[ Leitwort ]
An unsere großen Dichter
Des Ganges Ufer hörten des FreudengottsTriumph, als allerobernd vom Indus herDer junge Bacchus kam, mit heil'gemWeine vom Schlafe die Völker weckend.O weckt, ihr Dichter! weckt sie vom Schlummer auch,Die jetzt noch schlafen, gebt die Gesetze, gebtUns Leben, siegt, Heroën! ihr nurHabt der Eroberung Recht, wie Bacchus.Friedrich Hölderlin, 1798
Ist mit diesen wenigen Zeilen nicht alles gesagt?
Wenn diese zitierten Zeilen von Friedrich Hölderlin nicht Leitwort sind, sein können, wären für einen modernen, gesellschaftlichen Aufbruch, für einen Aufbruch, der wirklich noch Sinn machen könnte - welche dann?
Abb. 1: Silenus (Wiki) - Römische Skulptur, Rom |
Auch in diesen - wenigen - dichterischen Zeilen ist - wie in fast jeder
Dichtung von Friedrich Hölderlin - die Rede von einem neuen Zeitalter,
das herauf kommt gemeinsam mit einer neuen Lebensanschauung, einem neuen
Zeitgeist, einer neuen philosophischen und dichterischen Gesamtdeutung
der Welt. Einer Gesamtdeutung, die zu Freudentaumeln Anlaß gibt.
Es geht um eine erneute Wieder-Heraufkunft der untergegangene Antike, um eine Wieder-Heraufkunft in neuer, moderner, womöglich noch lebendigerer Form.
Abb. 2: Maske des Silenus, 1. Jahrhundert, Seidenstraße, Afghanistan (Begram) |
Viele Künstler, Denker,
Philosophen, Wissenschaftler haben dieser Wieder-Heraufkunft über viele
Jahrhunderte hinweg vorgearbeitet. Sie arbeiten ihr gegenwärtig vor, gebannt, vereinnahmt von den Möglichkeiten menschlicher, gesellschaftlicher Entwicklung, gebannt von den Möglichkeiten philosophischer Gesamtdeutung unserer Welt im Angesicht der Moderne.
Abb. 3: Cupido, Wandmalerei in Pompeji |
Bacchus/Dionysos und ihre Begleiter, die Bacchanten und all die anderen Fabelwesen - immer und immer wieder aufs Neue haben sie Darstellungen in der bildenden Kunst gefunden. Von der Antike (s. Abb. 1 bis 3) über die Niederländer der Frühen Neuzeit (z.B. Peter Paul Rubens), auch über die Deutschen des 19. Jahrhunderts (z.B. Lovis Corinth) - und bis heute. Als wir nach einer angemessenen Bebilderung dieses Beitrages suchten, wurde uns das wieder klar.
"Die Stadt der Freude, das jugendliche Korinth"
Ebenso haben sie wieder und wieder Behandlung in der Philosophie gefunden, etwa in "Die
Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik", jener Schrift, in der Friedrich Nietzsche anfing, zu taumeln, zu tanzen, sich zu freuen, exzentrisch zu sein.
Als Lehrer und Begleiter des Dionysos gilt auch der Silenus. Und auch er ist dementsprechend ein beliebter Gegenstand künstlerischer Darstellung seit mehr als zweitausend Jahren gewesen (Abb. 1 und 2). Seine Verehrung reichte in der Tat - wie von Hölderlin ausgesagt - in der Antike von der Seidenstraße und von Indien im Osten (Abb. 2), vom Ganges und vom Indus im Osten bis an den Tiber, bis nach Rom im Westen (Abb. 1), bis an den Rhein und die Elbe und die Themse im Norden.
Und sie alle wurden auch in Pompeji in Skulpturen und in Wandmalereien gefeiert. Und verehrt. Als Gleichgesinnte. In jenem Pompeji, von dem dasselbe gesagt werden könnte wie das, was Friedrich Hölderlin über "die Stadt der Freude, das jugendliche Korinth" gesagt hat (Hyperion, 1. Buch, 1. Brief).
Auch über Pompeji wäre zu sprechen als von der "Stadt der Freude", von dem "jugendlichen Pompeji" (Abb. 3). So wie über alle Städte im Mittelmeerraum der damaligen Zeit (1, 2).
Es fragt sich, wann der Triumphzug des Freudengottes durch die Völkerwelt, dem durch so viele Generationen von Künstlern, Philosophen, Dichtern und Wissenschaftlern voraus gearbeitet worden ist, wann er nun - endlich - seinen Anfang nimmt.
Es dürfte abhängen von Dir und von mir, lieber Leser.
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- Bading, Ingo: "... Iss, trink und scherze - das übrige ist nicht SO viel wert ..." Ein Ausflug in die Kultur- und Philosophiegeschichte der südtürkischen Küste, 3-2016, https://studgendeutsch.blogspot.com/2016/03/iss-trink-und-scherze-das-ubrige-ist.html
- Bading, Ingo: "Damals war nichts heilig als das Schöne" Side - Die Hauptstadt Pamphyliens, 6-2016, https://studgendeutsch.blogspot.com/2016/06/damals-war-nichts-heilig-als-das-schone.html
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