Abb. 1: Die Schauspielerin Renate Müller (1906-1937) - Hitlers "Girl", dann Opfer seiner "Guns and Gangsters"? |
Vorbemerkung: Die Erkenntnisse der folgenden Ausarbeitung verlieren nicht ihren Wert, benötigen aber manche deutliche Neubewertung seit ein späterer Blogartikel zu seinem Thema veröffentlicht ist.
Bei der Vorbereitung meines Buches „Hitler und die Astrologen“1 wollte ich die Angabe des Autors Johannes Müllern-Schönhausen aus den 1950er Jahren überprüfen, dass Adolf Hitler den Wahrsager Erik Jan Hanussen schon 1926 im Berliner Haus der engen Freundin Adolf Hitlers, Helene Bechstein, kennengelernt habe. Eine Angabe, die sich mit der Behauptung von Otto Strasser decken würde, nach der Adolf Hitler schon Mitte der 1920er Jahre Redner-Unterricht bei Hanussen bekommen hatte. Ich suchte also auf „Google Bücher“ mit den Suchworten „Hanussen Bechstein Hitler“ und stieß dabei auf ein bis heute wenig bekanntes und von der zeitgeschichtlichen Forschung so gut wie gar nicht ausgewertetes Buch aus dem Jahr 1941 mit dem Titel „Hitler's Girls, Guns and Gangsters“2. Es ist heute auch nur in wenigen deutschen Bibliotheken vorhanden.
In ihm wird ein spiritistischer Zirkel um Helene Bechstein in einem Atemzug genannt mit Erik Jan Hanussen, und dass beide spätestens seit 1931 Einfluss genommen hätten auf die Politik Adolf Hitlers. Das würde natürlich gut zu den beiden eben genannten Angaben passen. Allerdings arbeitet dieses Buch gänzlich ohne Quellen- und Literaturangaben. Es erläutert auch nicht andeutungsweise schon allein nur den biographischen Hintergrund seines Autors und wie der Autor eigentlich zu all seinem Wissen gekommen sein will. Als Autor war angegeben ein Felix Gross3. Er hatte schon ein Jahr zuvor im selben Verlag ein Buch über die Geschichte der Geheimdienste im 20. Jahrhundert herausgegeben4.
Um die historische Zuverlässigkeit seiner Angaben überprüfen zu können, ergibt sich die Notwendigkeit einer gründlicheren Auseinandersetzung mit dem Autor selbst und seinem übrigen Leben und seinen literarischen Produktionen. Und dabei stellt sich heraus, dass man auf einen thematisch sehr vielfältigen Autor stößt mit einem sehr interessanten Leben. Ein Leben, das nicht geringen Anteil hatte nicht nur an politischen, sondern auch an wesentlicheren philosophischen, wissenschaftlichen und kulturellen Entwicklungen in Deutschland zwischen 1907 und 1934.
Über Felix Groß, einen erstaunlich veränderlichen, aber auch vielseitigen und kenntnisreichen Journalisten, gibt es bis heute keine monographische Darstellung, noch nicht einmal einen wissenschaftlichen Aufsatz. Da sein Leben so gut wie nicht aufgearbeitet zu sein scheint, möchte ich hier meine vorläufigen Recherche-Ergebnisse, die nach und nach zu ergänzen sind, in vorläufiger Form veröffentlichen.
Es geschieht dies insbesondere auch deshalb, um womöglich Nachfahren und Verwandte von Felix Groß auf diesem Weg zu erreichen und gegebenenfalls noch Auskünfte übermittelt zu bekommen. 2011 lebte – wahrscheinlich in Wien – eine Nichte von Felix Groß, die sich gut mit dem Werk ihres Onkels ausgekannt hat. Sie stand in Verbindung mit dem christlichen Wiener Autor David Leitha, der 2011 Auszüge aus einem Buch über Jesus Christus von Felix Groß neu heraus gegeben hat, und dessen Original-Ausgabe er an sie verkauft hat. David Leitha schreibt über diese Nichte im Vorwort5:
Einige Tage danach hatte sich die spätere Käuferin gemeldet und mit mir über das Schicksal sämtlicher Werke des Autors Felix Groß gesprochen. Es war ausgesprochen interessant und stellte mir das (…) Büchlein in immer besseres Licht. (…) Aufgrund dieses Gesprächs mit der späteren Käuferin war mir die Bedeutung dieses Buches erst richtig bewusst geworden. (…) Schließlich stand sie unten vor meiner Haustür, die das Buch kaufen wollte. (…) Sehr neugierig und jetzt hoch erfreut nahm sie das Büchlein aus meinen Händen entgegen.
Leider weiß Leitha auf Nachfrage nicht mehr den Namen der Nichte, nur noch die Tatsache, dass es sich eben um eine Nichte gehandelt hat.
Im folgenden soll dargestellt werden, was sich durch Literatur-Recherche - ohne Rückgriffe auf etwaig staatliche oder Privatarchive in Deutschland, England oder Südafrika, die etwaig Bestände zu Felix Groß aufweisen - über ihn zusammentragen lässt. (Bis jetzt kann dieser Darstellung leider noch nicht einmal eine Fotografie von Felix Groß beigefügt werden.)
Felix Groß - Ein Leben zwischen tiefernster Philosophie und grotesker Scharlatanerie
Der in Wien (oder Leipzig) geborener „Halbjude“ Dr. Felix Groß (vermutlich 1890-1960) hat bis 1934 Bücher veröffentlicht, in denen eine völkische und christliche Weltanschauung vertreten wurde. Und zwar eine solche, wie sie im engsten Umfeld der Wagnerianer von Bayreuth vertreten worden ist. Er ist 1933 nach Südafrika emigriert und hat 1941 in London das eingangs genannte, im grotesken Boulevardblatt-Stil geschriebene Hitler-Buch herausgebracht. Offensichtlich um den Durst der britischen Öffentlichkeit nach „Geschichten“ über den damaligen Kriegsgegner, das nationalsozialistische Deutschland, zu stillen. Wobei bei den damaligen hochgehenden Emotionen offenbar weniger nach dem Wahrheitsgehalt dieser Geschichten gefragt worden ist.
In diesem Buch schreibt Felix Groß ohne jede Erklärung, aber zugleich auch ohne jeden noch erkennbar fortbestehenden inneren Bezug über die ihm zum Teil persönlich bekannten Anhänger seiner vormaligen Weltanschauung. Hat er sich in seinem Verhalten ein Vorbild genommen an der von ihm selbst ausgedeuteten Figur des „Logi“ in Wagners „Ring der Nibelungen“, dem Loki der germanischen Göttersagen? Ihn jedenfalls lässt Richard Wagner in „Rheingold“ von Gott Wotan ansprechen mit den Worten:
„Loge heißt du,
doch nenn' ich dich Lüge!“
Sein Hitler-Buch ist in
der vergleichsweise bekannten Hitler-Studie des Psychoanalytikers
Walter Langer (1899-1981) ausgewertet worden, sonst aber offenbar so
gut wie gar nicht bis heute.
Wer also war dieser
Felix Groß?
Zunächst wird er in der Literatur genannt als der Privatsekretär von Houston Stewart Chamberlain (1855-1927), des Schwiegersohnes von Richard Wagner und Verfasser des einflussreichen Werkes „Grundlagen des 19. Jahrhunderts“. Dann war Groß – auf Weiterempfehlung von Chamberlain an seinen Freund, den deutschen Biologen und Philosophen Jakob von Uexküll (1864-1944) - Forschungsassistent des letzteren.
Daraus hervorgehend wurde Felix Groß ein von diesen beiden offenbar sehr geschätzter und geförderter Spezialist nicht nur für Richard Wagner, sondern auch für den Philosophen Immanuel Kant. Noch 2012 druckte die Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt eine „klassisch“ gewordene Sammlung biographischer Texte über Immanuel Kant nach, die Felix Groß 1912 erstmals in dieser Form herausgebracht hatte6.
Felix Groß wurde dann Journalist und –
offenbar irgendwann nach 1914 - Mitarbeiter der preußischen (oder
der österreichischen?) Aus- und Inlandsspionage, also vielleicht des
Nachrichten-Dienstes des Großen Generalstabs, bzw. der politischen
Polizei. (Vorläufer von Organisationen wie Wehrmacht-Abwehr, BND, Gestapo und
„Bundesamt für Verfassungsschutz“). Über seine Erfahrungen als
Geheimagent brachte er, wie schon gesagt, 1940 in London ein Buch
heraus („I knew those spies“). Sein Hitler-Buch aus dem Jahr 1941
schrieb er dann wohl insbesondere als Fortsetzung seines 1940
erschienen Buches.
Beide waren offenbar aus den Emotionen der
damaligen Kriegszeit heraus geschrieben, die repräsentiert wurden
etwa durch die „Gespräche mit Hitler“ von Hermann Rauschning,
ebenfalls ein Buch, in dem bis heute Wahrheit und Dichtung auf
nur noch schwer aufzulösende Weise miteinander vermischt worden
sind.
Die Spannweite solcher Lebensinhalte - zwischen dem Ernst der Wahrheitssuche eines Immanuel Kant und der anderen schon genannten Größen der deutschen Wissenschaft und Kultur auf der einen Seite und einem Buch der psychologischen Kriegsführung über Adolf Hitler und das Darstellen seiner Person privat ausdrücklich auch mit Bezug zum Charly Chaplin-Hitler andererseits, das oft bis ans Groteske streifende Anhäufen und Fabulieren von zahllosen Geheimdienst-„Geschichten“ über das Privatleben Adolf Hitlers und aller anderen führenden Nationalsozialisten – diese Spannweite sollte wohl das Zeug in sich haben, zu monographischen Darstellungen herauszufordern.
1907 - „Der Sieg über das Antigermanische“
Seit 1878 lebte in der Nähe von Richard Wagner (1813-1883) in Bayreuth der Literat Hans von Wolzogen (1848-1938) und gab die Monatszeitschrift „Bayreuther Blätter“ für Richard Wagner heraus. Dieser Hans von Wolzogen sollte auch zumindest ein guter Bekannter von Felix Groß werden, der 1907 einer seiner Autoren wurde. Hans von Wolzogen gab die „Bayreuther Blätter“ bis zu seinem eigenen Tod im Jahr 1938 heraus und gehörte noch 1931 zu den Freunden von Felix Groß, deren positive Urteile Felix Groß auf den Umschlag seines eigenen Wagner-Buches druckte. Will heißen zwischen die Urteile von Chamberlain und Uexküll (siehe Abb.).
In diesen „Bayreuther Blättern“ schrieb Felix Groß 1907 schon als 17-Jähriger (?), die gegenwärtige Kultur werde nur dann7
als notwendige Vorstufe zu höchster Gesamtkultur erscheinen (…), wenn nur in dem Kampfe des Un- und Antigermanischen gegen das Germanische der Germane den Sieg erringt. Ob das geschehen wird, kann freilich erst die Zukunft sagen. - Dieser Sieg wird kein plötzlicher sein und kein Name wird ihn kennzeichnen. Er ist schon jetzt errungen und wird in hunderten von Jahren noch nicht errungen sein. Denn sein Schauplatz ist das innerste Herz jedes Einzelnen.
Es handelt sich also um jenen „jungen Felix Groß“, der von der Autorin Anne Harrington als ein Schüler von Houston Stewart Chamberlain und als Wagnerianer genannt wird8. Im selben Jahr begann Felix Groß, eine umfangreiche Deutung des „Rings der Nibelungen“ von Richard Wagner in derselben Zeitschrift erscheinen zu lassen. Diese stand im Gegensatz zu der noch zu Lebzeiten von Richard Wagner vorherrschenden unpolitischen Art der Deutung9:
Ein über sechs Jahrgänge und insgesamt acht Jahre gehendes, großangelegtes Interpretationstableau - die umfangreichste Deutung, die in den Bayreuther Blättern überhaupt je veröffentlicht worden ist - entwirft ab 1907 Felix Groß. (…) Sie ist zunächst einmal entschieden darauf ausgerichtet, die Tetralogie als Vorstufe zum Parsifal zu verstehen und dies heißt: sie in einen religiösen Bezugsrahmen zu stellen. Der Ring theatralisiert in seinen Figuren und Aktionen die Geschichte des germanischen Heidentums, er zeigt dessen notwendiges Scheitern. (…) Wenn damit der Ring als Parabel eines weltumspannenden Rassenkampfes verstanden und ausgelegt wird, so hat das mit den Ursprungsintentionen Wagners nun gewiss nichts mehr zu tun.
Die offizielle Entpolitisierung wird erst ab 1907 aufgehoben mit dem Erscheinen einer breit angelegten Ring-Deutung von Felix Groß, dem Privatsekretär des Wagner-Schwiegersohns und Rassentheoretikers Houston Stewart Chamberlain. Die Exegese von Groß deutet den Ring als „neuen germanischen Mythos“ und erklärt die germanische Geschichte als Vorstufe des Christentums. Groß zielt auf den „arischen Mythos“ und den Kampf zwischen „edlem und unedlem Menschengeschlecht“ ab. Bermbach kritisiert diese Umdeutung von Wagners radikaler Kritik an Politik und Macht in „einen alle Politik beherrschenden Rassenkampf (…), wobei merkwürdigerweise alle Arier, Wotan, Siegmund und Siegfried untergehen, während der Nichtarier Alberich überlebt“.
Soll schon in dieser Ring-Deutung jener „hintergründige“, groteske „Humor“ wiedergefunden werden, den man dann auch für „Hitler's Girls“ anzunehmen gezwungen ist?
