Übernächsten Sonntag läßt Gudio Knopp eine neue Fernsehdokumentation durch den Äther gehen. Und zwar über Otto Skorzeny (1908-1975) (Wiki), den legendären Befreier Mussolini's im Jahr 1943, oftmals auch - ganz unrichtig - als der "deutsche James Bond" bezeichnet (1). Man darf gespannt sein.*) Insbesondere wenn man sich zuvor schon ein wenig mit dieser Person beschäftigt hat. Gerne auch mit zwei schon im Netz zugänglichen Filmdokumentationen über ihn (2, 3), mit Hilfe seiner Autobiographien (von 1950, 1962 und 1975; 4 - 7) oder auch mit Hilfe von Wikipedia.
Wer - vielleicht auch durch Zufall - schon früher einmal auf die folgende Filmaufnahme der Befragung von Otto Skorzeny durch einen amerikanischen Offizier am 2. August 1945 im vormaligen deutschen Konzentrationslager Dachau, zweieinhalb Monate nach seiner Gefangennahme, gestoßen ist, könnte unmittelbar gefangenen genommen worden sein auch von dem Menschen Otto Skorzeny. Und von seinem Auftreten in dieser historisch nicht ganz undenkwürdigen Situation (siehe Yt, mehrfach im Netz vorhanden). Zweieinhalb Monate zuvor, am 15. Mai 1945, hatte er sich aus eigenem Antrieb in Salzburg den Amerikanern gestellt.
Er ist 37 Jahre alt, verheiratet, eine fünfjährige Tochter. Und wirkt in dieser Befragung sehr jugendlich, fast jungenhaft. Vor allem aber fällt sein gerader, fester Blick auf, mit dem er seine beiden Gesprächspartner immer direkt in die Augen sieht, wenn sie mit ihm sprechen und mit dem er aufmerksam zuhört. Er weicht niemals aus und scheint auch keinen Grund zu haben auszuweichen. Sein Blick scheint zugleich sowohl fordernd wie auch verbindlich zu sein. Er antwortet auch selbst sehr kurz und knapp - aber verbindlich. Er wirkt in keiner Weise eitel oder überheblich oder wie jemand, der sich aufplustern muß. Oder der in irgendeiner Weise auf "Tauchstation" gehen will (was gerade damals allzu viele gern getan haben). Spätestens von dem Zeitpunkt an, an dem man diese Aufnahmen gesehen hat, wird sich so mancher auch für die Bücher dieses Otto Skorzeny interessieren. Diese Aufnahmen jedenfalls waren der erste Anlaß für die Erarbeitung des vorliegenden Beitrages. Einige Zeit später gerieten einem die Erinnerungen Skorzeny's von 1975 in die Hände (7).
Von den Geheimdiensten zum Teil panisch gefürchtet - warum?Skorzeny ist von den Geheimdiensten vieler Länder noch lange nach 1945 zum Teil panisch gefürchtet worden. Wo immer man eine ganz besonders dunkle, infame Intrige unterstellen wollte, raunte man den Namen Skorzeny mit wissenden hochgezogenen Augenbrauen und glaubte damit alles gesagt zu haben. Fast alle Geheimdienste suchten die Zusammenarbeit mit ihm - vor allem auch, damit sie ihn nicht gegen sich hätten. Das einzige Buch, das Fidel Castro besessen haben soll in seinen jüngeren Jahren, soll ebenfalls ein Buch ausgerechnet über die Kommandounternehmen des Otto Skorzeny gewesen sein! Skorzeny soll von Fidel Castro bewundert worden sein (3). Skorzeny behauptet jedoch von sich selbst, sich nach 1945 so gut wie nicht mehr politisch oder geheimpolitisch betätigt zu haben. Auch neue 2011 veröffentlichte BND-Akten können zwar die große Aufmerksamkeit des BND's unter dem vormaligen Skorzeny-Kollegen Reinhard Gehlen gegenüber den Tätigkeiten Skorzeny's belegen, nicht jedoch offenbar die Wahrheit der Feststellung Skorzeny's in Zweifel ziehen.
