Montag, 10. September 2012

Hans Zehrer - Ein Logen-Ideologe verführt zur Diktatur

Wie die Axel Springer-Leute vor 1933 ihre "Neue Wirklichkeit" von 1945 herbeiführten

Der folgende Beitrag behandelt einen einflußreichen Aufsatz des rechtskonservativen Publizisten Hans Zehrer (1899 - 1966) aus dem Jahr 1931. Dieser Beitrag soll nur einige Eindrücke, Gedanken und Mutmaßungen festhalten, die dem Autor dieser Zeilen beim Studium dieses Aufsatzes kamen. Da der Autor dieser Zeilen bisher noch keine anderen Aufsätze Zehrers kennt und auch keine gute Biographie über Hans Zehrer gelesen hat, kann es sich beim folgenden Beitrag nur um "Arbeitshypothesen" handeln, die durch künftige Lektüren und Forschungen zu bekräftigen wären oder sich durch dieselben als nicht haltbar erweisen könnten.

Natürlich sind Kommentare insbesondere von Lesern erwünscht, die sich womöglich schon umfangreicher mit Hans Zehrer beschäftigt haben und deshalb von ihrem Wissen her die hier beschriebenen Leseeindrücke entweder bestätigen können oder aber anhand anderer Ausschnitte aus dem Wirken von Hans Zehrer entkräften können.


Während man nämlich den im Oktober 1931 in der Zeitschrift "Die Tat" erschienenen und zur damaligen Zeit "vielbeachteten" Aufsatz "Rechts oder Links?" (1) des Herausgebers dieser Zeitschrift Hans Zehrer liest, taucht eine Frage im Hinterkopf auf: Für welche Aufgabe war der Herausgeber dieser Zeitschrift zuständig? Eine rechtskonservative Publizistin wie Gertrud Bäumer fühlte sich durch diesen Aufsatz angesprochen, verstand ihn aber bezüglich seiner eigentlichen, tieferliegenden Intentionen und Zielrichtungen offenbar gar nicht (2). Sie war ja auch eine Frau! Und dachte wohl nicht genügend darüber nach, was in Männerorden und -seilschaften geschah und geschieht. Auch heutige Veröffentlichungen kratzen nur an der Oberfläche der damaligen Intentionen und Zielsetzungen Zehrers (3).

Zehrers Aufgabe war es, so drängt sich als Eindruck auf, über Systemumbrüche wie den von 1933 hinweg die Kontinuität der Machtstellung der bisherigen Eliten sicherzustellen. Und wie konnte dies geschehen? Indem diese Eliten eben geistig darauf vorbereitet wurden, sich auf ein neues System einzustellen. (Und indem den Machthabern des neuen Systems nahegelegt und eingeredet wurde, daß sie auf wesentliche Bestandteile der bisherigen Eliten gar nicht verzichten könnten, auch gar nicht verzichten müßten, da diese schon geistig richtig ausgerichtet wären - dank der Schulung und Gehirnwäsche durch solche Logen-Ideologen wie Hans Zehrer.)

So werden Revolutionen und Umbrüche, bei denen "Fett immer oben schwimmt", von langer Hand vorbereitet! (Man darf ähnliche logen-ideologische Vorbereitungen deshalb auch bezüglich der von Zehrer in diesem Aufsatz thematisierten Umbrüche von 1914, von 1918, von 1923, 1925, 1929 etc. pp. unterstellen.) Und das Ergebnis dieser Schulungen wird dann womöglich in Büchern festgehalten wie dem 1957 erschienenen "Das verlorene Gewissen" von Kurt Ziesel. In diesem viel zu sehr wieder in Vergessenheit geratenen Buch wird nämlich dargestellt, daß die heftigsten Nazi-Verfolger nach 1945 im deutschen Medienwesen die allerschönsten Nazis vor 1945 gewesen sind! Und zwar immer mit Charakter und Verve!