Felix Groß hat jedenfalls einen wesentlichen Anteil an der Politisierung der Wagner-Verehrung. Die Inhalte dieser Aufsatzreihe hat Groß 1927 unter dem bezeichnenden Titel „Die Wiedergeburt des Sehers“ in einem umfangreichen Buch veröffentlicht11, das 1931 noch einmal erschien mit den werbenden Worten seiner drei Freunde auf dem Umschlag (s. Abb.). In diese „mythische Weltreligion“ ordnete Groß dann auch eine besondere „weltgeschichtliche Mission“ des Judentums ein12. Man darf durchaus schlussfolgern: Zumindest noch bis 1927, wahrscheinlich auch bis 1931 muss sich Felix Groß mit den völkischen Wagnerianern in Bayreuth sowohl weltanschaulich als auch persönlich bestens verstanden haben.
Es ist sehr wesentlich, diesen Umstand festzuhalten. Denn schon lange zuvor – 1923 – war es andererseits - über Helene Bechstein – zu besten persönlichen Beziehungen zwischen den Familien Wagner und Chamberlain zu Adolf Hitler gekommen.
Schauen wir uns die Aktivitäten dieses Wagner-Kreises - und des Felix Groß in diesem - seit 1907 noch ein wenig genauer an. Anne Harrington behandelt sehr ausführlichen den Briefwechsel zwischen den beiden Förderern von Groß – Chamberlain und Uexküll - bis 1927, dem Todesjahr von Chamberlain. Nach diesem hat etwa von Uexküll – sicherlich unter dem Einfluss von Chamberlain – schon 1920 sehr heftig auf die „Zionistischen Protokolle“ reagiert. Das hier beschriebene jüdische Komplott sei in der bolschewistischen Revolution Wirklichkeit geworden. „Ist Jehova vielleicht selbst der Teufel?“, fragte Uexküll Chamberlain in einem Brief aus dem Jahr 1921. Und in diesem Zusammenhang bemerkt die Autorin Harrington dann13:
Uexkülls theoretischer Hass auf die Juden als Gruppe hinderte ihn nicht daran, freundschaftliche Beziehungen zu besonderen Juden aufzubauen, die er mehr oder weniger als Ausnahmen von der allgemeinen Regel der jüdisch-deutschen Umwelt-Unverträglichkeit ansah. Zu diesen Freunden gehörten (…) die Wagnerianer Felix Groß und Arthur Trebitsch, beide ergebene Schüler Chamberlains und tragische Beispiele jüdischen Selbsthasses.
In der dazugehörigen Anmerkung (ebd., Anm. 131, S. 405f) bezieht sie sich auf das Buch „Evangelist of race“ von Geoffrey Field aus dem Jahr 1981 über Chamberlain und ergänzt mit Berufung auf dieses:
Vor dem Ersten Weltkrieg arbeitete Groß als Uexkülls Forschungsassistent. Er half ihm bei der Fertigstellung seiner wichtigsten Studien über den Tonus von Wirbellosen.
Aus der Zusammenarbeit zwischen Uexküll und Felix Groß ging dann auch 1913 eine Aufsatzsammlung von Uexküll hervor14. Harrington weiter:
Geoffrey Field bemerkt, dass Groß „Halbjude“ gewesen sei, sich seiner Herkunft aus einer „Mischehe“ geschämt und noch Ende 1933 Traktate über germanische Ideologie verfasst habe, in denen die Juden aufgefordert wurden, sich an das heroische teutonische Ideal zu assimilieren. Groß selbst schrieb über Uexküll in einem Artikel für die konservativen Wagnerianer in Bayreuth, die forderten, zur goetheschen Auffassung der Naturwissenschaft als „systematische Kunst“ zurückzukehren.
Aus all dem geht hervor: Noch 1933 stand Felix Groß ganz auf der Seite der völkischen Wagnerianer von Bayereuth. Harrington macht dann noch längere Ausführungen über den zugleich erwähnten blondhaarigen Juden Arthur Trebitsch15, dem die physische Ähnlichkeit mit Chamberlain wichtig gewesen ist, und der sich in dessen Todesjahr 1927 das Leben genommen hat16. Der Uexküll-Biograph Florian Mildenberger berichtet 2007 über Chamberlain17:
Zudem empfahl er ihm 1908 den aus Wien stammenden Biologen Felix Groß (1886-19??) als ersten Assistenten. Dieser kombinierte erstmals Uexkülls Umweltlehre mit Gedanken Kants.
Hier wird deutlich, wie unsicher noch heute die Forschung über viele biographische Details zu Felix Groß ist (Wien?, Biologe?, 1886?). Wichtig aber ist, dass Felix Groß die Anregung, sich mit Kant zu beschäftigen, von Jakob von Uexküll erhalten zu haben scheint18. In einer Anmerkung schreibt Mildenberger dazu:
Zudem publizierte Groß ein populärwissenschaftliches Buch zur Verbreitung der Kantianischen Philosophie.19
Dieser Satz kann der Breite des in jenen Jahren von Felix Groß über Immanuel Kant Veröffentlichten und Herausgegebenen nicht gerecht werden. Darunter Bücher, die bis heute Nachdrucke bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft in Darmstadt erfahren. Jakob von Uexküll führte nun viele Forschungsreisen durch20:
Bald schlägt er in Biarritz ein fliegendes Aquarium auf oder wendet sich nach Monaco und Schloss Liebenberg in der Mark, um mit seinen Mitarbeitern Felix Groß und Lothar Tirala den Tonus der Krebsbeine zu erforschen.
In Liebenberg in der Mark befand sich das Schloss des Fürsten Philipp von Eulenburg (1847-1921), eines Freundes nicht nur des damaligen Kaisers, sondern auch des Barons von Uexküll, der deshalb von Uexküll auch in seinen Erinnerungen vor dem Homosexuellen-Vorwurf, der 1906/07 große Wellen schlug im Deutschen Reich, in Schutz genommen wird. Immerhin ist vielleicht von Interesse, dass die Tischrunde auf Schloss Liebenberg zumindest bis 1907 als ein Homosexuellen-Treffpunkt galt.
Womöglich hat Felix Groß, der in seinem Hitler-Buch von 1941 so genüsslich breit über die homosexuellen Neigungen hochstehender Nationalsozialisten zu erzählten hatte, und der kritisiert wird, dass er in seiner Cecil-Rhodes-Biographie von 1956 seinem Hauptprotagonisten ebenfalls Homosexualität unterstellte, auch hier Erfahrungen mit einem solchen Milieu machen können.
Jakob von Uexküll hatte sich in dieser Zeit um
die Stelle eines Leiters an einem neu geplanten Institut für
Biologie der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in Berlin-Dahlem beworben.
Ein solches Institut war aber zunächst nicht geplant worden und
deshalb wurden ihm lediglich Gelder für Forschungsreisen bewilligt.
Das bedeutete für seine Assistenten, sich nach
einem anderen Gelderwerb umsehen zu müssen. Über den fast
50-jährigen von Uexküll, der kurz vor 1914 doch noch eine
Professorenstelle bekommen hatte, schreibt Mildenberger21:
Die Arbeitsbedingungen gestalteten sich zunächst allerdings äußerst schwierig. Zum einen waren Uexkülls frühere Assistenten längst zu anderem Broterwerb gezwungen. Lothar Tirala hatte sich als Frauenarzt in seiner Heimatstadt Brünn niedergelassen und Felix Groß verdingte sich als Journalist, Freizeitphilosoph und Angestellter einer Handelsfirma.
Auch diese Worte empfindet man wieder als zu wenig ernsthaft gegenüber Groß. Die von Felix Groß im Jahr 1912 zusammengestellten drei Kant-Biographien sind immerhin 1968, 1993 und 2012 von der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt nachgedruckt worden22.
Auch gab Felix Groß zusammen mit Chamberlain im Insel-Verlag eine Auswahl der Schriften Richard Wagners heraus23, sowie weitere Veröffentlichungen über Richard Wagner. Die Herausgabe von „Immanuel Kant's sämtliche Werke in sechs Bänden“ durch Groß zog sich von 1912 bis 192124. Was ihn dabei antrieb, geht hervor aus einer 63-seitigen Schrift „Kant und wir“ aus dem Jahr 1913, deren Untertitel lautete:
Eine Darstellung der Kantischen Philosophie als der einzig möglichen Grundlage einer Kultur der Zukunft, zugleich eine Berichtigung des monistischen und anderer moderner Kulturideale.
1912 brachte Groß zudem eine Biographie über den Dichter Matthias Claudius heraus25.
1914 bis 1933 – Randständiger Beobachter der deutschen Aus- und Inlandsspionage?
Zwischen 1914 und 1927 werden von Groß über viele Jahre hinweg zumeist nur noch begonnene Buchprojekte beendet oder Neuauflagen derselben heraus gebracht. An diesem Aufhören von neuen Buchveröffentlichungen von Seiten von Felix Groß wird deutlich erkennbar, dass sich sein beruflicher Schwerpunkt ab dieser Zeit verschoben hat.
Viele Inhalte seiner Bücher von 1940 und 1941 deuten darauf hin, dass er in irgendeiner Form ein randständiger Beobachter der Arbeit der Nachrichten-Abteilung des deutschen Großen Generalstabes unter Walter Nicolai (1873-1947) und dessen Stellvertreter Friedrich Gempp (1873-1947) gewesen ist. Eine erste Vorstellung darüber, wie die weitmaschig vernetzt die damalige deutsche Auslandsspionage gearbeitet hat, erhält man übrigens aus dem Wikipedia-Artikel zu Mata Hari.
Auch erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass er ab einem bestimmten Zeitpunkt - in den frühen 1920er Jahren - auch Beobachtungsaufträge für den ihm gut bekannten Wagner-Kreis in Bayreuth erhalten hat, zu dessen Politisierung er selbst zwischen 1907 und 1934 mit Buchveröffentlichungen nicht unwesentlich beigetragen hatte.
Houston Stewart Chamberlain hatte 1908 Eva Chamberlain geb. Wagner (1867-1942) geheiratet. Sie war die Tochter von Richard und Cosima Wagner und Schwägerin von Winifred Wagner (1897-1980), der Ehefrau ihres Bruders Siegfried Wagner (1869-1930), die dreißig Jahre jünger war als sie. Ebenso wie ihre beiden Männer begeisterten sich auch Eva Chamberlain und Winifred Wagner sehr früh für den Nationalsozialismus und für Adolf Hitler. Houston Stewart Chamberlain und Winifred Wagner lernten Adolf Hitler 1923 bei Helene Bechstein kennen26. Wenn Groß 1940/41 über einen spiritistischen Kreis rund um Helene Bechstein schreibt, von dem aus Einfluss genommen worden wäre auf politische Entscheidungen von Adolf Hitler27, so kann man eine solche Geschichte nicht von vornherein und ohne Begründung als „aus der Luft gegriffen“ bezeichnen. Schließlich wird Felix Groß viele Möglichkeiten gehabt haben, davon etwas mitzubekommen.
Stattdessen wundert man sich ein wenig, warum dieses Buch von Felix Groß bislang in der zeitgeschichtlichen Forschung so unbeachtet geblieben ist.
In seinem Hitler-Buch schildert er die okkulten Beeinflussungen Hitlers sehr detailliert, und zwar einmal durch durch Magda Goebbels, dann durch einen spiritistischen Kreis um Helene Bechstein und zum dritten durch Erik Jan Hanussen. Und alle drei jeweils manipuliert durch andere führende Nationalsozialisten. Sehr offensichtlich ist Groß – ähnlich wie Hans Bernd Gisevius – bemüht, die Manipulationsrolle jeweils untereinander „rivalisierenden“ Nationalsozialisten zuzusprechen. Wobei auffälligerweise ausgerechnet Hitler alle anderen nicht zu manipulieren versucht haben soll. Dabei sind diese Manipulationsversuche doch klar – das ergibt sich schon aus der Sache selbst - von einem hinter alle diesen „Vordergrundpolitikern“ stehenden Geheimdienst ausgegangen oder mehreren, die nicht zuletzt durch ihre Kontakte zu Allen Dulles in der Schweiz ihre Traditionen über die Epochenjahre 1933 und 1945 hinwegretten konnten.
In dem gleichen Londoner Verlag, in dem „Hitler's Girls“ erschien, war ein Jahr zuvor schon das Buch von Felix Groß „I Knew Those Spies“ erschienen28. Beiden Bücher werden – etwa - auch in der Biographie „Stephanie von Hohenlohe - Hitlers jüdische Spionin“ angeführt29. In einem Buch aus dem Jahr 2006 nennt der Historiker William C. Fuller jr. Felix Groß30
one German intelligence professional,
der in seinem Buch „I Knew Those Spies“ nützliche Hinweise auf deutsche geheimdienstliche Erfolge in Russland vor 1914 und bis zum Ende des Ersten Weltkrieges gegeben habe. Felix Groß wird auch zitiert über die Spionagehysterie in Deutschland bis Ende 1914:
Anyone with black hair or a beard was arrested as a Russian while whoever appeared in an English-looking raincoat was brought by a cheering mob to the nearest police station.
Im Leben des Mitarbeiters der preußischen politischen Polizei Groß wird das Interesse an Bärten noch einmal eine Rolle spielen (siehe unten), ebenso wie er auch in seinem nachfolgenden Buch von 1941 über Erik Jan Hanussen schreibt, dass dieser sich nach der Machtergreifung 1933 auf offener Straße schon allein wegen seiner dunklen Haare in Gefahr gefühlt hätte. (Was doch jedes mal reichlich unglaubwürdig und aufgesetzt klingt.)
Seine beiden Bücher erschienen in einem kleinen Londoner Verlag - Hurst & Blackett -, der 1933 auch eine erste gekürzte englische Ausgabe von „Mein Kampf“ herausgebracht hatte.31
Über „I Knew Those Spies“ heißt es 1940 in Verlagsanzeigen32:
Amazing Revelations of
Secret Services in Wartime-German, French, Russian, English. No story
is so topical today as the spy story, for thousands of aliens are
still in our midst and of these a fairly large proportion must be
considered as secret agents in the pay of Germany. Such at least is
the opinion of Felix Groß, and it is based on first-hand knowledge,
for in the course of his career he has come in contact with most of
the master spies of the last twenty-five years and had excellent
opporunities of observing their technique. Consequently his assembly
of facts makes more enthralling reading than any fiction.