1950 - Die Veröffentlichung von Skorzeny's Erinnerungen löst kommunistische Massendemonstrationen in Paris aus (3) |
Skorzeny hat offenbar vor allem während der Ardennen-Offensive im Herbst 1944 die westlichen Geheimdienste - unbeabsichtigt - außerordentlich stark durch sich beeindruckt. Die westlichen Geheimdienste ließen sich in jener Zeit noch überhaupt leicht beeindrucken. So hatten sie ja etwa auch den deutschen Atomforschern um Werner Heisenberg technische Kniffe zugetraut, auf die die amerikanischen Atomforscher in ihrem riesigen Manhatten-Projekt nicht gekommen sein könnten. Weshalb sie die deutschen Atomforscher noch monatelang nach Kriegsende mißtrauisch beäugten und abhörten (siehe Farmhall-Protokolle).
Als eine ähnlich große, unberechenbare Größe und Gefahr wie Werner Heisenberg ist offenbar auch Skorzeny eingeschätzt worden. Denn Gerüchte um seinen Namen sorgten 1944 während der Ardennen-Offensive dafür, daß man an der gesamten Front der Westallierten - von der Kanalküste bis zum Mittelmeer - massenweise deutsche Soldaten in amerikanischen Uniformen vermutete, bzw. oftmals Skorzeny selbst, die Eisenhower würden gefangennehmen oder ermorden wollen. Dies hatte zu einer Panik und zu einem großen, unvorhergesehenen Chaos, zu einer "Spionenfurcht" über die gesamte Front hinweg und sogar rund um das Hauptquartier Eisenhowers selbst geführt. Eine Sekretärin Eisenhowers berichtet, daß wenn ein Jeep im Hauptquartier eine Fehlzündung hatte, alle verschreckt die Köpfe einzogen, weil sie glaubten, daß jetzt der Angriff Skorzeny's auf das Hauptquartier begänne!
1962 - Skorzeny's Erinnerungen, 1. Teil (262 Seiten) |
Dabei beruhte diese Furcht allein auf einer scherzhaften, gar nicht ernst gemeinten Bemerkung Skorzeny's zu einem seiner Untergebenen, dem gegenüber er den eigentlichen Zweck des vorzubereitenden Unternehmens verheimlichen mußte, und dem er scherzhaft zuraunte, es ginge gegen das Hauptquartier Eisenhowers. Aber da es Skorzeny auch schon mit der Befreiung Mussolinis (1943) und mit der Besetzung des Burgberges von Budapest, des Regierungssitzes von Miklos Horthy, offenbar jeweils in ganz unerwarteter Weise gelungen war, den von den westlichen Geheimdiensten - in Zusammenarbeit mit den deutschen Geheimdiensten (und Wilhelm Canaris) - vorhergesehenen Geschichtsablauf - zumindest in dem ihm jeweils gegebenen Rahmen - zu unterlaufen und zu torpedieren, ihre "Kreise zu stören" in einer Art, wie sie es offenbar schon damals gar nicht mehr gewohnt waren, mußte man der "Genialität" eines Skorzeny damals allmählich "alles" zugetraut haben.
Der Hauptgrund: Skorzeny durchschaute CanarisSkorzeny machte sich während des Krieges viele Gedanken darüber, wie man ihn deutscherseits - trotz der von ihm sehr früh erkannten materiellen Unterlegenheit - noch gewinnen könne. Und er suchte dazu - und aufgrund seiner technischen Begabung - nach den entsprechenden "Schwachstellen" der Kriegsgegner und nach den eigenen Stärken was etwa waffentechnische Entwicklungen betraf. Skorzeny war etwa auch gut über die Entwicklung der V-Waffen informiert und verstand sich gut mit der Testpiloten Hanna Reitsch, die für ihn die erste bemannte V 1 flog. Vielleicht war diese Suche den gegnerischen Diensten bekannt und sie trauten Skorzeny allmählich alles mögliche Unerwartete auf diesem Gebiet zu. Und in der Tat scheint ja die Sabotierung kriegsentscheidender Waffenentwicklungen durch maßgebliche deutsche Offiziere nicht unwesentlich zum Kriegsverlauf und -ausgang beigetragen zu haben (8).