Aber auf solche erstaunlichen "Umwertungen aller Werte" muß ja die Funktionselite, die Funktionselite bleiben soll, jeweils neu vorbereitet, eingestellt und ausgerichtet werden. Zehrer stellt der Funktionselite der Weimarer Republik als Beispiele für das, was in Bälde käme (oder worin man sich schon befände), die Französische Revolution von 1789 und die Russische Revolution von 1917 vor Augen (1, S. 67f) (Hervorhebung nicht im Original):
Bisher ist es in der Geschichte meist der große Einzelne gewesen, der in diesem Stadium der Entwicklung eingriff, Revolutionäre und Konterrevolutionäre beiseiteschob und rücksichtslos seine eigene Herrschaft stabilisierte. Ist dieser Einzelne bei uns vorhanden, so gehen wir mit klarer Konsequenz einem Cäsarismus, der Diktatur eines Einzelnen, entgegen. Die Sehnsucht nach diesem Einzelnen ist im Volk seit über einem Jahrzehnt vorhanden. Wir wollen uns doch nichts vormachen: wenn das erste scharfe, aber gerechte Kommandowort eines wirklich persönlichen Willens in das deutsche Volk hineinfahren würde, würde sich dieses Volk formieren und zusammenschließen, es würde einschwenken und marschieren, und es würde befreit aufatmen, weil es den Weg wieder wissen würde. Da dieser Führer, von welcher Seite er auch immer kommen mag, nur national sein kann, so wird sein Weg der richtige sein, da es der Weg der Nation sein wird. In diesem Augenblick aber wird uns eine Ordnung, die uns der Liberalismus als dumpfe Knechtschaft zu schildern versuchte, als Freiheit erscheinen, eben weil sie Ordnung ist, weil sie einen Sinn hat und weil sie Antwort gibt auf die Fragen, die der Liberalismus nicht mehr beantworten kann: warum, wozu, wofür?
Ganz deutlich ist "Nation" für Hans Zehrer hier nicht ein unhintergehbarer Wert, sondern bloß ein Ausdruck des Zeitgeistes, dem sich der einzelnen zu stellen hat, wenn er von diesem nicht überrollt werden will. Also nicht Zehrer selbst empfindet so, wie hier "glückliche Sklaven" geschildert werden. Nein, er schildert ja nur jenes Volk in seiner Gesamtheit, dessen Gestaltung seiner Geschicke er sich zur Aufgabe gestellt hat. Zehrer hat die Aufgabe, den - unklaren völkischen - Zeitgeist möglichst präzise in Worte zu fassen und die bisherigen, zögernden, zumeist liberalen Eliten in schönen Worten auf diesen einzustellen. Sie glücklich in diesen Zeitgeist "hinüberzuleiten". Weiter schreibt er über den künftigen "Revolutionsgeneral", bzw. Diktator:
Diesen Einzelnen kann man sich jedoch nicht erfinden. Er existiert oder er existiert nicht. Er spürt den stummen Anruf des Volkes und er gibt das befreiende Kommando, oder aber er ist gar nicht vorhanden.
Bis hierhin deckt sich die Analyse von Zehrer sicherlich mit der zahlreicher anderer seiner denkenden Zeitgenossen im Jahr 1931. Aber dann wird es besonders spannend (Hervorhebung nicht im Original):
Vielleicht muß man zwei Dinge einbeziehen, die unsere Zeit von den früheren unterscheiden. Einmal: die Kompliziertheit des technischen Überbaus, die heute von diesem Einzelnen ganz andere technische Kenntnisse verlangt, als frühere Zeiten, und die ihn und den Erfolg seines Eingreifens von einer zahlenmäßig sehr starken Schicht gleichgesinnter Sachverständiger abhängig macht, die wenigstens den Staats- und Wirtschaftsapparat in seinem Sinne bedienen können.
Das sind verräterische Sätze. Bzw.: Scherz beiseite, Hans Zehrer kommt! Bei der "Kompliziertheit des technischen Überbaus" denkt er natürlich gar nicht an die riesigen Schattenreiche der Geheimdienste und -logen, dieses "technischen Überbaus" moderner Staaten. Außerdem erinnern diese Worte schon sehr an jene französische "Synarchie" der 1950er Jahre, in der auch die "Fachleute", die "Technokraten", die "Sachverständigen" im Mittelpunkt des ideologischen Raisonements stehen.

"... Eine ziemlich breite, bewußte Eliteschicht ..."

