Als Hauptvertreter des biopolitischen Denkens im Deutschland der 1970er Jahre war Henning Eichberg dem politischen Denken seiner - und unserer! - Zeit weit voraus, ganz ohne Frage. Und offenbar verschreckt von den Reaktionen, die dieses Denken, das weit seiner Zeit voraus war, allseits in Deutschland hervorrief - sowohl auf politisch "rechter" wie auf politisch "linker" Seite (und beim "Establishment" sowieso) - wandte er sich von diesem biopolitischen Denken gerade in jener Zeit ab, in der es innerhalb der - seiner eigenen Disziplin eng benachbarten - biologischen Verhaltensforschung immer festere Grundlagen erhielt. Das ist für uns ein sowohl mysteriöses wie bewegendes Geschehen. Denn zwanzig Jahre nach Eichberg referierten wir in der Doktorandenrunde von August Nitschke gerade über jenes naturwissenschaftsnahe Menschenbild, von dem Eichberg zu jenem Zeitpunkt offenbar schon nicht mehr besonders viel wissen wollte. In dem vorliegenden Beitrag versuchen wir diese uns mysteriös erscheinende geistige Entwicklung so weit als möglich nachzuvollziehen, indem wir einfach chronologisch seine Veröffentlichungen durchgehen soweit sie im Internet gegenwärtig verfügbar sind. (Der vorliegende Beitrag muß nach und nach noch weiter ergänzt werden, sobald ihm auch schwerer erreichbare Literatur verfügbar geworden ist, insbesondere mehrere Buchveröffentlichungen.)
Die grundlegende Frage ist: Warum blieb Eichberg bei seiner Historischen Verhaltensforschung stehen und arbeitete ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr an der Integration der Erkenntnisse der biologischen Verhaltensforschung und Soziobiologie in ein selbstverständliches, vollständiges, ganzheitliches Menschen- und Völkerbild mit? Wo war für ihn das Problem? Warum sprach er - alt geworden - und nach einem ansonsten sehr selten vollzogenen Wechsel von der politisch "rechten" zur politisch "linken" Seite sogar so unaufgeklärt und undifferenziert von der "gefährlichen faschistischen Versuchung" seiner vorherigen Lebenszeit? Natürlich besteht diese Versuchung, ohne Frage. Ein modernes biologisches, mit dem wissenschaftlichen Kenntnisstand im Einklang stehendes Menschenbild kann leicht zu dieser Versuchung verführen. Aber gerade darum muß man doch die Dinge auf der Sachebene klären und erörtern anstatt mit ziemlich oberflächlichem Raisonnement einen Umweg um sie herum machen - !?
Einen vollständigen Bruch in der geistigen Biographie von Henning Eichberg scheint es dennoch offenbar nicht gegeben zu haben. Über das Volk und die Bedeutung des Volkes in der Politik dachte Henning Eichberg bis an sein Lebensende nach. Und das zumeist lebendig und kreativ. Das einzige, was festzustellen ist, ist, daß er schon früh dabei die Erkenntnisse der modernen Biologie nicht mehr mit einbezog in sein Denken. Und das ist der Hauptumstand, der uns im vorliegenden Beitrag umtreibt und dessen Ursachen und Begleitumständen wir im vorliegenden Beitrag nachgehen wollen. Wir haben eine ähnliche Entwicklung ja hier auf dem Blog schon bei Alain de Benoist untersucht und dargestellt (50, 51). Bei de Benoist scheinen uns die Ursachen für seine - ähnlich sonderbare - Entwicklung ziemlich leicht erkennbar zu sein. Henning Eichberg ist im Gegensatz zu Alain de Benoist aber offenbar ein geistig völlig freier Mensch und Kopf gewesen. Und hätte sich Eichberg nicht von der Naturwissenschaft abgewandt, so möchten wir vermuten, daß dies de Benoist auch nicht getan hätte ....
Eine Hauptquelle: Die Zeitschrift "Wir selbst" (1979-2002)
Was ist dafür an Literatur auszuwerten? Da sind die Bücher von Henning Eichberg (1-4), da sind unzählige Aufsätze von Henning Eichberg, insbesondere über Jahrzehnte hinweg erschienen in der geistig lebendigen Zeitschrift "Wir selbst" (5-31) und da ist schließlich eine vielfältige Sekundärliteratur über Henning Eichberg und das biopolitische Denken der 1970er Jahre (32-49). Am besten und dichtesten gewinnt man gegenwärtig einen Eindruck von den politischen Denkwegen von Henning Eichberg über das Online-Archiv der Zeitschrift "Wir selbst", eine Zeitschrift, die zwischen 1979 und 2002 erschienen ist (5). Fast scheint es ja so, als wäre diese Zeitschrift gegründet worden, um insbesondere ihm, Henning Eichberg, ein Forum zu geben und um sein Denken die ihm am nächsten stehenden Autoren zu gruppieren (Baldur Springmann zum Beispiel gehörte dazu und viele andere).
Eichberg ging von der von ihm lebenslang vertretenen Historischen Verhaltensforschung nicht weiter zu der diesem Fach so nahe benachbarten Biologischen Verhaltensforschung und Soziobiologie, obwohl - oder gerade weil?! - zu seinen Lebzeiten in letzterem Wissenschaftsbereich ständig neue Argumente verfügbar wurden zur Begründung jener politischer Positionen, die Eichberg selbst als junger, feuriger, Vordenker des Ethnopluralismus, der Völkervielfalt in den 1970er Jahren vertreten hatte. Man wünschte sich, er lebte noch und man könnte ihm einige dringende Fragen stellen, zum Beispiel:
Welche Rolle spielt seiner Meinung nach die Naturwissenschaft für das moderne Menschen- und Gesellschaftsbild? Darf sie bei der ausgewogenen Beurteilung aller menschlichen Verhältnisse und Vergesellschaftungen unberücksichtigt bleiben, ohne in die Gefahr gar zu leicht manipulierbaren ideologischen Denkens zu geraten, das mit seinen vielen "Verschiebebahnhöfen" bis heute doch offensichtlich nicht zu einer größeren Emanzipation im Bereich des Menschlichen und Gesellschaftlichen beigetragen hat und beiträgt, sondern im Gegenteil gegenwärtig zu einer furchtbaren Vernichtung wertvollster gewachsener Hochkulturen auf der Nordhalbkugel führt?
Als Vertreter der Historischen Verhaltensforschung hat sich Eichberg seit seiner Habilitation in einem Wissenschaftszweig bewegt, der schon von seinem Grundansatz her die Nähe zur Naturwissenschaft in Anspruch nahm (nämlich zu der von Konrad Lorenz begründeten naturwissenschaftlichen Verhaltensforschung). Es wäre also aufzuzeigen, daß diese Nähe am Ursprung auf die weitere Entwicklung dieses Faches - und so auch auf die geistige Entwicklung von Henning Eichberg - erstaunlich wenig Einfluß genommen hat. Obwohl doch zeitgleich das Aufkommen der Soziobiologie zu konstatieren ist, die - zum Beispiel mit Christian Vogel und Eckart Voland in Göttingen - geistes- und naturwissenschaftliche Aspekte der Verhaltensforschung verbindet. Hat sich Henning Eichberg zu diesen Entwicklungen irgendwann einmal konkreter positioniert? Darüber ist uns bislang nichts bekannt geworden. Und wenn nicht: warum hat er dieser Entwicklung nicht mehr Platz in seiner eigenen geistigen Auseinandersetzung eingeräumt?
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Abb. 1: Henning Eichberg 2015 |
Jedenfalls hat Henning Eichberg noch jene mühsame "Arbeit des Begriffs" kampfeslustig und einsatzbereit auf sich genommen, die die frühere langjährige Kulturredakteurin der "Jungen Freiheit" Angelika Willig (geb. 1963), eine promovierte Philosophin, ebenfalls als notwendig erachtete, mit der sie auch ansatzweise begann, die sie aber dennoch 1998 mit ihrem Aufsatz "Abschied von rechts" (erschienen in der "Jungen Freiheit") seither wenig perspektivlos zu einem kaum geistige Erfolge versprechenden Unternehmen erklärte. Und damit markiert sie die geistige Leerheit im Denken der volkserhaltenden Kräfte in Deutschland fast bis heute.
Geistiges Brausewasser im Deutschland der 1970er Jahre
In den 1970er Jahren war Eichberg eindeutig das Brausewasser in den geistigen Gefilden der volkserhaltenden Kräfte in Deutschland. Beschäftigt man sich mit einem Leben, wird sofort klar, wie lebendig die geistige Auseinandersetzung rund um die Erhaltung der Völker geführt werden kann. Es fällt sofort ein Licht auf die Art, wie dies in den letzten 20 bis 30 Jahren von seinen - angeblichen! - geistigen Erben, seien es nun kritische oder nicht, geführt wird. Diese Erben sind - verglichen mit einem Henning Eichberg - nur Museumsverwalter. Und mögen sie noch so laute Reden halten bei Pegida-Demonstrationen oder auf AfD-Versammlungen. Ja, auch Marc Jongen gehört zu solchen Museumsverwaltern. Man entschuldige schon! Man schaue sich doch nur den lebendigen Henning Eichberg dazu im Vergleich an.
