Freitag, 30. April 2010

Schwarze Pädagogik aus monotheistischem Geist?

Die Odenwaldschule, der Jesuitenorden und der ganze Rest

Der Jesuitenorden eiert weiter herum. Genauso wie die derzeitige Leitung der Odenwaldschule. Ein Zeitungsartikel gibt über ersteren neuerlich unglaublich "erhellende" "Einblicke" (Süddt. 23.4.10):
(...) Dies ist ein Orden der Widersprüche. Unbedingte Loyalität zum Papst und kaum verhohlener Widerspruch zu ihm, exzessive Freiheit des Denkens und rigoroser Gehorsam – es gibt kaum ein Extrem, das diese Armee Gottes in den 500 Jahren ihrer Existenz nicht schon repräsentierte. Doch zuletzt stand die "Gesellschaft Jesu" vor allem für eins in der Kritik: ihr Schweigen.

"An die Jesuiten in Deutschland" ist der Brief überschrieben, den sieben Männer namentlich unterzeichnet haben, die als Kinder alle Missbrauchsopfer an Einrichtungen der Jesuiten geworden sind. Worte der Entschuldigung genügen ihnen nicht mehr, aus ihren Zeilen spricht Zorn. "Bisher verweigern Sie sich einer direkten Auseinandersetzung mit den Opfern", schreiben sie. "Stattdessen verweisen Sie auf die Missbrauchsbeauftragte des Ordens. Die Fragen, die wir an Sie haben, können uns jedoch durch keine Ombudsfrau beantwortet werden." Es folgen sieben Fragen, die sieben Anklagen sind: "Sind Sie bereit anzuerkennen, dass…?" – "Ist Ihnen bewusst, dass…?" – "Verstehen Sie, dass…?"
Und indem man nach dem ganzen Text dieses Briefes im Internet sucht, findet man - nicht ganz einfach! - den schon am 10. März 2010 (!) gegründeten Blog "Eckiger Tisch - Das Blog für Geschädigte an deutschen Jesuiten-Einrichtungen". Erste Erkenntnis: Der Blog Spreeblick ist in der Berichterstattung der Medien erwähnt worden - dieser bislang nicht!!! Selbst ein allgemeiner Google-Alert "Jesuiten" wies einen bislang auf diesen Blog nicht hin. Daran kann man gut erkennen, daß hier "Perception Management" stattfindet, wie das jüngst ein Leser dieses Blogs nannte. Sauber, sauber, diese Lobby's, die jetzt auch Bundespräsident Köhler anfängt anzugreifen, diese monotheistischen.

Immer schön wohldosiert alles, schön veteilen, die Berichte von Mißbrauchsopfern (etwa isoliert im "Stern" bringen), damit ja nicht zu viel auf einmal hochkocht.

Ein Mißbrauchsopfer-Blog - gut verborgen gehalten im Netz-Gebüsch

Am 10. März wurde also auf dem der großen Öffentlichkeit bisher verschwiegenen Geschädigten-Blog folgendes "Willkommen" veröffentlicht:

Nachdem die Missbrauchsvorwürfe am Canisius-Kolleg Berlin bekannt geworden waren, hat Johnny Haeusler, ein ehemaliger Schüler des CKs, in seinem Blog Spreeblick als Erster über die damaligen Vorfälle berichtet. Zugleich öffnete er damit dankenswerterweise ein Forum, in dem sich Betroffene, Nicht-Betroffene, Ehemalige anderer Jesuiten-Einrichtungen, jetzige Schüler und Interessierte lebhaft miteinander austauschen konnten. Für einige Wochen wurde so sein Blog die wohl wichtigste Stelle zur Aufklärung der schlimmen Ereignisse an den Jesuitenschulen aber darüberhinaus auch Erkenntnis- und vielleicht sogar Therapiehilfe.

Seit Schließung des Forums sind einige ereignisreiche Wochen vergangen, andere katholische Schulen und Internate sind in das Blickfeld der Öffentlichkeit geraten. Für viele von uns Betroffenen aber ist weiterhin der Wille die Vorfälle an den Einrichtungen der Jesuiten aufzuklären, Verantwortliche, Mitwisser und Mittäter zu benennen und unsere Forderungen an die “Täterorganisation” öffentlich zu machen bestimmend. Darüberhinaus wünschen wir uns eine Plattform um uns ähnlich wie auf der Spreeblickseite austauschen zu können. Dazu soll dieses Blog dienen.

Und auf diesem Blog sind schon seit März "Offene Briefe", "Presseerklärungen", "Stellungnahmen" veröffentlicht, von denen man bislang in der "großen Presse" nie etwas las, und die man sich noch einmal in Ruhe alle anschauen muß. (Auch ein --> Forum gibt es.) Und hier findet man dann endlich, endlich, endlich - unter dem 13.4. - den Volltext dieses Briefes. Was heißt "man" findet ihn: Nur der unermüdliche Rechercheur findet ihn, so gut hat man ihn bislang vor der Öffentlichkeit versteckt:

An die Jesuiten in Deutschland

Da Sie in diesen Tagen zusammengekommen sind, um im Vorfeld des Osterfestes wohl auch über die Ereignisse der letzten acht Wochen nachzudenken, schreiben wir Ihnen diesen Brief.

