Dienstag, 12. Juni 2012

"Anthropologische Revolution" ist das, was derzeit stattfindet

Doch wohin geht sie: Zum Menschen als Gruppenwesen - oder zur Atomisierung der Gesellschaft? 

In der Ankündigung einer Konferenz des "Instituts für Zeitgeschichte" in München zum Thema "Die faschistische Herausforderung. Netzwerke, Zukunftsverheißungen und Kulturen der Gewalt in Europa 1922 bis 1945" Ende Juni in München (HSozKult) findet sich unter vielen anderen Vorträgen der folgende Programmpunkt:
Podiumsdiskussion: Anthropologische Revolution und totalitäre Herrschaft -  Möglichkeiten und Grenzen des historischen Vergleichs (Leitung: Magnus Brechtken; Jörg Baberowski, Arnd Bauerkämper, Patrizia Dogliani, Ulrich Herbert, Armin Nassehi) 
Man fragt sich nun, in welchem Sinn der Begriff "Anthropologische Revolution" hier verwendet wird. Ist etwa jene "Anthropologische Revolution" gemeint, die die unterschiedliche Häufigkeitsverteilung angeborener Begabungen und Neigungen (etwa Intelligenzbegabung oder Depressivitätsneigung) auf menschliche Völker und Rassen thematisiert, die sich seit Charles Darwin und Francis Galton, verstärkt, jedoch mehr oder weniger stillschweigend aber seit dem Jahr 2000, seit der vollständigen Entzifferung des menschlichen Genoms vollzieht? Und die wohl erstmals durch das Buch von Thilo Sarrazin einer größeren Öffentlichkeit bekannt und bewußt geworden ist? (Zumindest in Ansätzen einem Frank Schirrmacher und einem Norbert Bolz? So sehr sie - und der Rest - sich auch zum Teil dagegen sträubten?)

Auf diesem Blog ist dieses Thema bislang unter der Begrifflichkeit "Paradigmenwechsel in der Anthropologie" behandelt worden. Es ist auch behandelt worden im Rahmen des Bloggewitters "Deutungshoheit der Biowissenschaften" auf den Scilogs.

Gemeinschaft oder Verinselung der Menschen?

"Ergoogelt" man sich aber nun diesen Begriff "Anthropologische Revolution", so stößt man auf eine Buchneuerscheinung des Jahres 2007 (1). Es möchte einem sehr naheliegend erscheinen, daß die Konferenzveranstalter ihre Begrifflichkeit im Sinne dieser Buchveröffentlichung verwenden. Heißt es doch über dieses Buch (Club Voltaire 2008):
Mit der bürgerlichen Revolution fand eine Umkehrung der vorhandenen Dominanz des Sozialen hin zu einer Individualisierung statt. Das Individuum wurde in seiner Gänze autonom und eigenverantwortlich. Vorherige Produktions- und Herrschaftsstrukturen hatten die Menschen zwar ideologisch und sozial eingebettet, sie aber auch der Nichtigkeit preisgegeben. Nun stürzte der Mensch die alte Ordnung und musste künftig als Individuum frei und autonom Sinn, Sein und Dauer für sich stiften.

Die These des Autors: Damit ist der Mensch als soziales Wesen überfordert. Und gerade in Krisenzeiten, wo Werte und Normen sich aufzulösen scheinen, stürzt sich das Individuum mit Begeisterung wieder in vorbürgerliche autoritäre Zustände, die Sicherheit und Geborgenheit versprechen. Eine anthropologische Konstante, der eine totalitäre Dynamik innewohnt? Dies wollen wir mit dem Autor diskutieren und Lösungen skizzieren.
Neuerscheinung
In der Tat: auch in diesem Sinne eine spannende Fragestellung. Die übrigens letztlich auch einen gemeinsamen Nenner mit dem genannten Paradigmenwechsel in der naturwissenschaftlichen Anthropologie aufweist. Ist doch letzterer ebenfalls davon bestimmt, daß man den "Menschen als Gruppenwesen" versteht. Doch da die Historikerkonferenz ihren Ausgangspunkt vom italienischen Faschismus nimmt, könnte sie sich noch auf eine ganz andere Art der Begriffsverwendung beziehen.

Denn zumindest in Italien verwendet man den Begriff "anthropologische Revolution" derzeit auch noch in dem weitergehenden Zusammenhang, daß diese Invididualisierung, Atomisierung, Verinselung der Menschen sehr bewußt durch quasi-totalitäre Medien vorangetrieben wird (Tagesspiegel 02/2011). Es ist also gewiß nicht alles faschistisch, was so etikettiert wird. Aber vieles, was nicht mit dem Etikett Faschismus etikettiert wird, ist de facto (oder quasi-)faschistisch. (Womöglich auch sehr bewußt von den Hintergrundmächten und ihrer faschistischen Ideologie so beabsichtigt.) Was nun, dummblöder Eurobürger? Denke mal nach über die "Möglichkeiten und Grenzen des historischen Vergleichs"!!!!


Denn es ist durchaus sinnvoll zu fragen: Befinden wir uns in einer "anthropologischen Revolution"? Und auf welchen Ebenen ist sie wirksam? Auf der Ebene der Gene? Auf der Ebene der Kultur und der Mentalitäten? Auf beiden? ("Multilevel-Selection"?, Mehrebenen-Selektion?) Und was ist der Ausgangspunkt dieser Revolution gewesen? Wohin führt sie gegenwärtig? Wohin führten geschichtliche Experimente, die die Richtung dieser Revolution ändern wollten? Und warum? Wer treibt sie heute voran? Mit welchen Zielen? Entsprechen diese Ziele unserem aufgeklärten, humanen Menschenbild von heute? Fragen! Viele Fragen.

Eines ist gewiß: Mit Naivität kommt man hier nirgendwo zu sinnvollen und vernünftigen Antworten. Die "Macht der Doofen" beruht allein - allein - auf der Naivität der Machtlosen. Gesellschaftlicher Aufbruch - jetzt!

___________________
  1. Schimang, Dieter: Eine anthropologische Revolution und ihre totalitäre Dynamik. Die dramatische Kehrseite der Individualisierung. IKO-Verlag für Interkulturelle Kommunikation, 2007 (Amaz)

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Gesellschaftlicher Aufbruch, Herr Bading, kann nur bedeuten, dass Menschen lernen, ihren Schatten auszuhalten, den Bereich des "Unbewußten", der alles enthält, wogegen sie kämpfen.

Dadurch werden sie stärker und ganz und friedensfähiger.

Dass wir im Hahnenkampf sind, ist kein Zufall.Nach einem geistigen Gesetz begegnet man immer seinem Schatten.

Diesmal aber ein interessanter Artikel von Ihnen!

Ingo Bading hat gesagt…

na also!

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