. Schmitz, Henrik: Reichstagsbrand: Über eine schwierige Recherche | evangelisch.de. Interview mit Miriam Bunjes, 8.7.2010
  26. Bartels, Christian: Suche nach Wahrheit: Der Störenfried - Medien - Tagesspiegel. 31.7.2010
  27. Lothar Gruchmann: Ludendorffs „prophetischer“ Brief an Hindenburg vom Januar/Februar 1933. Eine Legende. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. 47. Jahrgang, Oktober 1999, S. 559–562
  28. Eberle, Henrik: Briefe an Hitler. Ein Volk schreibt seinem Führer. Unbekannte Dokumente aus Moskauer Archiven, Bastei Lübbe 2007, S. 188 - 194.

Zur Frage nach dem Anteil der Freimaurer an der Machtergreifung Adolf Hitlers, an der Gestapo und damit am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges (1. Teil)

Dieser Aufsatz handelt ... 
Abb. 1: Fritz Tobias (1912-2011)

... von unerwarteten personellen Kontinuitäten, die sich von rechtskonservativen Politikern und Steigbügelhaltern Adolf Hitlers - wie Paul von Hindenburg oder Alfred Hugenberg - über leitende Gestapo-Beamte - wie Rudolf Diels oder Werner Best - bis hin zu bundesdeutschen Eliten - wie Rudolf Augstein oder Bundesjustizminister Thomas Dehler - ziehen. Er handelt vom Osthilfe-Skandal der Jahreswende 1932/33 als einem der Hintergründe für die Machtergreifung Adolf Hitlers und des Reichstagsbrandes. Er handelt vom Kampf der Gestapo gegen den militärischen Widerstand insbesondere im Jahr 1938. - Und er handelt von der wohlwollenden Aufnahme vieler Staatsbeamter, die in diese Geschehnisse verantwortlich verwickelt waren, bei den bundesdeutschen Eliten nach 1945. Er handelt von der wohlwollenden juristischen und geschichtswissenschaftlichen Aufarbeitung der Vor-1945er-Mitverantwortung dieser Beamten nach und seit 1945. Er fragt schließlich, wo die "Regie" für all diese sehr disparaten Geschehensabläufe und "Seilschaften" zu suchen sein könnte. Er vermutet sie in der Logenzugehörigkeit der meisten hier genannten Persönlichkeiten.

(Dabei handelt es sich bei diesem und den folgenden beiden Beiträgen bislang nur um Aufsatzentwürfe, -skizzierungen. Sie müssen noch durch weitere Recherchen ergänzt und dabei veri- oder falsifiziert werden.)

Kürzlich stieß der Autor dieser Zeilen auf das Buch "Der Sturz der Generäle" von Fritz Tobias (1912-1.1.2011) (Wiki) aus dem Jahr 1994 (9). Die merkwürdige Tendenz dieses Buches, nämlich die Gestapo von einer ausdrücklichen Mitschuld am Sturz der kriegsunwilligen, NS-kritischen deutschen Generäle Blomberg und Fritsch im Jahr 1938 reinzuwaschen zusammen mit dem Wissen um die merkwürdige Rolle dieses Verfassungsschutzmannes Fritz Tobias rund um die "Aufklärung" der Hintergründe des Reichstagsbrandes, zusammen mit dem Wissen um den merkwürdigen Versuch von Fritz Tobias, einen "prophetischen Brief" des Freimaurer-Kritikers Erich Ludendorff an Paul von Hindenburg anläßlich der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler für unhistorisch zu erklären - all diese Dinge schienen irgendwie auf einem gemeinsamen Nenner zu beruhen. Man war sich zu Anfang nur irgendwie nicht klar: auf welchem?

Aber schließlich stellte man sich die Fragen so: Steht die Arbeit des Hobbyhistorikers Fritz Tobias im Dienste der deutschen Freimaurerei und im Dienste ihrer Reinwaschung von der Schuld am Nationalsozialismus und am Zweiten Weltkrieg? Ist Fritz Tobias das personifizierte "schlechte Gewissen" der deutschen Freimaurerei? Ist Fritz Tobias selbst Freimaurer? Wie sonst bekommt man einen roten Faden in die merkwürdig disparaten und dann doch wieder irgendwie alle auf einen ähnlichen Nenner hinauslaufenden geschichtswissenschaftlichen Anliegen und Zielsetzungen dieses Fritz Tobias, sowie seine Einbindung in die bundesdeutsche Aufarbeitung der Geschichte des Dritten Reiches?

Freimaurerei und Nationalsozialismus

Es gibt nun viel kritische Aufklärungsliteratur über die Freimaurerei. Sehr dicht liegt diese Aufklärungsliteratur vor insbesondere über ihr politisches Wirken bis zum Jahr 1933. Aber über die Wege und Ziele der politischen Einflußnahmen der deutschen Freimaurerei in den Jahren seit 1933 gibt es auffallend wenig genaue Daten und Hinweise, selbst in einer Literatur, die sich in der dezidierten Nachfolge jener Freimaurer-kritischen Aufklärungsliteratur bis zum Jahr 1933 sieht (Beispiele etwa: 1, 2 oder auch: 3).

Wer aber nun mit dem Wissen um diese Freimaurer-kritische Aufklärungsliteratur der frühen 1930er Jahre, etwa jene Ludendorff'scher Provenienz, sich mit dem geschichtswissenschaftlichen Wirken des Verfassungsschützers und Hobbyhistorikers Fritz Tobias beschäftigt, sowie mit der Kritik  des Journalisten Hersch Fischler an den Versuchen dieses Fritz Tobias, ein Umschreiben der deutschen Zeitgeschichte zu bewirken, der glaubt, einen völlig neuen Schlüssel, Zugang zu vielen weiteren Zusammenhängen der Geschichte des Dritten Reiches und der frühen Bundesrepublik gefunden zu haben.