Der britische Geheimdienstmann und Romanautor Ian Fleming soll Skorzeny noch als Vorlage mancher seiner James Bond-Romane benutzt haben. Auch James Bond hat eine Narbe im Gesicht ...
Nicht nur um all solcher Umstände willen lesen sich die 440 Seiten des zuletzt von Skorzeny erschienenen Buches "Meine Kommandounternehmen" (1975) (7) so spannend. Aus ihnen wird klar, daß Skorzeny nicht nur überdurchschnittlich tapfer und draufgängerisch gewesen ist, sondern vor allem auch überdurchschnittlich klug. Und weil seine Klugheit ihn in seiner militärisch notwendigen - lockeren - Zusammenarbeit mit den deutschen Geheimdiensten Einsichten bescherte, die andere noch bis 1975 nicht hatten (oder zumindest nicht äußerten), ragt sein Bericht über andere Erinnerungsliteratur deutlich hinaus. Er ist keineswegs so "sensationell" und "spektakulär", wie man es von einem zum "deutschen James Bond" hochstilisierten Otto Skorzeny erwarten würde. Dazu war Skorzeny viel zu sehr ganz einfacher, schlichter Soldat. Aber man erfährt in seinem Buch - schon 1975 -, soweit übersehbar, mehr Zutreffendes, Hellsichtiges über die Geheimgeschichte des Zweiten Weltkrieges, als in 99 Prozent der sonst bis dahin erschienenen Bücher, etwa auch von seiten des ebenfalls vergleichsweise gut informierten Autors Paul Carell.
1962 - Skorzeny's Erinnerungen, 2. Teil |
Insbesondere die Rolle des Admirals Canaris und des Amtes Abwehr überhaupt scheint also Skorzeny sehr früh klar geworden zu sein. Skorzeny hat sich von Anfang an nicht auf die von diesem Amt an ihn übermittelten Informationen - etwa über den Aufenthaltsort Mussolinis - verlassen. Nur dadurch sind seine Erfolge zu erklären. Aber zugleich ist dadurch die Furcht der westlichen Geheimdienste vor Skorzeny zu erklären. Denn: wie konnte einer schon zu Kriegszeiten einen so guten Mitarbeiter westlicher Geheimdienste wie Wilhelm Canaris als Einzelmensch so einfach durchschauen und die dabei gewonnenen Erkenntnisse sogar zugleich noch in die Planungen seiner eigenen Kommandounternehmen stillschweigend mit einbeziehen? Das verstand offenbar auf westlicher Geheimdienstseite keiner, weshalb Skorzeny so unheimlich erschien.
(In dem Amt Abwehr arbeitete übrigens auch ein Onkel des noch heute zuweilen enthusiastisch verehrten, lügnerisch promovierten bundesdeutschen Verteidigungsministers d. D. Baron von und zu Guttenberg. Dieser Onkel galt damals - in allzu lächerlicher Weise - ebenfalls schon in seiner Familie und bei seinen Kindern - wie dessen Tochter in ihrer Biographie über ihn berichtet - als Mensch, der es liebte, das Blaue vom Himmel herunter zu lügen. Damit war er wohl eine sehr gute Personifikation des Geistes dieses Amtes.)
