Während es damals im deutschen Sprachraum eine Alma Mahler (1879-1964) (Wiki)
gab, die in erster Ehe verheiratet war mit einem weltberühmten Komponisten,
später ein Verhältnis hatte mit einem weltberühmten Maler, ein zweites mal
verheiratet war mit einem weltberühmten Architekten, schließlich eine
Verbindung einging mit einem berühmten Schriftsteller, während es in
Schweden und Deutschland August Strindberg gab und seine erschütternden
Erlebnisse in Ehen, während es in Norwegen und Deutschland Edvard Munch
gab, der Bilder malte wie "Der Schrei", während es in Norddeutschland
die
Künstlerkolonie Worpswede gab, der eine Künstlerin angehörte, mit der
der deutsche Dichter Rainer Maria
Rilke verheiratet war - - - in dieser Zeit gab es in Dänemark die
"Skagen-Maler". Und unter diesen war das Künstlerehepaar Peder S.
Krøyer und Marie
Krøyer das bedeutendste, bekannteste. Als das Paar aus Paris nach
Dänemark zurückkehrte und Marie
Krøyer, diese schöne
Frau, nach der neuesten Pariser Mode gekleidet war ... da blickten alle Menschen
diesem Paar hinterher, wie im Märchen. Da geht Marie, die schönste Frau
Kopenhagens ....
... Das wundersame Märchen "Es war einmal ...."
1888 lernten sie sich kennen, ein Jahr
später heiratete der 38-jährige Maler Peder S. Krøyer, genannt Søren,
Marie Triepke (1867-1940) (Wiki).
Marie war damals 22 Jahre alt. Ihre Eltern waren zwar Deutsche, lebten
aber zumeist in Kopenhagen. In Augsburg jedoch fand die Hochzeit statt.
Der
Stolz des Malers Krøyer auf Marie, die Begeisterung für sie ist auf
keinem der vielen Bilder, die er von ihr gemalt hat, verhohlen.
Weltberühmte Bilder sind darunter wie "Sommerabend am Skagener Südstrand" (1893) oder "Sommerabend am Strand von Skagen"
(1899) (Wiki).
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Abb. 3: Peder S. Krøyer - Ferdinand Meldahl, 1882 |
Für diesen Blogbeitrag ist nur eines der
schönsten dieser Bilder
von Marie herausgegriffen (siehe Abb. 1). Es steht den zeitgleichen
Bildern eines Lovis
Corinth wohl nicht nach. - Oder sollte der Pinsel geworfen werden nach
demjenigen, der solche Vergleiche überhaupt anstellt? ...
Über viele Bilder von P. S.
Krøyer, die einen nicht auf den ersten Blick beeindrucken, möchte man
hinweg gehen, weil zunächst der Eindruck entsteht, es handele sich um
etwas zu seichte, gar zu "melancholische", süßliche Bilder. Aber nein. Auf gar
keinen Fall. Schaut man genauer hin, umfangen sie einen mit
einer Atmosphäre so großen Friedens, einer solchen inneren Ruhe und
Ausgeglichenheit. Das mag zum Beispiel auch gelten für das Gemälde "Hip,
hip, hurra!" von 1888. Im Internet findet man, was die inzwischen schon
verstorbene junge Bloggerin Linda 2016 über dieses Gemälde ganz
richtig schrieb (Linda 2016) (3):
Auf
einem Bild meines Lieblings-Skagenmalers, P.S. Krøyer wird auch
ordentlich gefeiert. „Hip, Hip, Hurrah!“ ist der Titel eines seiner
berühmten Werke (...). Das Bild zeigt einige der Skagenmaler, die
vergnügt beisammen sitzen, anstoßen und offensichtlich etwas zu feiern
haben. Ich mag das Bild sehr. Ich mag es auch, mit Freunden zusammen zu
sein und das Leben zu genießen. Uns geht es so gut, daß wir das manchmal
vergessen. Das Bild erinnert mich jedes Mal daran, daß mein Glück nicht
selbstverständlich ist und ich es hüten muß wie einen Schatz.
