Was für ein schöner Gedanke, daß Vögel durch Gesang ihr Revier verteidigen. Man stelle sich einmal vor, (menschliche) Staaten, Völker und Volksgruppen würden durch Gesang ihr "Revier", ihr Territorium verteidigen (können). Dann wäre - wahrscheinlich - eine neue Epoche der Menschheitsgeschichte angebrochen. Warum also immer und ausschließlich zu den (gewalttätigen) Schimpansen schauen, wenn es um die evolutionären Wurzeln des Territorialverhaltens des Menschen und seiner Gruppen geht? So schreibt heute (13.2.07) Kerstin Viering in der "Berliner Zeitung":
So richtig nach Winter klingt das nicht mehr. Amseln und Meisen scheinen sich in diesen Tagen schon auf Partnersuche und Fortpflanzung eingestellt zu haben und zwitschern in den höchsten Tönen. Sogar eine Feldlerche hat Markus Nipkow vom Naturschutzbund Deutschland schon gehört.
Dabei kehren diese Vögel normalerweise erst Ende Februar oder Anfang März aus ihren Winterquartieren am Mittelmeer zurück. Haben die milden Temperaturen die Vogelwelt aus dem Konzept gebracht? "Nicht jeder Gesang im Winter ist ungewöhnlich", sagt Nipkow. Bei Rotkehlchen etwa ist es üblich, auch in der kalten Jahreszeit ein Revier zu verteidigen. Da brauchen sie ihr Gezwitscher, um möglichen Rivalen Respekt einzuflößen. ...
Es ist wahrscheinlich sowieso gefährlich, von den deprimierendsten menschlichen politischen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts GAR zu allgemeingültig auf andere Epochen der Humanevolution der Vergangenheit und Zukunft zu schließen und ganz andere Formen, Möglichkeiten und Wege von Humanevolution dabei ganz unberücksichtigt zu lassen.
Auch an die alten "männlichen-festen, trotzigen" Kirchenlieder könnte man sich erinnert fühlen, beispielsweise an Luthers "Eine feste Burg ist unser Gott". Oder auch Protestlieder gesellschaftlicher Bewegungen am Ende des 20. Jahrhunderts. Lieder also, die zum trotzigen Ausharren auffordern, zum Festhalten an für wertvoll erkannten kulturellen Gütern oder Standpunkten, wie "ernst er's jetzt (auch) meint", der "altböse Feind". Man singt sich dadurch ja auch Mut zu - so wie das kleine Rotkehlchen im tiefsten Winter.
Auf dem Wikipedia-Eintrag zu Luthers Lied heißt es, daß Heinrich Heine Luthers Protestlied als die "Marseillaise der Reformation" bezeichnet hat. Es hat auch wirklich mitreißenden Klang:
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Aktualisierung - 5.9.2008:
Neues zur Thematik:
So reagieren Menschen heute auf Zuwanderer in ihr eigenes Territorium (zumindest in Mitteleuropa) nicht mehr. Sie legen ihnen stattdessen - ganz prosaisch - - - Einbürgerungstests vor."... Als die beiden Ornithologen ein besetztes Revier mit den Klängen eines fremden Pärchens beschallten, reagierten die eigentlichen Inhaber sehr heftig. Auf jeden Gesang der Konkurrenten folgten aufgeregte eigene Lieder: "Ihre Sangesrate schoss durch die Decke. Jede Einspielung wurde zornig beantwortet." Während die Zaunkönige in den 20 Minuten vor den Auftritten der vermeintlichen Invasoren nur durchschnittlich ein Duett anstimmten, schnellte deren Zahl in der gleichen Zeitspanne danach auf knapp sieben in die Höhe. ..."
Nach:
[1] Mennill, D., Vehrencamp, S.: Context-Dependent Functions of Avian Duets Revealed by Microphone-Array Recordings and Multispeaker Playback. In: Current Biology 18, S. 1–6, 2008.
[2] Radford, A.: Duration and outcome of intergroup conflict influences intragroup affiliative behaviour. In: Proceedings of the Royal Society B 10.1098/rspb.2008.0787, 2008.
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