The
author, Felix Groß, if you don't take him too seriously, presents a
riot of party intrigue. Goebbels as the match-maker for an apparently
half-wit Fuehrer, who makes love by haranguing his female audience.
Building
on a structure of fact, and rumour, Groß gives you a shorthand
acount of what this and that person said in the desperate intrigue to
get Hitler married - or at least compromised - with beauty and
wealth, ranging from actresses to substantial widows.
There
is Frau Magda Goebbels, who plays handies with Hitler, Leni
Riefenstahl, the film actress, who failed to seduce him, Eva Baun.
Emmy Goering, the former Frau Sonnemann - they race across the pages,
matching their wits against the counter-plots of the party's
fancyboys, Roehm, Ernst and Heines and Co. „I think, boys, in order
to maintain a place in the front line, each of us had better also
acquire a female sweetheart,“ says Roehm. „It's honestly
sickening now to watch this female mass attack on Adolf.“ If you
want a minute to minute newsreel („Wochenschau“) of the private
life of the Fuehrer, „Hitler's Girls, Guns and Gangsters“ is it.
1928 - Verlagsgründung in Wien
Im Adressbuch des deutschen Buchhandels von 1931 ist Dr. Felix Groß verzeichnet als Inhaber des „Frohe Zukunft Verlag“ in Wien mit den Angaben34:
Wien VII, Karl Schweighofer-Gasse 3, gegründet 1928, Auslieferung nur in Leipzig.
Mit Raumnot haben 80 % unserer Bevölkerung zu tun, weil es finanziell sehr schwer ist, sich für jede Beschäftigungsart einen eigenen Raum zu schaffen und weil es unserem Rationalitätsempfinden widerspricht, solche Raumwerte dann nur mit 5, 10 ...
Vier Jahrtausende jüdischer Geschichte werden in knappester, aber treffender Darstellung mit dem Ergebnis aufgezeigt, dass die schickalhafte Verbindung zweier grundverschiedener Menschenstämme durch Christus erfolgt.
Während der ersten Seiten fiel mir sofort auf, dass es sich um das Buch eines sehr gläubigen, aber auch realistisch denkenden Menschen handelte. Da auch ich meinen Glaube in Form von innerer Motivation im Gebet, innerer Freude und innerer Genügsamkeit, als auch in Form von Hilfsbereitschaft nach außen, Toleranz und Entgegenkommen anderen Menschen gegenüber, sowie Bekunden und Bekennen von persönlichen Heilserlebnissen, täglich lebe und erlebe, war ich sehr erfreut über den Inhalt des Werkes.
1933 – Emigration nach Kapstadt
Im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek ist zu Felix Groß verzeichnet:
Geboren in Leipzig, gestorben in Cape Town (1933 Emigration nach Südafrika); Journalist und Schriftsteller.
Gross' biography is
superficial and some times seems unfounded, as when he bases
arguments on the assertion that Rhodes was homosexual. Overall it is
one of the most critical.
At Riebeeck Square I found
the offices of Dr. Felix Gross. We had not met before, but he had
written to me originally as a „fan“ after I wrote „Beards“.
He was no ordinary fan. (…) Like Felix Groß with the Kenya
settlers, I had been inclined, up to that time, to ...
Dr. Felix Gross, prominent as a journalist.
Das Buch „Hitler's Girls, Guns and Gangsters“ von 1941
1939 bis 1943 – Westliche Hitler-Deutungen
So wie es während des Kalten Krieges eine „Kreml-Astrologie“ gegeben hat, ein Rätselraten um die jeweiligen Absichten und Ziele der Kreml-Herrscher, so gab es zwischen 1939 und 1943 in den westlichen Demokratien öffentlich und intern ein Rätselraten um das Phänomen Adolf Hitler. Es bestand ein Bedürfnis, seine Psychologie zu verstehen. Es war das auf Seiten des westlichen Auslandes auch Teil der psychologischen Kriegsführung, dieses Bedürfnis zu stillen. Wir kennen das auch aus unserer Zeit. So wie während des Irakkrieges das Bedürfnis der Öffentlichkeit gestillt werden musste, mehr über Saddam Hussein zu erfahren, so musste zwischen 1939 und 1943 das Bedürfnis der Öffentlichkeit gestillt werden, mehr über Adolf Hitler zu erfahren. Und so wie während des Irakkrieges das Bild, das von Saddam Hussein in der Öffentlichkeit gegeben wurde, natürlich kräftig mitbestimmt war von den starken Emotionen, von denen Kriege begleitet zu sein pflegen (zumindest seit Beginn des 20. Jahrhunderts) und so wie deshalb mehr Stereotypen gezeichnet wurden, Klischees verbreitet wurden, holzschnittartige Darstellungen gegeben wurden als ausgewogene, differenzierte Berichte, so war um 1940 auch das Bild, das von Adolf Hitler gezeichnet wurde, von solchen Emotionen und Gefühlslagen mitbestimmt und von dem, was man in ihm sehen wollte.
Explaining Hitler is a
misleading title, for the focus is primarily on the Jewish academic
community's attempts to explain Hitler - to put it in grossly
oversimplified terms, this is somewhat like the prey explaining the
motivations of the predator. The result is that, while Hitler remains
a mystery, the academic and personal biases of the explainers are
revealed. To each person's theories and comments Rosenbaum adds his
own analysis, finding the flaws with precision.
Rauschning selbst hatte Hitler tatsächlich nur etwa vier Mal getroffen und nie in einem Einzelgespräch. So erfand Rauschning wenig konkrete Zeitangaben und Orte und teilte seine wenigen persönlichen Erfahrungen um ein Vielfaches auf. Weitere Anregungen entnahm er Berichten von Bekannten, den Braunbüchern und der Tagespresse, sowie einigen Sitzungen, an denen er in seiner Funktion als Senatspräsident teilnahm. Der damals mittellose Rauschning bekam einen Vorschuss von etwa 125.000 Franc.
(eigene Übersetzung:) das ziemlich verdächtig klingende, Boulevard-angehauchte Buch von 1940 von einem Felix Groß mit dem Titel „Hitler's Guns, Girls and Gangsters“, das der OSS-Analyst pflichtgemäß (und ausführlich) zitiert. Groß zitiert natürlich die gewöhnlichen verdächtigten Quellen wie Otto Strasser und ergänzt weiter das – wenn es wahr ist – schaurige Detail, dass der misshandelte Körper des unglücklichen Baumann weggeworfen in den Straßen gefunden wurde, tot, nur wenige Tage nachdem Hitler die Kanzlerschaft übernommen hatte. Ein anderes, ziemlich nutzloses Gerücht, so scheint es.
(Original:)
the fairly suspect-sounding tabloid-tinged 1940 book by one Felix
Gross entitled Hitler's Guns, Girls and Gangsters, which the OSS
analyst duly (and heavily) excerpts. Gross, of course, cites the
usual suspect sources like Otto Strasser, and further appends the
chilling (if true) detail that the „mutilated body“ of the
hapless Baumann was found dumped in the street, dead, just days after
Hitler's 1933 accession to the chancellorship. Another fairly useless
rumor, it appeared.
An dem Eichentisch, an dem der frühere Sattler nun saß und versuchte, Deutschland vor dem Chaos zu retten, hatten zuvor sieben Reichskanzler gesessen und die Befehle eines neurotischen, Nero-ähnlichen, megalomanischen Kaisers ausgeführt.
War die Schauspielerin Renate Müller eine Geliebte Adolf Hitlers?
Aber nachdem man sich durch eine großen Haufen von haarsträubenden Geschichten hindurch gekämpft hat über „Hitler's Girls“, die einem zumeist unglaubhaft erscheinen und aus der heute vorherrschenden Sichtweise der „Banalität des Bösen“ allzu oft auch erscheinen müssen, wird fast gegen Ende des Buches von Felix Gross der Fall der deutschen Filmschauspielerin Renate Müller (1906-1937) gebracht, der einem zuvor gar nicht bekannt war. Und indem man ihm hinterher recherchiert, stößt man darauf, dass Gross diesen Fall in seinem Buch wohl weitgehend richtig dargestellt hat. Auffallenderweise erzählt er den Fall von Renate Müller in diesem Buch gar nicht zu Ende.
1. Kapitel: Hitler „muss“ heiraten
Das erste Kapitel handelt von der Geldknappheit der NSDAP im Jahr 1931, dann davon, dass Geli Raubal unsterblich in Hitler verliebt gewesen wäre, dieser die Liebe aber nicht erwidert hätte, woraus sich von beiden Seiten eine Art Hassliebe aufeinander entwickelt hätte49:
The more enamored she became
of him, the more cruelly he treated her. (…) With perverted cruelty
Hitler kept Angela Raubal like a prisoner, yet took no notice of her,
her devotion to him and her suffering. (…) His persecution mania
(…) made Hitler suspect his niece of having joined a plot against
his life.
What actually happened
between Hitler and Geli in the last days of September, 1931, will
never be known.
1933 kursierten Gerüchte, eine Eheschließung zwischen Hitler und Winifred Wagner stehe bevor.
„Everything has already
been prepared to work with machine-like precision. They – Dr.
Goebbels and Count Helldorf – have now secured the services of that
dangerous charlatan, Eric Hanussen ...“
2. Kapitel: Der Hellseher Hanussen
Das Kapitel II gibt dann über viele Seiten hinweg einen ausführlichen Bericht über das Leben von Erik Jan Hanussen seit dessen Zeit im Ersten Weltkrieg (S. 26-40). In dem Kapitel heißt es dann (S. 33; Hervorh. n. i. Orig.):
Was ihn am meisten interessierte, waren die ausgezeichneten Geschäftsperspektiven, die sich ihm im Umfeld der Nazis eröffneten. Gemäß zuverlässiger Auskünfte waren alle hohen Nazi-Führer, einschließlich Hitler, gläubige Anhänger der Astrologie. (…) Herr Hitler, Göring, sogar der zynische Röhm, alle konsultierten regelmäßig Horoskope. Der Boden war deshalb gut bereitet für die okkulten Aktivitäten von Hanussen. Es blieb nur die Schwierigkeit, Zugang zum inneren Nazi-Zirkel zu bekommen. (…) Die Bekanntschaft mit Graf Helldorf war deshalb ein Glücksfalls für Hanussen.
(Original:) What interested
him most, were the excellent business prospects open to him in the
Nazi field. According to reliable information, all the high Nazi
officials, Hitler included, were faithful adherents of astrology.
Herr Rosenberg had proclaimed the consultation of the stars an old
Teutonic custom. Sceptics he had silenced by pointing out that their
greatest authority, Goethe, had started his autobiography with a
detailed description of the heavens at the time of his birth. Herr
Hitler, Goering, even the cynic Roehm, all consulted horoscopes
regularly.
The
ground was thus already prepared for Hanussen's occult activities.
There remained only the difficulty of gaining access to the inner
Nazi circle. (…) Count Helldorf's acquaintance, therefore, came as
a godsend to Hanussen.
„Der Führer ist verrückt nach Astrologie. Seit den Tagen in München hat er immer Horoskope konsultiert, bevor er wichtige Entscheidungen traf.. (…) Unglücklicherweise überzeugten ihn seine Sternengucker, dass der 8. November genau der Tag wäre, an dem Mars günstig und Saturn freundlich geneigt wären. Alles war für den 10. vorbereitet. Aber Hitler kümmerte sich nicht darum. Er glaubte mehr an die Macht der Sterne.“
(Original:)
„You must put your divine powers at the service of the Party as you
say. You must assist our Führer by your prophecies and - -“
„I'm
affraid that Herr Hitler will not listen to the predictions of a
stranger, and a foreigner at that.“
„This
you can leave to me and my friends. Der Führer is crazy about
astrology. Since his days in Munich he has always consulted his
horoscope before taking any important decisions. For this reason
we have often missed good opportunities as in the opinion of his
astrologers the constellations were against him, and we had to wait.
I suppose those stargazing chaps didn't know their job. Or sometimes
we jumped off too early for the same reason. The Munich Putsch in
1923 would have succeed had Hitler only waited a day or two until
everything was properly prepared. But unfortunately his star-peepers
persuaded him that November 8th was just the day as Mars
was favourable and Saturn kindly inclined. Everything had been
prepared for the 10th. But Hitler did not care. He
believed more in the power of the stars.“
A pact
was sealed between Herr Hanussen and Count Helldorf. The great
magician was to put his wealth, his organization, and his powers at
the disposal of the Party. His reward he could find when the Nazis
had seized power in the coming Third Reich.
3. Kapitel: Der Tod Geli Raubals (18. September 1931)
Die „Story“: Am Anfang des 3. Kapitels fragt Heydrich Himmler (eig. Übersetz.):
Sollen wir diesen Hanussen ermorden?
„Mein lieber Heydrich, Sie dürfen nicht vergessen: Tote erzählen keine Geschichten mehr. Aber ein lebender Hanussen wird uns noch einige interessante Geschichten zu erzählen haben über seine Freunde Röhm, Goebbels und Helldorf. Lassen wir Goebbels seinen Krieg mit den Strassers ausfechten. Der Führer hat es so angeordnet. Indem sie einander auszustechen versuchen und die Gunst des Führers zu gewinnen versuchen, denke ich, leisten sie mehr für die Partei, als wenn sie in Harmonie arbeiten würden. Es ist auch für uns persönlich viel sicherer. Irgendwelche anderen Neuigkeiten?“
„Unser Agent in Luzern, der Erna Hanfstaengl beschattet, berichtet, dass dort gestern Abend Frau Hanfstaengl eine Gesellschaft abgehalten hat, um die Verlobung ihrer Tochter mit dem berühmten Münchner Chirurgen, Professor Sauerbruch, zu feiern.“
Nach langer Diskussion wurde beschlossen, dass Himmler mit der Aufgabe betraut werden sollte, Geli zu „erledigen“.