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Abb. 4: Søren und Marie Krøyer, Doppelportrait, 1890 (jeder von beiden malte den anderen) |
Oft aber auch müssen wir überhaupt erst einmal
diesen inneren Frieden in uns finden, der auf dem Gemälde ausgedrückt
ist, um diesem Gemälde seinen ganzen Wert dann auch abgewinnen zu
können.
1895 kam die Tochter Vibeke zur Welt. Die
vielen
gehaltvollen historische Fotografien dieser Zeit (1, 2) geben einen
Eindruck von dem beseelten Familienleben, von dem Schönheitssinn in den
damaligen Künstlerfamilien in Skagen, von ihren Wohnungen, ihren
Einrichtungen. So vieles erinnert an Worpswede, an die Heimatbewegung,
an diese große Sehnsucht nach Frieden, Schönheit, Geborgenheit,
Ausgeglichenheit.
Wenn man das Glück sieht, die
Gelassenheit, die innere Selbstsicherheit, die innere Erfülltheit, die
auf diesen Gemälden und in den historischen Fotografien zum
Ausdruck kommen, ist man betroffen, daß all dem nur grob zehn Jahre
Dauer beschieden sein sollte. Was muß Søren Krøyer für ein Mensch
gewesen sein, daß er all dem Ausdruck geben konnte, aber dann psychisch
so sehr erkrankte, daß er zeitweise in die Nervenheilanstalt eingewiesen
werden mußte (ab 1900). War es zu viel des Glückes für ihn geworden?
Im
Mittelpunkt fast der meisten seiner bedeutendsten Gemälde steht immer
nur sie, Marie. Sie, sie, sie. Nun, man erinnere sich: So gehört sich das doch eigentlich auch für
einen großen Künstler. Könnte von Titian, könnte von Rembrandt,
von Renoir, von Lovis Corinth oder wie sie alle heißen, könnte
von ihnen etwa etwas anderes gesagt werden? Als daß "sie" im Mittelpunkt
stand? Sie, sie, sie? Oh, wir Menschen, wir sind gebannt von Schönheit und sinken dann ins Grab.
Aber
auch schon Krøyer's Portrait von Ferdinand Meldahl aus dem
Jahr 1882 spricht unmittelbar an, aus einer Zeit, in der es Marie in
seinem Leben noch nicht gab. So ruhig, so klar, so friedvoll (Abb. 3) (Wiki).
Wer diesen - porträtierten - Menschen zum Freund hat - dem sollte doch
eigentlich nichts Böses im Leben mehr geschehen, so ist der
Eindruck. Und geschähe es doch, so wäre es zu bestehen - - - wie auch immer.
Hugo Alfvén, ein Komponist, tritt in die Welt der Maler
Der schwedische Komponist Hugo Alfvén (1872-1960) (Wiki, engl)
wirkt in dieser Welt der Skagen-Künstler fast ein wenig wie ein Fremdkörper. Und
irgendwie hat ihn Krøyer auf seinem letzten großen Gemälde aus dem Jahr
1906 - "Sonnwendfeuer am Strand von Skagen" (Wiki) - auch so dargestellt: Nun, nach der Trennung Marie's von ihm ein Paar mit Hugo Alfvén.
Der junge 30-jährige schwedische Komponist galt in diesem Kreis als
oberflächlich. Dennoch verliebte sich die 35-jährige Marie auf Sizilien
in ihn. Das zerrüttete ihre Ehe mit Søren zusätzlich zu dem Umstand seiner wiederholten psychischen Erkrankung.
Ihr
Ehemann lud Hugo Alfvén schließlich zum Wohnen im gleichen Haus in
Skagen ein. 1905 ging aus der Beziehung zwischen Marie und Hugo Alfvén die spätere Schauspielerin Margita Alfvén (1905-1962) (Wiki)
hervor. Nach ihrer Geburt wünschte Marie die Heirat mit Hugo Alfvén.
