Freitag, 31. Juli 2009

Das Geheimnis von Venedig

Venedig. Eine Stadt, von der sich Maler wie Tizian, Dichter und Denker wie Friedrich Schiller, Friedrich Nietzsche oder Conrad Ferdinand Meyer haben beeindrucken lassen. Wie alle, die überhaupt Küstenstädten am Mittelmeer Faszination abgewinnen konnten.

Nun machen Archäologen auf neue Aspekte zur (Vor-)Geschichte dieser Stadt aufmerksam. (Science, bdw, Spektrumdirekt): 

Als es die Stadt Venedig noch gar nicht gab, gab es eine Stadt so groß wie Pompeji bis zum 7. Jahrhundert sieben Kilometer nördlich vom heutigen Venedig. Und diese bildete dort, ebenfalls mit Kanälen ausgestattet, über viele Jahrhunderte hinweg das örtliche Handelszentrum. Schon Strabo, ein römischer Historiker des ersten Jahrhunderts, erwähnte die Bedeutung dieser Vorgängerstadt Venedigs, die zu seiner Zeit "Altinum" hieß. Ihre Bedeutung gewann sie durch ihre Lage sowohl an einer vielbefahrenen Seeroute, als auch an Handelsstraßen, die zum Nordrand des Römischen Reiches führten.

Die Wurzeln von Altinum als regionales Zentrum reichen aber offenbar zurück bis in die etruskische Zeit und sogar bis in die Bronzezeit. Das Ende der Stadt Altinum fällt zusammen mit der Gründung der heutigen Lagunenstadt Venedig. Anlaß waren sowohl sich ändernde Meereswasserstände als auch 452 der Eroberungszug des Hunnen-Königs Attila, in dessen Gefolge auch viele germanische Völker in den Adria-Raum kamen.

Die Hunnen, jenes Reitervolk, das in zeitgleichen Umbruchszeiten schon nördlich von China und entlang der Seidenstraße bis Persien zu einer Art "Totengräber" von vielen blühenden, in Instabilität geratenen Hochkulturen geworden war. So etwa der blühenden Handelsstädte der Tocharer in der Taklamakan (heutiges Uigurien) oder der blühenden, vormals so außerordentlich reichen Handelsstädte der Sogder. Allen voran Samarkand (heutiges Taschkent). Allzu viele heute von ihnen vom Sand der Wüsten überhaucht ...

Vom Verfall, vom Untergang angehaucht ....

Endgültig aufgegeben ist Altinum erst mit der Invasion der germanischen Langobarden im siebten Jahrhundert. Somit wurde Altinum

die einzige große römische Stadt Norditaliens und eine der wenigen in ganz Europa, die nicht unter mittelalterlichen oder modernen Städten begraben wurden. Mit dem Anstieg des Meeresspiegels versanken die Mauern der Stadt in der Lagune und sind heute von Feldern bedeckt. Daher waren die Struktur und der Aufbau von Altinum bislang unbekannt.

Nun war auch dieser

Vorgänger von Venedig umgeben von Flüssen und Kanälen, darunter ein großer Kanal, der mitten durch die Stadt führte und sie mit der Lagune verband. (...) Die Veneter scheinen die harsche und sumpfige Lagunenlandschaft also schon genutzt zu zu haben, lange bevor sie in der Mitte der Lagune Venedig aufbauten.

So das Resüme aktueller Forschungen. 

Wie so häufig in der menschlichen Kulturgeschichte finden damit auf den ersten Blick recht ungewöhnliche Siedlungs- und Lebensweisen auch hier wieder ihre Erklärung durch Vorgänger-Kulturen, durch die sich eine Bevölkerung "schrittweise" auf eine solche außergewöhnliche Lebenssituation "vorbereitete" und an sie anpaßte. In diesem Fall an die wechselnden Höchstwasserstände der Adria. Nichts ist von Anfang an "vollkommen" und voll ausgereift da. Das "missing link" Altinum macht die heutige Situation Venedigs, sein "Geheimnis", somit besser nachvollziehbar.

"Eine kurze Strecke leidenschaftlich ..."

Eine Stadt, durch die schon so früh, wie es die Dichter des "fin de siècle" empfanden, ein Hauch von Untergang, von Tod, Verfall und Verwesung zog, nur blitzartig erleuchtet und überstrahlt von intensivem, irrem Leben ...

Auf dem Canal grande

Auf dem Canal grande betten
Tief sich ein die Abendschatten,
Hundert dunkle Gondeln gleiten
Als ein flüsterndes Geheimnis.

Aber zwischen zwei Palästen
Glüht herein die Abendsonne,
Flammend wirft sie einen grellen
Breiten Streifen auf die Gondeln.

In dem purpurroten Lichte
Laute Stimmen, hell Gelächter,
Überredende Gebärden
Und das frevle Spiel der Augen.

Eine kleine, kurze Strecke
Treibt das Leben leidenschaftlich
Und erlischt im Schatten drüben
Als ein unverständlich Murmeln.

Conrad Ferdinand Meyer

2 Kommentare:

Venedig bootstransfers hat gesagt…

Ich liebe das Lesen historischer Fakten über Venedig, hast du einen tollen Job mit diesem Artikel.

Ingo Bading hat gesagt…

Vielen Dank! Den Artikel zu schreiben hat mir viel Spaß gemacht!

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