Noch 2015 redet Eichberg auf Vorträgen frisch und unverbittert. Was für ein Leben. Warum wird man erst jetzt, anläßlich seines Todes auf dieses Leben aufmerksam? Und zwar durch einen Nachruf von Karlheinz Weißmann (48), der - durchaus mit Recht - als lesenswert in Kreisen weiter gereicht wird, denen Volkserhaltung wichtig ist? Der Grund ist ganz einfach: Weil Eichberg zwar in den letzten 30 Jahren sicherlich ein anregender Denker war - aber kein revolutionärer mehr. Revolutionär war er - - - bis er Professor wurde! Denk es, oh Deutschland.
Dem Autor dieser Zeilen war der Name Eichberg nur flüchtig in Erinnerung geblieben, weil er auf ihn im Zusammenhang mit den biopolitischen Debatten der frühen 1970er Jahre gestoßen war, auf die er ebenfalls erst sehr spät aufmerksam wurde (49), obwohl sie ja doch die sogenannte "Neue Rechte" überhaupt erst begründeten (wie einem dabei erst bewußt wird). Die damaligen so lebendigen biopolitischen Debatten werfen ein sehr grelles Licht auf die heutige Sterilität bezüglich dieser Debatten in der sogenannten "Neuen Rechten".
Auf einer Internetseite wie derjenigen der Zeitschrift "Sezession" etwa findet man den Namen Henning Eichberg oft erwähnt. Aber fast immer nur im Vorübergehen. Eine echte, tiefer gehende Auseinandersetzung mit seinem Leben, ein Weiterdenken seiner Positionen gab es dort in den letzten Jahren nirgendwo. Lächerlich, im Grunde, auf solchen langweiligen Seiten so etwas zu erwarten. (Brodkorb verfolgte zwar ein wenig - wie nebenbei - die Debatten, die Eichberg 2009 bis 2011 auf "Endstation rechts" führte, merkte dabei aber gar nicht, daß Eichberg, selbst wenn er sich so "krude" äußerte wie in diesen Debatten, immer noch jedem heutigen "neurechten" Möchtegern geistig weit voraus war. Und warum? Weil er einfach nur selbständig dachte und nicht bloß in Schablonen oder einem unglaublich steifen, sterilen christlich-rechtskonservativ Denken verhaftet blieb, bei dem der Jesuit hinter jeder Zaunritze hervorlugt. Die Debatten selbst rankten sich um ein solches immer inhaltsloseres Scheinthema wie die Unterscheidung zwischen "links/rechts", das Menschen ja wichtig sein muß, die weiterhin nur "Ideologiekritik" betreiben wollen und keinesfalls - - - - Verschwörungstheorie und anderen schlimmen Dinge (Biopolitik etwa, horribile dictu!). Zu diesen Menschen gehörte ja Eichberg an seinem Lebensende auch ... Schade eigentlich! Er hätte - von seinen Anfängen her gesehen - als ein echter Held in die deutsche Geschichte eingehen können.
1971 - "Territorialtrieb" - Assistent bei August Nitschke
Auf Wikipedia heißt es über Eichberg (Wiki):
Er wurde 1971 wissenschaftlicher Assistent bei August Nitschke am Institut für Sozialforschung der Universität Stuttgart, wo er sich 1976 mit Studien zur Soziologie Indonesiens und zur Geschichte des modernen Sports in historischer Verhaltensforschung habilitierte.
Wie gesagt, habe ich, der Autor dieser Zeilen, selbst im Doktoranden-Seminar von August Nitschke in Stuttgart am 16. November 1993 ein Referat gehalten. Der Autor Henning Eichberg war mir damals kein Begriff, ich war auch bis heute nie ein Leser der - im Grunde recht lesenswerten - Zeitschrift "Wir selbst" gewesen. Ich wohnte 1993 in Weil der Stadt, wo ich meine schriftliche Magisterarbeit abschloß und von wo aus ich mich an der Universität Stuttgart auf meine mündlichen Magisterprüfungen (an der Uni Mainz) vorbereitete. Dabei muß ich auf August Nitschke aufmerksam geworden sein. Allerdings haben mich August Nitschke und auch das von ihm vertretene Fach Historische Verhaltensforschung 1993 nicht gar so besonders beeindruckt. Innerlich war ich damals wohl schon weiter. Das war mir alles viel zu weit weg von jenem sehr konkreten Brückenschlag zwischen Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft, an dem mir selbst damals schon sehr gelegen war. Ich trug in meinem Referat Grundgedanken vor aus Hoimar von Ditfurth's „Der Geist fiel nicht vom Himmel“, aus Lumbsden/Wilson's Gen-Kultur-Koevolution und kam dann abschließend auf Probleme des Krummhörn-Projekts von Eckart Voland zu sprechen. Man war dort in der Doktorandenrunde zwar sehr offen und interessiert. Aber ich glaube, ich war der einzige in dieser Runde, der sich überhaupt für Soziobiologie interessierte. Letztlich war mein Eindruck: Das ist mir alles zu geisteswissenschaftlich. Aber immerhin, in der Rückschau ist doch zu sagen, daß zumindest Offenheit vorherrschte. - - - Über Eichbergs damalige biopolitische Positionen ist in der Literatur weiter zu erfahren (Heiler 2003, S. 9):
Der Territorialtrieb gilt der Sicherung des Gruppenreviers. Hauptzweck des Triebs ist die Abgrenzung vom fremden Territorium. “Es überlebt die Art, deren Mechanismus von Abgrenzung und Behauptung nach außen wie Solidarität nach innen am entschiedensten funktioniert“ formuliert der neurechte Ex-NPD-ler Henning Eichberg 1971.
Auch hier ist der naturwissenschaftliche Kenntnisstand noch voll berücksichtigt.
1972 - "Aktion Neue Rechte"
1972 spaltet sich ein Teil der NPD von ihrer 1967 durch den britischen Geheimagenten Adolf von Thadden gegründeten Mutterpartei ab, da es nicht gelungen war, den genannten britischen Geheimagenten vom Parteivorsitz zu entfernen (damals war natürlich noch nicht bekannt, daß er im Dienst eines Geheimdienstes stand ...) Henning Eichberg nun verfaßte für die abgespaltene Gruppierung die Grundsatzerklärung "Manifest einer europäischen Bewegung" (R. Scholz 2009). 1979 ging aus dieser Abspaltung, wenn man es recht versteht, auch die Zeitschrift "Wir selbst" hervor.
1973 - Warum nicht "1968 von rechts"?
Es ist dann zu erfahren (TOP 2007):
Am 26. Oktober 1973 war es, da konnte die Burschenschaft Thessalia zu Prag in Regensburg, 1961 Gründungsmitglied des radikal-völkischen Flügel der Dachorganisation Deutsche Burschenschaft, der Burschenschaftlichen Gemeinschaft, und damit laut Selbstverständnis dem „konservativen Prinzip“ verpflichtet, ihr 109. Stiftungsfest begehen. Der Redner, den die Burschen und ihre Alten Herren für geeignet befunden hatten, ihnen den Weg in die Zukunft zu weisen, war ein gewisser Henning Eichberg. Dieser hatte zu einem militärhistorischen Thema promoviert und arbeitete damals als Assistent für Sportgeschichte an der Universität Stuttgart. (...) Eichberg zögert nicht, den Transfer in die damalige Aktualität zu vollziehen: "Warum kam nicht (als Antwort auf 1968, d.V.) aus der Reihe der Burschenschaften eine Initialzündung, die Einbringung der nationalen deutschen Frage als revolutionärer Störfaktor?"
Da ist es, das Brausewasser der 1970er Jahre. Warum gibt es das seither nicht mehr? 1973 beruft sich Eichberg in seinem Buch "Der Weg des Sports" übrigens sehr selbstverständlich auf die Gedanken und Forschungen von Konrad Lorenz zur Evolution des Spielens. Er integriert also zumindest Teile des naturwissenschaftlichen Forschungsstandes in seine wissenschaftliche Arbeit.
1974 - Angeborene Intelligenz-Unterschiede zwischen Rassen
Über einen grundlegenden Aufsatz, den Henning Eichberg 1974/75 in den "Burschenschaftlichen Blättern" veröffentlichte, ist zu erfahren (zit. n. "Neue Rechte in Deutschland", S. 102):
Schwarze zum Beispiel hätten, so drückt es der Nationalrevolutionär Henning Eichberg in einem Beitrag in den "Burschenschaftlichen Blättern" aus, einen um 20 Prozent niedrigeren Intelligenzquotienten als Weiße, würden dafür jedoch über ein besseres Gedächtnis verfügen. Eichberg stützt sich hierbei auf Ergebnisse amerikanischer Wissenschaftler (z.B. Arthur Jensen), die diese Fakten bewiesen haben wollen. Der Nationalrevolutionär folgert daraus, "daß verschiedene Rassen eine genetisch und erblich verschieden strukturierte Intelligenz besitzen." Eichbergs Fazit: Kulturelle Errungenschaften werden als ausschließlich von Deutschen bzw. Europäern erbringbare Leistungen dargestellt. Anderen Individuen wird die Fähigkeit dazu aufgrund mangelnder Intelligenz abgesprochen.
