Samstag, 4. Juli 2009

Ist das Christentum die Ursache für den Untergang des Abendlandes?

Der Untergang von Sprachen und weltgeschichtlichen Kulturen, bzw. ihr Überleben über die Jahrtausende hinweg ist ein wichtiges Thema in unserer heutigen Zeit und in der Wissenschaft geworden. Insbesondere auch aufgrund der heutigen demographischen Entwicklungen auf der Nordhalbkugel. (Siehe diverse Bücher zu diesem Thema.) Es kann durchaus als ein wichtiges wissenschaftliches Thema angesehen werden zu fragen, aufgrund welcher Ursachen kleine Menschengruppen bis hin zu großen Kulturräumen ihre kulturelle und damit auch demographische Stabilität bewahren oder auf der anderen Seite massiv gefährden. (Es könnte dies übrigens auch durchaus etwas mit der inklusiven Fitneß eines William D. Hamilton zu tun haben. Und/oder mit Gesetzmäßigkeiten von "Gruppenselektion", wie an anderen Stellen auf "Studium generale" schon thematisiert worden ist.)

Möglicherweise nähert sich nun auch die Giordano-Bruno-Stiftung (GBS) an dieses Thema an. "Untergang des Abendlandes" lautete bekanntlich eine viel zitierte frühe Buchveröffentlichung zu diesem Thema von Oswald Spengler im Jahr 1918.

Und unter diesem allerhand Emotionen aufrührenden Titel gibt es demnächst bei der GBS einen Vortrag von Rolf Bergmeier. Aus der Ankündigung (siehe "Aktuelles") wird noch nicht deutlich, in welcher Weise etwaig mit Thesen von Oswald Spengler in dem Vortag umgegangen werden soll, wie auf sie reagiert werden soll:
Vortrag "Der Untergang des Abendlandes" in Mastershausen

Am Sonntag, dem 5. Juli 09, hält Rolf Bergmeier einen Vortrag zum Thema "Der Untergang des Abendlandes" am Stiftungssitz in Mastershausen. Er wird sich mit der Frage beschäftigen, warum all das, was die Griechen und Römer an Wissen, Kultur und Kunst bereits entwickelt hatten, in den "wilden Jahren des Christentums" für Jahrhunderte verloren ging. Derzeit arbeitet Rolf Bergmeier an einer kritischen Auseinandersetzung mit der modernen althistorischen Forschungsliteratur. Einige der Erkenntnisse, die er im Zuge seines Buchprojekts "Konstantin der Große und die wilden Jahre des Christentums" gewann, wird er in Masterhausen präsentieren und mit dem Publikum diskutieren.
Möglicherweise macht also Bergmeier vor allem das Christentum verantwortlich für den Untergang der heidnischen Antike. Hoffentlich tut er das nicht in zu schlichter Manier. Denn da können die Historiker auch noch viele andere Ursachen nennen. Eher kann man das Christentum als eines von vielen "Symptomen" und "Resultaten" des Untergangs der antiken Welt ansehen, eines Untergangs, der sich - etwa in Griechenland - demographisch schon in den ersten Jahrhunderten nach der Zeitrechnung anbahnte.

- Und viel spannender noch wäre die Frage, inwiefern das Christentum die kulturelle und demographische Entwicklung des Abendlandes zunächst konstituierte, stabilisierte aber schlußendlich dann in unserer Zeit doch auch wieder erneut gefährdete. Gefährdet nämlich insoweit, als an ihm oder seinem unlebendigen, starr gewordenen monotheistischen Erbe, das auch den heutigen Atheismus hervorgerufen hat, allzu unflexibel festgehalten wird.

Schon etwa die grundlegenden, die heutige Demographie stark mitbeeinflussenden familienpolitischen Entscheidungen Konrad Adenauers, an denen die großen Parteien bis heute festhalten, können zu wesentlichen Anteilen als ein Ausfluß von unlebendig gewordenem Monotheismus aufgefaßt werden, zu dem der heutige Atheismus bekanntlich nur ein Spiegelbild, aber keine wirkliche Alternative darstellt. Darüber ist ja auch schon in verschiedenen Zusammenhängen auf "Studium generale" geschrieben worden.