Der gemeinsame Nenner der Jahrzehnte langen Bemühungen des Hobbyhistorikers und Verfassungsschutzmannes Fritz Tobias und jener einflußreichen Kreise, die hinter ihm zu stehen scheinen, scheint nämlich der zu sein, das den Nationalsozialismus und mit ihm den Kriegsausbruch fördernde Wirken führender Gestapo- und Kriminalpolizei-Beamter während des Dritten Reiches gegen innerdeutsche NS- und Kriegsgegner zu entschuldigen oder zu verharmlosen - und zwar von Beamten, die oft nach 1945 in führenden Positionen blieben -, und zugleich solche scharfen Kritiker der Freimaurerei einerseits und des Nationalsozialismus und seiner Kriegsabsichten andererseits und eines von ihnen unterstellten Bündnisses zwischen beiden zum Zwecke der Herbeiführung eines Zweiten Weltkrieges, wie es Erich Ludendorff war - oder vielleicht auch führende sozialdemokratische Beamte in der Kriminalpolizei Preußens (Wilhelm Abegg etwa), ihres bis in die 1980er Jahre noch verbliebenen minimalen Resteinflusses auf die Formung des deutschen Geschichtsbewußtseins noch weiter zu berauben. Zu all dem - und vielem weiteren - später noch mehr. 

Diese auf den ersten Blick unerwarteten und merkwürdigen Zusammenhänge und vieles weitere, was dazu zu sagen ist, drängen einem jedenfalls den Gedanken auf, daß Fritz Tobias Freimaurer ist und daß seine Einbindung in den bundesdeutschen Beamtenapparat, in das bundesdeutsche Medienwesen und in den bundesdeutschen Wissenschaftsbetrieb nur verständlich wird, wenn man eine freimaurerische "Bruderkette", sprich "Seilschaften" annimmt, die einerseits nicht nur mehrere Systemwechsel (1933, 1945) überbrückten, sondern die andererseits zu allen Zeiten sich auch jeweils über viele gesellschaftlliche Institutionen zugleich erstreckten und sie damit quasi "gleichschalteten" (nämlich über sich normalerweise gegenseitig konrollierende Institutionen wie Medien, Wissenschaft, Politik, Beamtenapparat, Rechtswesen, Kriminalpolizei, Staatschutz usw. ...).

Aufhebung der Gewaltenteilung in unserem Land

Letzteres ist aber eine Annahme, die man auch ableiten kann aus Geheimdienst-kritischer Literatur, die in den beiden letzten Jahrzehnten erschienen ist, etwa zum Mordfall Uwe Barschel, zum Linksterrorismus in Deutschland und Italien der 1970er, 80er und 90er Jahre, zum islamischen Terrorismus seither oder auch zum Mordfall Jörg Haider.

Diesen Umständen gegenüber ist es um so auffallender, wie sehr sich die deutsche Freimaurerei heute umgibt mit dem Nimbus, im Dritten Reich verfolgt worden zu sein (s. Wikip.). Dabei bestreitet heute niemand, daß der Freimaurer und Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht erklärtermaßen einer der wichtigsten Steigbügelhalter bei der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler und Mitglied seiner Regierung gewesen ist! Schon von daher fällt diese Entschuldigung der Freimaurerei in sich zusammen. Auch von vielen anderen führenden, rechtskonservativen Politikern und Steigbügelhaltern Adolf Hitlers ist in verschiedenen Zusammenhängen - und zumal in der Freimaurer-kritischen Literatur jener Zeit - die Vermutung geäußert worden, daß  es sich um Freimaurer handele, und daß diese "Freimaurer-Politik" betreiben würden. 

Da von vielen Politikern offiziell nicht bekannt ist, ob sie Freimaurer waren, bzw. sind oder nicht, läßt sich der Anteil der Freimaurerei an der Machtergreifung Adolf Hitlers möglicherweise heute immer noch in ähnlicher Weise bestreiten wie er etwa für die Geschehnisse der Französischen Revolution oder für den Ausbruch (8) und den Verlauf des Ersten Weltkrieges bestritten wird. 

In dem vorliegenden Beitrag wollen wir aber wie gesagt einige neue Indizien dafür bringen, daß dieser Anteil nicht nur nicht vernachlässigbar gewesen sein muß, sondern mindestens ebenso entscheidend gewesen sein kann wie die Mitwirkung des katholischen Zentrums am Ermächtigungsgesetz und damit an der Reichskanzlerschaft Adolf Hitlers.

So wie sich die christ-katholische Partei des "Zentrum" als Gegenleistung 1933 unter anderem von Adolf Hitler das "Reichskonkordat" versprechen ließ, so wurde auch die Freimaurerei - entgegen der eigentlichen nationalsozialistischen Ziele - im Dritten Reich nicht sofort verboten. Sondern ihr wurde sogar erlaubt, sich ein anderes äußeres Aussehen zu geben, also bloß auf ein paar Bezeichnungen  und Benennungen zu verzichten, die sie gar zu deutlich als Freimaurer kenntlich machen würden. Davon abgesehen aber konnten sie unbehelligt "weiterarbeiten" (s. Wikip.). Bis 1935, bzw. 1937 als sie dann endgültig verboten worden sind.

Nun wird aber niemand so naiv sein zu glauben, die Freimaurerei hätte die Jahre bis 1935 und 1937 nicht weidlich genutzt, um ihre Fortexistenz auch über ein Gesamtverbot hinweg sicherzustellen. Daß dem so war, kann zunächst allein daran abgelesen werden, daß die Freimaurerei nach 1945 sehr schnell wieder auch äußerlich so blühend auflebte, wie sie auch bis 1933 oder 1935 bestanden hatte.