Der letzte Satz dieses Zitates ist keine wörtliche Wiedergabe, er kann deshalb auch tendenziell verzerrt wiedergegeben sein. Das bleibe an dieser Stelle zunächst unentschieden. Jedenfalls ist hier klar der naturwissenschaftliche Kenntnisstand zum Menschen- und Gesellschaftsbild berücksichtigt, und zwar eben jener, der heute immer noch gültig ist. In einer Rückschau aus dem Jahr 2009 auf diese Zeit sagt Eichberg (Scholz/Brodkorb, 2010 Teil 1):
Vom - französisch inspirierten - Europa-Gedanken führte auch eine Linie zur rassistischen Versuchung. Der saß ich zwar nicht gänzlich auf, sie schlug sich aber vereinzelt doch in meinen Schriften von 1967-70 nieder. Europas "weiße" Identität - da lag eine rassische Deutung nur allzu nahe. Aber das blieb bei mir marginal, während die Vorstellung von einem "Europäischen Sozialismus" eine stärkere Dynamik entwickelte. Daß es sich bei der Europa-Orientierung letztlich um eine Flucht vor der deutschen Identität handelte, also um eine Flucht vor dem Volk, wurde mir erst später deutlich. Mein letzter Europa-Artikel erschien in den "Burschenschaftlichen Blättern" 1974. Damals kamen mir schrittweise Bedenken wegen des Mangels an Demokratie in der Europa-Schwärmerei.
Die "rassische Deutung" blieb bei ihm also marginal. Dabei geht es nicht um Deutung, sondern um Mitberücksichtigung des Kenntnisstandes, der dann natürlich auch zu deuten ist, ja. Im weiteren kommt Eichberg dann 2010 auf die "faschistische Versuchung" zu sprechen, die es damals für ihn gegeben habe, unter anderem aufgrund des Einflusses von Jean Mabire.*) Zu all dem haben wir zur Zeit noch zu wenig Zugang zu Originaltexten, um uns hierüber ein eigenes Urteil bilden zu können.
1976 - Habilitation bei August Nitschke in Stuttgart
1976 habilitierte sich Eichberg bei August Nitschke in Stuttgart.
1978 - "Grenze zum Biologischen fließend" / Rudi Dutschke
1978 schreibt Eichberg in seinem Buch "Nationale Identität" (S. 34):
Die aus dem Begriffspaar Natur/Kultur abzuleitende Grenze zum Biologischen ist jedoch fließend. Einerseits ist der Mensch physiologischbiologisch durch seine Kultur geprägt - vgl. Ilse Schwidetzky: Hauptprobleme der Anthropologie.
Auch dieses nur sehr kurze Zitat macht deutlich, daß Eichberg zu diesem Zeitpunkt noch sehr weitgehend die naturwissenschaftliche Anthropologie berücksichtigte, hier etwa in Form der wertvollen Bücher von Ilse Schwidetzky.
1977 hatte der in Dänemark lebende Rudi Dutschke in der Zeitschrift "das da" den Aufsatz "Die Deutschen und der Sozialismus" veröffentlicht (Wiki):
„Warum denken deutsche Linke nicht national? Die sozialistische Opposition in der DDR und in der Bundesrepublik müssen zusammenarbeiten. Die DDR ist zwar nicht das bessere Deutschland. Aber sie ist ein Teil Deutschlands.“ Um die westdeutsche Linke für die von ihr vernachlässigte „nationale Frage“ zu interessieren und die Behandlung dieses Themas nicht den Nationalisten zu überlassen, verwies er auf den von Karl Marx selbst betonten dialektischen Zusammenhang mit der sozialen Frage: „Unter solchen Bedingungen fängt der linke Deutsche an, sich mit allem möglichen zu identifizieren, aber einen Grundzug des kommunistischen Manifestes zu ignorieren: Der Klassenkampf ist international, in seiner Form aber national.“ Diese Ansichten stießen jedoch damals auf fast einhellige Ablehnung und manchmal Empörung.
Nun, das stimmt so rundweg nicht. Wir wissen heute, daß zahlreiche enge Weggefährten von Rudi Dutschke entweder damals oder später die nationale Frage als ähnlich wesentlich und revolutionär erkannten wie Dutschke: Bernd Rabehl, Horst Mahler, Rainer Langhans und viele andere mehr. Nur gelang es, diese Bewegung so zu zersplittern, daß sie als wirkungslos verpuffte. Aber in diesem Zusammenhang meldete sich auch Henning Eichberg schon im November 1978 in derselben Zeitschrift zu Worte und (Wiki)
führte in dem von Jochen Steffen und Klaus Rainer Röhl herausgegebenen Magazin das "da-avanti" eine vielbeachtete Diskussion mit Rudi Dutschke über die nationale Frage in Deutschland unter der Überschrift: „National ist revolutionär“.
Vollständig hieß sein Aufsatz: "National ist revolutionär! Was Rudi Dutschkes Thesen zur 'Nationalen Frage' für die Linken bedeuten" (Nachdruck in "Wir selbst", sowie auf "SachedesVolkes"). Darin schreibt Eichberg:
Um 1967 begann eine neue Generation diese Lage zu durchschauen. „Die marxistische Linke muß Ansätze des Nationalismus weitertreiben, gerade auf den neuralgischen Punkt, daß Deutschland geteilt wurde durch den Bundesgenossen USA”, schrieb Bernd Rabehl damals. Aber sobald die Neue Linke in die tatsächliche Auseinandersetzung ging (auf der Straße und in den Medien), ließ man das Thema fallen. Die Problemblindheit, die Rudi Dutschke jetzt beklagt, datiert seit jenen Tagen. Eine Chance wurde verpaßt: die nationalrevolutionäre Chance.
Genau ein Jahr später starb Rudi Dutschke überraschend mit 39 Jahren in Aarhus in Dänemark - in der Badewanne. Er hatte nach Bremen umziehen wollen und dort aktiv in die Politik der Partei "Die Grünen" einsteigen wollen. Das hätte jenes damals schon geplante und in der Durchführung befindliche Hijacking der grünen Partei durch dieser Partei ganz andere Interessen deutlich erschwert. Der Tod von Rudi Dutschke wird also vielen sehr willkommen gewesen sein, die jede Art von "Querfront", wie sie sich damals innerhalb der "Grünen" anbahnte, damals und bis heute zu verhindern bestrebt waren, damit jede grundlegende gesellschaftliche Änderung.
Zwei Jahre später sollte Henning Eichberg ausgerechnet in jenem Dänemark eine Professur erhalten, in dem Rudi Dutschke von 1967 bis 1979 gelebt hatte.
1980 - Henning Eichberg stiert sie auch an, ... die "Rechristianisierung"
Henning Eichberg war Nichtchrist. Dies geht auch aus dem Umstand hervor, daß er 1980 für den Nachdruck einer Geschichte der proletarischen Freidenkderbewegung ein Nachwort schrieb mit dem vielsagenden Titel: "Proletarische Freidenker. Über eine alternative Kulturbewegung, die in der Rechristianisierung der Linken untergegangen ist". Dieser Titel zeigt auf, daß sich Eichberg damals schon bewußt war, daß an einer Rechristianisierung der Linken gearbeitet worden ist. Diese hatte zur Folge, daß es noch heute keinen offiziellen laizistischen Arbeitskreis innerhalb der SPD gibt, ein geradezu lächerlicher Umstand angesichts der Tatsache, daß die Arbeiterbewegung der Hauptträger der ersten großen Kirchenaustrittsbewegung schon vor dem Ersten Weltkrieg gewesen ist.
Eichberg benutzt hier einen Begriff, den wir hier auf dem Blog - ganz unabhängig von ihm - etwa seit 2007 oder 2008 ebenfalls benutzen, und zwar um genau das zu charakterisieren, was Henning Eichberg selbst einst als Nichtchrist in den 1970er Jahren begründet hatte. Man möchte meinen, dass man mit Henning Eichberg zusammen doch auch einen Aufsatz hätte schreiben können über die von ihm begründete Neue Rechte, einen Aufsatz mit dem Titel: "Eine alternative Kulturbewegung, die in der Rechristianisierung der Rechten untergegangen ist". - - -
Gerne würde man wissen, welche Gedanken Henning Eichberg hierzu zu äußern gehabt hätte. Und wie er den Befund bewertet hätte, dass ausgerechnet ein dezidierter "katholischer Protestant" wie Karlheinz Weißmann den am meisten beachteten Nachruf auf ihn von "rechter" Seite im Jahr 2017 geschrieben hat. Ebenfalls ein deutliches Zeichen von rückschrittlicher Rechristianisierung. Wo sind all die vielen "neurechten", wissenschaftsnahen Nichtchristen der frühen 1970er Jahre geblieben? Keiner mehr da, der auf Eichberg einen Nachruf schreiben kann? Auch auf der Internetseits von "Wir selbst" oder auf der Internetseite des Bublies-Verlages finden wir keinen Nachruf bislang auf Henning Eichberg.
Frühjar 1982 - "Gut gewürzte Texte" fordern Berufsverbot für Henning Eichberg in Deutschland
1982 bekam Henning Eichberg eine Professur an der Universität Stuttgart angeboten (v. Lessen, Ostpreußenblatt 2001):
Als
ihm, der zweifellos ein origineller und kreativer Denker von hohem
intellektuellen Niveau ist, in Deutschland die Chance geboten wurde,
nach seiner Habilitation eine Professur in Stuttgart zu bekommen,
entfesselte die Illustrierte STERN, von der wir heute wissen, wie stark
dort die Einflüsse der Stasi waren, eine wüste Kampagne gegen Eichberg,
woraufhin er jede Chance verlor, im deutschen Wissenschaftsbetrieb eine
adäquate Stellung zu bekommen.
