Die ancient-DNA-Untersuchungen, die sich derzeit immer stärker ausweiten, zeigen auf, daß eine Fülle von früher sehr weit verbreiteten, großen menschlichen Populationen heute genetisch als weitgehend ausgestorben angesehen werden müssen.
Das gilt auch für Europa: Etwa die letzten Jäger und Sammler-Völker im Ostsee-Raum, etwa die ersten Ackerbauern in Mitteleuropa (die Bandkeramiker), offenbar auch der Stamm, dem der Ötzi angehörte - für die Etrusker ist dieser Umstand noch umstritten. Und auf dieser Linie könnte noch viel gesagt werden. (Etwa die Skythen in Nordsibirien, die Tocharer in der Taklamakan ...)
Weiterhin wissen wir, daß sich Populationen weltweit sehr deutlich in Häufigkeitsmustern unterscheiden was ihre Verhaltens- und Intelligenzgenetik betrifft.
All diese Daten - und eine Fülle weiterer - deuten darauf hin, daß mit neuer Lebensweise - beispielsweise Ackerbau - auch eine neue Genetik von Populationen herausselektiert wurde. Auch beim Menschen. Und zwar eine Genetik auf allen Ebenen menschlichen Seins: Ernährung, Krankheitsabwehr, Intelligenz, Sozialverhalten etc..
Jüngst wurde ja über ein humangenetisches Selektionsereignis berichtet, das nur 200 Jahre zurückliegt: eine Mutation, die auf Neuguinea das Überleben sichert, obwohl man Menschenfleisch aß (BSE etc.).
Und all diese Erkenntnisse sollten nun nichts mit der weltweit verbreiteten Neigung des Menschen zu tun haben, religiöse Vorstellungen aller Art zu entwickeln? Und mit der menschlichen Neigung, aufgrund von Religiosität kooperativer, altruistischer zu sein, als wenn man nicht religiös ist?
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Tobias, ich habe schon abgeklärtere Blogbeiträge von Dir gelesen und bin von diesem hier doch etwas arg enttäuscht. Michael Blume als unwissenschaftlich hinzustellen, ist doch absurd. Er mag Daten anders interpretieren als Du. Aber das ist Teil von Wissenschaft. Daß Du dazu so flappsig und oberflächlich Stellung nimmst, zeigt meiner Meinung nur, daß Du Dich nicht ausreichend mit Verhaltensgenetik und mit "Evolutionary Religious Studies" und mit Religionsdemographie beschäftigt hast bisher. Niemand zwingt Dich dazu. Aber dann sei auch ein bischen zurückhaltender in den Urteilen.
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Manche Erkenntnisse sind unbequem. In der Tat. Und manchmal sogar für Atheisten. Denn die Krone der Schöpfung sind sie nicht. (Wer wollte beurteilen, wer das ist?) Die Atheisten sagen, die ganze Welt, das Leben etc. ist - letztlich - eine Zufallserscheinung. Aber reiner Zufall ist etwas so langweiliges wie reine Determiniertheit. Erst das Wechselspiel von Zufall und Gesetzmäßigkeit, auch was Welt und Leben überhaupt betrifft (und Menschsein), machen dieselben so interessant und macht auch Wissenschaft nicht nur besonders interessant, sondern überhaupt erst in unserem Sinne möglich.
Genetische Selektionsprozesse präsentieren zu weit vorausgeeilten kulturellen Lernprozessen irgendwann die Rechnung
Und auf einen Einwurf von "Saper aude":
haben Sie denn das Buch von Blume und Rüdiger Vaas - letzter übrigens ein hervorragender Wissenschaftsjournalist und (soweit ich weiß) überzeugter Atheist - gelesen?
Nirgends behauptet irgend jemand, daß Atheisten grundsätzlich genetisch anders gepolt wären als Gläubige irgend einer Religion. Was für eine absurde These soll das denn sein? Glauben Sie wirklich, daß nach allem, was wir heute in der Anthropologie wissen, noch jemand einen so platten "genetischen Determinismus" vertritt, vertreten kann?
In der Humangenetik geht es heute immer nur um Häufigkeits-Verteilungen, um Wahrscheinlichkeiten, um Neigungen. Es gibt genetisch vorgegebene stärkere oder schwächere Neigungen, altruistisch zu sein, schneller denken zu können, ängstlich zu sein (Depressionen entwickeln zu können), ADHS zu entwickeln.
In der Anthropologie kommt es heute darauf an, die sehr diffizile, offenbar ziemlich "intelligente" Kombination zwischen Genen und Kultur, das sehr dehnbare, aber auch reißbare Band, das zwischen beiden besteht, nach und nach immer besser zu verstehen. Aber dieses Band ist keine Pleuelstange, wie Sie noch zu unterstellen bereit scheinen.
Auch ist die menschliche Psyche kein System von gegeneinander abgeschlossenen Kammern. Musikalität und Schönheitswahrnehmung spielen natürlich hinüber in Vorstellungsbereiche, in Ideologien, in die Art meines Philosophierens, in die Art der phantastischen Geschichten, die ich mir und anderen über meine Herkunft und die Herkunft der Welt erzähle. Und Vorstellungsbereiche spielen wiederum hinüber in die Art der Musikalität und dessen, was ich für schön und für häßlich erachte. Und auch in diesen Bereichen sind natürlich die kulturellen Lernprozesse schneller als die genetischen Selektionsprozesse.
Aber immer deutlicher erkennen wir, daß die genetischen Selektionsprozesse zu weit vorausgeeilten kulturellen Lernprozessen irgendwann "die Rechnung" präsentieren. Etwa durch gesellschaftsweite Aussterbeereignisse und durch das Herausselektieren von neuen, an die vorausgeeilten kulturellen Lernprozesse auch genetisch besser angepaßten Gründerpopulationen.