Nach 1945 werden viele frühere Nationalsozialisten durch die Freimaurerei "entnazifiziert"

Der Buchautor Guido Grandt und der österreichische Politiker Ewald Stadler behaupten, viele österreichische Politiker, die vor 1945 dem Nationalsozialismus nahestanden, seien nach 1945 durch die Freimaurerei "entnazifiziert" worden (3, S. 263). Da die Zeitgeschichte nach 1945 viele Beispiele für ein enges Zusammengehen von Freimaurerei und Geheimdiensten kennt, etwa dem CIA, wird man nicht allzu fehl gehen, wenn man für die Zeit des Dritten Reiches und danach ein ähnliches Zusammengehen voraussetzt wie für andere Bereiche der deutschen Gesellschaft. Viele führende vormalige Gestapo-Beamte wurden vom CIA, vom BND, vom Verfassungsschutz und von der Staatssicherheit der DDR übernommen. Viele führende vormalige Beamte der Reichskriminalpolizei wurden von der Bundeskriminalpolizei und den Landeskriminal-Ämtern übernommen. Und zwar unter der kräftigen publizistischen Fürsprache eines Rudolf Augstein im "Spiegel", wie wir noch hören werden und bei kräftigen Fußtritten gegen nicht mehr willkommene, schon 1933 abgehalfterte, hohe, Nazi-kritische, sozialdemokratische Polizei-Beamte. 

Auch sonst fanden viele ehemalige Beamte aus den NS-Ministerien den Weg in die neuen bundesdeutschen Ministerien, etwa in die für Herrschaftsausübung immer so wichtigen Innenministerien. Und natürlich viele vormals nationalsozialistische Journalisten wirkten in den führenden Verlagen und Publikationsorganen der jungen Bundesrepublik fort, so unter anderem im "Spiegel" oder in der "Zeit". Oftmals muten einem die führenden Publikationsorgane der Bundesrepublik Deutschland heute noch an wie bloß die Sprachrohre des deutschen BND oder des deutschen Verfassungsschutzes. Dies gilt insbesondere für den "Spiegel" und zahlreiche Fälle, in die er verwickelt gewesen ist (Beispiel: Mordfall Uwe Barschel). Geheimdienste können auch bei weitem nicht so laut- und reibungslos arbeiten, wenn sie nicht über hervorragende Kontakte zu den wichtigsten Institutionen der Medienlandschaft verfügen (... würden dazu führende "Staatsschützer" entschuldigend sagen ...).

Es wird die vorliegende Forschungsliteratur noch genauer zu konsultieren sein hinsichtlich von Daten dahingehend, inwieweit für die hier sich abspielenden personellen Kontinuitäten oder Diskontinuitäten über das Jahr 1945 hinweg Freimaurermitgliedschaft oder -nichtmitgliedschaft ein Hauptmovens gewesen sein kann bei der Frage: Wer wird beiseite gestellt? Wer darf weiter mitmachen? - Vermutet werden muß ein solches Kriterium jedenfalls allemal.

In diesem Beitrag wollen wir aber noch auf ganz andere Indizien für "Seilschaften" und personelle Kontinuitäten über zwei Systembrüche hinweg hinweisen, die einem zugleich Hinweise auf verborgene freimaurerische Zusammenhänge zu geben scheinen. Erst diese Indizien ließen einen wieder dieses alte Thema Freimaurerei in diesem Beitrag aufgreifen. Denn nach langem Hin- und Herschieben, wie man all diese Indizien eigentlich historisch richtig einordnen soll, wurde einem irgendwann klar: Die ergeben in ihren merkwürdigen äußerlichen Widersprüchlichkeiten nur dann einen "Sinn", wenn man das Zusammenhalten von Freimaurern über zwei Systembrüche hinweg unterstellt und wenn man unterstellt, daß die Freimaurerei ein Anliegen hat, ihre Ankläger in ein schlechtes Licht zu stellen, sich selbst aber und seine eigenes Wirken in der Gestapo und bei der Kriminalpolizei in ein Gutes.

Freimaurer-Kritiker Erich Ludendorff (1927)

Der erst zum Hitler-Anhänger, dann zum scharfen Hitler-Gegner gewendete führende General des Ersten Weltkrieges, Erich Ludendorff, wurde Ende der 1920er Jahre - auch nach Zeugnissen vieler Freimaurer selbst - zu einem Gegner der Freimaurerei, wie ihn dieselbe in dieser existenzgefährdenden Weise zuvor in ihrer Geschichte noch niemals kennengelernt hatte (s. Wikip. a, b). Sein Buch "Vernichtung der Freimaurerei durch Enthüllung ihrer Geheimnisse" aus dem Jahr 1927 machte erstmals für eine größere Öffentlichkeit die bis dahin geheimen Rituale der Freimaurer öffentlich. Dieses Buch forderte allseits, zumal auch unter der deutschen Studentenschaft und in den nationalen Wehrverbänden, sowie im Pressewesen zu Stellungnahmen heraus und machte vielen Menschen klar, wie nicht nur die linksliberalen Kräfte in der Weimarer Republik von der Freimaurerei durchsetzt waren, sondern - beispielsweise - auch die in konservativen Kreisen einflußreiche "Stahlhelm"-Führung.

Auch den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg und viele ihm politisch Nahestehende, ihn lobbyistisch Unterstützende (auch in der deutschen Geschichtswissenschaft) verdächtigte Erich Ludendorff nach und nach mit größerer Sicherheit der Mitgliedschaft in einer Freimaurerloge.