„Der Distriktarzt ist auch einer der unseren.“ (…) „Und was ist mit dem Führer?“ „Er wird nichts damit zu tun haben.“
gab vor, an ihren Selbstmord zu glauben und drückte sein Missfallen aus über ein Mädchen katholischen Glaubens, das sich das Leben nimmt.
1923 machte er die Bekanntschaft mit Erna Hanfstaengl, mit der er später zeitweilig eine Liebesbeziehung führte.
1923 - Sauerbruch lernt Erna Hanfstaengl kennen, mit der er später zeitweilig zusammenlebt.
Alle seine Beziehungen zu Frauen haben einen merkwürdigen Verlauf. (…) Erna Hanfstaengl ist eine Grosse, eindrucksvolle, viel begehrte Dame der Münchner Gesellschaft, stolz und kühl. Hitlers Neigung ist heftig, aber anscheinend ziemlich einseitig; Erna Hanfstaengl zieht ihm den Chirurgen Sauerbruch vor.
„Dieser Kerl, Herr Professor Sauerbruch, den Fräulein Hanfstaengl heiraten wird, scheint sich nicht besonders wohl dabei zu fühlen, in München zu bleiben. Ich las grade in der Hanussen-Zeitung, dass er den Ruf an einen Chirurgie-Lehrstuhl an der Berliner Universität angenommen hat. Nebenbei: Lesen Sie eigentlich die Hanussen-Zeitung regelmäßig? Eine ausgezeichnete Zeitung. Der Mann muss wirklich über fabelhafte Voraussicht verfügen ...“
Und nun war das Leben von Herrn Hitler diktiert durch die Konstellationen der Sterne und Herrn Hanussen's Voraussagen. Er bot Hanussen ein fabelhaftes Gehalt an, um für ihn allein zu arbeiten, aber der schlaue Magier dankte höflich und war sogar unwillens, den Führer persönlich zu treffen. Hanussen fürchtete, dass die scharfsinnigen Augen Hitlers bald seine nichtarische Herkunft erkennen würden, die Graf Helldorf und noch nicht einmal der feinnasige Dr. Goebbels bisher entdeckt hatten, noch nicht einmal vermutet hatten.
Über Telefon und Telegramm, über seine Zeitungs-Artikel, über Nachrichten übermittelt durch Helldorf, dirigierte Hanussen die Wege von Herrn Hitler. Immer wieder wies er in seinen Prophezeiungen darauf hin, wie günstig die Venus-Konstellation in dieser Zeit zur Lyra stand. Das hieß, so erklärte er, dass eine Frau, die mit Musik in Zusammenhang stand, Herrn Hitlers Schicksal beeinflussen würde. Er sollte vorsichtig sein, was die Zwillings-Konstellation betrifft, sie bedeute Unglück. Hanussen wusste, dass Hitler Venus interpretieren würde als in Verbindung stehend mit Liebe, und Lyra mit Frau Wagner. Die Gefahr der Zwillings-Konstellation warnte vor niemand anderem als den Strasser-Brüdern. Hitler gab sofort Befehl, einen Besuch in Bayreuth zu arrangieren. Und Himmler erhielt zur gleichen Zeit strikte Order, die Strasserbrüder gut zu überwachen und ihm über ihre täglichen Bewegungen zu berichten.
4. Kapitel: Die Bayreuther Festspiele
Das nächste, das 4. Kapitel, gibt dann eine Schilderung der Bayreuther Festspiele. Und es wird natürlich aufgrund der Zusammenhänge nahegelegt, dass es sich um die des Jahres 1931 gehandelt hat. Dabei macht sich der eingefleischte Wagnerianer Felix Gross noch nicht einmal die Mühe, sich klar zu machen, dass die Bayreuther Festspiele bis heute in der Regel vom 25. Juli bis 28. August stattfinden.
die ihm die Sorgen ums Festspielhaus ausbreitet.
In der Villa Wahnfried hatten Grosse Veränderungen stattgefunden seit dem letzten Jahr. Frau Cosima Wagner, die Frau des Grossen Komponisten, war in ihrem dreiundneunzigsten Lebensjahr gestorben. Eine Grosse Ära in der Musikgeschichte war mit dem Tod dieser außergewöhnlichen Frau zu Ende gegangen. Die Geschichte ihres Lebens liest sich wie eine dieser romantischen französischen Novellen des frühen neunzehnten Jahrhunderts.
Als illegitime Tochter des Komponisten Franz Liszt und der Gräfin Marie d'Agoult, hatte sie die Unstetigkeit des Charakters ihres Vaters und die romantische Sehnsucht nach Irrealität ihrer Mutter geerbt. Nach Wagners Tod wurde Frau Cosima der spirituelle Kopf und praktische Manager der Bayreuther Festspiele. Strenger Konservatismus und strikte Tradition herrschten vor sowohl in ihrem Haus wie im Opernhaus.
Nach dem Tod dieser Grossen Dame und ihres Sohnes, übernahm Siegfried Wagner's Witwe, Frau Winifred Wagner, die Herrschaft in Bayreuth. Sie war eine geborene Engländerin mittleren Alters und Mutter von drei fast erwachsenen Kindern. Obwohl nicht schön, waren Frau Wagner ein natürlicher Charm und Freundlichkeit mitgegeben und durch viele Reisen und einen ausgeprägten Geschäftsinstinkt hatte sie Erfahrungen gesammelt in der Fähigkeit, sich Freunde zu erwerben. (…)
Es gab noch eine tiefere Verbindung zwischen Hitler und Wagner. Beider Ideen, Leben und ganze Mentalität waren gegründet auf mittelalterlichem Romantizismus, auf Mystizismus und Symbolismus. Nietzsche, Wagners intimer Freund, war der erste, der dieses gefährliche Gift in der Wagnerschen Kunst erkannte.
Für ihn (Hitler) hatte Bayreuth in früheren Jahren noch eine andere Attraktion. Im Wagner-Haus hatte, gelähmt und allein, Frau Cosima's Schwiegersohn, Houston Stewart Chamberlain, gelebt, der berühmte Autor eines voluminösen aber ziemlich verwirrten Buches „Grundlagen des Zwanzigsten Jahrhunderts“.
Dieses Buch war, bevor Herr Hitler „Mein Kampf“ schrieb, die offizielle Nazi-Bibel. Aber Chamberlain war seit mehr als vier Jahren tot.
Something was definitely in
the air. Strange that for several days now she had from an anonymous
sender received an extraordinary Berlin newspaper, Hanussen's News.
Marked with red pencil, the horoscope of the day had cautioned widows
to watch Mars and Venus, whose brightness indicated that love would
enter their lives – a love between a widow and warrior.
Einige wenige Gäste wie der berühmte Dirigent Bruno Walter, Leo Blech, Otto Klemperer, die einzigen „nicht-arischen“ Gäste im Haus, aber ebenso einige reine Arier wie Adolf Busch und der Prinz Fürstenberg gingen als ein Zeichen ihrer Indignation. Frau Wagner bemerkte ihr Gehen noch nicht einmal. Sie schien hypnotisiert. Ihre Augen verschluckten fast den Redner.
5. Kapitel: Hitler am Grab Geli Raubals (26. September 1931)
Im 5. Kapitel lässt Gross Hitler von Bayreuth nach Wien fahren, um Geli Raubal's Grab dort zu besuchen. Aber danach lässt er ihn wieder nach Bayreuth zurückkehren.
Täglich erhielt er Berichte über Goebbels Aktivitäten in Bayreuth von seinen Vertrauensleuten in Berlin. Diese Agenten waren meistens Mitglieder von Otto Strassers und Kapitän Stennes' „Schwarzer Front“, die ohne des Doktors Wissen in Goebbels Propaganda-Abteilung arbeiteten.
Himmler schaffte es, Informanten auf beiden Seiten zu haben.
6. Kapitel: Magda Goebbels und Hanussen
Im nächsten Kapitel lässt Gross Joseph Goebbels Magda Quandt kennenlernen. Damit liegt er ausnahmsweise einmal zeitlich einigermaßen richtig: Goebbels lernte Magda Quandt im November 1931 in Berlin kennen und heiratete sie schon am 19. Dezember desselben Jahres. Gross erzählt genüsslich die Scheidungsstreitigkeiten von Magda Quandt, bevor sie Goebbels heiraten konnte. Etwa dass sie – noch in erster Ehe verheiratet – ihre neue Nazifreunde eingeladen hätte, die ihr erster Ehemann nicht ausstehen konnte (S. 70):
Auf ihren Vorschlag hin brachte er (Goebbels) seine Freunde, den Grafen Helldorf, Karl Ernst, Prinz Auwi mit sich. Herr Eric Hanussen folgte und Frau Magda kam bald fast täglich in sein Beratungszimmer, um seine Vorhersagen für den Tag zu bekommen (für je 100 Reichsmark).
Als Magda schon mit Goebbels verheiratet ist, liegen auf ihrem Nachttisch immer noch Bücher über den Buddhismus.
… Astrologen, Wahrsagen und Handlesen und legt oft und gern die Karten, wenn ihre Tochter, die diese Leidenschaft ihrer Mutter nicht sehr schätzt, gerade nicht in der Nähe ist.
… genau nachgeprüft. Die Sterne lügen nicht! 1933 wird das Jahr des Sieges sein!' Maria (Goebbels' Schwester, die zeitweise mit im Haus lebt) und ich blicken verdutzt. Wir wußten zwar, dass meine Tochter seit langem ein Hobby für die Astrologie hatte, aber so ultimativ hatte sie ihre Ansichten bisher nie geäußert.“
… Aber trotz ihres Glaubens an die Astrologie sind auch Magdas Nerven angespannt, und als Goebbels eines ...
Als Bella Fromm innerhalb eines öffentlichen Porträts Magdas Hang zum Buddhismus erwähnen wollte, wurde sie mit einem Schreiben von Goebbels' Sekretärin gestoppt: „Frau Reichsminister wünscht nicht, dass der Öffentlichkeit berichtet wird, dass sie sich für Buddhismus interessiert.“
Magdas hübscher kleiner Kopf war ganz verwirrt von einer Fülle von Ideen und Lehren, die einander widersprachen. Sie interessierte sich plötzlich für Buddhismus und war eine Zeitlang von dieser alten Philosophie gefesselt.
Dass sie sich schon in ihren Reifejahren und während ihrer ersten Ehe intensiv mit dem Buddhismus beschäftigt hat, steht außer Frage. Auch Goebbels wusste davon. Natürlich musste die – wie Goebbels – streng katholisch erzogene Magda, die darauf bestand, mit ihm protestantisch getraut zu werden, sich mit den Mängeln der beiden christlichen Bekenntnisse auseinandersetzen. Sie fand dabei in Buddhas Lehren, besonders dem Karma, ….
… waren alle im gleichen Tierkreiszeichen, dem Skorpion (24. Oktober – 22. November geboren. Später wurde die Familie mit der jüngsten Goebbels-Tochter Heide noch um einen vierten Skorpion vermehrt. Man mag der Astrologie noch so skeptisch gegenüberstehen, wird aber doch nicht leugnen können, dass die Gestirne, denen unsere Vorfahren Stonehenge und andere megalithische Monumentalbauten weihten und mit denen sich danach die hellenistische und arabischen Weisen so intensiv beschäftigten, ….
… Dieser Astrologe hat Goebbels, ohne ihn gekannt zu haben, treffender charakterisiert als der Ordinarius des Abiturienten-Jahrgangs
… Skorpion-Menschen ...
... Der nun geriet in die Hände der Astrologen. Das Ergebnis liegt zutage. Seine Frau spielt noch die Grosse und gekränkte Unschuld. Sie trägt viel Schuld am politischen Untergang ihres Mannes. Man kann ihn nur bedauern. Er wird nie wieder in der Öffentlichkeit auftreten können.
Frau Springer empfangen. Ihr Mann ist auf Kreta gefallen. Ich tröste sie, so gut ich kann. Sie bewahrt eine tapfere Haltung. …
Wenngleich selbst die Astrologie, von der er eigentlich nichts hielt, „sonderbarerweise“ für Deutschland spreche, so schien ihm doch das Leben „so drückend, dass man alle Freude daran verliert“, denn fortwährend quälten ihn ...
7. Kapitel: Die Harzburger Front (11. Oktober 1931)
Im 7. Kapitel heißt es (S. 78):
Herr Hanussen, der erfindungsreiche Magier hat die Angelegenheit in seine eigenen Hände genommen. (…) Innerhalb weniger Tage belieferte Hanussen Goebbels mit einer reichen Auswahl von kompromittierenden Briefen von Kapitän Röhm an seine Liebhaber.
Von Goebbels wurde Hanussen angewiesen, eine Auswahl dieser Briefe – die weniger kompromittierenden – an einen Anti-Nazi-Journalisten liefern. Der gerissene Magier verkaufte sie zu einem erheblichen Preis an eine sozialistische Nachrichtenagentur.
8. Kapitel: Die Berliner politische Polizei und die Auslandsfinanzierung Hitlers (Januar 1932)
Im 8. Kapitel lässt Gross den Leiter der politischen Abteilung der Berliner Polizei (Abteilung IA), einen „Dr. Baschwitz“ auftreten (S. 87ff). Er residiert in seinem Hauptquartier in einem roten Backsteingebäude am Alexanderplatz und erklärt ausländischen Journalisten aus England und anderwärts die Situation in Deutschland, die Straßenkämpfe und politischen Morde, und dass die Nationalsozialisten einen gerichtsbekannten Zuhälter wie Horst Wessel zu ihrem nationalen Heros erhoben hätten.
