... sind das Schönste, was es gibt. Denn in ihnen kann man sich neu orientieren, neu ausrichten. Und was wäre wichtiger, als ständig auf's Neue gelungene Neuorientierung und Neuausrichtung? Zumal in unserer Zeit, in der sich alles so schnell verändert. Aber natürlich gehen bei Blogpausen auch einige wichtigere Beiträge, die hätten geschrieben werden können, verloren. Es sollen hier grad, die Pause unterbrechend, zwei genannt werden, die hätten geschrieben werden können.
1. Das Volk des "Ötzi" hinterließ kaum Nachkommen in Europa
Nachdem sich präziseres Wissen darüber angesammelt hat, daß sowohl das erste Bauernvolk Europas (5.500 v. Ztr. - 4.900 v. Ztr.), die Bandkeramiker, wie auch das Volk der Etrusker (oder zumindest seine Elite), zu weiten Teilen keine genetischen Nachkommen in der heutigen europäischen Bevölkerung hinterlassen haben, ist dieser Umstand nun auch für die genetische Gruppenzugehörigkeit des "Ötzi" festgestellt worden. Es handelt sich um jenen Mann, der um 3.300 v. Ztr. in Tirol gelebt hat und vor einigen Jahren als Gletscherleiche gefunden worden ist. (Current Biology, FAZ, Morgenpost, Spektrumdirekt, bdw)
All diese Befunde deuten zusammen immer deutlicher darauf hin, daß die heutige Genetik menschlicher Gruppen und die menschliche Geschichte insgesamt sehr stark auch von dem Aussterben ganzer menschlicher Gruppen geprägt worden ist. Das heißt zugleich: durch genetische Flaschenhals-Ereignisse, in denen die Gene von kleinen Menschengruppen entscheidendere Auswirkungen auf spätere, zu großen Völkern herangewachsene menschliche Populationen haben. (Denn das Aussterben von Bevölkerungsgruppen schafft ja Platz für die Ausbreitung der Gene neuer menschlicher Gruppen wie aus einem "Flaschenhals" heraus.) In solchen Flaschenhälse finden übrigens genetische und kulturelle Neuanpassungen statt, also "Selektion" auf individueller und Gruppen-Ebene.
Es darf darum dann auch andererseits vermutet werden, daß die erste Bauernkultur an der Ostsee, die Trichterbecherkultur, bis heute sehr viele genetische Nachkommen in Europa und der Welt hinterlassen hat, und daß deren Nachkommen möglicherweise einen großen Anteil aller Blauäugigen in der Welt oder aller Erwachsenen-Rohmilch-Verdauer stellen. Auch diese Trichterbecher-Kultur könnte - nach den bisherigen archäologischen Daten - aus einer kleinen Ausgangspopulation hervorgegangen sein, die um 4.300 v. Ztr. in Ostholstein gelebt hat. - Und eine ähnliche kleine "Gründerpopulation" wird ja vermutet als Vorfahren der heute etwa zehn Millionen aschkenasischen Juden, die abstammen von einer kleinen Population, die um 600 n. Ztr. am Rhein gelebt hat.
Einschub (5.11.): Interessant übrigens, was laut FAZ "Paläogenetiker Michael Hofreiter vom Leipziger Max-Planck-Institut" zu dieser Studie sagt: "Ich halte es für unplausibel, dass eine ganze Sub-Haplogruppe in 5000 Jahren ausgestorben sein soll, während die menschliche Bevölkerung ständig gewachsen ist." Er kann sich also nicht vorstellen, daß ganze Menschengruppen, Völker in der Geschichte ausgestorben sind - statt nur ihre Kulturen.
Was aber, wenn er sich klar macht, daß - wenn man das nicht falsch in Erinnerung hat - dreiviertel der auf den Wandmalereien von Pompeji (79 n.Ztr.) dargestellten Menschen hellhaarig waren und wenn man den Anteil dieses Körpermerkmales vergleicht mit jenem unter den heutigen Neapolitanern? Sollte einem dann das Aussterben ganzer Bevölkerungsgruppen nicht doch auch plausibel erscheinen können? (Natürlich sprechen für solch eine Annahme auch noch zahlreiche andere geschichtliche, anthropologische und humangenetische Befunde außer den eingangs schon genannten.)
2. Supernaturalistischer Wunderglaube eine Folge von psychischer Verunsicherung, Verängstigung?
Sind psychische Verunsicherungen, Verängstigungen der Ursprung personaler, supernaturaler Gottvorstellungen? Eine neue Studie legt diesen Umstand nahe (bdw, Sciencedirekt). Das würde umgekehrt heißen, daß Menschen, die sich sicher fühlen, zugleich ruhiger und gelassener bleiben können, und nicht in "allem und jedem" das Wirken verborgener, willkürlich wirkender (an den sonst bekannten Gesetzmäßigkeiten vorbei wirkende) Kräfte vermuten müssen. - Ein weiterer Schritt, um die Entstehung der unterschiedlichen menschlichen Gottvorstellungen und Philosophien in Geschichte und Gegenwart zu verstehen?
Man könnte überhaupt zu der Ansicht gelangen (wie der Autor dieser Zeilen in letzter Zeit immer mehr), daß zumindest in heutiger Zeit der Glaube an supernaturale, "nichtexistierende Existenzen" (so werden sie ja heute sogar von den Gläubigen selbst definiert) nur eine andere Form der Gottlosigkeit, des Atheismus und der Gottesleugnung ist. Entweder Gott ist alles, wie Albert Einstein vermutete, oder es gibt überhaupt nichts Göttliches. Aber stellt es nicht schon einen hohen Grad von Gottlosigkeit dar, zu der uns bekannten Welt noch etwas "hinzuzudenken", um an etwas Göttliches glauben zu können? Macht uns unser Wissen von der Welt denn wirklich so gottlos, so zweifelnd an einem hohen, ehrfurchtgebietenden Wert allen Seins und allen Lebens, daß wir noch eine ansonsten intellektuell gar nicht zu rechtfertigende "Zusatzhypothese" glauben postulieren zu müssen?
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