Dazu erschien Anfang März 1982 in der Illustrierten "Stern" ein Artikel von Ulrich Völklein (geb. 1949) (Wiki) mit dem Titel "Die roten Nazis - Die rechte Gewalt hat ein linkes Programm: nationale Revolution und Sozialismus". Über diesen Artikel wird gleich danach in der Zeitschrift "Wir selbst" unter "Literaturhinweise" festgehalten (Wir selbst, 3/1982, pdf):
Die Irritationen über die nationale Frage haben die BRD-Rechte ergriffen und schütteln sie hin und her. Den herrschenden Akzent setzte die CDU, als sie sich mit einer Massendemonstration in Bonn Anfang Juni nachdrücklich als die amerikanische Partei in Deutschland bekannte.
Nun, das ist ja so beinhart wie nur möglich bis heute. Es wird weiter berichtet, daß ein Leserbrief aus CDU-Kreisen in der "Welt" vor dem bösen, bösen Anti-Amerikanismus des Erlanger Historikers Hellmuth Diwald gewarnt hätte. Wolfgang Venohrs „Die deutsche Einheit kommt bestimmt“ wäre in Rezensionen von Hans-Dietrich Sander in der "Welt" begrüßt, von Günter Zehm eben daselbst scharf angegriffen worden. Nun, das war sechs Jahre, bevor sie tatsächlich kam. Wurden hier unorthodoxe Linke und Rechte eingeschüchtert, damit angesichts der schon 1982 geplanten "Wiedervereinigung" es nicht zu viele Menschen geben würde, die einen "dritten Weg" für Deutschland fordern würden? Dann macht das alles Sinn. Und dann macht es insbesondere auch Sinn, daß damals ein Berufverbot für Henning Eichberg in Deutschland gefordert wurde (siehe gleich). Auch sonst - so weiter in "Wir selbst" - wäre in der Zeitung "Die Welt" Verunsicherung geäußert worden über das neue Engagement der Zeitschrift "Wir selbst" für die kleinen Völker in der Welt und die dort damit verbundene Kritik an dem Imperialismus der damaligen Großmächte. Dann heißt es weiter (Wir selbst, 3/1982; Hervorhebung nicht im Original):
Eine andere, mächtigere Gruppe der BRD-Rechten hingegen versucht, das Gespräch über die nationale Frage überhaupt zu kriminalisieren. CDU-nahe Kreise aus Chefredaktion und Verlagsleitung des „Stern“ lancierten dort am 4.3. einen Artikel unter der Überschrift „Die roten Nazis - Die rechte Gewalt hat ein linkes Programm“. Im Sinne der Strauß-Stoiber-These wird darin maßgeblichen Kreisen der unorthodoxen Linken die intellektuelle Urheberschaft rechtsextremen Bombenattentate angelastet.
Sauber durchargumentiert, kann man da nur sagen. Herrlich. Immer die gleiche Masche. Und weiter:
Namentlich werden wegen ihrer linksnationalen Äußerungen genannt: Heinrich Albertz, Egon Bahr, Rudolf Bahro, Wolf Biermann, Heinrich Böll, Peter Brandt, Ingeborg Drewitz, Henning Eichberg, Erhard Eppler, Dieter Kunzeimann, Holger Strohm, Wolfgang Venohr und Martin Walser.
Die CDU-nahen „Stuttgarter Nachrichten" setzten nach und forderten ein Berufsverbot für Henning Eichberg („Scharf rechts mit linken Parolen?" 17.4.) - Auch eine Fernsehsendung im 3. Programm des WDR („Reporter“, 16.4.) schloß daran an. - Daß diese Kampagne der BRD-Rechten gegen die alternative Linke und speziell gegen die Nationalrevolutionäre faschistischen Denkmustern folgt, wurde deutlich, wo in den Medien die Aberkennung akademischer Grade (wie 1936 gegen Thomas Mann) gefordert, die „Gefährlichkeit“ der Intelligenz betont und Verschwörungsfantasien in die Welt gesetzt wurden.
Selbst der damals erhobenen Forderung nach einem gemeinsamen Nationalfeiertag von BRD und DDR zur Feier der deutschen Revolution von 1848 ("Aktion 18. März") wurde damals unterstellt, von "roten Nazis" angezettelt zu sein (C. Hamann 2010, S. 44). Hier wird jedenfalls deutlich, daß es damals doch eine erheblich größere Offenheit und Vielfalt im öffentlichen politischen Denken gab als heute. Und es wird ebenso deutlich, daß diese Offenheit und Vielfalt des Denkens tatsächlich mit "faschistischen" Mitteln aus dem ideologischen Umfeld der beinharten Amerikatreue der CDU und mit Hilfe der allzeit bewährten "Strategie der Spannung" ("rechtsextreme" Bombenattentate) nach und nach immer mehr zum Schweigen gebracht werden sollte und zum Schweigen gebracht wurde. Solche Bemühungen lassen sich bis heute verfolgen. (Ähnliches konnte ja zum Beispiel noch beobachtet werden rund um die "Mahnwachen-Bewegung", die 2014 rund um Lars Mährholz entstanden war [Wiki].) - Und dementsprechend hat auch ein Clemens Heni, ein heutiger Überwacher und Warner vor zu großer Offenheit und Meinungsvielfalt im politischen Sprektrum, über den Vorgang des Jahres 1982 rund um Henning Eichberg noch vor einem halben Jahr in hämischem Ton und in geschickter Auswahl von Tatsachen schreiben können (Clemens Heni, 28.11.16):
Zu BRD-Zeiten sprach man ab den 1970er Jahren von einer Querfront, wenn Rechtsextreme sich links verkleideten, vorneweg Henning Eichberg. Der an der Uni Bochum frisch promovierte Eichberg hatte 1971 sein politisches Vorbild Arthur Ehrhardt, SS-Hauptsturmbannführer und „Bandenbekämpfungsspezialist im Führerhauptquartier“ und nach 1945 Gründer der SS-Zeitschrift „Nation Europa“, verabschiedet („Arthur Ehrhardt ist tot. Der hünenhafte Bauer (…) ist von uns gegangen. Wir, seine Freunde und Schüler, sind betroffen.“) und wenige Jahre später die Partei "Die Grünen" in Baden-Württemberg mitgegründet, wurde in „linken“ Zeitschriften wie Ästhetik&Kommunikation publiziert und brachte Rudi Dutschke, Joseph Beuys oder Grüne aufs Titelblatt der neu-rechten Postille „wir selbst“. Früher war es also ein Zeichen von Querfront, wenn sich extreme Rechte als links verkleideten. Der Stern hatte seinerzeit Eichberg, dem wichtigsten Theoretiker deutscher „nationaler Identität“ (er publizierte 1978 das erste Buch mit diesem Titel, seither ist der Begriff schrittweise im Mainstream angekommen) der nationalrevolutionären Neuen Rechten die akademische Karriere in der Bundesrepublik vermasselt, weil er einen gut gewürzten Text gegen die „roten Nazis“ und Eichberg publizierte (Ulrich Völklein (1982): Die roten Nazis. Die rechte Gewalt hat ein linkes Programm: nationale Revolution und Sozialismus, in: Stern, 35. Jg. (1982), H. 10, 4.–10. März 1982, S. 98–106).
Seit Längerem gibt es nun in der Bundesrepublik auch die Variante, dass sich Linke an die Rechte ranmachen, so wie z.B. Sahra Wagenknecht an Frauke Petry und die AfD ...
Und mit weiterem Blablabla geht es mit politischem Alltagsgeschwätz weiter. (Hübsch übrigens hier wie sonst der Schulterschluß zwischen "kritischen Linken" und beinharter CDU, wenn es um das Warnen vor böser, böser "Querfront" geht. Gegen solche verabscheuungswürdigen "Großen Koalitionen" muß ja auch wirklich niemand etwas haben ... Aber sie dienen dazu, alles politisch Stromlinienförmig zu machen, was es noch nicht ist.)
Nun, noch im gleichen Jahr 1982 erhielt Henning Eichberg eine Professur in Dänemark. In der Zeitschrift "Wir selbst" ist von diesem Zeitpunkt an von seinem "politischen Exil" in Dänemark die Rede.
Leider (!!!) erscheint es nun fast so, als ob bei Henning Eichberg mit der Erlangung der Professur zugleich einhergeht eine bewußtere Abwendung von seiner vormaligen, weitgehend vollständigen Berücksichtigung der wissenschaftlichen Kenntnisstandes zum heutigem Menschen- und Völkerbild. Insofern hätte also das "quasi-faschistische" Vorgehen gegen Offenheit und Vielfalt im politischen Denken durch "gut gewürzte Texte" doch wieder einmal Früchte getragen, auch bei jenen, die Teile dieses Vorgehens im Grunde schon durchschaut hatten. Womöglich spielten hierbei auch - wieder einmal - etwa im Kreis der Redaktion von "Wir selbst" taktische Überlegungen eine Rolle. Würde man den Kenntnisstand zum naturwissenschaftlichen Menschen- und Völkerbild beschweigen, wäre man eher "koalitionsfähig" gegenüber vielfältigen anderen Gruppierungen im nationalrevolutionären Spektrum, so sicher eine von vielen - für rein politisch denkende Menschen typische - Überlegung.
