Wenn der führende - und auch nicht unpopuläre - Politiker eines Landes, der gerade in Verhandlungen über eine Regierungsbildung in diesem Land steht und noch zwei Stunden vorher aufgeräumte Interviews gegeben hat, unter äußerst widersprüchlichen Umständen stirbt (siehe frühere Beiträge hier auf dem Blog), dann hat die Öffentlichkeit allen Anlaß, solchen Vorgängen gegenüber mit großer Aufmerksamkeit und energischer, kritischer Fragehaltung gegenüber zu stehen. Das alles bloß in einen oberflächlichen Hohn über einen solchen Tod auslaufen zu lassen, nur weil es sich um einen politischen Gegner handelt und weil man das Verhalten dieses Politikers zuvor als gesellschaftlich schädlich angesehen hat, ist nicht nur menschlich völlig unangemessen, sondern viel mehr noch: politisch und vom Standpunkt der Rechtssicherheit.
Nimmt eine Gesellschaft hier Unklarheiten auf längere Dauer hin - wie das Deutschland z.B. gegenüber dem Mordfall Uwe Barschel schon seit Jahrzehnten tut -, drängt sie nicht auf baldige und restlose Klärung, ist doch in gar keiner Weise auszuschließen, daß - auch - künftig führende Politiker unter Mordandrohnungen anderes machen, als sie es ohne solche Mordandrohungen gemacht hätten. Man braucht dann künftig von entsprechender Seite nur mit entsprechendem Gesichtsausdruck den Namen eines früh verstorbenen Politikers raunen und der betreffende Politiker - - - "weiß Bescheid". Und "richtet" sich "danach".
Selbstverständnis des Gemeinwesens infrage gestellt
Das demokratische und rechtsstaatliche Selbstverständnis eines Gemeinwesens kann doch gar nicht an einem noch neuralgischeren Punkt infrage gestellt sein. Durch welches politische Ereignis sollte das denn noch übertroffen werden?
Diesen Fragen gegenüber muten die derzeitigen Auseinandersetzungen rund um das "politische Erbe Jörg Haiders" wie "Stellvertreterkriege" an. Weil offenbar niemand von den politisch und rechtlich Verantwortlichen die entscheidenden Fragen und Forderungen in Richtung Aufklärung stellen will.
Aber auch als solche "Stellvertreterkriege" können sie noch sehr erhellend sein. Nicht weil es hier etwa um bestimmte politische Inhalte gehen würde, die man ablehnt oder denen man zustimmt, sondern um der eingangs genannten viel allgemeineren Umstände willen. Schon im letzten Beitrag hier auf diesem Blog am zweiten Weihnachtsfeiertag befaßten wir uns deshalb mit der derzeitigen "Groteske um das Erbe Jörg Haiders".
Die Vorgänge hinter den Kulissen
Daß der diese "Groteske" auslösende, "putschende" Uwe Scheuch heute einsieht, viele Fehler gemacht zu haben und daß er und seine Familie derzeit viele, auch persönliche Angriffe auszuhalten hat, und daß er auch an ein Ende seiner politischen Karriere zu denken fähig ist, ist einem heutigen Interview mit ihm zu entnehmen: --> Kronen-Ztg..
Einen Tag nach dem auslösenden "Putsch der Brüder Scheuch" in Kärnten, am 17. Dezember 2009, hatte der in Wien arbeitende Parteichef des BZÖ, Josef Bucher, dem Wiener --> "Standard" ein überaus erhellendes Interview gegeben, das zeigte, in welcher Weise dieser "Putsch" hinter den Kulissen vorbereitet wurde. - Und auch aus welchen Gründen und Motivenlagen heraus. Bucher sprach nämlich auch mit sehr deutlich vielsagendem und maliziösem Lächeln über die Zusammenhänge dieses "Putsches" mit der Kärntner Bankenkrise.
Die Angehörigen Jörg Haiders als einflußreicher politischer Faktor
Ein erstes deutlicheres Anzeichen für einen allgemeinen Meinungsumschwung hinsichtlich dieses "Putsches" stellte dann das Interview mit der Mutter und der Schwester Jörg Haiders am 27. Dezember dar --> Kronen-Ztg.. Und da die Stimmen der Angehörigen von Jörg Haider in diesen Fragen offenbar doch als politisch gewichtig einzuschätzen sind, was Wähler- und Parteimitglieder-Stimmungen betrifft, wurde dann der sich anbahnende Meinungsumschwung von Hans Rauscher im --> "Standard" am 29. Dezember 2009 mit dem Tenor kommentiert:
... Nun bleibt dem BZÖ-Hinterbliebenen Josef Bucher doch noch die Chance, eine "rechtsliberale" Honoratiorenpartei (..) auf die Beine zu stellen.(Hervorhebung nicht im Original.) Was spricht aus einem solchen Tenor? Nun bleibt ihm "doch noch die Chance"? Ja, was denn? War es darum gegangen? Hatte eine solche Chance denn etwa vor allem verhindert werden sollen? Wo man dem BZÖ doch gar keine "Chancen" mehr hatte eingeräumen wollen? Ohne Jörg Haider? Oder tat man das nur nach "außen" hin? War man sich dessen doch nicht so sicher gewesen?
