Mittwoch, 15. Februar 2012

"Leben gegen Schatten" - aber gegen welche? - Der Jesuitenpater Martin Bormann

Einen vielleicht etwas spezielleren, vielleicht aber wieder doch gar nicht so speziellen Fall von "Elitenkontinuität im 20. Jahrhundert" scheint der Fall "Martin Bormann junior" darzustellen.

Der älteste Sohn des Kirchenhassers Martin Bormann, Martin Adolf Bormann, geboren 1930, ist nach dem Zweiten Weltkrieg von einer Tiroler Bauernfamilie aufgenommen worden und später in den Jesuitenorden eingetreten. War nun der Schritt von seiner faschistischen familiären Vergangenheit und Jugend hin zum Jesuitenorden ein echter "Neuanfang"?

Nein. Auch er - - - auch er hat 12-jährigen Klosterschülern Anfang der 1960er Jahre in Salzburg schwere bis schwerste physische Gewalt angetan, darunter auch sexuelle (ORF 2010). Seine Autobiographie hat er "Leben gegen Schatten" genannt, womit die Leserschaft an den Schatten seines Vaters denken sollte. Die übelsten Schatten in seinem eigenen Leben und aus eigener Verantwortung hat er darin mit keinem Wort sonst angedeutet ...

Abb. 1: Martin Bormann junior, S.J. - in der Messe - 1950er Jahre
Würde man nicht die vielen parallelen Fälle von Gewalt an Kindern und Jugendlichen in der Psychosekte Jesuitenorden kennen (siehe frühere Beiträge hier auf dem Blog), würde man die Berichte gerade über diesen Jesuitenpater Martin Bormann insbesondere als "Sensationsmache" empfinden und abtun. Das scheint aber doch nicht zu gehen, da das ganze "pädagogische Klima", in dem sich Bormann, auch Bormann in Salzburg als Lehrer bewegte, mit Gewalt getränkt war. Im folgenden nur Auszüge aus Erinnerungen Überlebender dieser Gewalt (Profil 2011):
Der heute 63-jährige Victor M.* war Anfang der sechziger Jahre in einem Elitegymnasium der Herz-Jesu-Missionare in Salzburg Zögling und Bormann sein Erzieher.  (...) Seine ehemaligen Mitschülern zeichnen das Bild eines Nachkriegsregimes hinter Klostermauern, in dem Buben neben ständiger religiöser Disziplinierung körperlicher Gewalt und militärischem Drill ausgeliefert waren. „Es tut immer noch sehr weh. Sie sehen, daß mir beim Erzählen ­Tränen kommen, obwohl ich eine Psychotherapie gemacht habe“, sagt ein heute 62-jähriger Ex-Zögling. Bormann, damals 30, war sportlich-gestählt, geheimnisumwittert, eitel, von jähzorniger Härte und brutal. Drei ehemalige Schüler berichteten profil, er habe Buben blutig geschlagen, einer blieb bewußtlos liegen.
Abb. 2: Bewußtlos geschlagen: M. Bormann jr. S.J.
Und:
Ihn selbst hatte Pater Bormann einmal beim ­Reden ertappt – im Schlafsaal herrschte Schweigegebot – und ihm von hinten seine Faust auf den Kopf gedonnert. Der Bub verlor das Bewußtsein und wurde von Bormann – „das Zamperl (Bayrisch für Schwächling, Anm.) werden wir wieder zum Leben bringen“ – mit kaltem Wasser übergossen. Ein anderes Kind habe Bormann mit solcher Wucht gegen eine Wand geknallt, daß sein Gesicht blutüberströmt war. Ein einziger Ort im Internat, das in einem ehemaligen erzbischöflichen Jagdschloß untergebracht ist, habe Zuflucht geboten. Es war das Krankenzimmer.
Und:
„Komisch“ erschien ihnen schon damals an Bormann einiges. Daß er mit ausgewählten Burschen eine mehrwöchige Sommerwanderung unternahm, über die es nachher hieß, im Zelt sei es zu Annäherungen des Paters an Schüler gekommen. Und schließlich sein besonderes Verhältnis zu seinem Lieblingsschüler, einem blonden, hochgewachsenen Münchner. Als ein Bub den Bormann-Liebling einmal beleidigte, forderte ihn der Erzieher zum Boxkampf heraus. Alle anderen mußten mitansehen, wie der Bub dem athletischen Ordensmann ängstlich auswich. „Bormann hat ihn dann vor uns niedergeschlagen. Das war für uns alle furchtbar“, sagt einer.
Was weder den heutigen Zeitungsberichten noch Wikipedia explizit zu entnehmen ist, was aber zu dem Wort "geheimnisumwittert" in den Berichten der Überlebenden paßt, ist einem alten Zeitungsbericht aus dem Jahr 1959 zu entnehmen (1):
Jetzt berichtet die französische Wochenschrift "Aux Ecoutes" (...), der Jesuitenpater Bormann sei ein wichtiger Mittelsmann zwischen Bonn und Pankow. Er besitze einen Sonderausweis mit ständiger Einreiseerlaubnis in die DDR.
Abb. 3: "Blutüberströmtes Gesicht": Martin Bormann Junior als Jesuit, 1960
Der Zeitungsbericht stammt aus eben jener Zeit, an der sich die ehemaligen Klosterschüler an Bormann als ihren Lehrer erinnern. Was an dem Zeitungsbericht dran ist, muß an dieser Stelle offen bleiben.

Auf Wikipedia ist noch über den weiteren Lebensweg Bormanns zu erfahren:
1969 hatte er einen schweren Autounfall und wurde von einer Mitschwester gepflegt. Anschließend ließen sich beide von ihren Gelübden entbinden und heirateten 1971.
Von Küssen zwischen Priestern und Nonnen wußten auch die Schüler auf dem Salzburger "Elite"-Gymnasium schon zu berichten. Diese Rosemarie Bormann berät heute ihren Ehemann bezüglich des Umgangs mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen.

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1. T.K.: Jesuit Bormann - ein politischer Agent? In: Volkswarte, 18.9.1959, S. 2

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