In Preußen waren um das Jahr 1930 etwa 1000 Beamte bei der politischen Polizei beschäftigt. In jeder der seinerzeit 44 staatlichen Polizeiverwaltungen Preußens war sie als Abteilung I der Verwaltungspolizei eingerichtet. In Berlin hatte sie 300 Mitarbeiter, in anderen Grossstädten wie Aachen, Dortmund und Kiel jeweils nur ein Dutzend. In der Mehrheit waren sie ausgebildete Kriminalbeamte, die sich meist freiwillig für diese Aufgabe gemeldet hatten.
Etwa 90 % der Beamten der Politischen Polizei gehörten den Kriminalsekretär- bzw. den Kriminalkommissar-Laufbahnen an und nur 10 % den verwaltungspolitischen Beamten.
„In diesem Gebäude wissen wir vielleicht mehr als allerhand sonstige Leute über die feinen Fäden, die die City und die Wall Street und den Place de la Bourse mit dem Stahltrust in Düsseldorf und dem Kohlensyndikat im Rheinland verbinden. Dass Herr Hitler jetzt in Geld schwimmt und dass er und seine Satelliten mit Banknoten jonglieren können wie sie das noch vor wenigen Wochen noch nicht einmal mit Münzen konnten, das liegt vor allem an der Art der Kollaboration der ausländischen Trusts mit ihren deutschen Brüdern.“
In der Zwischenzeit feilschen deutsche Staatsmänner wie der tapfere aber ahnungslose Dr. Brüning, blind gegenüber den Realitäten, mit gutgekleideten Engländern jener Brigade, die ihre Krawatte nach alter Schule bindet, und den französischen Marionetten der 'Zweihundert Familien' um winzige Konzessionen in Genf. (…) Und in der Zwischenzeit brachte Herr Hitler die Stärke seiner privaten, gut ausgerüsteten Armee dank französischer, englischer und amerikanischer Gelder auf fast eine Million Mann. (...)
„So viel Deutsch sollten Ihre Leute in der Downing Street verstehen, um zu erkennen, dass wenn dieser megalomane, dieser schizophrene Verrückte an die Macht kommt, es bedeuten würde, dass die Reiter der Apokalypse die Menschheit rücksichtslos niederreiten werden.“
Eva Braun schien die Rolle der offiziellen Favoritin des Führers gegeben worden zu sein. Dr. Baschwitz's Agenten
hatten bislang die wahren Zusammenhänge noch nicht ermittelt, aber Hitler war nun überall in ihrer Begleitung zu sehen und hatte sie etabliert in einer sehr eleganten Zwölf-Zimmer-Wohnung in München nahe seiner eigenen – alles bezahlt mit englischem Geld und aus englischen Geldbeuteln. Aber Leute wie Dr. Baschwitz zweifelten, ob hinter dieser sogenannten Affäre überhaupt irgend etwas steckte. Es war gut bekannt, dass die Nazis in der Öffentlichkeit Hitlers Normalität demonstrieren wollten nach all den Gerüchten über unterstellte Homosexualität. Nachdem er sich umgeben hatte mit so unverschämten Perversen wie Kapitän Röhm, Edmund Heines, Karl Ernst, Graf Spreti, Baldur von Schirach und Graf Helldorf, war es kein Wunder, dass es Leute für gesichert hielten, dass der Führer ebenfalls dem dritten Geschlecht angehörte.
Es gab ein Grosses Rennen in der Partei, so setzte Dr. Baschwitz seine Geschichte fort, Hitler mit einer Frau zu versorgen oder zumindest mit einer Mätresse. Nach dem Fehlschlag mit Frau Wagner führte Putzi Hanfstaengl einen Ersatz ein, (…) Frau Bechstein, die Witwe des Klavierbauers.
Seit Januar 1932 kamen Gerüchte auf, dass Hitler mit Eva Braun, einer Angestellten seines Fotografen Heinrich Hoffmann, ein intimes Verhältnis habe.
9. Kapitel: Ernst Röhm im „Eldorado“
Im nächsten Kapitel lässt Gross „Dr. Baschwitz“ abends die ausländischen Journalisten mitnehmen zu einer Razzia in einem Grossen Berliner Transvestiten-Nachtclub, dem „Eldorado“ im Berliner Westend. Die Schilderung, die Gross über dasselbe gibt, passt gut zusammen mit der Schilderung jenes „Eldorado“ in der Lutherstrasse 31/32 auf Wikipedia70. Dort heißt es unter anderem auch:
Der englische Journalist Sefton Delmer, der mit SA-Chef Ernst Röhm einen freundschaftlichen Umgang pflegte, berichtete in seinen 1962 erschienenen Memoiren über einen gemeinsamen Besuch des Eldorados im Jahr 1931. Er bezeichnet es als öde und verrauchte Tanzbar. Dort kam ein Transvestit an den Tisch, den Delmer für einen Stricher hielt und Röhm für dessen Kunden. Der Transvestit plauderte mit Röhm über eine vergnügliche Party in den Tagen zuvor. Als dieser wieder gegangen war, meinte Delmer zu Röhm: „Da haben Sie es, Herr Stabschef. Keine weibliche Nutte würde so zu einem früheren Kunden kommen und sich in Gegenwart eines Fremden mit ihm über eine gemeinsam verbrachte Nacht unterhalten.“ Worauf dieser antwortete: „Ich bin nicht sein Kunde. Ich bin sein Kommandeur. Er ist einer von meinen SA-Männern.“ Röhms Lieblingslokal war jedoch das Schattenbild, ebenfalls ein Transvestitenlokal. Der spätere Politiker und SA-Gruppenführer Karl Ernst schlug sich eine Zeit lang mit diversen Jobs durch und war dabei auch - je nach Darstellung - eine Zeit lang Kellner, Angestellter[ oder Stricher im Eldorado in der Lutherstraße.
dessen Wangen einen zarten Auftrag von Rouge aufwiesen,
dessen rotbemalte Fingernägel viel bewundert wurden.
„Wann immer ich Hitler zu erwischen versuche für eine wichtige Besprechung, ob in München oder hier in Berlin, werde ich von Schaub oder Brückner aufgehalten mit einem diskreten Lächeln: 'Entschuldigung, Chef, aber der Führer ist abgehalten und will nicht gestört werden.' (…) Und mir wird gesagt, dass Frau Magda Goebbels ihm die Prophezeiungen des alten französischen Astrologen Nostradamus vorliest, oder dass die damit beschäftigt sind, Horoskope zu gießen (?) oder dass sie bloß Hand in Hand in einem abgedunkelten Raum sitzen kosmische Inspiration erwartend. Wenn er nicht mit ihr zusammen ist, dann sitzt er über Stunden mit dieser alten Schachtel, Frau Bechstein, zusammen, Spiritualismus mit verrückenden Tischen spielend und Unterredungen mit dem Geist des alten Herrn Bechstein abhaltend. Na, wenigstens gibt es den Trost, dass Adolf von diesen Séancen profitiert.“
10. Kapitel: Die Nachrichten-Abteilung des Kurt von Schleicher
Das 10. Kapitel bereitet auf die Kanzlerschaft von Franz von Papen (1879-1969) vor. schildert Felix Gross Papen als einen bornierten, unerfahrenen, sorglosen und fahrlässigen Militärattaché in den USA in den Jahren 1913 bis 1915, der durch seinen sorglosen Umgang mit Geheimunterlagen das deutsche Auslandsspionagenetz in den USA verraten habe (S. 109):
Er war so sehr von seinen Fähigkeiten des Aufdeckens und Ausspähen überzeugt, dass er es ablehnte, die angebotene Hilfe einiger Experten der Nachrichten-Abteilung des deutschen Generalstabes anzunehmen.
Insgesamt unterliefen ihm bei seiner Arbeit, die ihn unter anderem nach Mexiko führte, so viele Missgeschicke, dass er im Januar 1916 des Landes verwiesen wurde. Bei seiner Heimreise konnte er dank eines Diplomatenpasses die britische Seeblockade mit freiem Geleit passieren und so deutschen Boden erreichen. Papens naiver Glaube, dass die diplomatische Immunität seiner Person auch für sein Gepäck gelten würde, erfüllte sich jedoch nicht: Während seiner Kontrolle durch die britische Marine wurden ihm sämtliche Unterlagen, die er mit sich führte, abgenommen, so dass die Briten in den Besitz umfangreicher Geheiminformationen kamen und durch Quittungen, Rechnungsbücher und ähnliche Daten zahlreiche Angehörige Papens amerikanischer Agentengruppe identifizierten, was eine Reihe von Verhaftungen nach sich zog.
Er hatte gelernt, wie man einen Spionagering organisiert und er wusste, zu welchen Zwecken man ihn benutzen konnte. Nichts passierte in irgendeinem Berliner Ministerium, in den Büros irgend eines Armeegenerals, in den Arbeitszimmern der ausländischen Botschafter, in den politischen Salons der Tiergartenstraße, in den Konferenzräumen des Reichstages, in den Fraktionssitzungen welcher Partei auch immer oder im Karl Liebknecht-Haus, dem Hauptquartier der deutschen kommunistischen Partei, das nicht innerhalb von 24 Stunden in Schleichers kleinen Raum in der Bendlerstrasse bekannt geworden wäre.
1919 übernahm er die Leitung des politischen Referats im Truppenamt und avancierte zum engen Mitarbeiter und Berater des Chefs der Heeresleitung General Hans von Seeckt.
Wenn bestimmte Leute besser informiert gewesen wären, wären ihre Telefongespräche sicher diskreter gewesen. Das Postgeheimnis bedeutete für Schleicher's Agenten ebenfalls kein Problem. Sie erfuhren alles, was sie wollten, aus Telegrammen und Briefen. Doch ihre Aktivität war nicht auf Deutschland beschränkt. In Moskau, London, Paris, Genf, Brüssel beschafften sie für ihren Chef wertvolles politisches Material und erwiesen sich als ziemlich nützlich darin, Gerüchte zu streuen, Nachrichten zu verbreiten, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, Kontakt mit bedeutenden ausländischen Politikern herzustellen und zu beobachten, zu beobachten, zu beobachten.
Papens Agenten begannen, Schleicher zu beschatten. Es brauchte nur einen Tag oder zwei für die Bendlerstrassen-Agenten, um den Plan gegen ihren Chef aufzudecken. Schleicher war ziemlich amüsiert über Fränzchens Naivität. Für einige hundert Mark bestach er Papens Detektive und versorgte sie mit täglichen Berichten zur Übermittlung an ihren Auftraggeber. Als Schleicher im Geheimen durch Roehm im täglichen Kontakt mit den Nazis stand, war er sehr ängstlich, dass diese Aktivitäten nicht den anderen Mitgliedern der „Palast-Kamarilla“ bekannt würden.
Der alte Mann, ziemlich senil in seinem siebenundsiebzigsten Jahr konnte leicht gemanagt werden. Während des Krieges hatte Ludendorff ihn darin trainiert, alles zu unterschreiben, was ihm vorgelegt wurde.
Und die Hindenburgs? Sie würden gekauft werden müssen.
11. Kapitel: Ein NS-Geheimdienst unter Walter Nicolai?
Das elfte Kapitel beginnt mit einer ausführlichen Geschichte darüber, wie Putzi Hanfstaengl Hitler davon überzeugt, dass alle bedeutenden und wohlhabenden Menschen – Napoleon, Mussolini … - eine Mätresse hätten, bzw. bräuchte, so wie solche Leute „heutzutage“ auch teure Autos führen, und wie Hanfstaengl zugleich Eva Braun davon überzeugt, dass sie die geeignete für diese Rolle wäre (S. 126f). Hitler weiß dann aber mit Eva Braun nicht so viel anzufangen und schlägt vor, sie als Agentin für Himmler arbeiten zu lassen. Als solche landet sie an einem Abend gedankenlos in der russischen Botschaft, was wiederum Himmler in Rage bringt. Aber schlimmer war dann einige Wochen später für Himmler, dass Eva Braun über Ernst Röhm in Kontakt kam zu Schleicher (wie schon im Kapitel zuvor erwähnt). Und dann sagt Gross über Himmler (S. 131):
Er hatte seine besten Agenten auf den General angesetzt. Aber Schleicher war kein einfacher Gegner. SS-Männer hatten versucht, in sein Haus einzubrechen. Am nächsten Tag präsentierte der indignierte General Röhm eine Fotografie, die zeigte, wie zwei Männer vom Balkon aus in sein Arbeitszimmer einbrachen, geschossen von einer automatischen Kamera. (…)
Deshalb übergab Himmler die ganze Angelegenheit General Nicolai, seinem Kollegen vom Nazi-Auslandsgeheimdienst im Vertrauen, dass sie damit in guten Händen läge.
Als Chef der deutschen Spionage hatte Nicolai in der Kriegszeit fast unbegrenzte Macht, um jeden auf Dauer ins Gefängnis zu schicken oder um die Taschen seiner Freunde zu füllen mit den Geldmitteln von Millionen, die ihm zur Verfügung standen. (…) Er hatte in den vier Jahren ein ziemlich komfortables Vermögen angesammelt, das er vorsichtig in der Schweiz, in Holland und in Skandinavien angelegt hatte.
Die erste Tat war, Nicolai daran zu hindern, über die Geldmittel für die Spionage zu verfügen. (…) Die zweite Tat geschah wenig später, als Schleicher, nachdem er seinen eigenen Geheimdienst im Hauptquartier aufgebaut hatte, aufdeckte, dass mehr als die Hälfte von Nicolai's ausländischen Agenten im Dienst des britischen oder französischen Geheimdienstes standen.
Nun kam für Nicolai die Gelegenheit, einen Ausgleich zu erzielen in ihrer langjährigen Fehde. (…) Unglücklicherweise hatten die vielen Fehlschläge seiner Spionageorganisation während des Krieges dem alten General nicht zur Lehre gedient. Außerdem fehlte ihm Erfahrung in Kriminologie.