Zehrer weiter:
Und zweitens: Das Alter des Kulturstadiums, in dem wir uns befinden. Dieses Alter hat durch seine größere Bewußtheit und unromantische Skepsis, mit der es allen heroischen Erscheinungen gegenübertritt, den Weg des Einzelnen zunächst außerordentlich erschwert. Es hat aber außerdem eine ziemlich breite, bewußte Eliteschicht geschaffen, die kraft ihres historischen Überblicks und ihres bewußten Einblicks in die Dinge
- (!) Scherz beiseite, Zehrer kommt -
ihren Standpunkt a priori auf einer sachlichen, neutralen Ebene gewählt haben
- aber hallo!, die nach Zehrers Diktion also erhaben "über" Liberalismus, Nationalsozialismus, Kommunismus usw. stehen - das ist natürlich für den Opportunisten und Wendehals immer das beste -
ohne damit auf die eigene Aktivität und den Anspruch auf die Führung zu verzichten.
- Aber hallo! Aber hallo! - 
Diese Schicht füllt sich umso stärker auf, je mehr Kräfte der Zerfallsprozeß der Zeit freigibt und herausschleudert. Beide, der große Einzelne und die breite Schicht einer bewußten Elite schließen sich nicht gegenseitig aus. Im Gegenteil wären sie notwendig auf eine Zusammenarbeit angewiesen. Sollte aber die Zeit für den großen Einzelnen vorüber sein und sollte er heute gar nicht existieren, so gewährleistet diese Schicht einen Neuaufbau auch ohne "Diktator".
Das heißt, auch ohne Diktator kann diese Schicht das Volk "formieren" und "zusammenschließen", es "einschwenken" und "marschieren" lassen. Wer, ich frage, wer wollte daran zweifeln, nachdem er auf viele Jahrzehnte demokratischer Geschichte von gelenkten Demokratien nach 1945 zurückblicken kann, gesteuert unter anderem von der "Springer-Presse"! Also ein wirklich kluger Mann, dieser Zehrer, das muß man ihm lassen. Er weiß, wovon er redet! Und weiter schreibt er:
Das evolutionäre Moment der Entwicklung, in der wir uns befinden, würde dafür sprechen, daß die Dinge in Deutschland eines Tages von dieser bewußten neutralen, aber dem Neuen zugewandten Schicht bestimmt werden, daß der Appell der Massen von diesem abseitsliegenden Standort aus erfolgen wird.
Genau: "Der Appell der Massen". Nach 1945 wird er von jener Springer-Presse ausgehen, in der wiederum wohl Hans Zehrer die zweiteinflußreichste Position (neben oder hinter Axel Springer) einnimmt! Leute wir Rudolf Diels, wohl auch Werner Best, Ernst Jünger, Friedrich Hielscher, Carl Schmitt und ähnliche scheinen genau diesen "erhabenen" Standpunkt eingenommen zu haben und sich zwischen extremen Rechten und extremen Linken frei vagabundierend bewegt zu haben. Und wie diese Elite organisiert ist, weiß Hans Zehrer natürlich auch:
Soviel läßt sich über diese Organisationsform bereits sagen: soweit sie zentralen und totalen Anspruch erhebt, muß sie weltanschauliche oder religiöse Werte der Gemeinschaft enthalten, um die sie sich gruppieren und sammeln, mit denen sie sich absondern und an denen sie sich erkennen kann. Die Form solcher Organisation wird die "Verbindung" sein, oder die "Gemeinde", oder der "Orden", oder die "Loge". Oder aber sie muß sich um ein zentrales und prinzipielles sachliches Problem der kommenden Epoche, soweit es sich heute schon fixieren läßt, gruppieren. Ein Problem, das der Forschung und der Diskussion Raum läßt, diese Diskussion aber andererseits durch die Fixierung des zu behandelnden Themas bereits begrenzt.
Ein hübsches Handlungs-Programm für den modernen Staatsdiener der ausgehenden Weimarer Republik. Sofort denkt man hier auch an die "Gesellschaft zum Studium des Faschismus" (Wiki), der so viele "Neue Nationalisten" im Umkreis von Ernst Jünger und Co. angehörten, und die womöglich Zehrer bei diesen Worten vor allem vor Augen stand. Oftmals aber die gleichen Kreise waren auch beteiligt an der gleichzeitigen "Arbeitsgemeinschaft zum Studium der sowjetischen Planwirtschaft" ("Arplan") (vgl. Heeke/Reisen zu den Sowjets, 2003, S. 73, 533), die gegründet worden war von Friedrich Lenz und Arvid Harnack. Beide gruppierten sich in der Tat - und welche Überraschung! - um jeweils "ein zentrales und prinzipielles sachliches Problem der kommenden Epoche, soweit es sich heute schon fixieren läßt"! Und beide Zusammenschlüsse weisen - oh Wunder! - personelle Verbindungen zum Tat-Kreis auf. Vor allem aber waren beide dazu angetan, von entgegengesetzter Richtung her auf ein solches "Zusammenrückens von Links und Rechts zur Volksgemeinschaft" hinzuwirken, welches noch heute mancher völkische Freimaurer aus dieser Schrift von Zehrer an Positivem glaubt herauslesen zu können (5). Zehrer weiter:
Alle diese Themen und Verbände würden integrierend wirken, sie würden vor allem eine siebende und aussondernde Aufgabe erfüllen.
Vor allem Siebung und Aussonderung. Nichts ist Logen wichtiger als dies. Völkische Graswurzelrevolutionäre müssen dem gärtnerischen Schnitt und der gärtnerischen Pflege der Logen anvertraut werden, Zierpflanzen müssen vom Unkraut gesondert und gesäubert werden ... So Auszüge aus Zehrers sinngemäßem "Handbuch für den treuen Staatsdiener und Opportunisten aus ernstestem, neutralem und sachlichem Logen-Idealismus heraus".

... kann auch an die "Grenzen ihrer Kraft" gelangen ...

Hans Zehrer hat aber auch viel Verständnis für die Probleme der Leistungsträger der Gesellschaft in diesen schnellebigen, umstürzlerischen Zeiten (1, S. 3ff):
Stellen wir uns einen Menschen vor, der mit 26 Jahren (1914) in den Krieg zog. Dieser Mensch ist heute 42 Jahre alt. Er hat diese Zeit miterlebt vom ersten Schuß in Belgien bis zum letzten Schalterschluß der Banken vor wenigen Wochen. Die Dinge haben sich für diesen Menschen einfach überstürzt. Er hat zwar große Wandlungs- und Entwicklungsmöglichkeiten in sich,
- na klar, schließlich halten ihn die Logen und Logen-Ideologen "auf dem Laufenden"! -
aber er kommt schließlich doch irgendwann an die Grenzen seiner Kraft, wo er stehenbleibt und nicht mehr weiterkann. Dieser Mensch wird zwar theoretisch in diesem Augenblick beiseitegeschoben und zählt nicht mehr für die Entwicklung. Praktisch aber besitzt dieser Mensch eine Position, die ihm ein gewisses Maß an Einfluß und Macht verleiht.
Eine Position. Nichts ist diesen Leuten wichtiger als eine Position. Um eine solche zu erlangen, schließen sie sich ja Männer-Seilschaften an (siehe etwa den Beitrag hier auf dem Blog "Sei pfiffig, werde Freimaurer!"). Und es ist an dieser Stelle zu berücksichtigen, daß der Freimaurerkampf Erich Ludendorffs den Logen ein gewichtiges Nachwuchsproblem bescherte. Die junge Generation wollte nicht mehr so einfach in den traditionellen Logen mitmachen und mußte nun über unkonventionellere, zeitgeistigere "Orden", "Klubs" und "Logen" zum Dienst an den Staat herangezogen werden. Ob dies aber schnell genug und zuverlässig genug gelingen würde, darüber waren sich die Logen 1931 wohl noch nicht sicher genug geworden. Deshalb diese Ausführungen von Hans Zehrer an die bisherige, ältere Generation der Logenmitglieder, die - man kann es sich gut vorstellen! - wirklich an das Ende ihrer Kraft gelangt waren.

