Dienstag, 21. April 2009

Zum Gottesbegriff der Giordano Bruno-Stiftung

Ein Gottesbegriff, der nicht im Widerspruch zum naturwissenschaftlichen Weltbild steht

Die Giordano Bruno-Stiftung (GBS) hält einen Gottesbegriff für möglich, der nicht in Widerspruch zu einem naturalistischen Weltbild steht. Von ihrem Selbstverständnis her gesehen bezeichnet sie sich deshalb sehr bewußt und ausdrücklich nicht als atheistisch. Die Bezeichnung "Neue Atheisten" ist also eine falsche, mißverständliche. Die dazu abgegebene Positionsbestimmung von Michael Schmidt-Salomon verdient, festgehalten zu werden. Dazu soll dieser Beitrag dienen.

Es war Reinhold Leinfelder, der Generaldirektor des Museums für Naturkunde in Berlin, der zu dieser Positionsbestimmung neuerlich Anlaß gegeben hat. Dankenswerterweise brachte er nämlich einmal ausführlicher einige schöne Zitate aus den Lebenserinnerungen von Charles Darwin (s. Ach du lieber Darwin!). Aus diesen geht besonders gut hervor - so klar wie wie man es selten zuvor irgendwo gelesen hat -, wie sich der Glaube an einen übernatürlichen Gott im Laufe des Lebens von Charles Darwin entwickelt und verändert hat. - Charles Darwin scheint sich nach diesen Ausführungen niemals besonders viel mit den pantheistischen Gedanken seines Großvaters Erasmus Darwin (Wiki) aus der Goethe- und Jane Austen-Zeit beschäftigt zu haben. Erasmus Darwin war ebenfalls - wie Goethe - schon von einer Evolution der Organismenwelt ausgegangen und hat - soweit übersehbar - ebenfalls nicht an einen personalen Gott geglaubt. Aber er sprach dennoch in begeisterten Worten von jener Kraft ("ens entium"), die die Entstehung des Weltalls und des Lebens bewirkt haben muß.

Charles Darwin war am Ende seines Lebens nur Agnostiker - niemals Atheist

Zu solchen dichterischen und pantheistischen Begeisterungen schwang sich der Enkelsohn Charles Darwin - als typisches Kind seiner Zeit (der Zeit von Karl Marx, Ludwig Feuerbach und Rudolf Virchow) - nicht auf. Charles Darwin bezeichnet sich in seinen Lebenserinnerungen vielmehr ausdrücklich als einen Agnostiker. Daraus ergibt sich: Weder Christen noch Atheisten können Charles Darwin für sich in Anspruch nehmen. Dies hat Reinhold Leinfelder mit großem Recht besonders deshalb hervorgehoben, weil er glaubte, die "Atheisten" der Giordano Bruno-Stiftung würden gar zu sehr so tun, als könnten besonders sie Charles Darwin für sich in Anspruch nehmen und nicht die Monotheisten.

Nun hat der Sprecher der Giordano Bruno-Stiftung, Michael Schmidt-Salomon, darauf geantwortet (Darwin-Jahr.de). Aus dieser Antwort verdienen einige wichtige Auszüge festgehalten zu werden (Hervorhebung nicht im Original):

... Erstens vertritt die gbs, die bekanntlich nach einem Pantheisten, nicht nach einem Atheisten benannt ist, keine „atheistische“, sondern vielmehr eine humanistische und naturalistische Position. Den Begriff „Atheismus“ vermeiden wir bewußt in unserer Argumentation, da er zutiefst mißverständlich ist. (Immerhin ließe sich ja sehr wohl ein Gottesbegriff konstruieren, der nicht im Widerspruch zu Naturalismus und Humanismus steht, etwa den rein metaphorischen Gottesbegriff, den Einstein einst verwendete. Es gibt aus unserer Perspektive keinen Grund, einen solchen Gottesbegriff, auf dem sich allerdings auch keine Religion begründen ließe, zu bestreiten!)