"Weltkrieg droht auf deutschem Boden" - Aufgrund eines Bündnisses von Nationalsozialismus und deutscher Freimaurerei - sagt Erich Ludendorff (1929)

Ludendorff behauptete schließlich im Jahr 1929, die deutsche und internationale Freimaurerei hätte den Plan, Deutschland mit Hilfe der alten, verfreimaurerten konservativen Kräfte (Stahlhelm, DNVP, Hindenburg) und mit Hilfe der Nationalsozialisten in einen neuen Weltkrieg zu führen. Dazu veröffentlichte er sein in viele Sprachen übersetztes Weltkriegs-Szenario "Weltkrieg droht auf deutschem Boden", in dem er den Zweiten Weltkrieg in den wesentlichen Umrissen und in seinem vernichtenden Verlauf, insbesondere was den Vormarsch der Roten Armee nach Mitteleuropa betrifft, schon im Jahr 1930 klar vorausgesagt hat.

Ludendorff warf der Freimaurerei vor, die konservativen deutschen Kräfte mit nationalen Phrasen zu umnebeln - ähnlich wie vor 1914, um sie so um so leichter in einen neuen Krieg führen zu können, der dann schließlich die endgültige Vernichtung Deutschlands bringen sollte, auf die die internationale Freimaurerei schon 1914 abgezielt hätte. Er schrieb zum Beispiel wie zu seiner Zeit dieser Krieg vorbereitet wurde (4, S. 19):

(...) So konnte schließlich die faschistische Diktatur von allen Seiten als Rettung für Deutschland gepriesen werden, nachdem auch altpreußische Logenkreise entsprechend Weisungen erhalten hatten.
Und in einer Anmerkung dazu:
Hierfür liegen Beweise vor. Die altpreußischen Logen sind vom faschistischen Stahlhelm, dem faschistischen alldeutschen Verband und der deutschnationalen Volkspartei nie bekämpft worden. Die Freimaurer aus den altpreußischen Logen saßen mitten darin. Die Nationalsozialisten führten den Kampf nur mit äußerster Zurückhaltung. So ist das Eintreten altpreußischer Logenkreise nur zu erklärlich. Es deckt sich mit den Absichten, (...) Deutschland in einen Krieg zu führen und den Freiheitwillen dort zu erschlagen. Es entspricht das auch dem Streben der Freimaurerei, ihre erschütterte Stellung in Deutschland wieder zu festigen.
Ludendorff sprach (4, S. 91) von
solch hirnverbrannter faschistischer Außenpolitik, die den Weltkrieg erst ermöglicht und uns der Vernichtung aussetzt.

Viele national und völkisch gesonnene Menschen in Deutschland hörten Ludendorff zu. Halb ungläubig, halb entsetzt, halb einfach nur "fasziniert"-schaudernd, oft sehr feindselig angesichts solcher "schriller" Thesen. Daß das militärische Fachurteil Ludendorffs in allen großen europäischen Militärmächten etwas galt, glaubten die Ludendorff-Anhänger und Ludendorff selbst damals an vielen Anzeichen erkennen zu können. Aber auch solche rechtskonservativen Publizisten wie Carl Schmitt, Ernst Jünger, Ernst Niekitsch hörten Ludendorff halb zustimmend, halb Kopf schüttelnd zu. Und so natürlich auch lange Zeit führende Generäle des deutschen 100.000-Mann-Heeres.

Ludendorff selbst behielt nun um solcher von ihm vermuteter Absichten willen die innenpolitischen Vorgänge in Deutschland scharf im Auge und kommentierte sie allwöchentlich scharf und pointiert in seiner Zeitung "Ludendorffs Volkswarte". Diese Wochenzeitung mit einer Auflage von knapp 100.000 Stück wurde deshalb auch folgerichtig 1933 von den Nationalsozialisten verboten.

"Osthilfe-Skandal" von 1932/33 - Entscheidend für die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler? 

Es war nun auch Erich Ludendorff, der als einer der ersten auf den Osthilfe-Skandal rund um die Person des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg hinwies (s. Wikip.). Dies ist um so bedeutsamer, als der Reichstagsbrand-Forscher und Tobias-Kritiker Hersch Fischler ebenfalls den eigentlichen Grund für das von ihm behauptete vornehmlich rechtskonservative (!), nicht vornehmlich nationalsozialistische Anzünden des Reichstages nicht zuletzt im Osthilfe-Skandal vermutet (siehe später). Das wären völlig neue Perspektiven, auch was die Reichstagsbrand-Forschungen betrifft.

Von dem Osthilfe-Skandal behauptete Ludendorff, er würde das deutsche Staatsoberhaupt, den Reichspräsidenten, trotz dessen Ablehnung des "Gefreiten Hitler" erpreßbar machen im Sinne der von Ludendorff der Freimaurerei unterstellten Ziele, nämlich um die Machtergreifung Adolf Hitlers zu fördern. Der derzeitige Wikipedia-Eintrag (21.11.10) zum Osthilfe-Skandal bewertet den Osthilfe-Skandal und die Enthüllungen Ludendorffs viel entscheidender, als man sich erinnert, das bis dato irgendwo in Gesamtdarstellungen zur deutschen Geschichte gelesen zu haben. Es heißt dort nämlich:

General Ludendorff startete am 27. November 1932 in seiner „Volkswarte“ eine Kampagne, in der er auf Unregelmäßigkeiten bei Finanzierung und Sammlung für das (Hindenburg'sche) Gut Neudeck aufmerksam machte und Hindenburg die Beeinflussbarkeit durch „bestimmte Kreise“ vorwarf. Reichskanzlei und Büro des Reichspräsidenten äußerten nur, dass „die Verdächtigungen gegenstandslos seien und man bewusst auf offizielle Dementis verzichtet habe.“ Oldenburg-Januschau reagierte auf die Anschuldigungen mit einem offenen Brief an die Kreuz-Zeitung. Dieser wurde darauf in allen großen Zeitungen besprochen: die Affäre weitete sich in den folgenden Tagen zur „Steuersache Neudeck“ aus („wer zahlte eigentlich die Schenkungssteuer?“)
Erich Ludendorff schreibt in seinen Lebenserinnerungen über die Entlassung Brünings durch Hindenburg (5, S. 353f):
Ich wandte mich gegen (...) den Staatsstreich des Reichspräsidenten v. Hindenburg, als er mir-nichts-dir-nichts Brüning entließ (...). Ich zeigte, wie der Staatsstreich im Reich auch recht persönliche Gründe für den Reichspräsidenten hatte. (...) Der wesentliche Grund lag doch in der Besorgnis, daß die Regierung Brüning (...) große Siedlungsmaßnahmen im Osten durchführen könnte, die auch den Großgrundbesitz des Reichspräsidenten zur Abgabe von Siedlungsland in Mitleidenschaft ziehen würden.
Später war ich selbst gezwungen, auf recht ernste Erscheinungen der Verwendung von Geldern der sogenannten Osthilfe hinzuweisen, die die schwierige Lage der Landwirte im Osten erleichtern sollten, aber in einer Weise verwendet waren, die zu den schwersten Bedenken Veranlassung gab.
Ja, ich mußte mich entschließen, sehr ernst auf die Tatsache hinzuweisen, daß von seiten von Banken bei Großindustriellen und Banken für den Reichspräsidenten Geld gesammelt wurde, um seinen Großgrundbesitz Neudeck zu entschulden. (...) Durch Sammlungen, die Herr v. Oldenburg-Januschau angeregt hatte, (...) war dem Reichspräsidenten das Gut geschenkt worden. Umbauten des einfachen Hauses zu einem Schloß und der Stallungen hatten das Gut verschuldet. Durch Aufbringung von 500 000 Mark sollten die Schulden gedeckt werden. Ich fand das ungeheuerlich. Zu leicht "erhalten kleine Gaben die Freundschaft" und veranlassen Gegendienste. In anderen Staaten wäre dies als Korruption bezeichnet worden.  (...)

Ich glaube zu wissen, daß Reichskanzler v. Schleicher nicht gesonnen war, mir-nichts-dir-nichts an den Vorgängen vorbeizugehen, die ich aufgedeckt hatte. Ob dies einer der Gründe war, daß der Reichspräsident v. Hindenburg ihn fallen ließ, muß ich dahingestellt sein lassen. (...) Sei dem allem nun wie es sei, der Reichspräsident flüchtete sich in die Arme der Herren Hugenberg und Hitler; und Herr Hugenberg brachte das Gerede über die Osthilfe zum Schweigen, und ich hatte keinen Anlaß mehr, auf die so bedenkliche Affäre Neudeck noch einmal zurückzukommen.
Auf Wikipedia heißt es nun dies illustrierend noch weiter zum Osthilfe-Skandal:
Der Abgeordnete Joseph Ersing (Zentrum) hielt am 19. Januar 1933 im Haushaltsausschuß des Reichstags eine Rede mit Enthüllungen von Einzelheiten über den Mißbrauch öffentlicher Mittel im Zusammenhang mit der Osthilfe: „[U]nd wenn die vom Reich gegebenen Gelder nicht zur Abdeckung von Schulden, sondern zum Ankauf von Luxusautos und Rennpferden und zu Reisen an die Riviera verwendet würden, dann müsse das Reich die Rückzahlung der Gelder verlangen. Die Großgrundbesitzerkreise seien bemüht, eine weitere parlamentarische Verhandlung unmöglich zu machen. Deshalb werde hinter den Kulissen die stärkste Aktivität für eine sofortige Auflösung des Reichstages entfaltet."

"Weitere parlamentarische Verhandlungen unmöglich" machen

Wie macht man "weitere parlamentarische Verhandlungen unmöglich"? Vielleicht dadurch, daß man den Reichstag einfach anzündet. Dies ist jedenfalls die These des Journalisten Hersch Fischler zu den Motiven rechtsnationaler Kreise für das Anzünden des Deutschen Reichstages. Fischler sagt nämlich,  wie wir noch zitieren werden, daß vom Reichstagsbrand die hier angesprochenen rechtskonservativen Kreise noch weitaus mehr profitieren konnten, als sogar die Nationalsozialisten selbst. Auf Wikipedia heißt es weiter:

Die Vorwürfe stießen nicht zuletzt deshalb auf Interesse, weil zuvor im Zusammenhang mit Ludendorffs Enthüllungen der Name Hindenburgs und der seines Freundes Elard von Oldenburg-Januschau in der Presse auftauchten. Auch diese Familien sollten bei der Zuteilung öffentlicher Mittel begünstigt worden sein. Auch war im Umfeld von Ludendorffs Recherchen schon Ende 1932 bekannt geworden, dass Gut Neudeck zur Vermeidung der Erbschaftssteuer direkt auf den Sohn des Präsidenten, Oskar von Hindenburg, überschrieben worden war. Dies war sicher rechtlich nicht anzufechten, beschädigte aber doch erheblich das Bild Hindenburgs als „ehrlichem und korrektem Preußen ohne Fehl und Tadel“ und verstärkte das Interesse an den neuerlichen Enthüllungen.