1973 - Skorzeny's Erinnerungen (in 2. Auflage) |
Die Erinnerungen von Skorzeny liest also insbesondere derjenige mit großer Anteilnahme, der die Rolle von Wilhelm Canaris verstehen will, weil er merkt, daß eine solches Verständnis notwendig ist, wenn man die umfangreiche und vielschichtige Geheimgeschichte des Zweiten Weltkrieges (und dementsprechend dann auch des Kalten Krieges) überhaupt überblicken möchte. (Zu Canaris selbst soll noch ein eigener weiterer Beitrag folgen.)
"Ist es überhaupt möglich, einen modernen Krieg zu gewinnen, wenn der Chef des Nachrichtendienstes gemeinsame Sache mit dem Feind macht?"
fragt schon 1943 ein enger Mitarbeiter Skorzeny's aufgrund der Erfahrungen, die man mit Wilhelm Canaris gemacht hatte (7, S. 278). Wenn Canaris nach Spanien oder Italien reiste, ging es - nach Skorzeny - immer darum, bestimmte Ziele der damaligen deutschen Politik zu "korrigieren", sprich zu hintergehen. Vieles davon wird Skorzeny erst in den Nachkriegsjahren klar geworden sein. Es ging etwa darum, die für die Kriegslage so wichtige Besetzung Gibraltars durch Deutschland zu hintergehen, auch die - vielleicht für den großen Geschichtsablauf gar nicht so wichtige - Befreiung Mussolinis, schließlich die Verhinderung der Landung der Alliierten auf Sizilien durch die Deutschen. (Und während man all dies liest, kommt einem der Gedanke, daß entsprechend auch die Reisen des guten Katholiken und Canaris-Kollegen Guttenberg, etwa auf den Balkan, ähnlichen Zwecken gedient haben könnten.)
Die Reisen des Wilhelm Canaris - welchen Zweck hatten sie?Der Rolle des Reinhard Gehlen in der Abwehr Ost scheint Skorzeny hingegen bis zu seinem Lebensende nicht mit so grundlegendem Mißtrauen gegenüber gestanden zu haben. Was demgegenüber verwundert (7, S. 353 - 355). Auch konnte Skorzeny noch 1975 die Behauptung von Gehlen nicht glauben, daß Martin Bormann für die Sowjets gearbeitet habe und das Haupt der "Roten Kapelle" gewesen wäre. Für vieles Geschehen reichte offenbar auch die Vorstellungskraft eines Skorzeny nicht mehr aus.
Feldmarschall Kesselring schickte seinem Freund Skorzeny 1953 seine Erinnerungen und schrieb dazu in der persönlichen Widmung (1, S. 240):
Des rechten Mannes wahre Feier ist die Tat.
Durch diese Worte fühlte sich Skorzeny offenbar sehr gut verstanden und ist offenbar auch seine Person gut charakterisiert worden. Und man stellt sich einmal mehr die Frage, warum so wenige Offiziere der damaligen Zeit, selbst so kluge und tapfere wie Skorzeny, jemals bis zu ihrem Lebensende das Wirken von Geheimdiensten und -gesellschaften umfassender untersucht haben. Der Hauptgrund wird sein, daß damals eben noch lange nicht so viele Puzzelteile bekannt gewesen sind, wie heute. Zumal nach "9/11" und der "Wahrheitsbewegung".
Die Frage stellt sich auch verstärkt: Welche Rolle spielte Walter Schellenberg, der Nachfolger Heydrichs, der dann unmittelbar mit Skorzeny zusammenarbeitete? Welche Rolle spielte Friedrich Wilhelm Heinz, Offizier des Regimentes Brandenburg, dessen Leute nach der Befreiung Mussolinis alle zu Skorzeny überwechseln wollten, weil in ihrem Regiment Brandenburg nichts los war und nichts lief? Klar ist: Das Reichssicherheitshauptamt ebenso wie das "Amt Abwehr" wimmelten nur so von "Verschwörern" und Angehörigen von Geheimgesellschaften und Geheimdiensten aller Art.
