Mittwoch, 30. Juni 2010

1320 v. Ztr. - Die Schlacht an der Tollense in Mecklenburg

Ein Ortstermin

Vorbemerkung: Dieser Artikel war am 30.6.2010 eingestellt worden. In ihm war deer Ort der Ausgabungen bekannt gemacht worden. Diesen hatten die Archäologen bis dahin geheim gehalten. Deshalb schrieben sie mich an und baten, ihn nicht öffentlich zu machen, um Raubgrabungen zu verhindern. Deshalb habe ich den Artikel damals wieder vom Blog genommen. Heute - am 19.4.2019 - ist der Ort des Schlachtfeldes ja längst öffentlich bekannt (Wiki). Somit kann der Blogartikel sicherlich wieder öffentlich gemacht werden.




Abb 1: Das Dorf Weltzin in Mecklenburg westlich des Tollense-Tales

Über die Ausgrabungen zu einer bronzezeitlichen Schlacht in Mecklenburg an der Tollense, acht Kilometer nördlich der heutigen Stadt Altentreptow bei dem Dorf Weltzin um 1350 oder 1250 v. Ztr. haben wir schon in früheren Beiträgen berichtet (1, 2). 

Abb. 2: Ein Teil des mutmaßlichen bronzezeitlichen Schlachtfeldes östlich von Weltzin an der Tollense - derzeit mit großer Mutterkuh-Herde (eigenes Foto, 2010)

Am Sonntag schaute dieser Blog einmal auf einem Ortstermin dort vorbei. (Und zwar während des Fußballspieles Deutschland gegen England, das mit 4:1 ausging.)

Abb. 3: Die Kirche von Weltzin (eigenes Foto, 2010)

Dorfkinder in dem Dorf Weltzin konnten schließlich Auskunft geben über den Ort der Ausgrabungen und der Tauchgänge.

Abb. 4: Die Dorfstraße von Weltzin (hinter der Biegung rechts geht's, der Lindenstraße folgend zum Schlachtfeld hinunter)

Solche Auskünfte hatte man man bei der Befragung anderer Personen zuvor in den Dörfern nördlich von Altentreptow nicht erhalten können an diesem Sonntag auf diesen abgelegenen Dörfern Mecklenburgs.

Abb. 5: Nördöstlich von Weltzin mit Blick hinüber zum Tollensetal

Eine außergewöhnlich friedliche, sommerliche Landschaft empfängt einen. Bestens geeignet, um dort Urlaub zu machen. Storchennester in den Dörfern, Störche auf den einsamen, friedlichen Wiesen im Tal der landschaftlich unauffälligen Tollense. Das Flüßchen durchfließt gemächlich sanfte, zum Teil bewaldete Anhöhen.

Abb. 6: Weg nordwestlich von Weltzin hinunter zur Tollense

Dörfer mit zum Teil verfallenen Häusern, gerne auch in Ortsmitte. Gerne auch - so in Weltzin - das frühere Hauptlokal des Ortes mit zusammengefallenem Doppeldach. Ein "Schlachtfeld-Bummler-Boom" hat in diesem Dorf ganz eindeutig noch nicht eingesetzt. So verschlafen, wie es sich an diesem Sonntag präsentiert. Schlachtenbummler im Sinne, sagen wir, eines Johann Wolfgang von Goethe (Wiki):
"... Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte  aus und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen ..." 

Abb. 7: Hinunter ins Tollense-Tal nordöstlich von Weltzin (zwischen dem Schilfbewuchs die Tollense)

Wie man Google Earth, Panoramio und Wikipedia entnehmen kann, muß es in diesem Bereich östlich des Dorfes Weltzin in vorgeschichtlicher und geschichtlicher Zeit Furten für Handelswege gegeben haben, die noch in slawischer, bzw. hochmittelalterlicher Zeit durch die östlich der Tollense gelegenen Burgen Conerow (Wiki) und Klempenow (Wiki) geschützt worden sind.

Abb. 8: Offenbar die auf Wikipedia erwähnte Ansammlung von Findlingen am Westufer der Tollense im Bereich des bronzezeitlichen Schlachtfeldes

Die diesbezüglichen Wikipedia-Einträge versichern einen im Nachhinein der Richtigkeit der Angaben der Dorfkinder und erweitern die Kenntnisse zu dieser Schlacht nicht ganz unbedeutend (Wiki):
Etwa 200 Meter flußaufwärts (der Burgruine Conerow) auf dem Westufer der Tollense fand 2009 ein Amateurarchäologe aus Burow ein bronzezeitliches (erste Schätzung 1350 v. Chr.) Schlachtfeld, das ab 2010 ausgegraben werden soll. Bisherige Sondierungsgrabungen brachten Knochen von etwa 80 Toten zu Tage. Ob die auf dem Westufer der Tollense fast gegenüber der Burg liegende Ansammlung von Findlingen auf eine frühe Besiedlung im Megalithikum hindeutet, ist noch nicht erkundet. Etwa 500 Meter südlich im Wodarger Wald, östlich der Tollense, befinden sich zwei Megalithgräber.
Das sind lauter spannende Fragestellungen und Bezüge, denen nachzugehen sein könnte.