1984 - "Kulturgemeinschaft derer mit dem hohen IQ"
Zwei Jahre später, 1984, macht er sogar eine Abwendung von der "positivistischen Wissenschaft" insgesamt kenntlich (die er doch auch als Historischer Verhaltensforscher betreibt?), bzw. von Auswüchsen derselben wie er sie versteht. Da schreibt er nämlich in "Wir selbst" (3/1984):
... Inzwischen sind
nämlich ganz andere Mythen als solche entdeckt und zum
Gegenstand der Kritik geworden, die ideologischen Grundlagen
der Industriegesellschaft selbst. Der „Fortschritt” des
industriellen Kapitalismus erwies sich als zielloses Fort-laufen
mit hängender Zunge auf eindimensionaler Aschenbahn.
Die Überholmythen des staatswirtschaftlichen Systems Osteuropas
stehen dem in nichts nach. Die „Rationalität” der
positivistischen Wissenschaft führte zum Gehirn-Kult und
letztlich zur Samenbank und Kulturgemeinschaft derer mit
dem hohen IQ. „Wachstum”, „Leistung” , „Erziehung”,
„Produktivität” - Mythen, Mythen, nichts als Mythen.
Hier wird ein riesiges großes Missverständnis formuliert. Die „Rationalität” der positivistischen Wissenschaft ist kein Mythos. Sondern schlicht Wissenschaft. Hier wird für uns zum ersten mal ein seichtes und oberflächliches Denken bei Eichberg erkennbar, er flüchtet sich hier wohl in eine Art sponti-haftes Verhalten oder Denken: "Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt". Das ist schade, sehr schade. - - - Was Professuren offenbar alles aus Menschen machen können.
IQ und IQ-Unterschiede zwischen Völkern sind nun also - nach Eichberg - "Mythen, nichts als Mythen"! Und es wird schon spürbar: Diese Meinung selbst ist gar nicht in der Rationalität verwurzelt, sondern im für Eichberg bis zu seinem Lebensende so wichtigen - - - "Habituellen". Das Habituelle ist aber keine Erkenntniskategorie. Die Wissenschaft war an ihrer vordersten Front dem zu ihrer Zeit gültigen Habituellen meist weit voraus. Aber was kann ein "Sponti" wie Henning Eichberg damit anfangen? Er möchte wortlustig und flott formulieren. Er möchte - offenbar - "ankommen", "dabei sein". Er möchte nicht mehr Revolutionär sein. Und er möchte mit seinem Weltbild auch nicht in den Sachen selbst wurzeln. Ihm ist Konsequenz rund um ein unteilbares, einheitliches Weltbild (s. E.O. Wilson - "Einheit des Wissens", 1998) nicht wichtig. Er beendet seinen Aufsatz mit den Worten:
Alle Geschichte nimmt ihren Ausgang vom Körper und seinen
Sinnen. Und dort endet sie wieder.
Das ist auch sonst wohl einer der durchgängigsten Gedanken in seinem Leben. Auf die biologische Unterschiedlichkeit der Körper scheint er dabei keinerlei Augenmerk gehabt zu haben. Oder doch? Diese genetisch bedingte Unterschiedlichkeit der Körper ist übrigens nicht nur im Leistungssport von Bedeutung. Sie ist auch im Umfeld rund um etwa tänzerische Begabung von Bedeutung. Überhaupt ist der Körper unsere Seele (Gerhard Roth: Wie das Gehirn die Seele macht). Und darum sind mit körperlichen biologischen Unterschieden zwangsläufig seelische biologische Unterschiede verbunden. Schade, Henning Eichberg, dass Du dem Bewusstseinsstand Deiner Jugendjahre ab 1982 nicht mehr treu geblieben bist. Sehr schade. Du hättest Dir sonst um die Erhaltung der Völker am Ende des 20. und am Beginn des 21. Jahrhunderts viele Verdienste erworben. Denn in diesem Bewusstseinsstand liegt der Knackpunkt diesbezüglich.
1987 - "Abkoppelung", auch vom biologischen Denken
1987 veröffentlicht Eichberg sein Buch "Abkoppelung". In diesem heißt es zum Beispiel (S. 107) (nur nach Google Bücher-Ausschnitten zitiert, das muss noch genauer herausgesucht werden):
.... den Nationalismus auf das menschliche (und tierische) Territorialverhalten zurückzuführen. Dabei ergeben sich jedoch zwei Probleme: Das Territorium, von dem die Biologen sprechen, ist viel zu klein, als daß es mit der Nation in Zusammenhang gebracht werden könnte. Es wird vom einzelnen Individuum, organisiert in Kleingruppen, von einer Grenze zur anderen durchstreift. Damit kann das Territorium Gefühle mobilisieren, die vielleicht in der Heimatliebe - bezogen auf Dorf, Tal, Stadt - eine Entsprechung haben. Die Nation hingegen ist keine übersichtliche Einheit dieser Art. - Damit ist allerdings nicht ausgeschlossen, daß ... Ähnliches gilt für die Versuche einiger biologischer Verhaltensforscher, nicht im Territorial-, sondern im Gruppenverhalten die Grundlage von Nationalismus zu sehen. Gruppenverhalten findet sich in Klöstern und Jugendbanden, in Arbeitsteams und in ... ...
Immerhin, gedanklich setzt er sich hier noch mit den damaligen biologischen Forschungen auseinander. Spätestens von diesem Zeitpunkt an sieht sich Eichberg selbst als Linker und vertritt einen als links verstandenen Nationbegriff, es ist von nun ab von seinem "humanistisch gefärbten Nationalismus" die Rede (Venner 1994, S. 35, 38, 40). All das wird aber verschiedentlich auch als der "scheinbare Wandel des Henning Eichberg" wahrgenommen (Venner 1994, S. 35).
1991 - Eichberg wird als "rechts-" und "links-"alternativ wahrgenommen
1991 heißt es im Klappentext zu einer rein ideologischen Untersuchung des Denkens von Henning Eichberg durch Frank Teichmann, wobei Wissenschaft und Scheinwissenschaft wild durcheinander gewürfelt werden:
In den letzten Jahren bemüht sich die politische Rechte in Europa, ihre Ideologie zu modernisieren. Mit Begriffen wie "nationale Identität", "Ethnopluralismus", "Bio-Humanismus" versucht sie, ihre alten Überzeugungen in ein neues, scheinwissenschaftliches Gewand zu kleiden. Einer der profiliertesten Vertreter dieser "Denkfabrik" ist der Kultursoziologe und Sportwissenschaftler Prof. Dr. Henning Eichberg. Seine Arbeiten wurden in Zeitschriften des rechten sowie des linken bzw. alternativen Spektrums veröffentlicht und lösten Irritationen aus, da sie "linke" und "rechte" Argumentationsweisen scheinbar in Einklang bringen. Neben einem Überblick über die politische Karriere Eichbergs in den Organisationen der Rechten wird in dieser Arbeit durch einen Vergleich der sportwissenschaftlichen Publikationen mit den explizit politischen die übergreifende rassistische Argumentationsweise Eichbergs nachgewiesen. Dabei ergibt sich nicht nur ein kritischer Überblick über alle wesentlichen Bestandteile der "modernisierten" Ideologie der gesamten Rechten, sondern es werden auch die Methoden und "Tricks" offen gelegt, welche es Eichberg ermöglichen, diese rassistische Ideologie im Wissenschaftsbetrieb sowie in alternativen Kreisen zu verbreiten.
Aus dem Inhalt: Eichbergs Weg bei den Rechten - Das biologi(sti)sche Menschenbild - Die okzidentale Erkenntnistheorie - Die Grünen von rechts - Der Ethnopluralismus - Der neue alte Nationalismus - Die Rezeption Eichbergs in der Sportwissenschaft - Konstituierungsproblematik der Sportwissenschaft.
Zu diesem Zeitpunkt dürfte sich Eichberg selbst schon von den hier kritisierten - angeblich "rassistischen" - Positionen entfernt haben - wie schon angedeutet. Oder trug auch diese Darstellung zu Eichbergs weiterer Entfernung und Distanzierung bei? Dem Volksgedanken allerdings bleibt Eichberg immer treu. 1992 fordert er in "Wir selbst" eine "volkliche sensible Politik".
Exkurs: Die naturwissenschaftsnahe Wende im Menschen- und Gesellschaftsbild seit 1994
An dieser Stelle soll kurz eingeschoben werden, was sich in dem Jahrzehnt zwischen 1994 und 2005/10 tat auf jenen Gebieten der Naturwissenschaft, die einen besonderen Bezug zum biopolitischen Denken aufweisen (siehe: 52, 53). 1994 und 1998 erschien die Trilogie von Kevin MacDonald, die den Volksgedanken aus naturwissenschaftlicher (soziobiologischer) Sicht heraus charakterisiert und sein Wirken analysiert anhand der 2000-jährigen Geschichte, sowie der Gegenwart von Judentum und Antisemitismus. Als Kevin MacDonald der Vorwurf gemacht wurde, er wäre antisemitisch, verteidigte ihn sein Fachkollege David Sloan Wilson mit dem Argument: Wenn Kevin antisemitisch ist, müsste man mich antikalvinistisch bezeichnen, denn ich habe den Kalvinismus als eben solche gruppenevolutionäre Strategie analysiert wie MacDonald es mit Judentum und Antisemitismus getan hat. Daran wird erkennbar, was für eine unangreifbare Position man durch Naturwissenschaft einnimmt. Der Volksgedanke wurde hier also mit dem Begriff "gruppenevolutionäre Strategie" benannt, der auch auf Religionsgemeinschaften angewandt werden kann. 1994 erschien das wesentliche Buch "The Bell Curve", dessen Inhalt deutsche Intelligenzforscher heute als völlig seriös bezeichnen, 2003 erschien "Human Accomplishment" vom selben Autor Charles Murray, in dem die weltgeschichtliche Einzigartigkeit der westlichen, europäischen Kultur aufgezeigt wird.