Bisher verweigern Sie sich aus unserer Sicht einer direkten Auseinandersetzung mit den Opfern an den Jesuiten-Einrichtungen in Deutschland. Stattdessen verweisen Sie auf die Missbrauchsbeauftragte des Ordens.

Die Fragen, die wir an Sie haben, können uns jedoch durch keine Ombudsfrau beantwortet werden.

Wir fragen Sie konkret:

  1. Sind Sie bereit anzuerkennen, dass nicht nur einzelne aus Ihrer Gemeinschaft als unmittelbare Täter an uns schuldig geworden sind, sondern dass sie als Institution versagt haben und Schuld auf sich geladen haben?
  2. Erkennen Sie an, dass die Oberen Ihres Ordens, die über Jahre und Jahrzehnte Täter von einer Einrichtung zur nächsten weitergereicht haben, selbst wiederum eingebunden waren und als Teil eines Systems handelten, dass nur an den Interessen der Täter ausgerichtet war?
  3. Sehen Sie den größeren Rahmen, in dem Taten und Vertuschungsmaßnahmen standen, und der mit dem Begriff „kirchliche Sexualmoral“ umschrieben werden kann? Denn erst diese konkreten Rahmenbedingungen ermöglichten so ausgedehnte Taten.
  4. Ist Ihnen bewußt, dass für ihre Institution nicht nur in den 50er, 60er, 70er und 80er Jahren, sondern auch in den Jahrzehnten danach immer nur das Interesse der Täter von Bedeutung war und sie die Opfer dabei völlig vergessen haben?
  5. Erkennen Sie an, dass viele − wenn nicht die meisten von uns − nicht zu Opfern hätten werden müssen, wenn ihre Institutionen und die handelnden Personen nicht so schmählich versagt hätten?
  6. Verstehen Sie, dass es uns schmerzt, wenn jetzt sofort an die Prävention gedacht wird, und die konkreten Menschen, die den Mut gefasst haben, sich dem Leid in ihrem Leben zu stellen, wieder vergessen werden?
  7. Die Jesuiten folgen bei ihrer Arbeit einer Option für die Armen: Wollen sie die konkreten Betroffenen vor Ihren Türen betteln und bitten lassen?

Wenn Sie diese Fragen für sich beantwortet haben, dann sind wir gewiss, dass Sie bereit sein werden, auf unsere Forderungen einzugehen:

  • Öffnen Sie ihre Archive, gestatten Sie unabhängigen Personen die Nachforschung, um Taten, Täter und Unterstützer zu benennen und die Strukturen offenzulegen, in denen die Taten geschahen! Wirken Sie an der Aufklärung mit und erlauben Sie Aufklärung!
  • Bieten Sie uns heute konkrete Unterstützung an. Erklären Sie sich bereit, die Kosten für eventuelle Behandlungen und Therapien zu übernehmen.
  • Und schließlich: Wir erwarten ein Angebot für eine angemessenes finanzielle Genugtuung. Überzeugen Sie uns, dass ihre Bitten um Vergebung ernst gemeint sind. Bußwerke können kein Unrecht ungeschehen machen, sie können nur beitragen, die Wunden zu heilen.

Um Ihre Antworten zu hören, werden wir Sie in den kommenden Wochen zu einem Gespräch an einen Tisch einladen, der allerdings nicht rund sein wird.

Ostern 2010

Gut. Und somit nun endlich umfassend informiert, können wir auch der Berichterstattung in der "Süddt. Ztg." weiter folgen, ohne uns von dieser Zeitung gar zu sehr veräppelt vorzukommen dadurch daß sie die Inhalte dieses Offenen Briefes gar nicht nannte. Sie stellt über diesen Orden die Frage:

Exzellent im Guten wie im Bösen, sind das die Jesuiten?

Man fühlt sich an Exzellenz-Initiativen in der deutschen Wissenschaftsförderung erinnert.

Die jesuitische Institution der "Gewissensrechenschaft" macht aus den Mißbrauchsfällen "System"

Und dann will man die Archive nicht öffnen. Man eiert herum. Dieser Pater hat diese Ausrede, jener Pater hat jene Ausrede. Und nun wird klar, was hier auf dem Blog schon als Vermutung ausgesprochen worden war, nämlich daß die innerhalb des Ordens institutionalisierte regelmäßige "Gewissenschaftsrechenschaft" solche geschehenen Mißbräuche ganz klar zum "System" machen, ja, richtiggehend zur Methodik "ignatianischer Pädagogik":

In festgesetzten Abständen berichten je vier Jesuiten über einen Mitbruder an die Ordensleitung. In der "Gewissensrechenschaft" soll sich jeder Ordensmann einmal im Jahr dem Pater Provinzial, dem deutschen Oberen, rückhaltlos offenbaren. Das Reden nach innen und das Schweigen nach außen sind mehr als ein Organisationsprinzip – die Jesuiten sehen es als Teil ihres spirituellen Wegs: Vor sich selbst, vor seinen Oberen und letztlich vor Gott soll ein Jesuit zu lesen sein wie ein offenes Buch. Doch wozu die völlige Geheimhaltung nach außen, wenn sie ihren Zweck nach innen so dramatisch verfehlt hat? Wenn die geforderte Offenheit innerhalb des Ordens den Missbrauch nicht aufdecken half? "Ich bin ein Täter", sagt Pater Stefan Dartmann, der seit sechs Jahren Pater Provinzial ist.