Und dann kommen ganz erstaunliche Passagen, die inhaltlich zumindest dem Autor des vorliegenden Beitrages völlig neu sind, obwohl er sich als nicht gerade unbelesen bezeichnen möchte, was zeitgeschichtliche Forschungsliteratur betrifft. Womit dem Erstaunen Ausdruck gegeben werden soll, daß diese Vorgänge bislang offenbar noch nicht stärker ins deutsche Geschichtsbewußtsein, ja überhaupt nur in zeitgeschichtliche Überblicksdarstellungen eingeflossen sind. Schließlich hören sie sich einigermaßen entscheidend an:

Am 22. Januar 1933 fand ein Treffen zwischen Hitler, Frick, Göring, Körner, Papen, Staatssekretär Meißner und Oskar von Hindenburg im Haus Ribbentrops statt. Thema war die Bildung eines Kabinetts Hitler/Papen und Sturz des Kabinetts Schleicher. Hitler und Oskar von Hindenburg sprachen etwa zwei Stunden unter vier Augen im Nebenraum. Meißner berichtete später in Aussagen zum Wilhelmstraßen-Prozess, Hindenburg habe auf der Rückfahrt im Taxi gesagt: „es gebe nun keine andere Möglichkeit mehr“, als Hitler zum Kanzler zu machen. Einige Historiker vermuten, dass Hitler ihn mit einer Mischung aus Drohungen (mit weiteren Enthüllungen den Skandal auszuweiten) und Angeboten (Papen sei ja selbst damit einverstanden, Vizekanzler zu sein – DNVP und Stahlhelm machen die Mehrheit des Kabinetts aus – außerdem das Verhindern weiterer Enthüllungen) bearbeitete. (...)
Und weiter:
Hugenberg wurde Reichsminister für Wirtschaft und Ernährung, in dieser Funktion auch Kommissar für Osthilfe.

Das Berliner Tageblatt berichtete über die Abholung der bereits zugestellten Akten zum Osthilfeskandal durch Beamte des Reichskommissariats für Osthilfe am Morgen des 2. Februar 1933. Fünf Tage später folgte im gleichen Blatt ein Artikel über Randale und Krawallszenen, die die Fortführung der Untersuchung zum Osthilfeskandal verhinderten. Die sozialdemokratische Zeitung Vorwärts veröffentlichte am 25. Februar 1933 einen Bericht mit dem Titel „Der Osthilfesumpf“ über das Verbot der Veröffentlichung einer Broschüre des SPD-Abgeordneten Kurt Heinig, dem Berichterstatter des Untersuchungsausschusses über den Osthilfeskandal, durch den Berliner Polizeipräsidenten wegen angeblicher Gefährdung der öffentlichen Ordnung.

Randale und Krawallszenen, die die Fortführung der Untersuchung zum Osthilfeskandal verhinderten

Dieser Polizeipräsident war der rechtskonservative, 1931 der NSDAP beigetretene Admiral Magnus von Levetzow (Wiki), der zuvor zwischen Göring und dem deutschen Kaiser in Holland vermittelt hatte. In der Nacht vom 27. zum 28. Februar 1933 brannte dann der Deutsche Reichstag. Wikipedia weiter:

Das Ermächtigungsgesetz wurde am 23. März 1933 im Reichstag beschlossen (...). Der Untersuchungsausschuss zur Osthilfe beendete am 3. Mai 1933 seine Arbeit und stellte in seinem Abschlussbericht keinerlei Unregelmäßigkeiten fest.

Aus Anlaß der Feierlichkeiten zum Jahrestag der Schlacht von Tannenberg am 27. August 1933 bekam Hindenburg von Göring, dem Ministerpräsidenten Preußens, eine Urkunde, mit der die Domäne Langenau (früher schon einmal in Besitz der Familie Hindenburg) und der Forst Preußenwald nahe Gut Neudeck als Geschenk an Hindenburg übereignet wurden. Beide wurden danach von Hitler und Göring für steuerfrei erklärt, solange sie sich im Besitz männlicher Nachfolger der Familie Hindenburg befinden. Auch übernahm das Reich den weiteren Ausbau und die Sanierung von Gut Neudeck. Drei Wochen später bat das Büro des Reichspräsidenten um eine schriftliche Bestätigung dieser Zusage und um baldige Auszahlung. Brüning meinte in seinen Memoiren 1970 in diesem Zusammenhang: „[D]ass der Reichspräsident überzeugt war, dass Papen Hitler nur an die Macht gebracht hätte, um die Monarchie wieder einzuführen. Als im Sommer zum erstenmal Bedenken nach dieser Richtung hin entstanden, wurde Hindenburg ein Nachbargut von Neudeck geschenkt […] es gelang Oskar von Hindenburg, die Bedenken seines Vaters zu zerstreuen."

Merkwürdigerweise wird diesen ganzen Vorgängen und Zusammenhängen in der ansonsten glänzenden und ausführlichen neuen Hindenburg-Biographie von Wolfram Pyta kaum ein Augenmerk geschenkt. Zwar ist immer wieder von einem "zu renovierenden Kuhstall" auf Gut Neudeck die Rede, aber, soweit übersehbar, nirgends der hier auf Wikipedia geäußerte Verdacht, daß Hindenburg durch  finanzielle Abhängigkeiten und Unregelmäßigkeiten sich zur Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler könnte haben erpressen lassen.

Abb. 2: Hitler verläßt Schloß Neudeck nach seinem Besuch am Sterbelager Hindenburgs am 1. August 1934. In der Mitte Oskar von Hindenburg, ganz rechts Staatssekretär Meißner, in zweiter Reihe Brückner, ganz hinten der Arzt Sauerbruch. Einen Tag später starb Hindenburg.