Die Behauptung, daß sich mit einem Gottesbegriff, der mit dem naturwissenschaftlichen Weltbild vereinbar ist, keine Religion begründen lassen würde, verdiente eine sehr ausführliche Behandlung. Dies ist eines der Kernanliegen des Blogs "Studium generale". Um nur einen Grund dafür zu nennen: Religiosität, das zeigen alle neueren Forschungsergebnisse auf, stabilisiert Gesellschaften, ihre Altruismus-Potentiale und ihre Demographie, während Atheismus und Areligiosität eher das Gegenteil bewirken.

Begründung von Religion nicht möglich?

Nicht zuletzt deshalb hatten und haben viele Menschen unserer Zeit und früherer Zeiten zu solchen Themen auch erheblich differenziertere Meinungen. Die Religionswissenschaftlerin Sigrid Hunke beispielsweise hat den Versuch der Formulierung einer solchen Religion unternommen in ihrem recht grundlegenden Werk "Europas andere Religion - Die Überwindung der religiösen Krise" (1969). (Auch unter dem Titel "Europas eigene Religion" [1983] erschienen.) Sie führt unzählige Dichter und Philosophen des Abendlandes seit 2.500 Jahren auf, für die es - wie für Giordano Bruno - nichts Wichtigeres im Leben gab, als zu einer zutreffenden Formulierung dessen zu gelangen, was das Wort "Gott" eigentlich aussagen könnte, was Welt und Leben eigentlich für eine Bedeutung haben im Hinblick auf - - - Gott. ("Gott" nicht als alogisch, personal, übernatürlich und Wunder bewirkend verstanden, sondern - zum Beispiel - als das innere Wesen des Wahren, Guten und Schönen.)

Vielen unter diesen Denkern war es wichtig, eine andere Religion zu formulieren. Man könnte auch auf östliche Religiosität oder auf die Religiosität von Naturvölkern verweisen, die besser mit dem naturwissenschaftlichen Weltbild vereinbar sind, als gerade die mosaische Unterscheidung zwischen Wahr und Falsch, die sich ja historisch erst geradezu als Gegenbild zu der von den Griechen herausentwickelten wissenschaftlichen Unterscheidung zwischen Wahr und Falsch ergab.

Die tiefsten Fragen der Philosophie

Es könnten unzählige Autoren - Philosophen, Künstler, Wissenschaftler und Dichter - genannt werden, die dies als das Hauptanliegen ihres Lebens ansahen. Und auf den Reichtum ihrer Gedanken, Kunstwerke und Forschungsergebnisse sollte auch hingewiesen werden. "Studium generale" versucht das ja auch immer wieder. Schließlich handelt es sich bei der Frage danach, was "Gott" eigentlich ist (oder die Welt und das Leben) um Fragen, die für den Fortbestand fortschrittlicher Gesellschaften zu grundlegend sind, als daß darüber gar zu oberflächlich und schnell hinweggegangen werden könnte oder überhaupt nur hinweggegangen werden dürfte.

Beispielsweise die Philosophen des deutschen Idealismus - Friedrich Schiller, Friedrich Hölderlin, Georg Friedrich Wilhelm Hegel, Friedrich Wilhelm Josef Schelling - haben alle an dem Versuch gearbeitet, eine solche Religion, die einen übernatürlichen Gottesbegriff vermeidet zu formulieren. Beziehungsweise einen übernatürlichen Gottesbegriff als geschichtlich notwendiges - aber irrtümliches und zu überwindendes - religionsgeschichtliches Phänomen zu verstehen. Und selbst wenn Hegel und Schelling aufgrund des Verlassens des Hölderlin'schen Ausgangspunktes (siehe Dieter Henrich) darin gescheitert sein sollten, so waren doch ihre Versuche unglaublich bedeutsame und - wahrscheinlich - ebenfalls geistesgeschichtlich einfach mehr oder weniger "notwendige". Und möglicherweise sind heutige Versuche in dieser Richtung wiederum ebenfalls geistesgeschichtlich einfach schlicht von Bedeutung und geschichtlich "not-wendig".