Abb. 9: Die in den örtlichen Dörfern aufgestellten Wandertafeln zeigen, daß die Gegend auch sonst ein vorgeschichtlich recht reichhaltiges Gebiet darstellt, etwa mit vielen Anlagen von Megalithgräbern

Weiter heißt es auf Wikipedia:
Nur wenige Kilometer flußabwärts (von der Burg Conerow) befindet sich die Burg Klempenow. Vielleicht waren beide Burgen eine Art Grenzposten, die sich an Furten von damals wichtigen Handelswegen über die Tollense befanden. (...) Das 2009 gefundene bronzezeitliche Schlachtfeld an der Tollense steht möglicherweise in Zusammenhang mit einer solchen Furt.
Abb. 10: Die Tollense im Bereich des mutmaßlichen bronzezeitlichen Schlachtfeldes

Aus einem anderen Bericht aus dem Jahr 2009 erfährt man:
Die Funde erstrecken sich mehr als vier Kilometer entlang des Flußlaufes der kleinen Tollense in 1 m Tiefe. Taucher fanden im letzten Sommer auch am Grund der Tollense menschliche Überreste, die durch die Strömung freigespült wurden. Naturwissenschaftliche Datierungsverfahren ergaben, daß die Überreste entlang der Tollense alle gleich alt sind. Im Jahre 1320 v. Chr. muß dieses Ereignis stattgefunden haben, also in der Bronzezeit.
Wenn man es recht sieht, liegt ein Teil des vorgeschichtlichen Schlachtfeldes derzeit im Bereich der großräumigen Weide mit einer Mutterkuh-Herde, deren Elektrozaun dem vorgeschichtlich Interessierten ziemlich heftige Elektrostöße versetzen kann. Außerdem wird auf Tafeln vor dem Bullen gewarnt, der der Herrscher dieser Mutterkuh-Herde ist: "Lebensgefährlich".

Abb. 11: Elektrozaun und Warnung vor dem Bullen ("Lebensgefährlich"), im Hintergrund unten die Tollense

Über die freie Weide zu gehen, war dem Autor dieser Zeilen angesichts dieser Warnungen nicht ganz geheuer.

Abb. 12: Das weidende Vieh trinkt aus der Tollense und tritt dabei die westliche Uferböschung herab

Einer ihn dennoch überraschenden Begegnung mit diesem Bullen (- oder gibt es deren mehrere?), der sehr ruhig und gelassen wirkte (- aber was will das heißen?), konnte er sich durch vorsichtiges Umgehen durch - möglicherweise - schützenden Niederwald entziehen ....

Abb. 13: An solchartigem Flußufer werden wohl die ersten archäologischen Funde gemacht worden sein


Das alles wirkt jedenfalls derzeit touristisch noch wenig einladend. Aber vielleicht ist das auch gut zu dem Zweck, etwaige Raubgräber abzuschrecken.

Abb. 14: Blick über das mutmaßliche Schlachtfeld nach Norden (Tollense am rechten Bildrand)

Von den auf Abb. 16 gezeigten Hügeln könnte das von Westen kommende (Völkerwanderungs-?) Heer herab in die Schlacht gezogen sein. Von ihnen aus könnte die Schlacht auch beobachtet oder befehligt worden sein, entweder von den Verteidigern oder den Angreifern.
 

Abb. 15: Nochmals Blick über das mutmaßliche Schlachtfeld nach Norden (Tollense am rechten Bildrand)

Man könnte sich auch denken, daß Frauen und Kinder, sowie Viehherden im Schutz dieser Hügel, bzw. in der Gegend des heutigen Dorfes Weltzin zunächst zurückbehalten worden waren, um diese nach gewonnener Schlacht über die freigekämpfte Furt nachziehen zu können.

Abb. 16: Blick vom Tollensetal nach (Süd-)Westen

Man muß diesbezüglich einfach die weiteren Forschungen abwarten.

/ Anmerkung: Es sind seither immer einmal wieder Artikel zum Thema hier auf dem Blog erschienen, unter den Stichworten: Bronzezeit, Schlachtfeldarchäologie oder Tollense. /
___________________________________
  1. Bading, Ingo: 1.250 v. Ztr. - Die Schlacht von Altentreptow. Gesellschaftlicher Aufbruch - jetzt!, 8.10.2008, http://studgenpol.blogspot.com/2008/10/1300-v-ztr-die-schlacht-von.html
  2. Bading, Ingo: Schlacht mit Holzknüppeln in der Ostsee-Region, 1250 v. Ztr.. Gesellschaftlicher Aufbruch - jetzt!, 13.10.2008, http://studgenpol.blogspot.com/2008/10/schlacht-mit-holzknppeln-in-der-ostsee.html
  3. Jantzen, Christine / Jantzen, Detlef / Terberger, Thomas: Der Fundplatz Weltzin, Lkr. Demmin - Ein Zeugnis bronzezeitlicher Konflikte? In: Archäologie und Geschichte im Ostseeraum. Traumatologische und pathologische Veränderungen an prähistorischen und historischen Skelettresten - Diagnose, Ursachen und Kontext. Interdisziplinärer Workshop in Rostock-Warnemünde, 17.-18. November 2006 (89-97), http://www.vml.de/d/inhalt.php?ISBN=978-3-89646-463-7

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