Wenn Henning Eichberg die Diskussionen rund um diese Werke alle ignoriert haben sollte, so wird ihm ein solches Ignorieren doch als Sportsoziologe nicht möglich gewesen sein, als im Jahr 2000 Jon Entine's "Taboo - Why Black Athletes Dominate Sports and Why We’re Afraid to Talk About It" erschienen ist. In vielen heutigen sportsoziologischen Überblicksdarstellungen findet sich in Literaturlisten das Buch Entine's bald hinter den Veröffentlichungen Eichbergs angeführt. - Wie hat sich Eichberg zu Entine geäußert, hat er jemals zu ihm Stellung bezogen, wo ihm doch der Körper im Sport so wichtig war? Sollte er dieses Buch ignoriert haben, müsste man ihn der Unredlichkeit zeihen.
2006 erschien "Race Differences in Intelligence" von Richard Lynn, ein Buch, das die Positionen Eichbergs aus den 1970er Jahren zur angeborenen Unterschiedlichkeit der Intelligenzbegabung von Völkern weltweit auf bis dahin nicht dagewesener empirischer Basis nachwies. Konnte ein Henning Eichberg darüber hinweggehen? Seit dem Sommer 2005 wird der Aufsatz "Natural History of Ashkenazi Intelligence" von Henry Harpending und Mitautoren diskutiert (Wiki). Alles das wesentlichste Entwicklungen in der modernen Naturwissenschaft, die zeigen, dass der Volksgedanke nicht unabhängig von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen behandelt werden kann.
Und dementsprechend griff diese wissenschaftlichen Entwicklungen auch Thilo Sarrazin 2010 in seinem Buch "Deutschland schafft sich ab" auf, das schon im Titel den Volksgedanken in den Mittelpunkt stellt. Doch all diese Veröffentlichungen haben - jenseits des vorliegenden Blogs - nirgendwo nachhaltiger dazu geführt, dass beim Nachdenken über das Volk und über Volkserhaltung - und beim politischen Argumentieren rund um dieselben - die moderne Naturwissenschaft ganz selbstverständlich mitgedacht und mit berücksichtigt wird. Als Björn Höcke ein einziges mal in einer internen Rede ein naturwissenschaftsnahes Argument brachte, reagierte die gesamte politische Welt von ganz rechts bis ganz links mit hilfloser Aufgeregtheit, nirgendwo wurde dazu die angemessene Sachargumentation vorgetragen - außer hier auf dem Blog (54) und auf unserem Parallelblog "Studium generale". Warum stehen wir so einsam da? Warum hat das 1970er Denken von Henning Eichberg in Deutschland keine Tradition begründet? Warum ist demgegenüber die heutige "Neue Rechte" innerlich und argumentativ so ausgehöhlt und steril?
Diese heutigen Erscheinungen liegen nicht zuletzt darin begründet, dass sich das ab einem sehr frühen Zeitpunkt offenbar auch Hennig Eichberg erlaubt hat, naturwissenschaftliche Tatsachen zu ignorieren oder gar zu "Mythen" zu erklären. Dass Henning Eichberg das getan hat, ist letztlich unentschuldbar - bei aller sonstigen Sympathie. 2005 gelingt es Eichberg sogar - und gar nicht einmal ganz unüberzeugend - die Anliegen der "Antideutschen" positiv in das eigene Weltbild zu integrieren. - Hätte ihm eine solche Integration dann nicht auch mit dem naturwissenschaftlichen Kenntnisstand leicht fallen müssen? Nein, wir stehen diesem Umstand ohne Verständnis gegenüber.
Provozieren wollte er doch immer. Oder wollte er das - als Professor - dann doch nicht mehr gar so sehr? Womit könnte heute - und spätestens seit 2005 - was den Volksbegriff betrifft besser provoziert werden als mit naturwissenschaftlichen Fakten und Erörterungen? Das wussten doch viele politisch Linksstehende schon besonders gut seit 2005, seit dem Erscheinen von "Natural History of Ashkenazi Intelligence" (Steven Pinker etwa, Abraham Foxman und viele dergleichen mehr, auch mehrere deutsche, linksstehende Journalisten) (zusammengestellt in: 52). Aber soweit uns übersehbar, hat sich Eichberg mit biologischen Argumenten das letzte mal im Jahr 1987 - und in tendenziell ablehnendem Sinne - geäußert.
1996 - Menschen sind "schon gar nicht biologisch" "determiniert"
1996 schreibt er in "Wir selbst" (1/1996):
So wurden die Menschen der Moderne national und nationalistisch in einem existenziellen Sinne von Zugehörigkeit. Man ist als „Deutscher“, „Franzose“, „Sorbe“, „Friese“, „Bretone“ etc. zugehörig etwa so, wie man - von seiner Lebenspraxis her - Moslem, Christ, Jude oder Freidenker ist. Nur kann man die Religion in der Moderne leichter wechseln, während die Wahlmöglichkeiten der nationalen und ethnischen Identität begrenzter - und doch keineswegs voll determiniert (und schon gar nicht biologisch) sind. In diesem Sinne ist der Nationalismus keine Ideologie, sondern er liegt im Vor-Ideologischen. Er nimmt religiöse Sozialqualitäten auf, aber er reicht psycho-sozial tiefer als die Religion. Aus dem Christentum - und damit aus der historischen religiösen „Verantwortung“ für Kreuzzüge, Mission und Kulturvemichtung - können wir aussteigen; aus der deutschen Verbindung mit „Auschwitz“ nicht.
Vom Einzelmensch her gesehen ist die Zugehörigkeit zu einem Volk vor allem durch die muttersprachliche Prägung gegeben, diese ist irreversibel. Sie findet vor der Geburt und während des ersten Lebensjahres statt und Menschen jeder biologischen Herkunft können auf jede beliebige Muttersprache geprägt werden. Insoweit hat Eichberg in diesem Zitat recht.
Aber wie damit schon deutlich wird: Die (Mutter-)Sprache der Gemeinschaft hat Einfluß auf meine Identität. Wie aber wird die Sprache der Gemeinschaft geformt? Nach allem, was wir heute wissen und bei der vollständigen Beschreibung mitberücksichtigen müssen, wird sie geformt durch ein komplexes Zusammenspiel von Geschichte, Kultur und Biologie (Populationsgenetik). Dieses Zusammenspiel wird Gen-Kultur-Koevolution genannt. Und wir erkennen seit der vollständigen Sequenzierung des menschlichen Genoms und seit den ungeheuren Erfolgen der ancientDNA-Forschung, dass "jüngste Humanevolution" stattfindet, sprich, auch "regional" stattfindet. Dass sich innerhalb weniger hundert oder tausend Jahre völlig neue genetische Eigenschaften in menschlichen Völkern - oder mit menschlichen Völkern - ausbreiten können. Und von dieser Seite her ist der Satz von Eichberg vollkommen falsch. Der Einzelmensch ist durch die Muttersprache "determiniert" (bestimmt), die Muttersprache ist ein Produkt von Geschichte, Kultur und Biologie.
Gemeinschaften mit anderen biologischen und geschichtlichen Voraussetzungen formen Kulturen mit anderen Stimmungsgehalten und darum mit anderer Muttersprache. Auch kann eine bestimmte biologische Herkunft besser im Einklang mit einer muttersprachlichen Prägung stehen als eine andere biologische Herkunft. Denn in der Muttersprache sind auch Neigungen enthalten zu bestimmten Arten des religiösen Erlebens, bzw. zur Kulturgestaltung, es sind in ihr Mentalitäten enthalten. Eine wesentliche Unterscheidung ist auf diesem Gebiet die Konsens-Kultur Ostasiens und die Invidiual-Kultur Europas. Schon längst liegen populationsgenetische Daten vor, die nahelegen, dass diese Mentalitätsunterschiede von der Populationsgenetik der jeweiligen Völker stabilisert werden.
Wenn die Genetik eines Menschen aber nicht zu dieser Art des religiösen Erlebens, bzw. zu dieser Art der Kulturgestaltung und Mentalität passt, wird er das in der Muttersprache enthaltene Erleben unbewusst, halbbewusst oder auch bewusst für sich umformen. Sprich: Hätten Hunde eine Sprache, die durch prägungsähnliches Lernen erworben wird, so könnte dennoch ein Bernhardiner nicht plötzlich zu einem Dackel werden, nur weil er auf die Art des Bellens eines Dackels geprägt ist. Sein Bernhardiner-Sein wird sich sonderbar ausnehmen, wenn er wie ein Dackel "bellt", auch ihm selbst. Und schon Richard Dawkins hat ja 2004 (in "Ancestors Tale") darauf aufmerksam gemacht, dass wir Dissonanzen, Unstimmigkeiten zwischen Biologie und Kultur ja allzu deutlich wahrnehmen, ja, dass unsere Wahrnehmung sogar kulturelle oder biologische Unterschiede dort sehen "will", wo sie so ausgeprägt gar nicht vorhanden sind, dass unsere Wahrnehmung als Unterschiede verstärkt.
