Samstag, 13. November 2010

Ist "Political Incorrect" WIRKLICH "politisch unkorrekt"?

Wer heute nicht im Kern naturalistisch argumentiert, ist letztlich schon "Mainstream"

Wieder ist ein sehr lesenwerter Artikel von Andreas Müller, dem Germanistik-Studenten, erschienen. Also von einem jener heute noch so raren Germanistik-Studenten oder gar Germanisten, die auch anthropologisches Denken aus dem ff beherrschen:

Christentum als Kultur

derautor | 12. November 2010 at 19:07 | Kategorien: Religionskritik, Wissenschaft | URL: http://wp.me/puoS7-1EQ
The Christian Delusion ist ein neues Buch, in dem sich Wissenschaftler aus den Bereichen Anthropologie, Bibelforschung, Geschichte, Philosophie und Psychologie an das Projekt wagen, das Christentum sowohl zu widerlegen, als auch zu erklären. Es bietet faszinierende Einblicke und einige Beiträge sollen hier näher vorgestellt werden.
Im ersten Beitrag befasst sich der Anthropologe David Eller mit dem Christentum als Kultur.




Warum ist ein solches Beherrschen von anthropologischem Denken auch für Geisteswissenschaftler  und politisch Denkende und Handelnde heute so wichtig? Weil nur "das Ganze" "die Wahrheit" ist, wie schon der Philosoph Hegel sagte. Allerdings wissen das viele Leute auch schon ganz ohne und unabhängig von der Hegel'schen Philosophie, etwa Leute wie der Evolutionsbiologe Edward O. Wilson ("Einheit des Wissens"). Einseitig geisteswissenschaftlich oder einseitig naturwissenschaftlich zu denken, bringt einen geistig, kulturell - und sogar politisch - auf schiefe Ebenen.

Jacob Grimm, der revolutionäre Begründer der Germanistik, der große deutsche Demokrat und Patriot, wäre mit dieser Erkenntnis heute seiner Zeit ebensoweit voraus wie er zu seiner Zeit der Zeit voraus war bei der Begründung des Faches Germanistik.

"Die Evolution scheint eines Ihrer Lieblingsthemen zu sein." - Grund zur Verwunderung?

Die Deutschen waren Jahrhunderte lang das "geisteswissenschaftlich" (metaphysisch) denkende Volk schlechthin. Das ist einer der Gründe, warum das naturwissenschaftliche Denken bei den deutschen Gebildeten so viele Schwierigkeiten hat oder warum Gebildete in Deutschland sich so wundern und einem schreiben:

"Die Evolution scheint eines Ihrer Lieblingsthemen zu sein."

Man kann es eher rätselhaft finden, wenn es einen gebildeten, noch dazu naturverbundenen Menschen heute in der Welt gibt, für den die Evolution nicht eines der Lieblingsthemen ist. Wenn Naturwissenschaft nicht so viel "abstrakter" wäre als etwa ein Gedicht von Josef von Eichendorf, würden die Deutschen das viel schneller kapieren. Aber abstraktes Denken - nunja! Da braucht man Motivationen, die viele Deutsche nicht haben. Weil es die Deutschen lieber "konkret" haben, "handgreiflich", wenn es ihnen niemand dichtet. Aber unsere Welt ist abstrakt. Die moderne Physik, die am Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland formuliert wurde, zeigt auf, daß es Bereiche in unserer Welt gibt, in der die Wirklichkeit nicht mehr mit unserem "Alltagsverstand" voll nachvollzogen werden kann.

Aber auch sonst: Wo geschieht denn geistig heute sonst noch so viel Neues wie auf dem Gebiet der Evolutionsforschung (und der Kosmologie)? Überall sonst wird doch nur schon Durchgekautes ein vierhunderstes mal erneut durchgekaut. Was hätte Sarrazin für ein langweiliges, staubtrockenes Buch geschrieben, wenn er sich nicht von den Naturwissenschaften, insbesondere von Edward O. Wilson hätte geistig befruchten lassen? Alle hätten ihm dann zugestimmt und gesagt: "Das meinen wir ja letztlich auch ... Schön, daß es einer mal unumwunden sagt." Kirsten Heisig stimmen doch heute auch alle zu.

Aber "der Biologismus", der ist der große Gegner, um dessentwillen Leute heute Arbeitsplätze verlieren und aus Parteien ausgeschlossen werden sollen. Und Goethe sagt:

"Ich will mich nicht bereden lassen,
macht mir den Teufel nur nicht zu klein,
ein Kerl, den alle Leute hassen,
der muß was sein."

Also der Biologismus.

"Political Incorrect" ...
Gerade bekommen wir noch folgende Zuschrift:

Seht mal: das Sarrazin-Heft der Sezession wird bei PI direkt in einem Artikel beworben: http://www.pi-news.net/2010/11/sarrazin-die-zweite-welle/#more-163562

Daran schließen sich noch folgende Gedanken an: Wenn auf einer Seite wie "Political Incorrect" - mit 50.000 Besuchern täglich - Lobbyismus für das naturalistische Menschenbild gemacht würde, dann wäre das aufsehenerregend. Das ist aber hier nicht der Fall. Zum Beispiel Suchworte wie "Genetik" oder "Intelligenzforschung" bringen gar keine oder nur ein ziemlich mageres Ergebnis. Auch hier sind also wenn dann andere Lobbyisten am Werk als jene, denen ein naturalistisches Menschenbild zentral - oder wenigstens nur: wichtig - wäre. 

Die Stellung zum naturalistischen Menschenbild ist heute ein sehr guter Prüfstein für die gesamte Medienlandschaft geworden.

Und hier kann man sogar noch weitergehen: Eine Seite wie Seite von PI muß einem schon heute fast wie Mainstream vorkommen. Das gilt übrigens für jedes Publikationsorgan, das nicht dezidiert - wie Thilo Sarrazin - im Kern naturalistisch argumentiert. Die politischen (und religiösen!) Eliten in Deutschland betonen derzeit so sehr das christliche Menschenbild, weil sie sehen, von woher Gefahr droht: vom "Biologismus", vom naturalistischen Menschenbild.

Eine neue Facebook-Gruppe

Deshalb wurde gestern auch einmal einfach des Spaßes halber eine neue Facebook-Gruppe gegründet:

Jedenfalls kann man nur allen Lesern raten aufzupassen, daß sie nicht selbst "Mainstream" werden. Eine linke, fortschrittliche oder eine rechtskonservative Partei, ja sogar eine Familienpartei jenseits aller Links-Rechts-Schemata, die nicht im Kern naturalistisch argumentieren, sind dadurch daß Thilo Sarrazin nicht Mainstream ist, selbst zum Mainstream geworden. Egal wie populistisch oder im besten Sinne reformerisch sie sich auch sonst geben würden. Sie würden die notwendige Wende (sprich evolutionäre Anpassung) nicht bewirken, sondern günstigstenfalls bloß solche "geistig-moralischen Wenden" wie jene hohle 1982 verkündete, man erinnert sich: Helmut Kohl, verachteten Angedenkens.

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