12. Kapitel: Die „schwarzen Hundert“ des Walter Buch
Das 12. Kapitel handelt dann von Walter Buch (1883-1949), 1927 bis 1934 Leiter des „Untersuchungs- und Schlichtungsausschusses“ (UschlA) der NSDAP, ab 1934 umbenannt zum obersten Parteirichter der NSDAP. Auch der enge Mitarbeiter von Buch Emil Danzeisen (1897->1937) ist Thema. Auf dem Wikipedia-Artikel zu letzterem steht, was im April 1932 durch die Presse ging, und was auch das Thema von Felix Gross ist. Nämlich Hinweise auf eine „Tscheka im Braunen Haus“ und auf die Existenz einer mit parteiinternen Mordaufträgen befassten „Zelle G“ in der Reichsleitung der NSDAP. Auf Wikipedia steht auch, der Historiker
Dornheim vertritt die These, dass Danzeisen in den frühen 1930er Jahren das Oberhaupt einer privaten Terrorgruppe gewesen sei, die Buch in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Obersten Uschlas der NSDAP unterhalten habe, um ein effektives Werkzeug zur Disziplinierung der Partei in die Hand zu bekommen. Als Beleg hierfür verweist er auf eine Gestapo-Untersuchung aus dem Jahr 1937 über „eine Terrorgruppe Rödl-Danzeisen“, die sich vorwiegend aus Angehörigen des SA-Sturms Laim zusammengesetzt habe.
Der Plan, angeblich von dem „Skalden-Orden“ betrieben, wurde nicht umgesetzt, weil sich Himmler schützend vor Röhm stellte.
Während des Krieges (…) war er freiwillig General der Militärpolizei eines Armeekorps. Egal ob ein Spion oder ein beschuldigter Franc-tireur durch ein Erschießungskommando erschossen wurde oder an einem Baum erhängt wurde, Buch besuchte jede Exekution persönlich. Die Todesurteile von Buch's Gerichtshof erreichten bald eine so alarmierende Zahl, dass selbst die kaltblütigsten Stabsoffiziere im Generalhauptquartier sich schüttelten, wenn sie die Berichte von diesen Massenexekutionen lasen. Das Oberkommando versuchte, den Vampirismus dieses augenscheinlich blutdürstigen Verrückten zu beenden.
13. Kapitel: Sein Leben eine einzige Lüge - Hindenburg
Im 13. Kapitel lässt Gross Paul von Hindenburg über die Bühne spazieren und sich für Franz von Papen als Reichskanzler entscheiden. Neben viel Belanglosem und Dummen sagt Gross dann aber wieder etwas, das so deutlich erst mit den neuesten Hindenburg-Biographien wieder gesehen und gesagt wird. Er charakterisiert Hindenburg nämlich als eine lebenslange Täuschungsmaschine (S. 149f):
Diese neunzehn Millionen Wähler (…) die erst wenige Wochen zuvor in den Reichspräsidentenwahlen für Hindenburg gestimmt hatten und dabei einen königlichen Kampf gegen seinen Opponenten Hitler geführt hatten, fühlten sich nun vom Präsidenten verraten. Den Mann, dem er seine Wiederwahl verdankte, Dr. Brüning, entließ er wie einen untreuen Diener. (…) Allmählich wurde es offenbar, dass das ganze Leben von Hindenburg eine kontinuierliche Lüge gewesen ist, ein fortlaufender Verrat derer, die ihm vertraut hatten.
Er krönte seine Serie von Treulosigkeiten schließlich, indem er seinen ersten Mitarbeiter preisgab oder viel mehr jenen Mann, der im Namen des Marschalls tatsächlich in den letzten drei Jahren den Krieg und in den letzten zwei Jahren die Politik geführt hatte – Erich Ludendorff. Ohne den leisesten Versuch, Ludendorff gegen die Angriffe des Parlaments zu verteidigen, opferte Hindenburg seinen Kameraden auf dem Altar des Reichstages, um seine eigene Position zu sichern. Einen Sinn für Dankbarkeit und menschlichen Anstand hat Hindenburg nie besessen.
Mit derselben Gleichgültigkeit hatte er seinen Kaiser verraten, seinen allmächtigen Kriegsherrn, an den er durch einen Treueid gebunden war (...). Er bot seinem Souverän nicht die Verteidigung an gegen meuternde Truppen, obwohl sein gutes Beispiel die loyalen Soldaten und Offiziere beträchtlich ermutigt hätte. Nein stattdessen gab er, der höchste Armeekommandeur, seinem Souverän am 9. November 1918 den Rat (…), abzudanken und ein Deserteur zu werden durch eine Flucht nach Holland. (…)
Mit derselben Gewissens-Elastizität gab Marschall von Hindenburg einen Treueid auf die neue Republik ab.
Seine alten Freunde nannten ihn einen Erzverräter.
Noch willkommener war Herrn von Papen, dem Grossen Verschwörer, die Tatsache, dass er die preußische Geheimpolizei unter seine Kontrolle gebracht hatte mit ihrem ausgedehnten Netzwerk von hunderten von bezahlten und freiwilligen Agenten. Nun hatten sie für ihn zu arbeiten. Es kam nicht in seinen naiven Intellekt, dass die ganze preußische Polizeikraft, insbesondere nachdem die Sozialisten von allen Schlüsselpositionen entfernt waren, durchsetzt war von Nazis auf allen Ebenen. Für Papen war es wichtiger, seine guten Freunde, Oskar Hindenburg, Dr. Meissner und General von Schleicher sorgfältig überwacht zu wissen, ihre Korrespondenz abgefangen und ihre Telefongespräche abgehört.
So erschien ein neuer Geheimdienst auf dem politischen Schlachtfeld, neben General Schleicher's Nachrichten-Abteilung, der preußischen Geheimpolizei jetzt unter von Papens manikürten Krallen, Herr Himmler's Sicherheitsdienst, das Marine-Auskunftsbüro, das kommunistische Nachrichtenzentrum im Liebknecht-Haus, durch Moskaus GPU gut ausgestattet mit Personal und Geldmitteln, Dr. Meissner's „Untersuchungs- und Nachrichten-Abteilung“, die Dr. Goebbels-Hanussen-Charme-Brigade, Röhms SA-Nachrichten-Abteilung, Rosenbergs Geheimdienst, Major Buch's Schwarze Hundert und General Nicolai's Amateur-Detektive.
„Männer
können ihn nicht beeinflussen oder überzeugen, aber Geister können
es, Gott sei Dank. Ich weiß nicht, wie unsere Hofastrologen es
deichseln, aber es funktioniert. Sie kennen sicherlich die alte Frau
Bechstein. Ihr verstorbener Ehemann ist sozusagen Adolfs Agent im
Himmel. Im Namen unseres Führers konsultiert er regelmäßig die
Geister von Friedrich II., Bismarck und Hitlers Mutter und
übermittelt ihre Meinung zur lieben Mama Bechstein. Wenn also andere
Mittel fehlgehen, kann ich einfach unsere Geisterbeschwörer rufen.“
Herr Hanussen und Frau Bechstein waren tatsächlich in letzter Zeit sehr beschäftigt gewesen. Jeden Tag, manchmal zwei mal am Tag wurde per Telefon oder Telegramm das tägliche Horoskop an Herrn Hitler übermittelt, der es sorgfältig studierte – und seine Vorhersagen, Warnungen und Ratschläge stillschweigend akzeptierte. Aber nicht nur Dr. Goebbels und Graf Helldorf benutzten die Dienste des gerissenen Scharlatans zu Beeinflussung Hitlers. Ohne Dr. Goebbels Wissen hatten auch Röhm und Schleicher ihre Wege in Hanussens magische Hinterzimmer gefunden. Schleicher hatte mehr Geld zu seiner Verfügung als Goebbels, da er Zugriff hatte auf die unerschöpflichen Millionen des Reichswehr-„Propaganda“-Topfes.
Ohne ihr
Wissen stand Frau Bechstein drahtlos in Verbindung mit der vierten
Dimension. Es war Himmlers Idee, ausgearbeitet durch seine technische
Abteilung. Er hatte bei Frau Bechstein ein neues Medium eingeführt,
den Jungen „Rudi“, der sie, so überzeugte er die alte Dame, in
direkter Verbindung bringen würde mit ihren verstorbenen Ehemann.
Alle Fragen, die ihm von Frau Bechstein gestellt wurden, musste Rudi
in einen Morsecode auf den Fußboden klopfen. In dem Raum direkt
darunter, gemietet von Himmler, waren seine Männer ausgerüstet mit
einem tragbaren drahtlosen Sender. Einer der Männer in der Wohnung
hielt während der Séance immer einen Miniaturlautsprecher in seiner
Tasche und aus ihm kamen in einer rauchigen, geisterhaften Stimme die
Antworten. Die arme alte Frau konnte nicht wissen, dass es die Stimme
von einem der Himmler-Gruppe war. Andächtig schluckte sie die Worte
ihres geliebten verstorbenen Ehemannes, der nun in berühmter
Begleitung wandelte und ihr von seinen vielen freundschaftlichen
Gesprächen mit den Geistern von Napoleon, Alexander dem Grossen,
Bismarck und Richard Wagner erzählte, einmal sogar mit Siegfried,
dem Helden, auf einem Besuch in Walhalla. Und war er ihr erzählte,
berichtete sie sofort an ihren Führer, der immer gern wertvollen Rat
aus der geistigen Welt hörte.
Ribbentrop wusste nichts von den Details dieses spirituellen Übermittlungs-Services, sondern nur von seiner Existenz selbst.
(Original:)
„But,“ continued Papen in a rather resigned tone, „what is the
use of talking about it? Herr Hitler is too stubborn to be
influenced, even by such an experienced negotiator as you are, my
dear Rib.“
That was
a bull's eye (Volltreffer) for Papen. But Ribbentrop burst out
laughing.
„You
think our Adolf could not be influenced? That's your opinion. But I
know better. Men cannot influence or persuade him, but stars and
spirits can, thank heaven. I don't know how our court astrologers
manage it, but it works. You certainly know old Frau Bechstein. Her
late husband is, so to say, our Adolf's agent in heaven. On our
Führer's behalf, he regularly consults the spirits of Frederick II,
Bismarck, and Hitler's mother, and communicates their opinion to dear
Mama Bechstein. So if other means fail I can simply call on our
necromancers.“
Herr
Hanussen and Frau Bechstein had, indeed, been kept busy recently.
Every day, sometimes twice a day, by telephone or telegram, the day's
horoscope was submitted to Herr Hitler, who carefully studied it –
and silently accepted its predictions, warnings, and recommendations.
But not only Dr. Goebbels and Count Helldorf used the cunning
charlatan's services in influencing Hitler. Without Dr. Goebbel's
knowledge, Roehm and Schleicher had also found their way to
Hanussen's magic chambers. Schleicher had more money at his disposal
than Goebbels, having access to the inexhaustible millions of the
Reichswehr 'Propaganda' funds.
Unbeknown
to Frau Bechstein, she was now in direct wireless communication with
the fourth dimension. It was Himmler's idea, worked out by his
technical department. He had introduced to Frau Bechstein a new
medium, the boy 'Rudi' who, he persuaded the old lady, would put her
in direct touch with her late husband. All the questions put to him
by Frau Bechstein Rudi had to tap in morse code on the floor. In the
room directly below, rented by Himmler, were his men equipped with a
portable wireless transmitter. One of the men in the room during the
séance always held in his pocket a miniature loudspeaker, and out of
it, in a husky ghostly voice came the replies. The poor woman could
not know that the voice belonged to one of the Himmler squad.
Devoutly she swallowed the words of her beloved late husband, who now
moved in illustrious company and told her of his many friendly talks
with the spirits of Napoleon, Alexander the Great, Bismarck, and
Richard Wagner, once even with Siegfried, the hero, on a visit from
Valhalla. And what he told her, she reported immediately to her
Führer, who was always glad to receive valuable advice from the
spirit world.
Ribbentrop
did not know the details of this spiritual relay service, but only of
its existence. To Papen it seemed a useful instrument. He agreed to
meet Hitler immediately on his arrival in Berlin, after der Führer
had been sufficiently prepared by stars and ghosts to seize the hand
offered by Herr von Papen.
14. Kapitel: Helene Bechstein warnt Hitler vor Vizekanzlerschaft (August 1932)
Im 14. Kapitel ist zunächst Magda Goebbels schlecht gelaunt, weil sie die Gunst Hitlers an Eva Braun verloren hat (S. 166f).
Sie war ein Fehlschlag
gewesen, die Unterredung mit dem Junker. Goebbels fragte sich nun, ob
es ratsam gewesen war, den Rat von Hanussen's Horoskopen einzuholen,
“dass Hitler alles fordern sollte und sich nicht mit Teilen
zufrieden geben sollte.” (…) Die Geister, die von Frau Bechstein
angerufen worden waren, hatten seine Entscheidung beeinflusst.
(Original:) It had been a
failure, this interview with the Junker. Goebbels now wondered
whether it had been advisable to employ Hanussen's horoscopic advice
that Hitler should „ask for everything and not be satisfied with
parts.“ (…) Nazi prospects, so rosy that morning, seemed to have
disappeared. (…) Adolf once again had been afraid of his own
courage. The spirits cited by Frau Bechstein had influenced his
decisions.
„Mein
verehrter Führer, lieber Adolf,
in diesen aufregenden Tagen sind meine Gedanken mit Ihnen. In Ihren starken Händen liegt das Schicksal unseres geliebten Vaterlandes. Aber ich möchte Sie wissen lassen, was mein guter Ehemann von der „anderen Seite” zu berichten wusste. Er sagte mir, dass er mit dem Geist von Bismarck gesprochen hätte, der ihm gesagt hat, dass Sie auf dem richtigen Weg wären, und dass Sie tatkräftig bleiben und nicht nachgeben sollen. Sie werden alles, was sie wünschen mit ein wenig Geduld erhalten.
Ihre Freundin
Tante Bechstein.“
„My
adored Führer, dear Adolf,
In these
exciting days my thoughts are with you. In your strong hands the fate
of our beloved Fatherland is safe. But I wanted to let you know what
my good husband had to report from the other side. He told me that he
had communed with the spirit of Bismarck, who said that you were on
the right path, that you should remain energetic and not yield. You
would get all you deserved with a little patience.