Und in Potsdam lebte in unmittelbarer Nähe des berüchtigten "Infanterieregimentes Nr. 9" niemand geringerer als der Verschwörer und - zumindest spätere - Freimaurer, der (ekelhafte) Ernst Jünger-Freund, Kriegs- und Völkermordverherrlicher Friedrich Hielscher, der unter anderem NS- und SS-nahe Rituale und Feiern gestaltete und wie so viele in diesem Umfeld der SS okkultgläubig war. (Zu ihm siehe andere Beiträge hier auf dem Blog.)
Skorzeny fragt mit recht, wie das Reichssicherheitshauptamt Jahre lang so wenig will mitbekommen haben von all diesen Verschwörern des 20. Juli.
Skorzeny selbst war der typische Führer einer "Stay behind"-Formation, wie sie von Geheimdiensten und Geheimgesellschaften so gerne benutzt werden. Und beim Lesen seiner Erinnerungen bekommt man ein besseres Gefühl für diese Welt. Der amerikanische General Donovan befehligte auf der Gegenseite z.B. ähnliche Formationen und Skorzeny verstand sich nach dem Krieg auf Anhieb mit ihm. Ein Buch über diese Formationen ("Setting Europe Ablaze") weist schon im Titel auf die "Strategie der Spannung" hin, die von den Geheimdiensten schon im Zweiten Weltkrieg mit ihnen praktiziert wurde, indem alle Völker und Klassen Europas gegeneinander aufgehetzt wurden, gerne auch durch behauptete oder geschehene Verbrechen oder durch Verbrechen, zu denen die Geheimdienste selbst erst den ersten Anstoß gegeben hatten (das gilt z.B. auch für die Judenmorde während des Zweiten Weltkrieges).
Skorzeny sah offenbar bis an sein Lebensende nicht - oder sagt es jedenfalls nie klar genug -, daß Hitler und Mussolini ein ebenso großes Unglück für Deutschland und Europa waren, wie ein Canaris oder Stalin oder Roosevelt oder Churchill und ihre Forderung nach "bedingungsloser Kapitulation" Deutschlands.
Und mehr noch: Skorzeny war ohne Zweifel nicht nur bei Kriegs- und Kommando-Unternehmen mutig, sondern hatte offenbar auch Zivilcourage (was ja auch deutlich genug aus dem zuerst gebrachten Filmaufnahmen hervorgeht). Zur Befreiung Mussolinis wurde er ausgewählt, weil er auf Hitlers Frage an mehrere Sonderkommandoführer, was sie von Italien halten würden, im Gegensatz zu den anderen nur mit drei Worten antwortete: "Ich bin Österreicher, mein Führer!" Hitler schien eine Erläuterung dieser drei Worte zu erwarten. Aber Skorzeny blickte ihm nur gerade in die Augen. Bis Hitler verstand (7, S. 214).
Solche Antriebslagen können ja Autoren von James Bond-Romanen und alle, die James Bond-Motivationen hinter waghalsigen Taten suchen, ja gar nicht verstehen.
Amerikanische Fernsehdokumentation (2003)Vielleicht ist eine amerikanische Fernsehdokumentation aus dem Jahr 2003 über Otto Skorzeny sachlich, die für den "History Channel" produziert wurde (2). Leider ist sie im Netz gegenwärtig nur in polnischer Synchronisation zugänglich. Ab etwa Minute 30'30 wird auch die Besetzung des Burgberges von Budapest durch Otto Skorzeny behandelt, ab 32'30 wird der Weg seiner Panzerkolonne hoch zur Burg auch in einer Animation "nachgezeichnet". Allerdings sehr unvollständig. Die Szene etwa, wie der ungarische Panzer sein Rohr hebt zum Zeichen, daß er nicht schießen wolle, wird nicht nachgespielt, ebensowenig, wie mit Hilfe eines deutschen Panzers Absperrungen im brutalen Rammverfahren durchbrochen werden.