Bestehen für ein unabhängiges BZÖ "Chancen" oder nicht?
Bei diesem - doch offenbar - aus dem Hintergrund heraus auch von der ÖVP gesteuerten "Putsch der Brüder Scheuch"? Und waren damit auch Wünsche der durch den "Standard" vertretenen politischen Mitte und der politisch Etablierten in Österreich verbunden? Und wenn ja: Warum eigentlich? Warum würde man sich dort - offenbar - über eine Stärkung der Partei H.C. Strache's freuen, nicht aber, wenn das BZÖ "noch eine Chance" bekäme? Was fürchtet man denn an einem BZÖ? Was ist für eine politische Mitte an dem BZÖ anders als an der Strache-Partei? Gar: Was ist an ihm (noch?) schlechter als an jener?
Oder schwingen hier nicht auch Motivlagen mit, die auch bei jenen mitgeschwungen haben könnten, die Entscheidungen in jene Richtung hin veranlaßt haben könnten, daß eben jener Jörg Haider überhaupt hatte sterben müssen? "Müssen." - "Damit" eine Partei wie das BZÖ eben "keine Chance" mehr bekäme? Solange die Widersprüche der Todesumstände nicht lückenlos aufgeklärt sind, muß es erlaubt sein, solche Fragen zu stellen. - - -
Außerhalb Österreichs wenig bekannt: BZÖ
Über die außerhalb Österreichs wenig bekannte Geschichte des BZÖ konnte man sich zwischenzeitlich auf --> Youtube einen Eindruck verschaffen. Und über den politischen Lebensgang Jörg Haiders insgesamt informiert - aus gegebenem Anlaß - heute auch die aktuelle Ausgabe der steiermärkischen "Kleinen Zeitung" in einer ganz brauchbaren zusammenfassenden Grafik:
Nicht erst am 31.Dezember 2009 kristallisierte sich dann immer mehr heraus, daß die dem Putsch bislang zustimmenden Amtsinhaber des BZÖ in Kärnten von der Basis schrittweise stärker zu einem Umdenken veranlaßt werden --> Kl. Ztg..
Claudia Haider legt ihre Stimme in die Waagschale
Und heute nun, am 3. Januar 2010, legt Frau Claudia Haider, die Witwe von Jörg Haider ihre - von vielen mit Spannung erwartete - politisch also auch als gewichtig erachtete Stimme in die Waagschale. Und zwar deutlich früher als bislang vermutet. Und diese Stimme ist eindeutig. --> Kl. Ztg..
Ebenso wie schon zuvor die "Kämpfer des Lichts" Josef Bucher und Stefan Petzner fordert nun auch sie auf dem anberaumten Kärntner BZÖ-Parteitag eine Urabstimmung. Das heißt, nicht nur eine Abstimmung der - wie inzwischen vielen klar geworden ist - durch ihr Amt in Abhängigkeit von der Landesregierung stehenden Kärntner Partei-Repräsentanten. So wie es bislang vorgesehen war auf dem von den Scheuchs anberaumten entscheidenden Parteitag.
Claudia Haider ist aber darüber hinaus - politisch eigentlich sehr klug - zurückhaltend in der Beurteilung der Repräsentanten der beider einander befehdenden Richtungen. Sie sagt, das politische Erbe Jörg Haiders ließe sich nicht beseitigen, ganz egal, wie der derzeitige "Putsch" ausginge. Nur gegenüber Landeshauptmann Gerhard Dörfler wird eine etwas deutlichere Aversion spürbar. Und sogar die Option, selbst in die Politik zu gehen, hält sie sich in diesem Interview offen.
Und die CSU in Bayern ...
Und zugleich schwappt von Horst Seehofers schwer angeschlagener Bayerischer CSU neuer Zündstoff nach Österreich hinüber. (Standard, s.a. Presse, Süddt. Ztg., ...) Wie kam die Kärnter Bankenkrise zustande? Viele reiche Familien Bayerns und Österreichs sind in sie involviert, viele, die zur politischen Mitte gehören, zu den Etablierten. BZÖ und ÖVP in Kärnten profitierten offenbar sehr deutlich von den Transaktionen, die zu ihr führten.Wer trägt nun präzise welche Verantwortung für die Bankenkrise? Wer wußte was? Überall wiegt "Mauern" vor ...