Man hatte die Angehörigen dieser Generation ja schließlich mit aller Mühe in den Logen für diese Position herangezogen und brauchte ihre weitere zuverlässige Mitarbeit. Aber der einzelne ist halt nur schon so "müde" von all den ideologischen Wandlungen, die ihm die Logen bisher schon zugemutet und abverlangt hatten, und denen sie auch der Gegenkampf gegen die Logen ausgesetzt hatte. 1914 sollte der typische Logenbruder oder Jesuitenhörige plötzlich Patriot sein. 1918 plötzlich nicht mehr. Zwischendurch immer wieder einmal doch. Oder auch nicht. Jetzt soll er es aber mit aller Entschiedenheit wieder werden, weil die Logen ihn weiter brauchen und nicht so schnell für die weiteren geplanten Vorhaben eine neue Generation zuverlässiger Staatsdiener heranziehen können.

(Diese neue Generation übrigens entnahm man vielfach jenen jungen idealistischen Freikorpskämpfern, die schon in den frühen 1920er Jahren im Ruhrkampf und in der Schwarzen Reichswehr im Dienst des deutschen Geheimdienstes der Weimarer Republik gestanden waren und dabei ihre Zuverlässigkeit erwiesen hatten. Womöglich auch erpreßbar geworden waren. [Man denke an Martin Bormann im Baltikum, man denke an Werner Best und sein Todesurteil in franzsöischer Gefangenschaft. Und so viele mehr.] Die Zugehörigkeit zum Dienst selbst schon ersetzte hier vielfach Logenzugehörigkeit, für die man dieselben natürlich parallel - sooft möglich - ebenfalls versuchte einzufangen.)

Logen - und Männerbünde - denken in Generationen

Man kann sich als Ansprechpartner der Texte von Hans Zehrer auch jemanden vorstellen wie den "verdienten" General von Schleicher, den "verdienten" General Groener und Leute ähnlicher Machart, etwa im Umkreis des alten Herrn von Hindenburg. Welche ideologischen Wandlungen hatte allein der Alte Herr von Hindenburg durchzumachen! Zum Schluß sollte er auch noch einen Gefreiten zum Diktator ernennen. Nun, auch die "Grenzen" der Wandlungsfähigkeit eines greisen Hindenburg wurden überwunden! Zehrer also weiter über die Besorgnisse der Logen solchen "treuen Dienern" gegenüber:
Er wird also zu einem retardierenden Moment, das die Entwicklung zeitweise verlangsamt, und er wird erst praktisch beiseite geschoben, wenn ihm derjenige, der 1914 erst drei Jahre alt war, heute also Zwanzig ist, und der schon als Kind dieser Krise unter ganz anderen Bedingungen aufgewachsen ist, die Stellung streitig macht und schließlich nachrückt.
Ja, Logen denken in Generationen! Die Generationenfrage - und, was hier nicht ausführlicher zitiert wird: die Sprache - wären - nach Zehrer - den Logen unliebsame "retardierende" Momente. Sie sehen, da drängt eine junge, völkische Bewegung an die Spitze mit einer Sprache, die die bisherigen Leistungsträger noch gar nicht sprechen können, weshalb sie in Gefahr stehen, beiseite gedrängt zu werden. Dieser Gefahr versuchen all die linksrevolutionär-rechtskonservativen Logen-Ideologen - wie Hans Zehrer, Ernst Jünger, Carl Schmitt, Friedrich Hielscher usw. usf. - zuvor zu kommen. Sie arbeiten eben im "metapolitischen" Bereich.

Damals Hans Zehrer - heute "Institut für Staatspolitik"?

So wie heute, geht einem durch den Kopf, das "Institut für Staatspolitik", das sich sehr bewußt in die Tradition dieser Arbeit stellt und eine konsequente Naturalisierung der rechtskonservativen "Ideologie", die heute - nach Sarrazin - so naheliegend geworden ist, weiterhin so lange hinauszuzögern bemüht ist, wie immer ihm das möglich ist.

