Freitag, 19. Dezember 2008

Testamentsvollstreckung des Christentums

Offenbar sieht sich die Anthroposophie nach einem Zitat Rudolf Steiners als "Testamentsvollstreckerin des Christentums". Ein Begriff, der irgendwie aufhorchen läßt. Und ein Thema, mit dem sich die Evangelische Kirche jüngst auf einer Tagung sehr intensiv auseinander gesetzt hat. (EZW Materialdienst) Dabei geht es auch um ein so genanntes "5. Evangelium", über das sich übrigens in den 1930er Jahren auch so Leute wie Alfred Rosenberg ("Der Mythos des 20. Jahrhunderts") so mancherlei höchstwichtige/unwichtige Gedanken gemacht haben:
... Anthroposophie will die Tore zur übersinnlichen Welt öffnen und – mit dem Anspruch auf Wissenschaftlichkeit angesichts solcher angeblich methodisch erzeugbarer Erkenntnis – jenseits der von Kant gesetzten Grenzen der Vernunft neues Wissen ermöglichen. Welches Erkenntnisprinzip steht hinter einem solchen Anspruch? Wie ist dieser Anspruch zugleich vom Glauben abzugrenzen?

Diese Fragen konkretisierte Badewien am Beispiel der Akasha-Chronik. Sie ist Grund und Quelle Steinerscher Erkenntnis, aber sie ist nicht kommunikabel. Was an dieser Quelle ist tatsächlich objektivierbar? Treffen Steiner und mit ihm die Anthroposophie deshalb nicht doch religiöse Aussagen? Entsteht hier nicht ein Selbstwiderspruch zum eigenen Anspruch der Objektivierbarkeit in Bezug auf die eigenen Grundannahmen? Wie ist der Zusammenhang zwischen dem sog. Fünften Evangelium und der Akasha-Chronik zu bestimmen? Dort und nur dort hat Steiner das Fünfte Evangelium „geschaut“. Steiner behaupte auch, die ersten vier Evangelien stammten aus der Akasha-Chronik. Badewien bemängelte das Fehlen einer Niederschrift dieses Fünften Evangeliums.

Schließlich fragte Badewien nach dem eher apersonalen Gottesbild der Anthroposophie, das Gott nicht als Gegenüber des Menschen bestimme, sondern dem Menschen durch sein Ich einen Anteil am Göttlichen zumesse. ...

So unter anderem der "Weltanschauungsbeauftragter" der Badischen Landeskirche Badewien. Tja, wo ist die Niederschrift des 5. Evangeliums? Fragte danach nicht auch schon Rosenberg? Oh je, oh je! Die Antwort des Anthroposophen übrigens auf diese landeskirchlichen Anfragen scheint nicht besonders aufschlußreich und ergibig ausgefallen zu sein. Da wird von "Privatoffenbarungen Rudolf Steiners" gesprochen, die keinerlei "Anspruch auf öffentliche Bedeutung" gehabt hätten. Nunja! So ganz ohne öffentliche Bedeutung scheint ja nun doch die Anthroposophie nicht zu sein ...

(Wir müssen uns hier weiterer Kommentare enthalten, da wir von den theoretischen Grundlagen der Anthroposophie keinen Schimmer haben und uns das auch zumeist zu viel "Duftkerzen-Mystik" zu sein scheint. Bedarf denn das Christentums überhaupt einer Testamentvollstreckung? Man könnte vorschlagen: anonymes Begräbnis in einem modernen "Friede-Wald"/Waldfriedhof! ;-) )

4 Kommentare:

Stefan hat gesagt…

"Bedarf denn das Christentums überhaupt einer Testamentvollstreckung? Man könnte vorschlagen: anonymes Begräbnis in einem modernen "Friede-Wald"/Waldfriedhof! ;-)"

Ich finde das bereits aus formalen Gründen sehr schwierig, "das" Christentum über einen Kamm zu scheren, lieber Ingo. Es besteht ja nicht nur aus den großen bekannten Kirchengemeinschaften, und seine textlichen Grundlagen nicht nur aus den kanonischen Schriften. Es ist wohl nicht verkehrt zu sagen, dass es tw. auch außerhalb organisierter Gemeinschaften existiert, z.B. als eine Art Lebensphilosophie (oder so), festgemacht an diesem "barmherzigen Idol".

Vielleicht steht dein Post hier ein wenig im Zusammenhang mit dem, was du bei Michael am 19.12. um 21.30 Uhr geschrieben hast. Ist ja nicht ganz unähnlich dem, was mir da letzten Monat entfleuchte: http://mentio.blogspot.com/2008/11/regelion.html

Mit Christentum als "Regelion" habe ich auch meine Probleme. Darauf vollständig reduzieren würde ich aber nicht mal "die" Römisch-Katholischen.

(Halb OT am Rande gefragt: Kennst du das hier: http://www.bare-jesus.net/ ?)

Ingo Bading hat gesagt…

Ja, Du hast grade die deutlichste Schwachstelle meines Beitrages aufgespießt, von der ich meinte, ich müßte sie doch noch mal ändern. Man schreibt so schnell "um des Witzes" willen etwas hin. Na, nun soll's stehen bleiben.

Die zuletzt genannte Netz-Seite scheint mir ZIEMLICH heftig zu sein. Aber vielleicht ist etwas dran? Müßte man sich länger zu Gemüte ziehen.

Doch, manchmal habe ich Haß auf das Christentum. Und auch das sollte man vor sich selbst nicht verbergen - wie man überhaupt Haß, der - sozusagen - von selbst aufkommt, nicht vor sich selbst verbergen sollte, sondern sich Rechenschaft über ihn abgeben sollte, um dann möglichst produktiv (statt destruktiv) mit ihm umgehen zu können.

Haß ebenso wie Liebe sind Phänomene, die uns etwas sagen wollen. Manchmal habe ich - wie Nietzsche - das Gefühl, daß, ja, "das Christentum" uns "versaut" hat mit seiner "Knechtsmoral", mit seinem Hochpreisen des Schwachen etc. pp.. Das gibt doch erst RECHTFERTIGUNG für all jene, die schon immer die Tendenz zum Schwachen, zum Sich-gehen-Lassen hatten. Wie bequem, es im "Buch der Bücher" auch noch für alle lesbar zu sehen, daß "wir Menschen alle Sünder" seien "allzumal". Wie bequem!

Diese ganze Laschheit im heutigen Innovations- und Veränderungswillen hinsichtlich der Gesellschaft, rührt sie letztlich nicht auch noch, immer noch DA her?

Und noch vieles mehr auf dieser Linie. Aber natürlich ist das nicht die einzige Seite "des" Christentums. Natürlich nicht. Es handelt sich um eine sehr komplexe geistes- und religionsgeschichtliche Erscheinung, der man mit einfachen Floskeln und Ab- auf Aufwertungen bestimmt nicht gerecht wird. Genauso wenig wie irgendeiner einflußreicheren geistesgeschichtlichen Erscheinung überhaupt.

"Anonym begraben" wird da nicht so einfach sein und auch gar nicht sinnvoll. Ach, zu langes Thema, um da zu viel in die Tastatur zu hauen ...

Stefan hat gesagt…

Eine Art Antwort habe ich in meinem heutigen Post gegeben...

Ingo Bading hat gesagt…

du meinst, hier:

http://mentio.blogspot.com/2008/12/vader-abraham-und-die-demut.html

Ein langes Thema, das es sicher wert wäre, länger behandelt zu werden. Aber aus dem Hüftgelenk sollte ich da nicht zu viel schießen ... Deshalb versuche ich mal eine Weile ... zu schweigen.

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