Österreichische Fernsehdokumentation (2010)Vor zwei Jahren, 2010, ist nun auch eine Fernsehdokumentation des ORF zu Otto Skorzeny gedreht worden. Man kann nur hoffen, daß sich Guido Knopp nicht an ihr orientiert hat. Sie ist in einer Tendenz produziert, als ob der Zweite Weltkrieg nicht vor 55 Jahren geendet hätte, sondern im Jahr 2009. Was man an schlechten Eigenschaften, Handlungen und Einschätzungen zu Skorzeny glaubte zusammentragen zu können - das trug man zusammen. Ein österreichischer Nationalsozialist vom Schlage eines Skorzeny darf man auch im Jahr 2010 nur als ein verbrecherisches Monster darstellen. Sonst strömen ja noch mehr Leute zur NSU ...
Ein Haufen von nachträglichen Neidern und "Meckerern", die während des Krieges mit Otto Skorzeny in Kontakt gekommen waren, hat man als Zeitzeugen aufgespürt, um mit ihrer Hilfe Otto Skorzeny von seinem vorgeblichen "Helden-Podest" zu stürzen. Da war der eigentliche Mussolini-Befreier gar nicht Skorzeny, sondern in der Dokumentation erklärt sich der greise Harald Mors, damals Kommandant der zugleich eingesetzten Fallschirmjäger-Einheit zu diesem.
Von Sachlichkeit in den Bewertungen keine Spur. Die Tatsache, daß solche Kommandoeinheiten wie diejenigen Skorzeny's von allen Kriegführenden eingesetzt wurden, wird erst sehr spät irgendwann kurz und ohne Betonung erwähnt. Davon daß die erfolgreichsten und spektakulärsten Kommandounternehmen Skorzeny's mit nur sehr wenigen Menschenverlusten einhergingen, was vor allem auf dem persönlichen wagemutigen Einsatz von Skorzeny selbst beruhte, ist ebenfalls nirgends die Rede. Sonst wäre er ja ein "Held", oh Schreck, oh Graus!
Zwei mal wird die gleiche nachgestellte nächtliche brutale Schlägerszene gezeigt, bei der in Budapest der Sohn von Miklos Horthy festgenommen worden ist. Daß sich diese Festnahme aber während eines Treffens von Horthy mit Abgesandten von kommunistischen Tito-Partisanen vollzog, deren Vorgehen gewiß nicht weniger zimperlich gewesen ist wie das der Männer Skorzeny's, wird mit keinem Wort erwähnt. Die Tito-Partisanen waren ja auch im Gegenteil zu den Skorzeny-Leuten lupenreine Demokraten und Pazifisten!
Daß Selbstmord- (Kamikaze-)Kommandos auf deutscher Seite, wie in dem Film (und auch auf Wikipedia) behauptet, geplant gewesen wären, wird von Skorzeny in seinen Erinnerungen, soweit übersehbar, bestritten. Was aber viel wichtiger ist: geplant war viel, zum Einsatz kam viel weniger. Die Japaner werden noch heute vielfach heimlich bewundert für diese Opferbereitschaft. Aber wehe, so etwas hätten deutsche Freiwillige gemacht! Das wäre dann wieder nur "sinnloser Fanatismus" gewesen, klar. Menschen wie Skorzeny sind auch heute noch vor der Geschichtsschreibung vogelfrei. Bloß nicht an "Idolen der Nazis" irgendetwas finden, was menschlich oder einfach nur normal wäre! Bloß nicht!