Volk liegt darum in der Tat im Vor-Ideologischen, da hat Eichberg recht. Es reicht sogar tiefer als die Religion. Da hat Eichberg auch recht. Es wurzelt schlicht in der Evolution, in den populationsgenetischen Häufigkeitsunterschieden zwischen den Völkern und in der damit in Verbindung stehenden, evolutionär zu beschreibenden Kulturgeschichte der Menschheit.
Deshalb haben Völker natürlich auch eine ganz klar biologisch zu beschreibende Identität. Es ist lächerlich, diesen Umstand auszuklammern. - Übrigens ruft der Begriff "determiniert" in diesem Zusammenhang zumeist falsche Assoziationen hervor. Menschsein selbst ist von seiner Möglichkeit zur Freiheit hin bestimmt. Freiheit aber verwirklicht sich immer in einem Rahmen von Determiniertheiten, die auch derzeit immer genauer beschrieben werden durch die Wissenschaft. Manfred Eigen hat das schon im Titel seines sehr grundlegenden Buches gut auf den Punkt gebracht, das er nannte "Das Spiel - Naturgesetze steuern den Zufall". Naturgesetze sind jene "Determiniertheiten", die Freiheit überhaupt erst möglich und spannend machen, die sie zur Herausforderung machen.
Im gleichen Jahr 1996 bringt Eichberg sein Buch "Die Geschichte macht Sprünge" heraus. In der Zeitschrift "Wir selbst" lautet der Anzeigentext zu diesem Buch folgendermaßen:
Henning Eichberg, der bedeutendste
Nationalismus-Theoretiker
der Gegenwart, analysiert
die Bedeutung des Nationalen
in Hinblick auf Identität und
Entfremdung, auf Krieg und
Frieden, auf den Zusammenhang
von Nation und Revolution.
Die brillanten Einzelstudien sind durchzogen vom Denken Johann
Gottfried Herders, N.F.S. Grundtvigs und Martin Bubers. Eichberg entwirft eine moderne, libertäre Philosophie des
Volkes, die kein System darstellt, sondern einen Prozeß des
Infragestellens auslöst.
Was ist die nationale Frage nach dem Vollzug der staatlichen
Einheit? Das scheinbar festgefügte westliche Wertesystem wird
als brüchig erkannt. In Umrissen wird deutlich: Das Volk und
nicht die Verfassung ist Ausgangspunkt gelebter Demokratie.
Es wird spürbar, dass sich Eichberg von Jahr zu Jahr weiter von der Zur-Kenntnisnahme biologischer Forschungen entfernt hat. Aber das sollte im einzelnen jeweils hier noch eingearbeitet werden.
1998 - Ausgegrenzt
1998 erscheint ein (ausnahmsweise einmal ziemlich nichtssagender) Aufsatz von Henning Eichberg in "Wir selbst" über Völker und Grenzen. Er erscheint direkt vor einem Aufsatz von I. Eibl-Eibesfeldt, der auch nicht besonders brisant ist (aus heutiger Sicht). Aber dieser Umstand macht klar, daß ja selbst die biologische Verhaltensforschung, personifiziert durch Eibl-Eibesfeldt, in der längsten Zeit der letzten Jahrzehnte es tunlich vermieden hat, konsequenter biopolitisch zu argumentieren. Und als Eibl-Eibesfeldt es dann dennoch tat, wurde er vehement ausgegrenzt. Diese Erfahrung hatte Eichberg schon Jahrzehnte vorher gemacht. Er wurde akademisch aus Deutschland nach Dänemark ausgegrenzt. Und dort fand er "Grenzen" dann nicht mehr so wichtig wie "Unterschiede". Nun, selbst Peter Sloterdijk singt heute wieder - mit anderen Vordenkern - das Loblied der Grenze. Damit wird deutlich: Eichberg war leider einfach geistig ein bisschen zu beweglich und hat zu stark auf den Zeitgeist reagiert. Ein Eibl-Eibesfeldt hat sich nie als Revolutionär verstanden, ein Eichberg aber schon. Von einem Revolutionär aber erwartet man mehr.
1999 - Menschenrecht ist Volksrecht
1999 stellt Eichberg einem Aufsatz in "Wir selbst" voran einen Auszug aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 (Wir selbst 1/1999):
Art. 15.1. Everyone has the right to nationality. 2. No one shall be arbitrarily deprived of his nationality nor denied the right to change his nationality. Art. 21.3 The will of the people shall be the basis of the authority of government. Art. 27.1. Everyone has the right freely to participate in the cultural life of the community.
Er schreibt dann so nachvollziehbare Dinge wie:
Menschenrecht
schließt die Selbstbestimmung des Volkes und
damit der Völker ein und ist damit Volksrecht.
Menschen bilden Völker und andere Vergemeinschaftungsformen,
von denen sogar in der
eher westlich-individualistischen Ausgabe der
Menschenrechte ausdrücklich die Rede ist. Die
universelle Deklaration der Menschenrechte
von 1948 spricht ausdrücklich vom Recht auf
bzw. von family (Artikel 16), association (20),
community (27,29), nationality (15) und people
(21). Völkerrecht ist also im wahrsten Sinne des
Wortes Völker-Recht und eben nicht (nur) Staatenrecht.
Wer von den Völkern nicht reden will,
wie kann der von Menschenrecht sprechen?
Es gilt aber auch der umgekehrte Zusammenhang:
Wer von den Menschen nicht reden
will, soll von den Völkern schweigen.
Jahrzehntelang hat z.B. die Neue Rechte ihren
Hohn über die Menschenrechte ausgegossen.
(...) Gegen den
NATO-Krieg opponieren kann man nur von
einer klaren Grundlage der Menschen- und
Völkerrechte aus.
Dass sich Henning Eichberg weiterhin mit so guten Argumenten zum Volksgedanken bekennt, das ist ein Umstand, dem wir ihm dennoch sehr positiv anrechnen wollen. Hat man so gute Argumente schon einmal in einer Pegida- oder AfD-Rede gehört? Der Autor dieser Zeilen kann sich nicht daran erinnern.
2004 - Festschrift für Alain de Benoist
2004 schreibt Eichberg einen Beitrag für eine Festschrift auf Alain de Benoist, wobei er (nach JF 19.3.2004)
die Gelegenheit nutzt, sogar auf die Vergeblichkeit des Kampfes der "Nouvelle Droite" um die vielzitierte "kulturelle Hegemonie" aufmerksam zu machen.
Um dazu mehr sagen zu können, müsste man den Originaltext verfügbar haben. Man gewinnt jedoch den Eindruck, dass die Kategorien "einen wahren Standpunkt vertreten" und "politisch erfolgreich sein" von Eichberg unzulässiger Weise nicht ausreichend auseinander gehalten werden. Es sei festgehalten: Bei einer konsequenten Orientierung am naturwissenschaftlichen Denken sollte einem ein solcher Fehler nicht so leicht unterlaufen.
2005 - Die "Antideutschen" als Bewahrer der deutschen Identität
2002 war das Erscheinen der Zeitschrift "Wir selbst" eingestellt worden - aus welchen Gründen auch immer. Im August 2005 wird in der "Jungen Freiheit" dann berichtet, dass Henning Eichberg in der Zeitschrift "Volkslust" ein neues Forum gefunden hat:
Hat Henning Eichberg in der "Volkslust" sein neues deutsches Forum gefunden? Der Kultursoziologe und einstige Nationalrevolutionär sorgt sich um den Seelenzustand der deutschen Linken, gespalten in PDS-nahe "Antiimperialisten" und politisch heimatlose "Antideutsche", die bei "Antikapitalismus" und US-feindlichem "Antiimperialismus" sogleich an Auschwitz denken. Den Adepten eines Hermann Gremliza, Herausgeber der Zeitschrift Konkret, und der Fan-Gemeinde der antideutschen Postille Bahamas attestiert Eichberg eine "Betroffenheit, die eine speziell deutsche ist". Nolens volens fungieren so selbst die "linken" Extremneurotiker als Bewahrer der nationalen Identität. Für Eichberg "gibt es eben keine 'Gnade der späten Geburt', wie die bürgerliche Rechte sie sich ausdachte". Ausgedacht hatte sich den Satz ursprünglich der bürgerliche Linke Günter Gaus. Eichberg scheint hier so vergeßlich wie die "linken" Kohl-Verächter von gestern.
Nun, immerhin auch einmal ein ungewöhnlicher Gedanke, wenigstens kein steriler, sondern ein fröhlicher.
2006 - Die Langweiligkeit rein ideologischen Denkens ...