Der Wikipedia-Artikel zum Osthilfe-Skandal lautet jedenfalls zusammen gefaßt: Adolf Hitler wurde zum Reichskanzler ernannt, damit der Sohn von Paul von Hindenburg ein von Schulden und Erbschaftssteuern freies, zusätzlich um eine Domäne erweitertes, auf Staatskosten renoviertes, vormals fast verlustigt gegangenes Familiengut in Ostpreußen behalten konnte und mit seinen Gutsnachbarn an die Riviera fahren konnte.

Die Empörung Erich Ludendorffs am 30. Januar 1933

Von all solchen Umständen liest man in dem Artikel von Fritz Tobias über den "prophetischen" Brief Erich Ludendorff nichts. Hans Frank war es, der als bayerischer Justizminister nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler mit "staats-", will heißen NS-feindlichen Umtrieben a la Erich Ludendorff zwangsläufig befaßt sein mußte ("Gegnerbeobachtung" und "-bekämpfung" nannte man das in Partei- und Gestapokreisen). Dieser Hans Frank berichtete 1945 in seinen Memoiren von einem Telegramm, das Erich Ludendorff anläßlich der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler an Paul von Hindenburg geschrieben haben sollte. Der Wortlaut paßt sehr genau zu Ludendorff und in Art und Inhalt zu allem, was von Ludendorff auch sonst in dieser Zeit geschrieben worden ist. Allerdings ist für diesen Wortlaut selbst bislang kein Originaldokument gefunden worden, ein Umstand, aufgrund dessen sich Fritz Tobias bemüßigt fühlte, darauf zu drängen, daß dieses vielgebrachte Zitat aus den deutschen Geschichtsbüchern verschwände:

Sie haben durch die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler unser heiliges deutsches Vaterland einem der größten Demagogen aller Zeiten ausgeliefert. Ich prophezeie Ihnen feierlich, dass dieser unselige Mann unser Reich in den Abgrund stürzen und unsere Nation in unfassbares Elend bringen wird. Kommende Geschlechter werden Sie wegen dieser Handlung in Ihrem Grab verfluchen.

Warum war es dem Verfassungsschutzmann Fritz Tobias so wichtig, daß es für diese doch durch und durch wahren Worte kein Originaldokument gibt? Warum machte Fritz Tobias nicht klar, daß wenn schon für diese Worte kein Originalzeugnis vorliegt, doch jedes einzelner dieser Worte sich in anderen schriftlichen Äußerungen Ludendorffs in dieser oder ähnlicher Weise wiederfindet? Was stört ihn daran? Welches schlechte Gewissen dem Freimaurer-Kritiker und Osthilfe-Skandal-Aufdecker Erich Ludendorff gegenüber spricht sich in den Bemühungen des Pro-Nazi-Justizmord-Vertuschers Fritz Tobias aus?

Und auch die Vorgänge rund um den Reichstagsbrand in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933 verfolgte Ludendorff sehr genau. In seinen Lebenserinnerungen schreibt er darüber (6, S. 22):

Am 27.2.1933 ging der Sitzungsssaal des Reichstagsgebäudes in Flammen auf. (...) Ich habe an die Mär, daß der Reichstagssaal von Kommunisten angezündet worden sei, nie glauben können und habe gespannt die Verhandlungen vor Gericht erwartet. Sie haben sich sehr lange hingezogen, und was sie brachten, war keine Aufklärung des Falles. Durch meine Zweifel, die ich äußerte, hatte ich mir natürlich den besonderen Zorn der regierenden Partei und der Regierung zugezogen. (...) Die Angriffe gegen einzelne Tannenberger nahmen im ganzen Reiche zu.

Nach dem Tod Paul von Hindenburgs am 2. August 1934 suchten die obersten Wehrmacht-Generäle, insbesondere General Ludwig Beck (7), Erich Ludendorff als Gegengewicht gegen den Kriegswillen Adolf Hitlers aufzubauen. Da Ludendorff im Jahr 1935 aber selbst den General Beck als zu kompromisslerisch und zu wenig konsequent in seiner Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus beurteilte, blieb die Zusammenarbeit nur eine sehr lose. Es blieb allerdings eine Zusammenarbeit, die die Gegnerbeobachtung und -bekämpfung von Seiten der Gestapo und anderer "Staatschützer" der damaligen Zeit scharf im Auge behalten mußte.

Daß "seine Politik zum Weltkrieg führen müsse" (1937)

Der Wortlaut des Gespräches, das Erich Ludendorff - letztlich auf Wunsch der Wehrmacht-Generalität - am 30. März 1937 mit Adolf Hitler hatte, ein Wortlaut, den die Witwe Erich Ludendorffs nach 1945 aus dem Gedächtnis festhielt (6, S. 164f), deckt sich inhaltlich auffallend genau mit den Einwänden des Außenministers Konstantin von Neurath ein knappes Jahr später auf die im Hoßbach-Protokoll geäußerten Kriegsabsichten Adolf Hitlers. Schon auf Wikipedia heißt es zu Neurath:

Nach der Hoßbachkonferenz vom November 1937 zeigte sich von Neurath tief bestürzt über die dort offenbarten Kriegspläne Hitlers. Bald darauf wurde er im Zuge der Blomberg-Fritsch-Krise am 4. Februar 1938 als Außenminister abgelöst und durch seinen Konkurrenten Ribbentrop ersetzt.
Und der Historiker Klaus-Jürgen Müller berichtet (7, S. 260f):
Der Reichsaußenminister war von den in ihrer Gesamttendenz aggressiven Absichten Hitlers zutiefst schockiert. Er entschloß sich zu dem Versuch, Hitler umzustimmen. Zwei Tage nach der Sitzung nahm er mit Fritsch und Beck Kontakt auf. (...) Die beiden Generäle teilten Neuraths sorgenvolle Einschätzung. Nicht so sehr der Gedanke an eine Aggression gegen den südöstlichen Nachbarstaat (Tschechoslowakei) schockierte sie, was sie fürchteten, war ein daraus entstehender großer europäischer Krieg, ein Krieg mit Frankreich und Großbritannien. Hitlers Konzept enthielt für sie ein unverantwortliches Risiko. (...) Dem Reichsaußenminister gelang es erst Mitte Januar, bei Hitler vorgelassen zu werden. Auch Neurath versuchte dem "Führer" klar zu machen, daß "seine Politik zum Weltkrieg führen müsse". Abwiegelnd fügte er hinzu, man könne doch "viele seiner Pläne ... auf friedlichem Wege - allerdings etwas langsamer - lösen." Der Diktator erwiderte nur, "er habe keine Zeit mehr."