Dieser jedoch erklärte ihr - seinem Ruf als oberflächlicher Mensch
offenbar tatsächlich gerecht werdend - er könne sie nicht heiraten, da
er schon verlobt sei (4). Nun, man erinnere sich doch an so viele andere
Künstler-Ehen und -Beziehungen der damaligen Zeit (von denen einige
oben erwähnt wurden), um zu verstehen, daß auch ein solches Schicksal
nicht gar so ungewöhnlich sein mußte.
Marie verbrachte dennoch seither die meiste
Zeit mit Hugo Alfvén, ihre Tochter Vibeke auf deren Wunsch hin mit ihrem Kindermädchen bei ihrem
Vater zurücklassend.
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Abb. 5: Die Welt der Schären, die Welt von Hugo Alfvén |
In
die vormalige, hinreißende Idylle, in dieses friedvolle Leben, in diese
glückliche Ehe war das Leid eingebrochen, tief - und fast eine Welt war
unwiderbringlich zerstört. Man glaube nicht, daß moderne Verfilmungen
(4) dem damaligen Leben gar zu leicht gerecht werden
könnten oder würden. Dazu ist unsere Zeit zu weit von der damaligen
entfernt.
Dazu sind auch die seelischen Bedürfnisse der meisten Menschen von
heute, auch der Filmschaffenden von der seelischen Erfülltheit der
damaligen Menschen viel zu weit entfernt. Wer wollte diesen damaligen
Zauber festhalten? Müßte er nicht selbst
Künstler sein, von ähnlicher Sehnsucht erfüllt wie die Menschen
und Künstler damals? Das wäre doch das mindeste ...
1909
starb der Maler so vieler kostbarer Gemälde mit 58 Jahren: Peder S.
Krøyer. Konnte er für diese Welt ersetzbar sein? Nein. Und
doch ist auch der Autor dieser Zeilen auf ihn erst nach dem 50.
Lebensjahr zum ersten mal aufmerksam geworden. Ist Krøyer im deutschen
Sprachraum ausreichend bekannt? Womöglich dürfen diesbezüglich Zweifel geäußert werden.
Hugo Alfvén und
Marie Krøyer, sie heirateten 1912 doch, obwohl letztere wußte, daß ihr
zweiter Ehemann auch Beziehungen zu anderen Frauen hatte. Sie wünschte
sich für ihre beiden Töchter einen Vater. Alfvén hinwiederum hatte mit
der Heirat auch deshalb gezögert, weil er zu Lebzeiten des bekannten Malers Krøyer
fürchten mußte, um seines Ehebruches willen seine Stelle als Chorleiter
in Uppsala zu verlieren.
Nun folgten noch einmal
friedvolle Jahre. Ja, auch in Hugo Alfvén muß - vielleicht ebenfalls
durch die Verbindung mit Marie Krøyer - ein Übermut gewachsen sein, ein
Übermut, der sich spätestens im Jahr 1916 Ausbruch verschaffte in seinem
berühmten "Tanz des Hirtenmädchens" (6).
Der "Tanz des Hirtenmädchens" (1916)
1916, als die Tochter Margita 11 Jahre alt war (und Vibeke 21), komponierte Hugo Alfvén das Ballett "Der Bergkönig" und darin den "Tanz des Hirtenmädchens"
(6). Ist darin noch einmal die ganze Welt des Künstler-Idylls von
Skagen vor 1914 zusammen gefaßt? Der Friede, der Übermut, die
Lebensfreude, der Überschwang? Es handelt sich um ein Musikstück, das so
viel Schwermut, so viel Mißmut vertreiben kann, ja, das allen Mißmut
geradezu im Keim ersticken hilft.*) Darf man diesen Tanz vielleicht auch
hören als eine Erinnerung an den so unbeschwerten, fröhlichen Maler
Peder S. Krøyer, der sieben Jahr zuvor gestorben war, an seine Ehe, an
das übermütige, stolze, selbstbewußte Glück dieser Ehe, das sich in
allen seinen Bildern dieser Zeit wieder findet, und das der damalige Ehemann
seiner Frau auch gönnte, als er selbst es - für sich - schon verloren hatte (siehe
sein Gemälde von 1906)? Was für ein stolzer, freier Mensch muß Krøyer gewesen sein.