8 Kommentare:

Stefan hat gesagt…

Ursachen an einem "System" festzumachen, System von Mensch bzw. von Veranlagung des Menschen zu trennen, sehe ich allgemein als kritisch an. Systeme sind selten etwas, was fix aus dem Boden gestampft und dann bloß noch belebt wird - aber so oder so: sie entwickeln sich i.d.R. so, wie Menschen veranlagt sind. Der missbrauchsgefährdete menschliche Hang zum Sich-führen-lassen, die Tendenz zu einem Denken in Rechten und Pflichten, der Herdentrieb, usw. - das verhindert letztlich kein System auf Dauer. Schließlich wird das System diesen Veranlagungen in vielen Bereichen angepasst, zu statisch und damit zu instabil (Vernunft, Tugend, Einsicht, Bewusstsein, Streben nach Vervollkommnung, wie in dem Artikel zu Mary Wollstonecraft angeführt, sind doch Dinge, die nur eine Minderheit der Menschen ernsthaft verfolgte und verfolgt).

Ingo B. hat gesagt…

Naja!!!!

Der Typ Mensch, der in der heidnischen Antike das gesellschaftliche Klima bestimmt hat, war bestimmt ein wesentlich anderer als der Typ Mensch, der während des Mittelalters das gesellschaftliche Klima bestimmt hat.

Natürlich stehen Denksysteme und gelebtes gesellschaftliches Leben in wechselseitiger Beeinflussung, provozieren jeweils "Selektionsprozesse", Anpassungsprozesse.

Mary Wollstonecraft und ich (!) sind schon der Meinung, daß die Unselbstständigkeit im Denken, Handeln und Urteilen vor der Aufklärung deutlich reformbedürftig war und - zum Teil - immer noch ist.

Und man könnte schon der Meinung sein, daß das Streben nach Vervollkommnung in der heidnischen Antike auf ganz andere Weise gelebt wurde und mit ganz anderen Ergebnissen und Erfolgen als im Mittelalter.

In der Antike lief alles viel mehr über den Schönheitswillen. Alles, was moralisch gut sein sollte, mußte auch ästhetisch schön sein. Das ging im Mittelalter zu großen Anteilen verloren. Und aus so etwas können sich natürlich recht krasse Unterschiede im gesellschaftlichen Klima ergeben.

Man bedenken nur die Großzügigkeit und Freiheitlichkeit der Götter der Ilias und setze sie in Vergleich zu der finsteren Engstirnigkeit des Jahewh im Alten Testament. So wie Menschen sind, so stellen sie sich ihre Götter vor. Und so wie sie sich ihre Götter vorstellen, so werden sie ...

Stefan hat gesagt…

Damit magst du Recht haben, aber (sorry) das sind m.E. eher Details. Zu allen Zeiten gab es immer wieder "Mahner gegen die Verderbtheit" - ein Spiegel dessen, wie Menschen nunmal sind, und was letztlich in jedes System einbricht (oder in ihm bereits vorhanden ist).

Ingo B. hat gesagt…

Ja. Aber was willst Du damit sagen?

Sind die Mahner deshalb langweilig? Ist die Verderbtheit der Menschen deshalb spannend?

Stefan hat gesagt…

Dass ein System (auch ein "Glaubenssystem") eben nicht vom Menschen bzw. menschlicher Grundveranlagung trennbar ist, früher oder später davon geprägt wird, und daher die "Schuldzuweisung an ein System" m.E. stets mit Skepsis zu betrachten ist.

(Im Falle des Christentums ist das gleich mehrfach schwierig, und beginnt schon damit, festzustellen, was "das" Christentum überhaupt ist. Bis zum 4. Jahrhundert gab es doch nicht mal eine Kirche, zudem unzählige Schriften und Auslegungen und Entscheidungen, was zählen soll und was nicht. Wenig später die ersten Schismen, unterschiedliche Traditionen (!) beginnen, usw. usf.)

Ingo B. hat gesagt…

na, ich hab irgendwie das Gefühl, daß wir hier aneinander vorbei reden. Du argumentierst vor allem gegen die allzu pauschale Verwendung des Begriffs Christentum, ja? (Das fange ich ja erst jetzt an zu verstehen ...) - - -

Ich glaube, wir sollten uns mal persönlich zusammen setzen, dann besteht nicht so leicht die Gefahr, daß man aneinander vorbei redet.

SOLLTEST Du irgendwann mal zufällig in Berlin sein, würde ich Dich jedenfalls gerne mal auf eine Tasse Kaffee einladen. Was hältst Du davon?

Stefan hat gesagt…

Nicht nur, aber es kann schon sein, dass wir etwas aneinander vorbeidenken (sorry).

Die Einladung nehme ich gerne an!

Klaus Siel hat gesagt…

Gute Aufarbeitung des Themas "Was ist Kirche" und was ist "Christentum im 4. Jahrhundert" in dem Buch von R. Bergmeier "Kaiser Konstantin und die wilden Jahre des Christentums", 2010.

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