Your
loving friend
Tante Bechstein.“
„Dear
Auntie Bechstein,“ Hitler said with a sigh, „she always was right
in her predictions, sometimes even more so than your – what is his
name again? - that Herr Hanussen.“
Goebbels thought it wiser not to reply.
Ein geschlagener Mann kehrte in das Hotel Kaiserhof zurück. Niemand stellte dort noch irgendwelche Fragen. Bis in die frühen Morgenstunden hörten ihn seine Gehilfen Brückner, Schreck und Schaub weinen.
15. Kapitel – Leni Riefenstahls Affären mit Schleicher und Hitler
Sollte er Hanussen benutzen? Aber dieser Schwindler legte schon Goebbels aufs Kreuz, indem er für Schleicher arbeitete. Man konnte sich auf ihn nicht verlassen. Und, nebenbei, Goebbels schien, obwohl noch immer halbherzig, auf Schleichers Seite zu sein.
16. Kapitel – Der Osthilfe-Skandal
Über die Zeit vor der zweiten Unterredung Hitlers mit Hindenburg im Jahr 1932 (am 19. November?) schreibt Gross (S. 193f):
Hitler hörte den unterschiedlichen Meinungen auf den „Führertreffen“ nur zu. Astrologische Schaubilder spielen eine Grosse Rolle in seinen Entscheidungen. Herr Hanussen fuhr fort, sie in ausreichender Zahl entsprechend der Anweisungen von Dr. Goebbels zu liefern. Tante Bechstein, nicht bewusst der Steuerung durch Herrn Himmler und seine kabellosen Experten, schickte Hitler mehrmals am Tag Berichte „von der anderen Seite“.
Einige Zeit später starben plötzlich zwei deutsche Diplomaten der alten Schule, die mit Herrn von Ribbentrop in Konflikt geraten waren – Dr. Koester und Herr von Hoesch, die deutschen Botschafter in Paris und London – beide an Luftembolie.
Er galt unter den deutschen Missionschefs der Zwischenkriegszeit als der fähigste Diplomat. Zu seinen persönlichen Gegnern sollte nach 1933 schnell Joachim von Ribbentrop zählen. (…) König Eduard VIII. charakterisierte ihn als „Guten Diplomatischen Vertreter des Deutschen Reichs, und Schlechten Vertreter des Dritten Reichs“.
Hoeschs Warnungen vor einem deutschen Einmarsch in die entmilitarisierte Zone des Rheinlands, durch den der als Lebenswerk des Diplomaten angesehene Locarno-Vertrag von 1925 zerrissen wurde, blieben von Hitler ungehört. Auch erwies sich der am 21. März 1936 nach Berlin übermittelte Eindruck, dass „Europa nur knapp an einem Brand vorbeigekommen sei“, angesichts der Reaktionen der Westmächte als übertrieben.
Leopold von Hoesch erlag am 10. April 1936 einem Herzschlag. Kurz nach seinem Tod kursierten in der britischen Boulevardpresse Theorien über einen angeblichen Suizid des Botschafters oder über eine Ermordung durch die Gestapo. Im August 1936 übernahm Joachim von Ribbentrop seinen Posten als Botschafter in London.
Von November 1932 bis zu seinem Tod war er Botschafter in Paris. Köster starb an Lungenentzündung. (…) Sein Neffe Ernst vom Rath war ebenfalls in der Botschaft in Paris beschäftigt.
Schleicher hielt eine Unterredung ab mit dem Chef seiner Nachrichten-Abteilung, Major von Busche, einem sehr tüchtigen früheren Kriminalinspektor.
Die Linke in Deutschland hat erhebliche Illusionen auf die Führer des Reichsheeres verschwendet. In den von ihr gelieferten Aspekten erschien der General Kurt von Schleicher als der Ritter Georg, der den Drachen tötet. ...
… Busche-Ippenburg, der noch am 2. Oktober 1918 vor dem Hauptausschuss des Reichstages in Ludendorffs Auftrag jene schwarz in schwarz malende Aufklärungsrede über den wirklichen Stand an den Fronten gehalten hatte. (…)
… Die Gruppe hat sich später durch Kooption verstärkt; so wurde von Hammerstein-Equord zugezogen, von dem Bussche stieg mit Schleicher auf; mit Schleicher übersprang er manchen Vordermann. Zuletzt war er, in Schleichers Vollmacht, Chef …
1930 wechselte er – inzwischen Generalmajor – ins Reichswehrministerium, um dort unter General Kurt von Hammerstein-Equord Chef des Heerespersonalamts zu werden. In dieser Eigenschaft nahm er auch an der historischen Besprechung Hitlers mit der Reichswehrführung am 3. Februar 1933 teil, worin der neuernannte Reichskanzler erstmals sein außen- und kriegspolitisches Programm offenlegte.
Mit diesem Material in der Hand war Hindenburg abhängig von seiner Gnade. Wenn es veröffentlicht worden wäre, würde sich daraus in Deutschland ein Skandal ergeben, im Vergleich zu dem selbst der Panama-Skandal nicht mehr als eine Taschendieb-Affäre wäre.
Der Staat, so fand Schleicher, war um dreihundert Millionen Mark beraubt worden. Die armen Bauern, für die diese Gelder bereitgestellt worden waren, hatten so gut wie gar nichts erhalten. Doch der Hindenburg-Clan, nahe und entfernte Verwandte des Präsidenten, hatten Millionen erhalten und Schleicher konnte nur annehmen, dass ein Anteil von all diesen Geldern als Kommission in Oskar von Hindenburgs tiefe Taschen gewandert war. Neffen des alten Hindenburg hatten das Beispiel für andere gegeben und kauften schnell einige billige Güter, für die die Unterstützungen vorgesehen waren. Und nachdem sie einige hundert tausend Mark erhalten hatten, verkauften sie die Güter wieder, um das erhaltene Geld zum Spekulieren in Aktien zu benutzen oder auch nur um es zu verschwenden.
Die Frau des Exkaisers, eine Millionärin eigenen Rechtes, hatte eine Unterstützung für eines ihrer Güter erhalten, die über eine halbe Million betrug, und hatte das Geld auf ihr Bankkonto in Holland transferiert. Der alte Baron Oldenburg-Januschau, der wohlhabendste aller ostpreußischen Landbesitzer, und Präsident Hindenburgs intimer Freund und Nachbar, kaufte mit seinen Subsidien ein neues Zehntausend-Morgen-Gut, sein fünftes Gut in jenem Landkreis. Kein Name des preußischen Adels fehlte auf dieser Liste der unterstützten „Bauern“. (…)
Schleicher betrachtete dieses Material als eine schwelende Bombe, bereit geworfen zu werden, wenn der alte Hindenburg nicht aufhörte mit seinen Forderungen, Papen in der Regierung zu belassen. Es stand nun in Schleichers Macht, Hindenburg ebenso zu zerstören wie Papen. (…) Kurti Schleicher musste vorbereitet sein, die Regierung selbst zu übernehmen. (…) Und Präsident Hindenburg sagte dem General in diesen letzten Tagen des November plötzlich, dass er die Kanzlerschaft übernehmen musste. (…)
Am folgenden Tag präsentierte Schleicher Hindenburg Gregor Strasser als einen Kandidat für die Vizekanzlerschaft. (…) Hitler schien zuzustimmen und sagte Strasser, dass er nach Berlin kommen würde, um die Angelegenheit zu besprechen. Die innere Clique (…) war alarmiert.
17. Kapitel: Machtübernahme (Januar 1933)
Das 17. Kapitel behandelt dann die Reichskanzlerschaft Schleichers und dass Schleicher an jedem Tag derselben nur Verrat und Fehlschläge sehen würde. Auch sein Zugehen auf die Sozialdemokratie als Bündnispartner und das Alarmiert-Sein seiner politischen Gegner durch diese Schritte werden erwähnt (S. 207). Eine neue Figur lässt Gross auf die Bühne spazieren: Hjalmar Schacht als Unterstützer Hitlers (S. 208f) und als Alternative zu Gottfried Feder (S. 212).
Hitler schüttelte traurig seinen Kopf. Das Ende kam mit Grossen Schritten. Das Ende der Partei. Und noch mehr sein eigenes Ende. Eher als unter dieser Schande zu leben, eher als das eigene Werk zerstört zu sehen, würde er sich erschießen.
Es wurde Schleicher berichtet, dass es ein lebhaftes Telefongespräch gegeben hätte zwischen Ribbentrop und einem gewissen Herrn von Schroeder, Bankier in Köln, in dessen Verlauf geheimnisvolle Vorschläge gemacht wurden, dass Schroeder zwei Freunde Ribb's treffen würde und helfen würde, sie zu versöhnen.
Schleicher kannte von Schroeder als einen der reichsten Männer des Rheinlandes, Besitzer einer alt-etablierten Bank, die dort die meisten Kohle- und Stahl-Unternehmungen finanzierte. Herr von Schroeder hatte nie Interesse an Parteipolitik gezeigt. Selbstgefällig glaubte Schleicher deshalb, dass der Kölner Bankier nicht plötzlich irgendwelche politischen Geschäfte mit der antisemitischen Nazipartei haben könnte, besonders da er einen jüdischen Partner in seiner Bank hatte.
Schleicher, der niemals geglaubt hatte, dass Hitler sich mit Papen einig werden würde, musste jetzt, allerdings unglücklicherweise zu spät, erkennen, dass er sich geirrt hatte. (…)
Erneut floss mehr Geld in die Nazi-Kassen. (…) Das neue Geld, das so reichlich aus dem Rheinland kam, diente nicht nur dazu, die wesentlichsten Parteiausgaben zu bezahlen ...
Herr Eric Hanussen also
thought, on account of his dark complexion and black hair, that it
was more advisable to stay at home. Otherwise he felt sure of
himself. He had worked for der Führer by doing good propaganda work
in his paper and supplying him – free of charge at that – with
two horoscopes daily, for which others willingly paid up to fifty
marks apiece. He was entitled to an honorary membership in the Party
now. That little dark spot in his pedigree should not matter to a man
of his merits. Count Helldorf had only recently reassured him on this
point.
19. Kapitel – Die Deutschen waren nicht antisemitisch
Das 19. Kapitel schildert dann, wie sich Berlin bis zum Frühling 1934 für ausländische Besucher verändert hatte, wobei klar ist, dass er eigentlich die Entwicklung beschreibt, wie sie sich bis etwa 1939 vollzogen hat. Gross schreibt auch über eine heidnisch-germanische Religion, die er selbst in Büchern bis 1934 behandelt hatte (S. 229):
Rosenberg, von Schirach und Heß stießen den Schlachtruf aus, dass „ein guter Nazi nicht Anhänger der judaisierten christlichen Religion sein kann, an Jesus den Juden glauben kann und Trost und Kraft in der Bibel suchen kann, dieser Sammlung von Schwindeleien, Märchen und lächerlichem Unsinn, erfunden von hakennasigen, krummbeinigen, Geld-anbetenden orientalischen Betrügern.“ Sie hatten der deutschen Jugend einen neuen heidnischen Glauben aufgedrängt, eine Vergötterung von „Blut und Boden“, einen Glauben an die alten germanischen Götter. Nazi-Deutsche verehrten die Sonne und die Sterne wie es ihre Vorfahren zweitausend Jahre zuvor getan hatten. Und sie führten alte nordische Rituale wieder ein: Feuerprobe, Blutsbrüderschaft und andere schreckliche heidnische Gebräuche.
Das deutsche Volk als Ganzes war niemals antisemitisch. Einige Klassen, vor allem die untere Mittelklasse, mochte die Juden nicht, aber die Mehrheit der Deutschen, besonders die deutsche Arbeiterklasse und die gebildete Mittelklasse interessierten sich überhaupt nicht für die Juden. Sie waren mit viel wesentlicheren Problemen beschäftigt. Es ist eine Tatsache, dass man von einer jüdischen Frage in Deutschland gar nicht sprechen konnte, bis sie von den Nazis aufgegriffen wurde als ein politisches, wirtschaftliches und soziales Problem. Die deutschen Juden war schon im Prozess des Verschwindens durch Anpassung und Mischehen. Ohne Hitler hätten die Juden nach weiteren hundert Jahren gar nicht mehr existiert.
Aber selbst Menschen, die aus verschiedenen Gründen leidenschaftliche Antisemiten waren, lag es nicht, der gnadenlosen Ausrottung der Juden aus dem kulturellen Leben Deutschlands zuzustimmen. Denn in Musik, Kunst, Wissenschaft, Literatur, Medizin, Rechtswesen, Philosophie hatten die Juden mehr beigetragen als ihrem Bevölkerungsanteil entsprach, wodurch sie Deutschland mit dazu verhalfen, unter die führenden zivilisierten Länder zu zählen. Nun wurden ihre Positionen besetzt von Männern, deren vornehmliche Qualifikation in ihrer Parteimitgliedschaft bestand.
18. Kapitel – Hitlers Astrologin Margarete Kistner (1934)
Das 18. Kapitel befasst sich wieder mit Adolf Hitler und seinen Lebensgewohnheiten. Womöglich diente Gross als Quelle der folgenden Schilderung das 1940 (??) erschienene Buch „I was Hitlers maid“, das er dann aber dennoch mit seiner auch sonst vorhandenen blühenden Phantasie ausgeschmückt zu haben scheint (S. 238):
Tatsächliche oder eingebildete Schlaflosigkeit machten die Nacht zum Tag. (…) Nicht ganz klar ist, ob diese Gewohnheit womöglich etwas zu tun hat mit Hitlers Glauben an Astrologie und Okkultismus. (…) Seine neue Hausastrologin, Fräulein Kistner, ernannt nach dem vorzeitigen Tod von Erik Hanussen, war ihm von Hitlers alter Freundin, Frau Bechstein empfohlen worden, geleitet vom Geist ihres toten Ehemannes. Fräulein Margarete Kistner war eine einfache, ruhige, fast schwachsinnige Person, eine alte Jungfer von über vierzig.