Und zu einem solchen Versuchen und Suchen heißt es schließlich von seiten der gbs auch ganz richtig weiter:

... Drittens war nicht nur Darwin zeitlebens „auf der Suche“, die gbs ist es ebenfalls.

Hier haben wir es also nicht mit Dogmatikern zu tun und mit Menschen, die verbissen an willkürlichen, übernatürlichen, alogischen Vorstellungen festhalten. 

Zielgerichtetheit der Evolution als Argument

Im zweiten Punkt übrigens meint Schmidt-Salomon: da die Evolution nicht zielgerichtet sei, würde sie der Bibel widersprechen. Das ist eine wackelige Argumentation spätestens seit der bedeutende britische Paläontologe Simon Conway Morris sein Buch "Life's Solution - Inevitable Humans in a Lonley Universe" veröffentlicht hat. (Siehe zahlreiche Beiträge dazu auf "Studium generale" in den letzten Jahren.)

Es gibt sicher viele bessere Argumente, die aufzeigen, daß die Bibel im Widerspruch zu den Tatsachen der Evolution steht, als gerade das, daß die Evolution nicht zielgerichtet gewesen wäre. Gerade eine etwaige Zielgerichtetheit der Evolution würde ja besonders deutlich (!) die Notwendigkeit eines naturalistischen Gottesbegriffes aufzeigen. (Deshalb ist auch diese Thematik "Studium generale" so wichtig.) - Vielleicht sollte vielmehr zur Erörterung solcher Themen mehr als bisher die These von Jan Assmann herangezogen werden, der nämlich eine mosaische von einer wissenschaftlichen Unterscheidung zwischen Wahr und Falsch unterscheidet und damit besonders klar heraushebt, was eigentlich im Widerspruch zum naturwissenschaftlichen Weltbild steht, sofern es um Bibelglaube und Monotheismus geht.

Aber auch das astrophysikalische "Anthropische Prinzip" wirft zu viele und zu tiefe philosophische Fragen auf, als daß gerade die angebliche bloße "Zufälligkeit" der Weltall-Entstehung und -Entwicklung unbedingt als das beste Argument für die Unvereinbarkeit von Bibelglaube und Evolution herangezogen werden sollte. (Möglicherweise ist es eher das schlechteste.)

Eine neue Religion begründen?

Deshalb insgesamt noch einmal die Frage: Warum soll die Zukunft nicht eine neue, mit dem naturwissenschaftlichen Weltbild vereinbare moderne Religion in sich bergen und mit sich bringen? Zumal es viele Anzeichen dafür gibt, daß Religiosität evolutive Angepaßtheit mit sich bringt, bzw. aus dieser hervorgeht. Und warum sollten die Fragen, über die die Menschheit seit vielen tausend Jahren nachdenkt, nicht in unserer Zeit eine einigermaßen abschließende Beantwortung finden können - nach dem grandiosen Siegeszug der Naturwissenschaften in den letzten 200 Jahren und im Angesicht des ungeheuren geistesgeschichtlichen und philosophiegeschichtlichen Erbes, das die Menschheit aufzuweisen hat, und das mit dem gewonnen Wissen aus dem Siegeszug der Naturwissenschaft abgeglichen werden kann?

