Zur Sage rund um den Landgrafen von Thüringen, Ludwig den Eisernen
Es gibt deutsche Sagen, deren Inhalt überzeitlichen Charakter hat, und die sehr direkt in die Seele von Menschen greifen können, die noch heute leben und zum Handeln aufgefordert sind. Zu diesen Sagen gehört jene vom "Hart geschmiedeten Landgraf".
Es gibt deutsche Sagen, deren Inhalt überzeitlichen Charakter hat, und die sehr direkt in die Seele von Menschen greifen können, die noch heute leben und zum Handeln aufgefordert sind. Zu diesen Sagen gehört jene vom "Hart geschmiedeten Landgraf".
Abb. 1: Landgraf Ludwig II. der Eiserne (1128-1172) Grabstein in Eisenach Fotograf: Wolfgang Sauber (Wiki) |
Diese Sage ist sehr kurz. Sie soll im folgenden vollständig wiedergegeben werden (1). Denn es mag ja durchaus viele geben, die das Wort "Landgraf, werde hart" schon einmal irgendwo gehört haben. Aber kennt man auch die Geschichte dazu? Die Sage handelt interessanterweise gar nicht einmal von einer Sagengestalt, sondern von einer historischen Gestalt der deutschen Geschichte, nämlich dem Landgrafen von Thüringen, Ludwig II., dem Eisernen (1128-1172) (Wiki). Dieser war mit der Schwester Jutta des deutschen Kaisers Friedrich Barbarossa verheiratet. So lautet sie:
Der hart geschmiedete Landgraf
Zu Ruhla im Thüringerwald liegt eine uralte Schmiede, und sprichwörtlich pflegte man von langen Zeiten her einen strengen, unbiegsamen Mann zu bezeichnen: er ist in der Ruhla hart geschmiedet worden.
Landgraf Ludwig zu Thüringen und Hessen war anfänglich ein gar milder und weicher Herr, demütig gegen jedermann; da huben seine Junkern und Edelinge an stolz zu werden, verschmähten ihn und seine Gebote; aber die Untertanen drückten und schatzten sie aller Enden. Es trug sich nun ein Mal zu, daß der Landgraf jagen ritt auf dem Walde, und traf ein Wild an; dem folgte er nach so lange, daß er sich verirrte, und ward benächtiget. Da gewahrte er eines Feuers durch die Bäume, richtete sich danach und kam in die Ruhla, zu einem Hammer oder Waldschmiede. Der Fürst war mit schlechten Kleidern angetan, hatte sein Jagdhorn umhängen. Der Schmied frug: wer er wäre? "Des Landgrafen Jäger." Da sprach der Schmied: "Pfui des Landgrafen! wer ihn nennet, sollte alle Mal das Maul wischen, des barmherzigen Herrn!" Ludwig schwieg, und der Schmied sagte zuletzt: "Herbergen will ich dich heut; in der Schuppen da findest du Heu, magst dich mit deinem Pferde behelfen; aber um deines Herrn willen will ich dich nicht beherbergen." Der Landgraf ging beiseit, konnte nicht schlafen. Die ganze Nacht aber arbeitete der Schmied, und wenn er so mit dem großen Hammer das Eisen zusammen schlug, sprach er bei jedem Schlag: "Landgraf werde hart, Landgraf werde hart, wie dies Eisen!" und schalt ihn, und sprach weiter: "Du böser, unseliger Herr! was taugst du den armen Leuten zu leben? siehst du nicht, wie deine Räte das Volk plagen und mären dir im Munde?" Und erzählte also die liebe lange Nacht, was die Beamten für Untugend mit den armen Untertanen übeten. Klagten dann die Untertanen, so wäre niemand, der ihnen Hülf täte; denn der Herr nähme es nicht an, die Ritterschaft spottete seiner hinterrücks, nennten ihn Landgraf Metz, und hielten ihn gar unwert. Unser Fürst und seine Jäger treiben die Wölfe ins Garn, und die Amtleute die roten Füchse (die Goldmünzen) in ihre Beutel. Mit solchen und andern Worten redete der Schmied die ganze lange Nacht zu dem Schmiedegesellen; und wenn die Hammerschläge kamen, schalt er den Herrn, und hieß ihn hart werden wie das Eisen. Das trieb er an bis zum Morgen; aber der Landgraf fassete alles zu Ohren und Herzen, und ward seit der Zeit scharf und ernsthaftig in seinem Gemüt, begunnte die Widerspenstigen zwingen und zum Gehorsam bringen. Das wollten etliche nicht leiden, sondern bunden sich zusammen, und unterstunden sich gegen ihren Herrn zu wehren.
Diese Sage ist erstaunlicherweise schon 300 Jahre nach dem Tod des Landgrafen aufgeschrieben worden. Wir erfahren (Wiki):
Während Ludwigs Herrschaft wurde die Bevölkerung Thüringens vom Adel häufig tyrannisiert und drangsaliert. Daraufhin begann er gegen diese Zustände hart einzugreifen, was ihm schließlich auch seinen Beinamen einbrachte. Um diese Taten Ludwigs rankt sich auch eine Sage, die 1421 von Johannes Rothe aufgezeichnet wurde. Danach habe der Landgraf eines Abends unerkannt in einer Schmiede in Ruhla ein Nachtlager gefunden. Der Schmied habe auf seinen Landesherrn und die Zustände im Land heftig geflucht und schließlich gerufen: „Landgraf, werde hart!“ Diese Worte hätten den Landgrafen schließlich bewogen, gegen das Raubrittertum einzuschreiten. Der Sage nach soll er die Missetäter vor einen Pflug gespannt und einen Acker umgraben lassen haben.
Es ist das eine Sage, die eine Charakterschwächen der Deutschen aufs Korn nimmt, die gerade in heutigen Zeiten einmal wieder besonders stark ausgeprägt ist: ihre Gutmütigkeit.
Abb. 2: Postkarte aus dem Jahr 1912 |
Im Grunde muß doch heute fast jeder Deutsche zum Schmied in Ruhla in die Schule gehen. Es ist dort eine Lehrzeit von nicht weniger als zehn Jahren zu veranschlagen. Man bringe sich eine gute Freundin mit - so wie Jutta, die Schwester des Kaisers -, um diese schwere Lehr- und Leidenszeit emotional gut durchzuhalten und um dabei Mensch zu bleiben (3).
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- Der hart geschmiedete Landgraf. In: Heinz Rölleke: Das große Deutsche Sagenbuch. Albatros-Verlag 2001, http://gutenberg.spiegel.de/buch/sagen-aus-th-58/26
- Jutta Assel; Georg Jäger: Sagenmotive auf Postkarten - Eine Dokumentation. Der Schmied von Ruhla oder: Landgraf werde hart! und Der Edelacker. Eingestellt: Januar 2015, http://www.goethezeitportal.de/wissen/illustrationen/legenden-maerchen-und-sagenmotive/der-edelacker.html
- Ludendorff, Mathilde: Vom tiefen Leid gottnaher Menschenliebe. In: diess.: Von der Moral des Lebens. Verlag Hohe Warte, Pähl 1977, S. 108-115
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