In der Dokumentation wird auch - soweit übersehbar - nie deutlich herausgestellt, daß Skorzeny für die Sondereinsätze nur Freiwillige auswählte. Es wird so getan, als hätten deutsche Soldaten in amerikanischen Uniformen hinter den amerikanischen Linien nicht nur Informationen gesammelt und Desinformationen ausgestreut, sondern auch gekämpft. Was aber doch nun klar nicht der Fall war, sonst wäre ja Skorzeny nach dem Krieg vor dem amerikanischen Kriegsgericht dafür verurteilt und nicht freigesprochen worden. Es wird nur ganz beiläufig darauf hingewiesen, daß alle Kriegsführenden während des Zweiten Weltkrieges Soldaten in den Uniformen der Kriegsgegner zum Einsatz kommen ließen. (Was im übrigen Skorzeny selbst sehr gründlich studiert hatte zuvor.) Es wird nicht gesagt, daß amerikanische oder britische Soldaten, die in deutschen Uniformen festgenommen worden sind, ganz normal als Kriegsgefangene behandelt worden sind, während der Eindruck erweckt wird, daß auch noch die Erschießung einiger Männer von Skorzeny durch die Amerikaner im Herbst 1944, die die Amerikaner auf Film aufgenommen haben, Skorzeny selbst anzulasten wäre - anstatt den Amerikanern!
Und so vieles andere mehr, das sich an Fehlerhaftem und Tendenziösem bezüglich dieser Dokumentation aufzählen ließe. 55 Jahre nach Kriegsende immer noch keine gelassene, distanzierte Sachlichkeit. Skorzeny war - soweit übersehbar bis an sein Lebensende - überzeugter Nationalsozialist und darum müssen per se alle seine Handlungen unmoralisch und verbrecherisch gewesen sein. So die allzu billige, simple und einfache "Logik" dieser ORF-Dokumentation, der sich im Tenor heute noch nicht einmal mehr die bunt gemischten Wikipedia-Autoren anschließen.
Allein von Wert scheinen in der Dokumentation die sachlich und atmosphärisch ausgewogenen Erinnerungen der 1940 geborenen Tochter Skorzeny's zu sein.
Oder dann auch solch ein Kommentar (33'07): "Die Menschen in den Trümmern des Dritten Reiches sind erleichtert, daß der Krieg endlich zu Ende ist." Aber hallo was sind sie erleichtert! Aber hallo! Solche Sätze strotzen von Naivität und Kindlichkeit. Erleichtert gewiß. Aber war das das einzige vorherrschende Gefühl im Mai 1945? Von den Hungerlagern am Rhein keine Rede. Von den Hungergebieten östlich der Oder, ja, sogar östlich der Elbe keine Rede. Von der Jahre langen Rechtlosigkeit östlich der Elbe und noch mehr östlich der Oder keine Rede. Von der Installation des Stalinismus östlich der Elbe keine Rede. Von den Deportationen nach Rußland keine Rede. Von den Demontagen keine Rede. Von den Hungerlagern in Rußland und Sibirien keine Rede. Von der Vertreibung der Deutschen keine Rede. Von den dabei geschehenen Massenmorden keine Rede. Aber hallo was waren die Menschen in den Trümmern des Dritten Reiches erleichtert, daß der Krieg endlich zu Ende war. Aber hallo waren sie "erleichtert".
Das Video mit Otto Skorzeny, wie er von den Amerikanern 1945 interviewt wird, wird auch kurz in der ORF-Dokmentation eingeblendet (34'31) und mit ihm fällt dann sofort die ganze zuvor aufgebaute falsche Atmosphäre rund um diesen Mann wie ein Kartenhaus zusammen. Man sieht einfach nur einen schlichten, menschlich sympathisch wirkenden Mann mit einem geraden Blick, der auf alles gefaßt ist, aber weder Haß, noch Reue, noch Angst, noch Verachtung ausdrückt. Skorzeny antwortet vielmehr ruhig und verbindlich.
Diverse weitere EinzelheitenOtto Skorzeny heiratete 1938 zum ersten mal. Zum zweiten mal heiratete er offenbar 1950 in zweiter Ehe Baronin Ilse Lüthje, interessanterweise eine Nichte (oder Tochter?) des vormaligen Reichsbank-Präsidenten Hjalmar Schacht. 1952 oder 1954 heiratete er dann offenbar ein drittes mal. Eine Seite mit vielen Fotos zu Skorzeny findet sich ---> hier.
