Sonntag, 8. Dezember 2013

"Ein Mann kauft eine Stadt"

Marburg und die Milliardärsfamilie Pohl

Abb. 1: Marburg, Dominikanerkloster/Alte Universität
Ergänzend zu unserem Artikel "Pädokriminalität und Stadtverwaltung in Marburg" vor zwei Wochen, wollen wir noch einen Blick in die Marburger Lokalpolitik werfen und auf "einflußreiche" Leute dort hinweisen.

Ausgerechnet in Marburg nämlich ist eine international agierende Milliardärsfamilie ansässig, die zu den reichsten Familien Deutschlands gehört. Nun, irgendwo müssen ja auch solche Leute leben. Und von dieser Familie, so wird uns mitgeteilt, sollte man sicherlich wissen, wenn man die Stadtpolitik in Marburg verstehen will.

Über diesen Reinfried Pohl sind Bücher erschienen mit Titeln wie "Reinfried Pohl - Der letzte Patriarch", "Reinfried Pohl - Ich habe Finanzgeschichte geschrieben", "Reinfried Pohl - Der Doktor, der Kämpfer, der Sieger". Also lauter Elogen (= Ruhmesreden) der Extraklasse. Nun, als Milliardär kann man sich solche Bücher ja schreiben lassen, nicht wahr?

Mache ich dann auch, wenn ich mal so weit bin. ;-)

Verfaßt sind alle diese Bücher, die statt Bibel in den Hotelzimmern der von der Pohl-Familie betriebenen Hotelkette ausliegen sollen, von dem katholischen Journalisten Hugo Müller-Vogg (geb. 1947). Also sagen wir mal so: um einen "investigativen Journalisten" wird es sich bei diesem katholischen Journalisten Hugo Müller-Vogg nicht handeln. Investigative Journalisten haben unseres Wissens nach allesamt noch keine Milliardäre als Sponsoren erhalten. Auch wir noch nicht ...

"Abteilung Mülleimer" - die Rubrik des Pohl-Schreiberlings Müller-Vogg

Indem man sich mit dem Wirken dieses katholischen Journalisten Hugo Müller-Vogg befaßt, bekommt man noch einige Eindrücke von jenen regierungsnahen, christ-katholischen Kreisen, in denen sich dieser Schreiberling selbst und sein Sponsor so bewegen. Müller-Vogg war ein vormaliger Mitherausgeber der FAZ. Als solchem wurde ihm 2001 überraschend von Frank Schirrmacher und den anderen Mitherausgebern gekündigt. Die Gründe dafür sind bis heute nicht bekannt geworden. Aber einmal erneut bekommt man zunächst einen positiven Eindruck von - - - Frank Schirrmacher!!

Der katholische Journalist Hugo Müller-Vogg schreibt heute stattdessen für den Springer-Verlag und die Bildzeitung. (Nun, das konnte Schirrmacher vielleicht nicht so recht ahnen, daß solche Schreiberlinge immer nur nach oben fallen können, nie nach unten.) Der katholische Journalist Hugo Müller-Vogg tat sich in den letzten Jahren hervor mit Buchtiteln wie "Besser die Wahrheit". Dieses Buch enthält ein Gespräch mit dem Vorzeigekatholiken a.D. Christian Wulff. 23 von 27 Amazon-Rezensenten haben diesem Propaganda-Buch die schlechtest mögliche Bewertung verpaßt. 81 Amazon-Kunden bewerteten dabei als hilfreichste Rezension eine kurze vom 19. Januar 2012:
Bibel für Heuchler
Man mache es wie unser derzeitiger, bekennend römisch-katholischer Bundespräsident Christian Wulff:
Predige allen anderen gestrauchelten Schafen großmäulig, was sie besser tun oder lassen sollten, lasse ein Buch von einem Autoren verfassen mit dem tugendhaften Titel "Besser die Wahrheit" - und halte sich selbst aber überhaupt nicht daran. Ein Pharisäerstück der Extraklasse! Abteilung Mülleimer.
Amazon kann auch wirklich manchmal etwas gemein sein. Zugegeben. Wenn so jemand also der Lieblingsautor des Marburger Mäzens und Milliardärs Reinfried Pohl ist, sollte man sich wohl noch auf manches gefaßt machen, auf was man stoßen könnte, wenn man sich mit dem Umfeld dieser Leute genauer befassen würde. Denn andere Bücher dieses Journalisten beinhalten offenbar ähnlich gestrickte Elogen auf den Vorzeigekatholiken a.D. Roland Koch, die Vorzeigechristin Angela Merkel, Horst Köhler und Hartmut Mehldorn. "Darunter" macht es der katholische Journalist Hugo Müller-Vogg offenbar nur selten. Und nur als Schamblatt. Schamblätter braucht jeder. Das ist klar.