Das veranlaßt einen zu einem kurzen Exkurz zur heutigen Situation: Man läßt vereinzelte naturwissenschaftliche Anthropologen (etwa den verdienstvollen Andreas Vonderach) - und zwar sehr bewußt in Anknüpfung an die lange Zeit gerne vergessene Tätigkeit des Jesuitenpaters Muckermann in den 1930er Jahre - das heute vorliegende anthropologische Wissen referieren. Aber möglichst "isoliert" für sich, ohne irgendwo auch nur ansatzweise Schlüsse zu ziehen auf vorliegende Weltbilder überhaupt. Man versucht also solange wie möglich, eine Grundsatzdebatte über die daraus zwangsläufig früher oder später folgende umfassende Naturalisierung des rechtskonservativen Ideologiegebäudes insgesamt hinauszuzögern. Sozusagen ins zeitlich Unendliche. Gerne natürlich auch mit gezielten Tritten gegen die Schienenbeine jener, die in diesen Diskussionen etwas "zügiger" vorankommen wollen. Also alles noch ganz genauso wie schon in den 1920er und 1930er Jahren, als das Haus Ludendorff wohl am konsequentesten für eine Naturalisierung des rechtskonservativen Ideologiegebäudes stand, wodurch überhaupt alle Logen-Ideologie und -Herrschaft, ebenso wie die Ideologie und Herrschaft der Kirchen in Gefahr gebracht wurde - und heute womöglich wieder würde. (Letzteres wäre zu prüfen!)

Aber natürlich gibt es neben dem "Institut für Staatspolitik" noch zahllose andere "metapolitische" Vereinigungen, "Think Tanks", die ähnliches im "vor-" und "metapolitischen Raum" betreiben. Gerne auch im Umfeld der etablierteren Parteien oder darüber hinaus.

Dieses Vorgehen fällt nur noch den wenigsten Menschen auf, da auch unter den konsequenten Kirchen- und Christentumsgegnern heute (etwa im Umfeld der wissenschaftlich-elitären "Giordano Bruno-Stiftung") nur noch geringe Sensibilität vorhanden ist für die schlußendliche gesellschaftliche Durchschlagskraft umfassender, konsequent naturalistisch ausgelegter Weltbilder und Ethiken, die über bloße Einzelkritik an Christentum, Kirche, okkulter Scharlatanerie und der korrupten Ethik der derzeitigen Eliten hinausgehen. Die Thematisierung solcher umfassender ausgelegter konsequent naturalistischer Weltbilder und Ethiken könnte im wahrsten Sinne des Wortes "notwendig" sein, wenn man solche gesellschaftlichen Bewegungen wie die Occupy-Bewegung oder die 9/11-Wahrheitsbewegung nicht weiterhin so lächerlich machtlos sehen möchte, als wie sie es bisher noch sind im gesamtgesellschaftlichen Gefüge weltweit. Und zwar trotz der breiten Zustimmung in der Bevölkerung für diese. Sie werden auch weiterhin so lächerlich machtlos bleiben, so lange ihnen kein gültiges, umfassendes naturalistisches Weltdeutungs-Gebäude und eine damit einhergehende naturalistisch ausgelegte Ethik zur Seite stehen, die zugleich auch das grundlegende religiöse Bedürfnis des Menschen zufrieden stellen muß. (Auch von diesem grundlegenden Bedürfnis weiß ja übrigens der "kluge" Herr Zehrer!) - Exkurs-Ende.

"Zerstörung der alten, retardierenden Worte und Begriffe", indem man "Kompromisse" mit ihnen schließt, und sie dann "ad absurdum" führt