Während der Historiker Klaus-Jürgen Müller auch sonst vielfältig auf die große Sorge der Wehrmachtgeneralität hinweist vor einem neuen Weltkrieg, versucht Fritz Tobias diese grundsätzliche Gegnerschaft gegen die "halsbrecherische" Politik Hitlers herunterzuspielen mit dem Hinweis darauf, daß die Generäle durchaus bereit gewesen waren, begrenzten Kriegen zur Revision des Versailler Vertrages zuzustimmen, die mit Gewißheit nicht in einen großen Weltkrieg münden würden. Als wäre dadurch die Gegnerschaft gegen die Politik Hitlers und gegen das leichtsinnige Riskieren eines neuen Weltkrieges entwertet.

Tobias zitiert gleich zu Anfang seines Buches "Der Sturz der Generäle" (S. 16) aus den Memoiren von General von Blomberg, niedergeschrieben zwischen 1940 und 1943 die Worte:

Ich wäre den Weg des Führers nach Österreich auch gegangen, aber dann hätte ich mir eine Frist von zehn Jahren gesetzt, um das neue Großdeutschland und eine totale Rüstung auszubauen. Denn daß Deutschland noch einmal um sein Erstarken kämpfen mußte, schien nicht vermeidbar.

Und das wären Gründe genug gewesen, es nicht schlimm zu finden, daß - etwaig - die Gestapo an dem Sturz solcher Generäle arbeitete? Wäre Europa mit einer Politik Blombergs nicht bedeutend besser gefahren? Was alles hätte sich innerhalb von zehn Jahren ereignen können? Die gestürzten Generäle verfolgten schlicht die Politik des Staatssekretärs Ernst von Weizsäcker, der ebenfalls - nach dem Buchtitel des deutschen Historikers Rainer A. Blasius - "Für Großdeutschland - gegen den großen Krieg" gewesen ist.

Warum Fritz Tobias diese sehr differenzierte Haltung dem Leser nicht bewußt zu machen bestrebt ist, und sie dann auch nicht in positivem Licht zu sehen gewillt ist, muß hier dahin stehen. Jedenfalls scheint er es nicht besonders zu bedauern, daß Generäle, die einen Kriegsausbruch um zehn Jahre hinauszuzögern bemüht waren, im Jahr 1938 gestürzt worden sind, so daß der Zweite Weltkrieg schon im Jahr 1939 ausbrechen konnte. Das ist in seiner Haltung im Grunde schon bezeichnend genug. (Fortsetzung dieses Beitrages in --> Teil 2.)

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*) [5.12.2018:] Dieser Aufsatz und seine Folgeteile bewegte sich schon im Jahr 2010 im Rahmen einer solchen Art von Geschichtsbetrachtung, wie ihr seit dem Jahr 2018 in einer größeren Öffentlichkeit durch Niall Ferguson's Buch "The Square and the Tower" sicher ein höherer Grad von "Seriosität" zugebilligt worden ist.

 

/ Leicht überarbeitet: 
21.9.21 /

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Literatur

  1. Müller, Gerhard: Überstaatliche Machtpolitik im 20. Jahrhundert. Hinter den Kulissen des Weltgeschehens. Verlag Hohe Warte, Pähl 1972, 1982
  2. Beer, Hugo Manfred: Moskaus As im Kampf der Geheimdienste. Die Rolle Martin Bormanns in der deutschen Führungsspitze. Verlag Hohe Warte, Pähl 1987
  3. Grandt, Guido: Logenmord Jörg Haider. Freimaurer und der mysteriöse Tod des Politikers. Kopp-Verlag, Rottenburg 2010
  4. Ludendorff, Erich: Weltkrieg droht auf Deutschem boden. Ludendorffs Volkswarte-Verlag, München 1931 (151. bis 200. Tausend)
  5. Ludendorff, Erich: Vom Feldherrn zum Weltrevolutionär und Wegbereiter Deutscher Volksschöpfung. 2. Band. Meine Lebenserinnerungen von 1926 bis 1933. Verlag Hohe Warte, Stuttgart 1951
  6. Ludendorff, Erich: Vom Feldherrn zum Weltrevolutionär und Wegbereiter Deutscher Volksschöpfung. 3. Band. Meine Lebenserinnerungen von 1933 bis 1937. Verlag Hohe Warte, Stuttgart 1955
  7. Müller, Klaus-Jürgen: Generaloberst Ludwig Beck. Eine Biographie. Hrsg. mit Unterstützung des Miltiärgeschichtl. Forschungsamtes, Potsdam. 2. durchgesehene Auflage, Ferdinand Schöningh, Paderborn u.a. 2009 
  8. Dedijer, Vladimir: Die Zeitbombe - Sarajewo 1914. Wien 1967
  9. Janßen, Karl-Heinz; Tobias, Fritz: Der Sturz der Generäle. Hitler und die Blomberg-Fritsch-Krise 1938. Beck-Verlag, München, 1994

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