Erinnerungen von Skorzeny erschienen, wie erwähnt, in den Jahren 1950, 1962 und 1975 (4 - 7). Da er in der Ausgabe von 1975 Bezug nimmt auf zahlreiche, erst kurz zuvor erschienene zeitgeschichtliche Literatur und auch auf bis dahin erlebte persönliche Begegnungen - etwa mit Kriegsgegnern - wird man davon ausgehen können, daß Skorzeny etwa im Zehnjahres-Abstand seine Erinnerungen mit den jeweils neuen Erkenntnissen, die er bis dahin gewonnen hatte, "aktualisiert" hat, bzw. seine eigenen Erinnerungen mit den jeweils neuen Erkenntnissen abgeglichen und bewertet hat. Es wäre sicherlich wertvoll, die drei verschiedenen Ausgaben inhaltlich miteinander zu vergleichen. Auch wäre zu prüfen, ob die Buchtitel von 1962 von Skorzeny selbst oder von seinem Verleger stammen.
_____________________________*) 18.6.12: Es handelt sich um eine Neubearbeitung der hier im Beitrag schon behandelten und kritisierten ORF-Dokumentation (3). In ihr wurden einige wenige krasse Fehlgewichtungen entschärft - die Mehrheit der krassen Fehlgewichtungen aber sind völlig ungeprüft übernommen worden. Viel Arbeit haben sich Guido Knopp und sein Team damit nicht gemacht. Geradezu schauerlich.
- Knopp, Gudio; Laasch, Winfried: Otto Skorzeny - Hitlers "gefährlichster Mann"? ZDF, 2012 (Mediathek); Sendetermine: ZDF, 10.6. und 11.6., 00.05 Uhr, 13.6., 20.15 Uhr, ZDF-Info, 13.6., 6.45 Uhr, 14.6., 16.30 Uhr, 3Sat 15.6., 17.45 Uhr.
- Dunstan, Simon (Script writer); Martin, Jonathan (Director): The Adventures of Otto Skorzeny. In der Reihe "History's Raiders". Produced by MMI Nugus / Martins Productions Ltd for The History Channel. (Barnes Trust Television.) 2003. 45 Minuten. (Auf Polnisch synchronisiert: Youtube)
- Gokl, Robert: Otto Skorzeny - SS-Agent für Hitler. Interspot Film GmbH Wien. Ausgestrahlt vom ORF in der Reihe Menschen & Mächte: Idole der Nazis (1) - 02.12.2010 21:05 Uhr, 52 Minuten (Youtube, Vimeo, Video-Clip)
- Skorzeny, Otto: Geheimkommando Skorzeny. Autobiographie. Hansa Verlag J. Toth, Hamburg 1950 (auch französisch, englisch)
- Skorzeny, Otto: Lebe gefährlich. Kriegsberichte der Waffen-SS. Ring-Verlag Helmut Cramer 1962 (268 Seiten) (2. Auflage u.d.T. "Deutsche Kommandos im 2. Weltkrieg, Band 1 und 2" Königswinter 1971, 1973)
- Skorzeny, Otto: Wir kämpften – wir verloren. Für Deutschland, Band 4. Ring-Verlag, Siegburg-Niederpleis 1962 (2. Auflage u.d.T. "Deutsche Kommandos im 2. Weltkrieg, Band 1 und 2" Königswinter 1971, 1973, 1975, 1978)
- Skorzeny, Otto: Meine Kommandounternehmen. Krieg ohne Fronten. Limes Verlag, Wiesbaden 1976 (1975, 2007) (445 Seiten)
- Georg, Friedrich: Verrat an der Ostfront. Der verlorene Sieg 1941 - 42. Grabert-Verlag, Tübingen 2012