Aufgrund des "retardierenden" Moments der Sprache, so Zehrer,
muß sich die neue Entwicklung (die den Logen erwünscht ist) ihren Weg erst mühsam über die Zerstörung der alten Worte und Begriffe bahnen. (...) So können z.B. die geistigen, politischen und wirtschaftlichen Grundlagen einer bestimmten Schicht restlos zerstört sein
- so weit glaubt man also womöglich schon zu sein auf Seiten der satanistischen Hochgradlogen, als deren Sprecher Zehrer womöglich ähnlich wie Hielscher fungierten, nämlich gegenüber dem kulturtragenden Bürgertum, das man als zu zerstörende Kraft erkannt hatte! - Zehrer weiter:
diese Schicht existiert trotzdem weiter, solange ihre Worte und Begriffe noch weiterexistieren.
Wiederum außerordentlich "kluge", geradezu "weise" Worte des Tat-Menschen und "Revolutionärs" Zehrer. Worte, die sogar noch für die heutige Zeit gelten. Und nun müssen auch noch diese weiterexistierenden Worte und Begriffe ausgehöhlt werden. Und wodurch? Nun, dadurch daß man sie ad absurdum führt! Und wie geht das am leichtesten? Nun, wohl vor allem durch solche zutiefst verbrecherischen Übertreibungen wie jenen des Dritten Reiches und der hohlen Sprache seiner Schreier und nachplappernden Opportunisten, die darauf von Logen-Ideologen zuvor "geschult" worden waren. Zehrer:
Infolgedessen müssen diese neuen (Logen-!)Kräfte zunächst Kompromisse mit der Sprache abschließen. Sie müssen sich Worte zulegen, die morgen bereits nicht mehr zutreffen. Sie verrennen sich in Begriffen, gehen mit ihnen unter und müssen wieder von neuen Generationen abgelöst werden, die nach ihnen kommen und über sie hinwegschreiten.
Ein verräterisches Wort: "Kompromisse mit der Sprache". Von diesen "Kompromissen mit der Sprache" weiß Kurt Ziesel 1957/58 allerhand Beispiele anzuführen (4). Damit umreißt Zehrer den Geschichtsablauf von 1933 bis 1945. Und 1945 konnte er als Springer-Ideologe und -Sprachschöpfer nahtlos anknüpfen an die bis dahin so glänzend erreichten Logen-"Erfolge", an die so glänzend erreichte "Desillusionierung" über alle bis dahin geltenen Worte und Begriffe (1, S. 5):
Wir nähern uns damit dem Zeitpunkt, wo die eigentlich treibenden Kräfte, die hinter der Krise stehen, sichtbar werden
- aber hallo! -
und sich nicht mehr in den Gewändern des Alten, der alten Werte und Begriffe, präsentieren,
- das will man ja als "Tat-Mensch" und "Revolutionär" auch gar nicht!, sondern man will das Gegenteil! -
sondern nackt und neu hervortreten.
- So wie ein in satanistischen Logen gezeugtes und geborenes Kind, möchte man ergänzen. In generationenübergreifendem Logen-Inzest werden ja auch künftige Bankiers etc. gezeugt, wie dem Buch "Vater unser in der Hölle" entnommen werden kann oder den Berichten der Cathy O'Brien. Wenn also physische Kinder gezeugt und geboren werden in Logen, warum nicht auch "geistige Kinder" ... Zehrer:
Erleichtert wird diese Klärung durch den Ablauf  der Generationsfrage und eine gewisse Tradition in der Krise, die auf ein Alter von fast zwei Jahrzehnten verweisen kann.
An welche zwanzigjährigen Logenzöglinge Zehrer wohl an dieser Stelle denkt? Bei den alten Worten und Begriffen denkt Zehrer allerdings zunächst nicht an Begriffe wie "Wahrhaftigkeit", "Zuverlässigkeit", "Ehrlichkeit", "Anständigkeit" usw., Begriffe also, wie sie in der deutschen Nationalhymne enthalten sind oder als die preußischen Tugenden gelten etc.. Das sind wohl sowieso schon überwundene Standpunkte für einen Zehrer.

Nein, es geht ihm hier zunächst nur um Worte und Begriffe wie "Liberalismus", "Sozialismus", "Konservatismus", "Katholizismus", "Faschismus", "Kommunismus", "Nationalsozialismus" - also lauter "hohle Gebilde", die er noch hohler sehen will, und zwischen denen frei flottierend er die neue Staatsgesinnung und Weltanschauung formulieren will.  Aber seine Worte haben eben doch noch einen tieferen Nebensinn, der aus der Rückschau viel mehr zählt, als das damalige Neubasteln einer Weltanschauung für den freimaurerischen Staatsdiener, die kompatibel ist zur kommenden nationalsozialistischen Diktatur und der ihr folgenden "gelenkten Demokratie" staatstragender Eliten.  Auch der Logen-Ideologe Hans Zehrer gewährt einem Einblicke in die Art, wie überstaatliche Geschichtsgestalter Ideologien und damit Geschichte gestalten. Seit zwei Jahrtausenden.

Woher man so sicher weiß, daß Hans Zehrer Angehöriger einflußreicher Logen und Orden war? Nun, würde er sonst so offen davon sprechen (siehe oben) als äußere Organisationsformen dieser Elite? Er selbst würde nur seiner Kirchengemeinde und der Gemeinschaft des "Tat-Kreises" angehört haben, wo sein Verleger Eugen Diederichs Freimaurer war und Ernst Horneffer, der Begründer der "Tat" ebenfalls?

Ist jeder Freimaurer per se ein schlechter Mensch?

Übrigens muß man für manche, die Logen und Männerorden verteidigen, und die voraussetzen, daß man als Kritiker alles in Bausch und Bogen ablehnen würde, was Freimaurer machen, noch einmal feststellen: Natürlich können *auch* Freimaurer gute Dinge tun. Natürlich! Bei so großen Gesellschaften wie der Freimaurerei gibt es die verschiedensten Möglichkeiten. Natürlich ist - etwa - das Lebenswerk eines Eugen Diederichs nicht dadurch infrage gestellt, daß er Freimaurer ist. Ebensowenig wie das Lebenswerk eines Friedrichs II., des Königs von Preußen, eines Lessing, eines Mozart und so weiter.