Abb. 2: Milliardär kauft Buch, erschienen 2008
Der Marburger Milliardär Reinfried Pohl ist nun schon seit Jahrzehnten auf Regierungsebene (Bundes- und Landesregierungen) bestens vernetzt. Seine gute Vernetzung erkennt man etwa an der Zusammensetzung seines Aufsichtsrates und an den ehemaligen Politikern, die nach dem Ende ihrer Karriere in seinem Unternehmen untergekommen sind (Wirtschaftswoche 2012):
Beiratsvorsitzender der DVAG: Der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU, 1982 bis 1998) ist ein enger Freund von Reinfried Pohl. Die heutige Bundeskanzlerin (CDU) ist häufig und nach eigenen Worten „gerne“ Rednerin auf den Vertriebstreffen des Finanzvertriebs. Im November 2008 wünschte sie den Beratern, „daß Sie das Vertrauen, das Sie bei den Menschen haben, auch wirklich nutzen können“. Außerdem lobte sie den DVAG-Chef: „Herr Pohl, Sie haben ein tolles Konzept.“ Damit hinterließ sie bei Reinfried Pohl wohl einen guten Eindruck. Zwischen 2008 und Juli 2010 spendete die DVAG der CDU insgesamt 520.000 Euro. Bis zu seiner Ernennung als Vizekanzler und Außenminister saß Westerwelle im Beirat des Finanzvertriebs. Als Bundesvorsitzender der FDP darf auch er sich über großzügige Spenden vom Finanzvertrieb freuen. Zwischen 2008 und Juli 2010 bedachte die DVAG die FDP mit insgesamt 425.000 Euro. Der ehemalige Bundesfinanzminister (CSU, 1989 bis 1998) sitzt im Aufsichtsrat. Er ist eng mit dem Altkanzler und Pohl-Freund Helmut Kohl befreundet. Der frühere Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz (CDU, 1976 bis 1988) und Thüringen (1992 bis 2003) hat einen Posten im Beirat der DVAG. Von 1983 bis 1990 arbeitete Horst Teltschik als Vizekanzleramtschef (CDU). Er galt als einer der engsten Mitarbeiter Kohls. Heute sitzt auch er im DVAG-Beirat. Corts war von 2003 bis 2008 hessischer Minister für Wissenschaft und Kunst (CDU). Im Mai 2007 verlieh er DVAG-Chef Pohl den Professorentitel ehrenhalber für dessen Spenden an die Wissenschaft. Im April 2008 holte Pohl den Politiker Corts dann in den Vorstand der DVAG.
Dementsprechend war Pohl wohl auch schon immer in der Lage, sich Gesetze zu kaufen (Spiegel 2000). Und diese Familie Pohl nun steckt derzeit "ganz Marburg in die Tasche", wie Vertreter der "Humanistischen Union" kritisieren (vgl.: TAZ 2012: "Ein Mann kauft eine Stadt"). Was einen hinwiederum die "Humanistische Union" sympathisch macht.

Ist legal erworbener Reichtum dieser Höhe eigentlich wirklich möglich? Und wenn ja: warum legitim?

Die Familie stellt neben einem Pharmaproduzenten und der Leiterin des Marburger Kinderheimes Getrudisheim den dritten lebenden  Ehrenbürger der Stadt Marburg. Warum wohl: Die Marburger CDU erhielt von ihm offiziell sehr viele Spendengelder, die Marburger SPD sehr viel weniger. Aber seit zwei Jahren gibt es Gerüchte über angebliche versteckte Spenden von Pohl an die Marburger SPD. Sogar Lobbycontrol hat sich damit schon beschäftigt (Lobbycontrol 2012).

Letzte Fragen für heute: Braucht unsere Gesellschaft Milliardäre? Bleibt sie nur mit solchartiger Umverteilung "leistungsfähig"? Ist "Umverteilung" nicht ein beschönigendes Wort, das abgeschafft werden sollte? Ist "ehrlich erworbener" Reichtum in dieser Höhe prinzipiell möglich, sprich legal möglich? Nächste Frage: Ist er legitim? Und wenn nein, warum ergreift die Politik keine Gegenmaßnahmen, sondern kungelt stattdessen mit Milliardären? Wir wählen um solcher Fragen willen für diesen Blogbeitrag das gleiche Titelbild wie für unseren Beitrag "Pädokriminalität und Stadtverwaltung in Marburg" (Abb. 1). 

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