4 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Hallo, Ingo B.,
ich finde Dein Bemühen für interessant, streckenweise könnte ich mitgehen. Begrifflich vielleicht manches anders fassen:
"neue Religion begründen" würde ich zB weniger sagen (dies würde für mich heißen: neue Werte, neue Traditionen setzen - analog zu Mohammed und anderen Religionsgründern)
Ich würde eher sagen: Religion begrifflich umbauen/updaten - konkret: Entdecken, dass der GottesBEGRIFF - entgegen dem Selbstverständnis einer Religion - sich doch tatsächlich immer wieder wandelt (vgl. in der biblischen Tradition den Familiengott Abrahams mit dem Zions-Gott oder dem "Schöpfer der ganzen Welt", mit dem "Im Anfang war der Logos" aus Johannes 1). Und man könnte an dieser Wandlung des Gottesbegriffs weiter arbeiten - ihn tatsächlich so benennen, dass er nicht supranaturalistisch sein müsste - ungefähr in die von Dir genannte Richtung:
"was Welt und Leben eigentlich für eine Bedeutung haben im Hinblick auf - - - Gott. ("Gott" nicht als alogisch, personal, übernatürlich und Wunder bewirkend verstanden, sondern - zum Beispiel - als das innere Wesen des Wahren, Guten und Schönen."
Wobei - entgegen MSS (und Dir?) eine Religion sich sowieso nicht auf einen GottesBEGRIFF gründet; sondern auf (mithilfe eines Gottesbegriffs) gedeutete Lebenserfahrung, Lebenseinsicht...
Es kommt, wie ich immer wieder betone, nicht auf die GottesVORSTELLUNG an; und da mögen meinetwegen auch viele Leute ihre personhaften Vorstellungen von Gott/Göttern behalten, die mir (und Dir und den Giordano-Bruno-Gesellschaftlern sowieso) zwar naiv erscheinen, an denen sich aber auch die richtigen LebensEINSTELLUNGEN herauskristallisieren können. Und auf diese allein kommt es an.
So verorte ich "Gott" allerdings wo ganz anders als in den pantheistischen oder deistischen oder sonst philosophisch-spekulativen Gottesbegriffen (wie "Grund des Seins", "Sein des Seienden" ff).
Ich würde mehr individual- und gruppenpsychologisch rangehen - sage ich's jetzt abgekürzt so: Ich kann Gottesbilder auch mit Traumbildern vergleichen: Es kommt nicht auf die konkrete Figur der Traumbilder an, sondern auf ihre erhellende Deutung der inneren Triebkräfte des Lebens. Es kommt nicht auf die Traumbilder an sondern auf die diesen zugrundeliegende Lebenswirklichkeit.

Daran könnte man weitermachen. OK?
Basty

Ingo B. hat gesagt…

Ja und nein, Basty.

Der Mensch versucht sich, Begriffe zu machen. Kant hat dann nachgewiesen, daß man sich über metaphysische Dinge nicht ebenso einfach Begriffe bilden kann und darf wie - etwa - über einen Stuhl.

Das heißt aber nicht, daß es nicht sogar das vordringlichste Anliegen im Menschenleben sein könnte oder sollte, sich mit seinen Mitmenschen über das zu verständigen, wie eigentlich metaphysisch Welt und Leben zu deuten sind.

Und dazu BENUTZT man nun einmal Begriffe. Aber in der Art und Weise, WIE ich Begriffe benutze, kann ich zugleich klar machen, welchen *Begriff*, welche Vorstellung von Gott, also vom Urgrund allen Seins ich habe - und welche nicht.

Jeder mag das anders fassen - wie ja auch jeder Dichter da seine eigene Herangehensweise hat. Jeder Künstler und jeder Musiker (sie alle benutzen weniger Begriffe, wecken aber doch Gefühle, Anschauungen etc.).

Nur möchten die GBS und viele, viele andere auf EINEN Konsens hinaus, nämlich daß der monotheistische Gottesbegriff ein falscher ist, ein Gottesbegriff, der in die Irre leitet, ZUMINDEST in der Art und Weise wie er heute von den christlichen und jüdischen Theologen gedeutet wird. Weil er unglaublich viel Mißdeutung in das Leben der Menschen hineingebracht, Mißdeutung, die so weit geht, daß viele sich heute nur noch als Atheisten und Agnostiker verstehen wollen, ja, noch nicht einmal eine SUCHE nach Gott als irgendwie wesentlich ansehen, weil ihnen das alles vom christlichen Gottesbegriff und all dem, was daraus abgeleitet worden ist, so durch und durch vermiest worden ist.