Im März 2006 berichtet die "Junge Freiheit" über das dritte Heft der "Volkslust":
Das dritte Heft der Volkslust ist da. Die Redakteure und Mitarbeiter um Hanno Borchert, die das Erbe der nationalrevolutionären Zeitschrift "Wir Selbst" angetreten haben, sehen eine der wesentlichen Missionen "der authentischen Linken" darin, das Volk "in Bewegung" zu versetzen. Dementsprechend widmen sich wichtige Aufsätze der aktuellen Ausgabe der Positionsbestimmung. Mit dem ewig jungen Thema der vermeintlichen oder tatsächlichen "Zweiteilung politischer Positionen" befaßt sich Henning Eichberg. Es geht - wieder einmal - um die Frage, wie zeitgemäß die Unterscheidung zwischen Rechts und Links noch ist und wie es um den sagenumwobenen "dritten Weg" bestellt ist. Unter der Überschrift "Rechte Hand, linke Hand und keine dritte" läßt Eichberg keinen Zweifel daran, daß die Unterscheidung nach seiner Auffassung nach wie vor ihre Berechtigung hat: "Wer das Ende von Rechts-Links behauptet, steht in der Regel selbst rechts", behauptet Eichberg, der einen Blick zurück in die siebziger Jahre wirft. In dem damaligen Versuch, das Rechts-Links-Schema zu überwinden, sieht er einen der grundlegenden Impulse der frühen grünen Bewegung, in der sich Menschen von "bürgerlichem" und "linkem" Habitus getroffen hätten. Dennoch: "Die Kette der Versuche, sich jenseits des Gegensatzes von Rechts und Links zu plazieren, liest sich als eine Serie von Vergeblichkeiten." Als Beleg für seine These führt Eichberg die Grünen an, die sich längst zu einer "normalen" bürgerlichen Partei - auch: "Kriegspartei" - gewandelt hätten. Dennoch sieht er die Rechts-Links-Einteilung nicht als "natürlich" und somit ewig an. Nach einem geschichtlichen Abriß läßt Eichberg die Ideengeschichte hinter sich und wendet die Frage ins Ästhetische. Er befaßt sich mit der Körperlichkeit und vergleicht die "Körperrepräsentationen und idealtypischen Körperbilder auf der Rechten und Linken", in denen er charakteristische Unterschiede entdeckt. Das Körperbild der Linken unterscheide sich von dem rechten "narzißtischen Stil der Selbstdarstellung und politischen Mythologie". Letztlich kommt Eichberg zu dem Schluß, daß es in die Illusion führe, anzunehmen, es lasse sich ein dritter Weg jenseits von Links und Rechts finden. (...) Linke Herzen erwärmen dürften (...) Eichbergs Gedankensplitter "Also doch Sozialismus?" Hier wird das Heft seinem Anspruch, "links" zu sein, vollends gerecht, zumal das Fragezeichen hinter "Sozialismus" nur im Inhaltsverzeichnis auftaucht.
Nunja, da wird eben deutlich, wohin man gerät, wenn man immer nur einseitig geisteswissenschaftlich, sprich ideologisch denkt. Irgendwann ist das dann auch nicht mehr so der Bringer.
2010 - "Antidemokraten in der bürgerlichen Mitte"
Aber sehr richtig schreibt Henning Eichberg 2010 auf "Endstation rechts" zum Mißbrauch des Extremismus-Begriffs:
Einerseits sind zahlreiche von der Extremismusforschung so benannte Extremisten engagierte Demokraten, und andererseits gibt es zahlreiche Nicht- oder Antidemokraten, die in der bürgerlichen Mitte angesiedelt sind und nicht unter die Extremisten gezählt werden.
Über diesen Gedanken freilich wäre noch viel zu sagen. Und wir haben hier auf dem Blog - ausgerechnet ebenfalls seit dem Jahr 2010 - zu dieser Erkenntnis viel gesagt (siehe zum Beispiel unter dem Label "Eliten-Kontinuität" oder unter dem Label "korrupte Politiker" oder unter dem Label "Regierungskriminalität", "Elitärer Satanismus" und so weiter und so weiter.
2015 - "Politische Systeme lachen nicht"? - Voll daneben, Henning Eichberg!
Sieht man sich Eichbergs Äußerungen noch aus dem Jahr 2015 an, dann wird deutlich, daß er als Professor immer auf der rein geisteswissenschaftlichen August Nitschke-Linie geblieben ist. Er argumentiert im Rahmen von Historischer Verhaltensforschung und damit vornehmlich geisteswissenschaftlich - freilich, was hier wesentlich ist: frischer geisteswissenschaftlich als es im Allgemeinen üblich ist. Es sind zwar "schöne" Gedanken - aber wie mir scheint oft nicht recht zu Ende gedacht. Interessanter Weise hat Eichberg in einem recht allgemein gehaltenen Vortrag über die Philosophie des Spieles und die demokratische Selbstbestimmung aus dem Jahr 2015 immerhin an einer Stelle auch schon den Begriff "organisierte Kriminalität" benutzt (33'53). Das Ende seines Vortrages klingt doch verbal recht stark:
Im Spiel lachen wir. Lachen ist im Hier und Jetzt angesiedelt, es ist orts- und situationsgebunden. Politische Systeme mögen funktionieren. Aber sie lachen nicht.
Verbal recht stark. Es ist wohl eine typisch französische Eigenart, fasziniert seinen eigenen Worten und Formulierungen hinterherzulauschen in der Täuschung, dass wenn etwas nur schon gut klingt und Emphase hat, es auch schon wahr ist. Man spürt also noch hier immer den geistigen Gestus der 1968er Bewegung hindurch. Und es wird auch schon deutlich, dass sich Henning Eichberg bis zu seinem Lebensende seine innere und geistige Freiheit bewahrt hat.
Aber aus Sicht meiner doch sehr schalen und trockenen, "positivistischen" Vernunfterkenntnis heraus muss ich Henning Eichberg dennoch deutlich widersprechen: Auch das politische Kabarett ist - bekanntlich - ein Spiel. Ein Spiel, in dem mit "allem und jedem" gespielt wird, wirklich mit allem und jedem. Man lacht über das politische System und immunisiert das System - und sich - damit zugleich gegen alle grundlegenden Veränderungen. Es wird einem am eigenen Verhalten immer deutlicher, dass man bestimmte politische oder wirtschaftliche Zusammenhänge eigentlich nur noch im Gestus des Lachens entgegen nehmen möchte. Da einem sonst das Lachen im Halse stecken bleibt. Aber damit ist das politische Kabarett längst zu einem "totalen" Selbstläufer geworden. Es klärt auf - und ändert nichts. Lachende Heloten. Heloten, die noch über ihre eigene Blödheit, ihre abgrundtiefe Blödheit lachen. Hier ist das Lachen auch keineswegs nur im Hier und Jetzt angesiedelt. Es ist sehr allgemeiner Art. Und so sieht eine Art jenes Lachens aus, mit dem politische Systeme lachen.
Deshalb ist der ganze Satz falsch. Außerdem: Hat man etwa einen Menschen wie Jimmy Savile (Wiki), eine der "Ikonen" des Systems, die Personifizierung des Systems schlechthin, jemals anders als lachen gesehen? Es mutete doch allen sehr harmlos an, sein Lachen, so fröhlich .... Das System lacht und wirft Bomben, das ist doch schon seit langer Zeit so.
2016 - Die Langweiligkeit rein ideologischen Denkens ...
Wie nahm Henning Eichberg noch im Jahr 2016 von Dänemark aus die Partei "Alternative für Deutschland" wahr (Globkult [Fernuni Hagen], 11. Mai 2016) - ?:
Bei ihrem Einzug in die Parlamente sah man ihre Sprecher als beschlipste Vertreter bürgerlicher Tugenden. Sie stellten sich als eine neue konservative Bewegung dar, wirtschaftsliberal, antiökologisch, familienpolitisch reaktionär und antisozialistisch. Die AfD positionierte sich gegen Mindestlohn, für Steuererleichterungen für die Reichen, gegen die Förderung erneuerbare Energien - Atomkraft ja danke. Das erinnerte an eine bundesweite CSU, mit historischen Reminiszenzen an Partei Freier Bürger, Schill-Partei, DVU und Republikanern. Dem habituell konforme Auftreten entsprach das Programm einer alten Rechten, die in der Mitte ankommen wollte.
In der Tat, nationalrevolutionär war und ist das alles nicht, da hat er recht. Dennoch ist seine, stark vom "Habituellen" her vorgenommene Analyse doch ebenfalls mehr als langweilig. Naja. In seinem in diesem Beitrag noch einmal gegebenen Rückblick auf sein eigenes Leben kommt er höchstens in folgenden Worten auf seinen Anteil an der biopolitischen Debatte der 1970er Jahre zu sprechen:
Was man sich jedoch wünschen könnte, wären grundlegend kritische Fragen an meine Position. Eine Frage wäre, warum und wie weit Eichberg in den 1960ern in die Nähe faschistischen Denkens gerückt war. (Das ist für mich selbst eine durchaus unbehagliche Frage.)
Wir glauben in dem vorliegenden Beitrag noch weitaus unbehaglichere Fragen an Henning Eichberg gestellt zu haben als diese.
- - - Der vorliegende Beitrag muss, wie sichtbar geworden ist, noch ergänzt werden. Aber in groben Umrissen sollte schon klar geworden sein, womit man es bei der geistigen Entwicklung von Henning Eichberg zu tun hat: Ein fröhliches, offenes Denken, das sich ab 1982 nicht immer den vollen politischen und wissenschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit gestellt hat.
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*) Zu Jean Mabire haben wir hier auf dem Blog schon einen Beitrag veröffentlicht. Alles, was wir bislang über ihn in Erfahrung bringen konnten, machte ihn uns sympathisch (
GA-j! 2012).
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/Letzte Aktualisierung,
mittels Literaturhinweisen 56-60:
21.7.17/