Sie wohnte in einem der neuen Anbauten des Hauses Wachenfeld, beschränkt auf ihre eigenen drei Räume und eine Küche. Auf dem Tisch in ihrem Wohnzimmer lagen die Berechnungstabellen der Sterne, astrologische Bücher, das ägyptische Traumbuch in verschiedenen Ausgaben, einige Stapel von dreckigen, abgegriffenen Spielkarten, ein Kristall, ein Pendel, das über einem Grossen Porträt von Hitler schwang, das auf den Tisch geheftet war, Tassen, um Teeblätter zu lesen, eine Haselnuss-Wünschelrute, ein altmodisches Stundenglas, einige Grosse Knochen und ein menschlicher Schädel. Es sah aus wie das Zimmer eines alten Alchemisten. Fräulein Kistner sah Hitler selten persönlich. Er war es gewohnt, sie zu jeder Uhrzeit anzurufen. Deshalb konnte sie ihre Räume nicht verlassen aus Furcht, dass der Führer sie brauchen könnte. Sie sprach niemals zu irgend jemanden, außer zu Frau Bechstein während ihrer seltenen Besuche. Nachdem sie sich in Berchtesgaden eingerichtet hatte, besuchte Himmler sie von Zeit zu Zeit. Major Buch stoppte diese Besuche sofort. Buch wusste, dass diese alte Jungfer die mächtigste Person in Deutschland geworden war.
Die Schauspielerin Renate Müller
Außerdem lässt Gross in diesem Kapitel Emmy Sonnemann eine offenbar von Gross erfundene älter gewordene Hollywood-Filmschauspielerin Hitler zuführen, Rona Blanca, eigentlich Ilona Weisz (S. 246-251). Und Gross schreibt weiter (S. 251):
Der Filmstar war in Emmy Sonnemann's Schule gut ausgebildet worden darin, wie Hitler zu beeinflussen sei, was ihm gesagt werden müsse, was er gefragt werden müsse. Ihre Hauptaufgabe war, Hitler Misstrauen gegenüber Röhm einzuflößen und beim Führer Furcht vor einem möglichen Aufstand der braunen Sturmtruppen zu erwecken. Göring und seine beiden weiblichen Helfer wurden unterstützt durch eine dritte Frau – das alte Fräulein Margarete Kistner, des Führers Pythia im Haus Wachenfeld.
Göring oder eher seine Freundin Emmy hatten gelernt, wie voller Gebrauch von der Berliner Geheimpolizei gemacht werden könne, die unter dem Befehl des preußischen Ministerpräsidenten stand. Als Himmlers direkter Vorgesetzter hätte Göring ebenso auch Gebrauch von der Gestapo machen können. Aber zu jener Zeit war er noch unsicher, ob er Himmler vertrauen könne. Görings eigene Agenten waren in direkten Kontakt mit Frau Bechstein durch ein neues Medium gekommen, eine junge Studentin, die klug all die spirituellen Tricks beherrschte und die in Frau Bechstein's okkulten Zirkel gelotst worden war. Ausgestattet mit dem notwendigen Material über die Privatangelegenheiten der alten Dame konnte sie sie leicht hereinlegen. Nachdem das neue Medium Nachrichten vom der geistigen Welt übermittelt hatte, geschrieben in der Handschrift von Frau Bechstein's verstorbenem Ehemann – vorbereitet von einem Spezialisten in Himmlers Diensten, der einen alten Brief als Modell genommen hatte – war die alte Dame überwältigt und leitete diese Nachrichten weiter zu Fräulein Kistner in Berchtesgaden.
Hitler erhielt die Voraussagen von seiner privaten Hexe, dass die Sterne ihn warnen würden, nicht einem „Mann ohne Nase zu trauen“, nicht einem Mann „ohne gesunde Beine“ - was sich auf Roehm und Goebbels bezog – aber Vertrauen zu haben in eine „dunkle Frau aus dem Ausland“ und in Shakespeare's Rat in „Julius Cäsar“, 1. Akt, 2. Szene, Vers 191: „Lasst wohlbeleibte Männer um mich sein.“ Als Frau Bechstein berichtete, dass sie ähnliche Nachrichten aus der geistigen Welt erhalten hätte, war der Samen in Hitlers Gedanken gelegt. Göring musste nur noch auf das Auskeimen warten.
Am 7. Oktober 1937 verstarb sie unerwartet in einem Berliner Krankenhaus, nachdem sie vierzehn Tage zuvor aus dem ersten Stockwerk ihrer Villa gestürzt war. Ihr Tod gab Anlass zu vielen Spekulationen. Sicher ist, dass der damalige Propagandaminister Goebbels sie mit Hitler verkuppeln wollte und sie kein Interesse zeigte.
In ihrem einfachen weißen Kleid und entsprechend griechischer Art nur ein goldenes Stirnband tragend in ihrem langen goldenen Haar sah Renate Müller aus wie das perfekte deutsche Mädchen, das Maler oft versucht hatten zu malen, was ihnen aber nie gelungen war. Sie hatte den verträumten Blick in ihren grünen Augen, die Anmut in ihrem Körper, den unschuldigen Charme in ihrem Gesicht, das erinnerte an Heine's Gedichte, Mozart's Musik und Dürer's Madonnas.
Renate Müller wird eingeladen: zu privaten Gesellschaften in die Reichskanzlei, von Goebbels am Tisch direkt neben Hitler platziert, ein eleganter Hinweis. Zweimal geht sie hin, beim dritten Mal sagt sie ab. Eine mutige Aktion: Der Führer ruft, und Müller verweigert sich. Das nimmt man ihr übel. Von nun an lässt Goebbels sie beobachten. Ein Berufsverbot erteilen kann er ihr nicht, dazu ist sie zu berühmt. Aber schikanieren kann er sie lassen. Hat sie da nicht neulich während der Trauerfeierlichkeiten zum Begräbnis des Generalfeldmarschalls Hindenburg in ihrem Haus bei offenem Fenster lustige Klaviermusik gespielt? Das fasse man als bewusste Provokation auf. Bitte äußern Sie sich dazu, umgehend und schriftlich. So geht das in einem fort.
Und auch Dr. Goebbels äußert sich schriftlich. Er verweigert Renate Müller einen Reisepass nach Paris. Denn dort, das weiß Goebbels, wartet Müllers langjähriger Freund, ein junger Mann namens Georg Deutsch, Sohn eines Bankiers und Jude. Deutsch ist aus Deutschland emigriert, Müller filmt dort noch, allerdings unter erschwerten Umständen. Sie leidet unter der Situation, mittlerweile trinkt sie und nimmt starke Schlaf- und Aufputschmittel. Goebbels konfrontiert sie mit Fotos: Sie habe sich doch heimlich mit ihrem Freund in Paris getroffen. Wenn das noch mal vorkommt, werde er ihren Vater ins KZ schaffen lassen. Müller wird abgehört und von der Gestapo vernommen, die Post wird kontrolliert, die Bankkonten werden überwacht.
According to the exiled
German director Adolf Zeissler, Mueller confessed to him that she had
had a disastrous one-night stand with Hitler, in which the German
chancellor writhed around on the floor begging her to kick him so
that he could become sexually aroused. Her defenestration occurred
only days later, and several witnesses reported seeing Gestapo agents
enter her building just before her fall.
A film actress and one of
Hitler's earlier infatuations. The relationship did not last long.
After spending an evening in the Chancellery where, as Renata
confided to her director Adolf Zeissler, Hitler threw himself on the
floor and begged her to kick him and inflict pain. Shortly after this
experience, Renata Mueller was found unconscious on the pavement in
front of her hotel, forty feet below the window of her room. Renate's
sister, Gabriel, maintains that she did not commit suicide but that
she died from complications following an operation to her leg at the
Augsburger Strasse Clinic.
Renate described to Adolf
Zeissler how Hitler had invited her one night to the Chancellery and
began the evening by going into detail about Gestapo methods of
torture, comparing them with medieval techniques. Renate was totally
horrified …
20. Kapitel
Das 20. Kapitel hat unter anderem einen Streit zwischen Göring und Schacht zu bieten (S. 266-270). Und es lässt Schleicher weiter mit Röhm Intrigen spinnen. Am Ende des Kapitels warnt Rudolf Diels Schleicher vor einem Mordanschlag. Auch Röhm stünde auf der Liste.
21. Kapitel: Die Röhm-Morde (Juni 1934)
Das 21. Kapitel beginnt mit Sonntag, dem 17. Juni 1934 (S. 282):
Himmler war noch nie so beschäftigt gewesen wie während der letzten wenigen Wochen. Major Buch hatte die „Säuberung“ der Partei befohlen und entsprechend seiner Anweisungen sollten weder Rang noch persönliche Beziehungen das Abgleichen der Rechnung mit den rebellischen Elementen verhindern.
Eine bittere Pille zu schlucken für Adolf, dieses Opfern seines Freundes Röhm, aber die Wohlfahrt der Partei und des Reiches sind wichtiger als Gefühl und Freundschaft.
„Ich werde dieses Grosse Opfer bringen. Sie können handeln. Sie haben alle Vollmachten.“ „Ich danke ihnen, mein Führer, für ihr Vertrauen in mich. Ich werde mein bestes tun, um es zu rechtfertigen.“ „Und wann werden Sie beginnen?“ „So früh wie möglich, mein Führer.“ „Nein, warten sie lieber bis 30. Juni (...)“ Major Buch lächelte, als er Hitlers Räume verließ.
Nachmittags ging Hitler in den Anbau, wo Fräulein Kirstner lebte und verbrachte viele Stunden mit ihr. Die alte Jungfer war beschäftigt damit, für ihren Meister in den Sternen zu lesen, neue Enthüllungen in der Kaffeetasse und in Teeblättern zu finden und schob ihre fettigen Spielkarten herum. Und was die Sterne, ihre Kristallkugel, ihre Karten, die Kaffeetasse und die Teeblätter ihr noch nicht aufdeckten, das lernte sie durch die Nachrichten aus der geistigen Welt, die ihr freundlicherweise von Frau Bechstein übermittelt wurden. Die spirituellen Treffen in Frau Bechsteins Wohnung waren kürzlich noch lebendiger geworden. Ein neues Medium, eine junge Studentin, eine Agentin in Görings Geheimpolizei war damit beschäftigt, die vielen Nachrichten zu übermitteln, die sie von dem späten Herrn Bechstein erhielt. Die alte Frau Bechstein konnte sie nicht verstehen. Soe leitete sie sie weiter zu ihrer Freundin, Fräulein Kirstner. Die Nachrichten enthielten mysteriöse Warnungen der Geister vor einem „alten Freund, der den Führer verrät“, vor „braungekleidete, vom Ehrgeiz gebissenen Männern“, „sich zu hüten vor dem 30. Juni, wenn die Sternen eine Katastrophe voraussagten, die nur durch schnelle Aktion vermieden werden kann“, und „nicht zu vergessen, dass alle Grossen Männer das Blut ihrer Freunde zu opfern hatten, um ihr Land zu retten.“ Die Warnungen wurden mit jedem Tag alarmierender. Hitler konnte überhaupt nicht mehr schlafen. Erneut wurde er von schrecklichen Träumen geplagt. (…)
Die unterstellte S.A.-Revolte hatte sich ursprünglich Major Buch ausgedacht, der an einem Morgen in Himmlers Büro erschienen war und ohne jede Vorankündigung oder Begrüßung zu Himmler gebellt hatte: „Röhm startet seinen Putsch mit der SA am 30. Juni. (…) Hier ist eine Liste von allen Leuten, von denen ich will, dass sie beteiligt sind. Sie werden hinter den meisten Namen ein Kreuz finden. Ich werden Ihnen später sagen, was dieses Kreuz bedeutet.“ (…)
Nachdem Buch die Befehle gegeben hatte, hatte Himmler nur noch zu gehorchen. (…)
Und langsam begann Hitler an die Möglichkeit zu glauben, dass Röhm ihn verraten könnte, dass Röhm die oberste Macht für sich selbst wollen könnte. Eine Weile später erachtete er Röhm als einen Verräter!
(Original:)
In the afternoon Hitler went into the annexe where Fräulein Kirstner
lived, and spent many hours in her company. The old maid was kept
busy reading the stars for her master, looking for new revelations in
the coffee grounds and tea leaves, and shuffling her greasy playing
cards. And what the stars, her crystal, her cards, the coffee
grounds, and the tea leaves did not disclose to her, she learned
through messages from the spirit world kindly conveyed to her by Frau
Bechstein. The spiritualist meetings in Frau Bechstein's flat had
lately become even livelier. The new medium, the young girl student,
an agent in Goering's Secret Police service, was kept busy
transmitting the many messages received from the late Herr Bechstein.
Old Frau Bechstein could not understand them. So she passed them on
to her friend, Fräulein Kirstner. The messages contained mysterious
warnings from the spirits against an „old friend who is betraying
der Führer,“ against „brown-clad men bitten by his ambitions,“
„to beware of June 30th when the stars predict a catastrophe which
can only be avoided through swift action,“ and „not to forget
that all great men have had to sacrifice the blood of their friends
to save their country.“
Vorläufiges Resümee
Ein abschließendes Resümee bleibt beim derzeitigen Stand noch schwierig. Es deutet sich aber an, dass Felix Gross zum Teil - und durchaus ähnlich wie etwa ein Zeitzeuge wie Hans Bernd Gisevius - gut informierte Kenntnisse zur Hintergrundgeschichte des Dritten Reiches hatte. Und zwar auch jenseits vorherrschender Propagandabilder. Was sich etwa zeigt an seinem Bild von Paul von Hindenburg oder an seinen Ausführungen über die Auslandsfinanzierung Hitlers.
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