Man muß ganz neu anfangen. Und dazu BRAUCHT man eine neue Religion. Warum so bescheiden??? Warum sich nicht etwas zutrauen - AUCH auf diesem Gebiet? Wir können zum Mond fliegen, ganze Genome bald in wenigen Tagen sequenzieren, in Sekundenschnelle rund um die Welt telefonieren und sollen unfähig sein zur Schaffung grundlegend neuer religiöser Haltungen und kultureller Einstellungen? Welche Inkompetenz würden wir uns da zusprechen auf dem möglicherweise wesentlichsten Gebiet dessen, was Menschen überhaupt zu Menschen macht?

Unknown hat gesagt…

Ist schon klar, Ingo:
Ich wollte mich nicht gegen begriffliche Klärung wenden. Meine Behauptung war mehr in der Richtung: Religionen *gründen* nicht auf Begriffen (ähnlich wie Schwimmen nicht auf Begriffen gründet); aber wenn man erklären will, was in ihnen geschieht, muss man die Begriffe benützen und sie klären. Begriffe = Begreifen. Und das gerade auch bei Zusammenhängen, die wir "metaphysisch" nennen.
Wobei - und da meine ich nicht Dich - es mich auch bei philosophisch Bewanderten manchmal wundert, mit welcher Selbstverständlichkeit sie es nicht nötig zu haben scheinen, die Begriffe auch immer wieder auf ihre Tauglichkeit zu untersuchen. Wichtiges Beispiel: Die Frage, ob es Russels Teekessel oder den Osterhasen oder Gott "gibt".
Du redest davon klar zu machen, "welchen *Begriff*, welche Vorstellung von Gott, also vom Urgrund allen Seins ich habe - und welche nicht". Ja, OK, das müssen wir uns schon immer wieder klar machen. Du hast sicher dabei auch gemerkt: Da ist Dir in den Wunsch nach Begriffs-Klärung schon ein bestimmter Begriff hineingerutscht: Gott als "Urgrund allen Seins". Hat ja eine große philosophische Tradition. Ich würde nur auch dazu anmerken: Erstens gehört Gott damit nicht mehr zum Seienden. Könnten wir ja darin einig sein. Sehr anregend in dieser Richtung und gut als Lockerungs-Übung gegen gewisse Behauptungen für oder gegen die "Existenz" Gottes: die Überlegungen Christian Hoppes im Wirklichkeits-Blog.
Und zweitens versuche ich "Gott" mehr (gruppen-)psychologisch zu erklären, weniger im Sinne metaphysischer Ontologie.