Völlig naiv fragt der Journalist, warum Geheimhaltung nach außen. Was für eine naive Frage! Eine der klassischsten Formen von Geheimgesellschaft, nämlich der Jesuitenorden, gerät in den größtmöglichen Sußer-Gau: Er soll - - - "offen" nach außen sein. Gegenüber den Ketzern und Kirchenkritikern. Glasnost pur. Das ist ein Widerspruch in sich! Wir brauchen - als Schutz - einen neuen Putin! Wir brauchen einen neuen ablenkenden Tschetschenien-Krieg! Zum Glück haben wir Afghanistan. Schnell, schnell Panzerhaubitzen liefern! Die Finanzkrise vorantreiben. Sonst kommen die Leute noch auf dumme Gedanken!

Wurde Rudi Dutschke im Jesuitenorden früher gehört als anderswo?!?

Und dann wird von einer "Wende" ausgerechnet im Jahr 1968 innerhalb des Jesuitenordens gefaselt. Jetzt sollte Rudi Dutschke innerhalb des Jesuitenordens mit seinem "Marsch durch die Institutionen" schneller vorangekommen sein als überall sonst? Was für eine lächerliche Faselei. So viele kluge Männer (!) - Betonung: Männer - sitzen da zusammen und ihnen fällt nichts Besseres ein als diese plumpe Ausrede? Oh, armes Jesulein! Von was für strammen Maxen mußt Du Dich verteidigen lassen! Ja, es ist ein einziger Hohn, auch als von einem der Mißbrauchs-Pater die Rede ist:

(...) Und wie zum Hohn bestätigt der Orden auf seiner Klausur: Im Rahmen seiner Ausbildung habe der Pater einige Zeit an der Odenwaldschule zugebracht. Damit ist die letzte Mauer zwischen beiden Skandalen durchbrochen, die zwischen konfessionell-katholisch und reformerisch-kulturprotestantisch: Es gab eine Verbindung zwischen beiden Welten des Missbrauchs, sie hieß Pater S., ein Jesuit.

Ja, und wir glauben auch gaaaar nicht, daß diese "letzte Mauer" "durchbrochen" werden mußte, daß der Jesuitenorden im Bereich Reformpädagogik nicht Missionsaufgaben gesehen hätte. Nein, das glauben wir gaaaaaar nicht.

Denn, noch ein weiterer Hohn: Der Jesuitenschüler und katholische Theologe Bernhard Bueb, es sei wiederholt: Bernhard Bueb, hat auch, auch, auch an der Odenwaldschule unterrichtet und wurde dann Leiter des Eliteinternats Salem und gilt manchen (siehe Wikipedia) - - - als Vertreter "Schwarzer Pädagogik". Noch Fragen? Noch Fragen? Dieser großkotzige Erziehungsratgeber unter Rechtskonservativen (mit primitivsten, billigsten, pädagogischen Lehren, soweit man das bislang übersehen konnte), war also auch, auch, auch - - - Jesuitenschüler. Und selbst die Familienministerin glaubt ihm bei Maybritt Illner (37. Sendeminute) nicht, als er nichts mitbekommen haben will von den Mißbrauchsfällen an der Odenwaldschule (!).

Schwarze Pädagogik aus monotheistischem Geist?

- Heraus mit der Sprache: Wo überall verbirgt sich heute hinter den Machenschaften in den Schulen, an den Universitäten, in der Politik, in der Geheimpolitik und in den Medien Schwarze Pädagogik? Die Geheimdienste benutzen für solche volkspädagogischen Absichten gerne auch den Begriff: Strategie der Spannung (siehe diverse frühere Beiträge hier auf dem Blog). Heißer Krieg, Kalter Krieg, egal: Hauptsache Krieg. - Und nächste Frage: Ist Schwarze Pädagogik und Strategie der Spannung nicht letztlich vor allem ein Ausfluß von Monotheismus? Es will einem so scheinen, wenn man die Feindvernichtungsgebete im Alten Testament liest (behandelt auch von Peter Sloterdijk in "Zorn und Zeit") und versucht zu verstehen, daß es noch heute Interessengruppen in der Welt geben könnte, die diese sehr, sehr ernst, religiös ernst nehmen könnten.

Geheimpolitik und Schwarze Pädagogik scheinen jedenfalls genau so strukturiert zu sein: Die Ketzer und Kirchenkritiker und Geheimdienstkritiker mögen vernichtet werden. Gerne ihre Körper, etwa in Badewannen. Aber: Vor allem auch ihre Seelen. Letzteres ist noch viel effektiver.

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