Es wird schwer zu glauben sein: Aber Kritiker können da sehr wohl differenzieren. Und sie sind auch fähig zu unterstellen, daß gerade auch insgesamt besonders positive Lebensleistungen den Logen sehr willkommen sind, können diese doch - ebenso wie ihre übrige Wohltätigkeits-Aktivitäten - gut darüber hinwegtäuschen, daß womöglich in Logen noch ganz andere Dinge geschehen. Eben solche wie in diesem Beitrag angedeutet. Daß in ihnen Gesellschaften "formiert" werden, auf Linie gebracht werden, "zum Einschwenken" gebracht werden, zum Marsch in Kolonnen gebracht werden ... Wohin? Nun, die Geschichte, die Gegenwart und die sich nur allzu klar andeutende Zukunft unserer Gesellschaft zeigen es.
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  1. Zehrer, Hans: Rechts oder Links? Die Verwirrung der Begriffe. In: Die Tat, Diederichs-Verlag, Jena, 7. Heft, Oktober 1931 (Google Bücher)
  2. Bäumer, Gertrud: Rechts und links? 1931
  3. Triebel, Florian: Der Eugen Diederichs Verlag, 1930-1949: Ein Unternehmen zwischen Kultur und Kalkül. C. H. Beck, München 2004 (Google Bücher)
  4. Ziesel, Kurt: Das verlorene Gewissen. Hinter den Kulissen der Presse, der Literatur und ihrer Machtträger von heute. J. F. Lehmanns Verlag, München 1958 (4. Aufl., 11. - 13. Tsd.) 
  5. Zehrer, Hans: Das Zusammenrücken von Links und Rechts zur Volksgemeinschaft. Hanse Buchwerkstatt, Faksimile-Verlag .·. Wieland Körner, Bremen 2011 [Nachdruck des Zehrer-Aufsatzes "Rechts oder Links" von 1931 unter neuem Titel]

5 Kommentare:

Ingo Bading hat gesagt…

Schon am 10. September 2010 erhielt dieser Blog privat den folgenden Kommentar zu diesem Blogartikel von jemandem, der völkische Freimaurerei toll findet und sich in diesen geistigen Bereichen gut auskennt:

>>Ich bin immer erstaunt, daß Du - so weit ich weiß in mehreren Fächern - studiert und wissenschaftlich zu arbeiten gelernt hast, daß Du in Deinen Texten dann aber vollkommen wild herumspekulierst. Natürlich darf man an jeden wissenschaftlichen Text Mußmaßungen anschließen. Aber Dein Text ist ein einziges "Coctail" von Mutmaßungen (Okkult, Verschwörung, Geheimdienste, Freimaurer pp. pp.). Diese Mutmaßungen liegen weit ab vom Wesen dieses Mannes (Zehrer), vom Gehalt seiner Texte, von der Wirkung seiner Texte und von seiner Lebensleistung. Ich kann also mit Deinem Text ziemlich wenig anfangen. Tut mir leid. Bei aller Freude, daß Du Dich mit vielen ernsthaften Themen befaßt!
Richtig ist, daß Ernst Horneffer, der Haupt-Begründer der "Tat", Freimaurer war. Der Verleger Diederichs auch.

Diederichs Mitgliedschaft steht - wenn man Deine "Theorien" über die Loge als Maß nähme - in totalem Widerspruch zu seiner Lebensleistung und seinem verlegerischen Werk. Diese Art Widersprüche interpretierst Du irgendwie "elegant" zur Seite. Oder Du nimmst sie nicht wahr.
Wenn man also an Horneffers und Diederichs Weltanschauung und am Logengedanken begründete Kritik üben möchte, sollte man deren zahlreiche hinterlassenen Texte und Bücher kritisieren. Da ist nur "leider" nicht viel zu kritisieren, weil die Art Freimaurerei, wie sie Horneffer und Diederichs vertreten haben, nichts Böses war.

Ich habe im Laufe meines Lebens ungefähr 40 Freimaurer kennengelernt und ihren Hintergrund ausgeleuchtet, so weit das irgend möglich war (es war möglich). Der interessanteste Freimaurer (in höchsten Graden), mit dem ich oft zusammentraf war .... in Hannover. .... Sektierertum der "Loge" .... Was mich jeweils interessiert am Menschen, an geistigen Partnern und am Gegenüber überhaupt, ist die Denkselbständigkeit der Person (ein Begriff von Domizlaff). Hans Zehrer (nicht Maurer) war ein echter Kopf. Dein Text entbehrt dagegen leider eines eigenständigen Urteils. Du nimmst in Deinem Schreiben nur "Anleihen" bei dem oben erwähnten "Coctail". Dieses Coctail könnte man natürlich ideengeschichtlich aufdröseln. Das führt nur leider zu nichts. Ich habe mich mit diesem Aufdröseln viele Jahre beschäftigt. Es führt vollständig ins Leere.<<

Ingo Bading hat gesagt…

Dafür, daß sich der eben angeführte Kommentator vergleichsweise gut auskennt mit dem geistigen Umfeld, in dem der hier erörterte Aufsatz von Hans Zehrer angesiedelt, sagt er vergleichsweise wenig Konkretes darüber, warum unsere Deutung und Interpretation dieses Aufsatzes nicht richtig sein kann.

Wenn Leute anfangen, völkische Freimaurerei toll zu finden, wirds gefährlich schwurbelig.

Sie können nicht zustimmmen. Finden aber auch keine klaren Argumente dafür, warum sie Fundamentalkritik nicht zustimmen können. Im Grunde ein interessanter Befund.