Peder
S. und Marie Krøyer, Hugo Alfvén - sie gehören zu uns. Wir wollen uns
durch all die schlimmen Schicksale, die zwischen uns und der
fernen, vergangenen Zeit vor 1914 liegen, nicht mißmutig machen lassen,
nicht uns den alten Übermut, nicht die alte Fröhlichkeit, die alte
Sorglosigkeit, Unbeschwertheit, Gelassenheit nehmen lassen. Nein, sie
gehören zu uns, immer, sie sind immer da. Wenn wir nur wollen. Niemand
kann sie uns nehmen, niemand darf sie uns nehmen, niemand soll sie uns nehmen.
Niemand
auch darf sich und andere im Unklaren lassen darüber, daß es die Frauen
sind, die uns glücklich machen und die uns zu Hochleistungen in der
Kunst und im Kulturleben anfeuern, begeistern, auffordern, ihre
Schönheit, ihre Stille, ihre Ruhe, ihre Anteilnahme. Immer wieder ist
das die Erfahrung, die der kulturbewußte, dem Seelischen aufgeschlossene
Mensch machen muß, immer wieder ist das die Erkenntnis, zu der er zurück
kehrt. Wohl ihm, wenn er zu dieser Erkenntnis zurück kehrt,
zurückkehren kann.
Denn wie so oft, wie so leicht, wie so unendlich leicht lassen wir uns von unserem Weg abbringen.
Verfolgen wir noch ein wenig die privaten Schicksale weiter.
1928 wollte Hugo Alfvén sich scheiden lassen, seine Frau Marie wollte aber zu diesem Zeitpunkt nicht.
1936 wurde die Ehe dann dennoch geschieden.
Nach der Scheidung heiratete Hugo Alfvén Carin Wessberg (1891-1956) und blieb mit ihr bis zu ihrem Lebensende zusammen.
1940
starb Marie Krøyer. Sie starb mit 73 Jahren vereinsamt in Stockholm.
Diese Frau. - Wir wissen oft nicht, wohin uns das Leben führt.
1957, ein Jahr nach dem Tod seiner zweiten Frau, schrieb Alfvén mit 75 Jahren im volkstümlichen Stil das Ballett "Der verlorene Sohn".
Es handelt sich um anmutige, zauberhafte Melodien, vor allem Polka's
(8). Auch der Satz manches wunderschönen Volksliedes stammt von Hugo Alfvén (9, 10).
Hugo Alfvén hat auch Gemälde hinterlassen, er hat Lebenserinnerungen
hinterlassen, die sehr schön zu lesen sein sollen und in denen viele
Abenteuer aufgezeichnet sein sollen.
1959 heiratete Hugo Alfvén mit 77 Jahren sogar noch ein drittes mal, und zwar die 68-jährige Anna Lund (1891-1990).
Ein
Jahr später, 1960, starb auch er. Seine Musik lebt weiter. So wie die
Gemälde von Peder S. Krøyer noch viele Generationen fröhliche und beseelte Menschen gefangen nehmen
werden, nicht zuletzt - - - von der Schönheit Marie's.
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*) Es gibt auch ein skandinavisches Saxophon-Quartett, das diesen "Tanz des
Hirtenmädchens" sehr schön spielt (7). (Als Besonderheit kommt dazu, daß
dessen junge Musiker auch optisch auffallen ...)