Egal wie, ich halte den monotheistischen Gottesbegriff, wie er im christlichen und im atheistischen Bilderbuch (zB bei MSS) steht, auch für falsch: eine eigene Persönlichkeit mit undurchschaubaren(aber jedenfalls nach dem Modell antiker Herrscher strukturierten) Charakterzügen. Und das Ganze noch unsichtbar, ungreifbar... Sicher, da ist schon vielen Leuten vieles "vermiest" worden. Ich finde es deshalb verständlich und richtig, dass da Leute von der GBS den Theisten auf den Busch klopfen. Ich halte diesen Gottesbegriff aber auch aus gewissermaßen inner-theologischen Gründen nicht für gut.
Ich finde es dann andererseits auch nicht klug, die mithilfe der traditionellen Gottesvorstellung ausgefochtenen Kämpfe um Gerechtigkeit, Menschlichkeit ff - insgesamt um Lebensgestaltung - einfach bloß zum Teufel zu wünschen, als Wahn zu diskreditieren. Und halte es für himmelschreiend naiv zu meinen, gerade jetzt könne man im Namen der Vernunft das Ganze neu erfinden und selbstverständlich alle bisherigen Fehler dabei vermeiden. Man kann ja so leicht sich Aufklärungs-Wissen und Schlagworte zusammen-googeln (findet dabei nur das, was einem passt und kommt sich dann so aufgeklärt vor...).
So, aber aus ähnlichen Gründen bin ich auch nicht dafür, eine neue Religion erfinden zu wollen. Ich tauge sowieso nicht zum Religionsgründer; und würde es niemand raten, den Tauglichkeitsbeweis antreten zu wollen - geht öfters tödlich aus... Ernsthafter: Auch die eigentlichen Religionsgründer wollten zumeist keine Neugründung (na ja, der mit den Mormonen vielleicht). Religionsgründungen sind jedenfalls keine nüchtern strategisch zu planenden Angelegenheiten.
Und da sage ich eher: Wir können versuchen die Begriffe zu klären, müssen aber nicht was völlig Neues erfinden. Ich möchte zB sehen, ob die Geschichten der jüdisch-christlichen Tradition nicht auch losgelöst von naiv-theistischen Vorstellungen sinnvoll eingesetzt werden können. Und weiß von durchaus positiven Entdeckungen.
Vielleicht kennst Du das Programm der "Entmythologisierung" (Mythen auf ihren inneren Sinngehalt befragen, analog zu Traumdeutung, auch zu Märcheninterpretation). Bultmann, der, dieses Programm 1942 so benannte, wollte Gott dabei ausdrücklich ausnehmen. Es gab aber und gibt immer wieder Theologen, die diese Ausnahme so nicht stehen lassen, sondern gerade daran weiter denken, zB Drewermann. Darauf, was die Erleuchteten (uralter religiöser Ausdruck, auf Englisch "the brights") seit Neuestem naturalisisch denken, sind solche Theologen längst schon gekommen.

Na, so viel für heute.
Du eilst ja munter weiter - von Thema zu Thema...
Basty

Ingo B. hat gesagt…

Basty, Du sagst:

>>... Gott als "Urgrund allen Seins". Hat ja eine große philosophische Tradition. Ich würde nur auch dazu anmerken: Erstens gehört Gott damit nicht mehr zum Seienden.<<

So verstehe ich die Phrase vom Urgrund alles Seienden nicht. Die (naturwissenschaftlich-technische) Vernunft sieht die eine Seite der Wirklichkeit, jene, die wie die Vernunft selbst nach den Kategorien von Raum, Zeit und Ursächlichkeit geordnet und gegliedert ist (hier passen nach Nicolai Hartmann Erkenntnis- und Seinskategorien zusammen und dieses Zusammenpassen ermöglicht naturwissenschaftliche Erkenntnis.)

Der Mensch bestitzt aber auch Erlebniskategorien, die über jene naturwissenschaftlichen Kategorien hinausgehen KÖNNEN. Das darf postuliert werden und in bspw. in der Kunst oder in der Quantenphysik gibt es zahlreiche Hinweise darauf, daß es auch zu diesen Erlebniskategorien, die beim Menschen vorliegen, korrespondierende Seinskategorien geben könnte, nämlich solche, die genau NICHT in die Kategorien von Raum, Zeit und Ursächlichkeit, zumindest nicht vollständig eingeordnet sein.

Es könnte erlaubt oder sogar angemessen sein, diese andere Seite der Wirklichkeit zusammenfassend Gott zu nennen - oder eben Urgrund allen Seins, Urgrund des naturwissenschaftlich erkennbaren Seins.

Ja, ich eile von Thema zu Thema. Gott ist unerschöpflich. Ein "Studium generale" dementsprechend auch. ;-)

Wir sollten in der kurzen Lebensspanne, die uns gegeben ist, so intensiv, gründlich und umfassend wie möglich von den uns gegebenen Erkenntnis- und Erlebnis"werkzeugen" Gebrauch machen. Nur so erweisen wir uns als Menschen auch ihrer würdig, denke ich. Und sie alle WEISEN eben auf ein gemeinsames Zentrum. Und das könnte wichtig genug sein, um es so klar und aktuell wie nur immer möglich herauszuarbeiten, sie und anderen vor Augen zu führen.

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