Ingo Bading hat gesagt…

"Selbständig denken" übrigens kann oft nach Meinung von Freimaurerfreunden nur der, der ebenfalls Freimaurerfreund ist. Weil man sich ja nur so die "Unabhängigkeit" seines Urteils wahrt. Übt man Fundamentalkritik an Männergeheimbundwesen, zeigt man damit auf, wie unselbständig man im Urteil ist und wie sehr man seinem Ressentiment und seinen Aversionen folgt und von diesen abhängig ist und darum unselbständig. Man zeigt auf, wie wenig überlegen klug und rational man ist. Wie wenig realitätsnah.

Das ist eine recht geschickte Strategie, sich gerade die EIGENE Unselbständigkeit, Voreingenommenheit und Gebundenheit im Urteil vor sich selbst zu verbergen.

Wer Logen toll findet, hat ja wohl seine Urteilsfähigkeit quasi schon an der Garderobe abgegeben. Und lebt in einem Traumland für sich. Man macht sich dann gar nicht mehr klar, wie sehr die eigene politische "Klugheit" allein davon abhängig ist, daß man an so viel eingeweihtem Wissen teilhaben kann und mit so viel "klugen" Leuten zusammen kommt. Selbständig ist daran dann gar nix mehr.

Und es ist leicht erahnbar, wie viel innere Unselbständigkeit die Voraussetzung dafür wäre, selbst sich durch Logenwesen und Seilschaften getragen fühlen zu können.

Anonym hat gesagt…

Ich sehe nicht wo das IfS eine "Naturalisierung" der rechts-konservativen Ideologie hinaus zögert. Keiner wird vom IfS daran gehindert, die "Flagge auf dem Reichstag zu hissen. Es macht halt nur keiner, daran ist aber nicht das Rittergut schuld. Diese 40 Mann Seminare sind doch wohl auch zu vernachlässigen und verhindern keine, wie auch immer geartete Revolution. Man kann nicht für alles zuständig sein. Nur weil jemand im vorpolitischen/metapolitischen Raum aktiv ist ( der hier in der BRD sowieso praktisch ausschließlich in linker Hand ist) kann man den nicht als Entschuldigung heran ziehen, weil man selbst nichts praktisches auf die Reihe bekommt. Just my 2 cent.

Gesell. Aufbr. - jetzt! hat gesagt…

Danke für die Rückmeldung! Die erste Rückmeldung ihrer Art auf dieser inhaltlichen Linie! Erstaunlich genug!

Und: Naja, jemand, der genauer hinschaut, kann schon viel entdecken, wenn er möchte.

Mir ist erst vor wenigen Monaten klar geworden, daß es in den 1970er und 1980er Jahren eine breite Strömung gegeben hat, die unter dem Begriff "Biopolitik" lief. In der damaligen Zeit waren die Begriffe "Biopolitik" und "Neue Rechte" fast ebenso gleichbedeutend, wie "Neue Rechte" und "neuheidnisch". Das fand ich deshalb so überraschend, weil es HEUTE doch genau anders ist: da ist "Neue Rechte" fast gleichbedeutend mit "christlich".

Und ich habe während der Sarrazin-Debatte NIEMANDEN, NIEMANDEN von den rechtskonservativen "Vordenkern" an die breite biopolitische Debatte der 1970er Jahre breiter erinnern sehen. Geschweige denn, ihn daran anknüpfen gesehen.

Diese war damals verortet vor allem im Thule-Seminar und ähnlichen Organisationen. Ausgangspunkt war der Streit um den britischen Intelligenzforscher Arthur Jebsen um Rassenunterschiede im IQ ab 1969, genau die gleiche Thematik wie bei der Sarrazin-Debatte.

Die sich hier andeutenden Kontinuitätsbrüche im rechtskonservativen "Vordenken" können einen, wie ich denke, schon nachdenklich machen.

Noch gar nicht verstanden habe ich, wie all die Träger der DAMALIGEN biopolitischen Debatten, die heute noch leben, von sich aus so wenig an ihr eigenes Tun in den 1970ern erinnert haben. Oder habe ich da nur so vieles übersehen?

Sieht so denn solide rechtskonservative Grundlagenarbeit aus? Das vor Jahrzehnten Erarbeitete völlig zu vergessen und noch nicht einmal daran zu erinnern? Ich könnte Literatur von politisch linksstehender Seite nennen, die anlässlich der Sarrazin-Debatte SOFORT an die damaligen bipolitischen Debatten erinnert hat, der das bewusst war.

Natürlich steht es jedem frei, es anders zu machen. Dieser Blog hat wohl das seine dazu getan, denke ich mal. Aber es darf auch nach den Motiven des Handelns andernorts gefragt werden.

Und die liegen meines Erachtens offen zutage. Ein christliches Menschenbild und "Biopolitik" sind schwer miteinander in Deckung zu bringen. Sie ergänzen sich größtenteils nicht, sondern widersprechen einander. So dumm wird es nicht sein, hier tiefere Motive zu suchen.

Es hat seit den 1980er Jahren eine deutliche "Rechristianisierung" rechtskonservativen Denkens gegeben, während das neuheidnische Denken immer stärker in das Abseits von "Verfassungsschutznähe" geschoben wurde, sprich: NPD-Nähe.

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