Was gerade noch an anderer Stelle kommentiert wurde (hier und hier), soll auch auf den eigenen Blog gestellt werden. Es ist nämlich sehr auffällig, daß in der ganzen öffentlichen Diskussion um Holocaust-Leugnung und päpstliches Unfehlbarkeits-Denken auf Seiten von Leuten, die päpstlicher als der Papst sein wollen, kein einziges mal an den "Appell von Blois" vom letzten Sommer erinnert wurde, auf den verdienstvollerweise neuerlich durch Adelinde aufmerksam gemacht wird. Er ist ja auch von Seiten des auch sonst sehr schätzenswerten Historiker-Ehepaares Jan und Aleida Assmann, von so prominenten deutschen Historikern wie Heinrich August Winkler oder Gerd Lüdemann unterzeichnet worden. Und er verdiente sicherlich noch eine breitere öffentliche und wissenschaftliche Diskussion, als er sie bisher gefunden hat.
Deshalb hier noch einmal sein Wortlaut (Welt):
Die Geschichte darf kein Sklave der Aktualität sein noch unter dem Diktat konkurrierender Erinnerung geschrieben werden. In einem freien Staat steht es keiner politischen Autorität zu, die historische Wahrheit zu definieren und die Freiheit der Historiker unter der Androhung von Strafen einzuschränken.Wenn man zu diesem Appell im Netz recherchiert, stößt man sehr bald auf den Kommentar des pensionierten Vorsitzenden Richters Günter Bertram, der schreibt:
Wir rufen alle Historiker auf, ihre Kräfte in ihren jeweiligen Ländern zu sammeln und unseren Strukturen vergleichbar aufzubauen. Jeder soll unverzüglich diesen Appell unterzeichnen, um die Pläne für Gesetze zum historischen Erinnern aufzuhalten.
Die verantwortlichen Politiker - die für den Erhalt der kollektiven Erinnerung eintreten - rufen wir dazu auf, sich bewusst zu machen, nicht durch das Gesetz und für die Vergangenheit staatliche Wahrheiten aufzustellen, deren juristische Anwendung schwerwiegende Folgen für die Historiker und die intellektuelle Freiheit im Allgemeinen haben.
In einer Demokratie ist die Freiheit der Geschichte die Freiheit aller.
Der Appell von Blois ist 100 mal berechtigt!Unser deutscher § 130 Strafgesetzbuch (Volksverhetzung) besaß Sinn und Legitimation, bis er 1994 mit der Pönalisierung der „Holocaustleugnung“ geschichtspädagogisch instrumentalisiert wurde. Das war zur Bekämpfung wirklicher antijüdischer Hetze unnötig, wie ich in einer Zuschrift an die FAZ vom 19. 08. 08 („Triftige Gründe“) skizziert hatte.
Die nochmalige Ausweitung des Tatbestands durch Novelle vom Frühjahr 2005 raubt der Strafbestimmung jegliche Kontur (von mir dargelegt in der Neuen Juristischen Wochenschrift 2005, 1483: „Der Rechtsstaat und seine Volksverhetzungsnovelle“).
Also müßte das deutsche Strafrecht (insoweit) dringlich zurückgeschnitten werden. Wenn nun aber – ganz im Gegenteil! – ein Rahmenbeschluß (dem m.E. jegliche europarechtliche Ermächtigungsgrundlage fehlt: wo wäre die denn??!) die verfehlte deutsche Bestimmung noch einmal ausweiten und europaweit oktroyieren will, ist Protest und noch einmal Protest das Gebot der Stunde."
1 Kommentar:
im "Guardian" steht: "To join Appel de Blois email contact@lph-asso.fr"
- http://www.lph-asso.fr/articles/50.html
andere Netzverweise:
The freedom of historical debate is under attack by the memory police
16 October 2008, The Guardian,
http://www.guardian.co.uk/commentisfree/2008/oct/16/humanrights/print
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Gegen die Geschichtspolizei
20. Oktober 2008, Die Welt,
http://www.welt.de/welt_print/article2598739/Gegen-die-Geschichtspolizei.html
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Wider die «Staatswahrheit»
22. Oktober 2008, Neue Zürcher Zeitung
http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/wider_die_staatswahrheit_1.1149155.html
=
Der Kampf um die Erinnerung
22.10.2008, FR-online.de
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/?em_cnt=1617551&em_loc=89
=
Im Zweifel für das freie Wort
28.10.2008, DER STANDARD
http://derstandard.at/?url=/?id=1224776492668%26sap=2%26_pid=11080868
=
Geschichte nach EU-Norm
30.10.2008, Freitag 44
http://www.freitag.de/2008/44/08440102.php
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Rote Karte aus Blois
15.11.2008, Neues Deutschland
http://www.neues-deutschland.de/artikel/138966.rote-karte-aus-blois.html
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Europäische Historiker gegen wissenschaftliche Zensur durch das Recht - Der Appell von Blois
16. November 2008, endstation-rechts.de
http://endstation-rechts.de/index.php?option=com_content&view=article&id=2357:europaeische-historiker-gegen-wissenschaftliche-zensur-durch-das-recht&catid=37:straftaten&Itemid=410
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Gegen die Kriminalisierung der Geschichte
22.11.2008, TP
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/29/29188/1.html
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