Donnerstag, 2. Dezember 2010

"Die Mörder sind unter uns" (1946)


"Die Mörder sind unter uns". Dieser Titel des ersten deutschen Filmes nach dem Zweiten Weltkrieg wird oft benutzt, um die Situation der deutschen Nachkriegsgesellschaft zu kennzeichnen. Denn viele Menschen, die bis 1945 Verbrechen begangen hatten, lebten nach 1945, zumeist von ihren Mitmenschen unerkannt, in der bundesdeutschen Gesellschaft unbehelligt weiter. Oft auch in guten beruflichen Positionen. Dieses Thema war schon Inhalt früherer Beiträge (GA-j!) und soll auch noch in künftigen Beiträgen weiter behandelt werden. Aber um einfach auch einmal dieses vielgebrauchte Wort "Die Mörder sind unter uns" richtig einschätzen zu können, ist es sicherlich sinnvoll, Person und Werk des deutschen Filmemachers Wolfgang Staudte zu kennen, der diesen Film "Die Mörder sind unter uns" 1945 gedreht hat (s.a. Youtube).

Die markanten Gesichter des Wolfgang Staudte selbst und vieler seiner Schauspieler, in der sich eine typische asketische, entbehrungsreiche Lebenshaltung wiederspiegelt, wie sie wohl gerade für die 1950er Jahre typisch ist, findet sich noch in einem seiner letzten Filme, in der Jack London-Verfilmung "Der Seewolf" von 1971 wieder. Mit Raimund Harmstorf in der Hauptrolle hinterlies dieser Film auch noch auf die Generation des Autors dieser Zeilen (Jg. 1966) einigen Eindruck, ähnlich wie vielleicht der Film "Der eiserne Gustav". Eine gewisse Düsterkeit, Unheimlichkeit ist die Grundstimmung all solcher Filme.

Aber diesen Eindruck versteht man eigentlich erst richtig, wenn man das Lebenswerk von Wolfgang Staudte ganz überblickt, nämlich angefangen von "Die Mörder sind unter uns" aus dem Jahr 1946. Es ist ein Lebenswerk, das einen vielleicht auch die Geschichte der bundesdeutschen Nachkriegsjahre  überhaupt ein wenig mehr verstehen hilft (1). "Moral" ist hier überall darauf reduziert, die ziemlich durchstilisierte Moral eines angeblichen typischen deutschen Kleinbürgers abzulehnen. Das ist natürlich banal.

Und auch sonst wird schnell klar, wie absurd es im Jahr 1946 war, ein gerade vergangenes Konzentrationslager- und Unrechtsystem zu kritisieren, ohne auch nur ansatzweise anzudeuten, daß sich gerade erst ein neues dabei war zu etablieren und fröhliche Urständ' feierte. Diese gänzliche Eindimensionalität des "Moralisierens", auch dieses Wolfgang Staudte, nimmt dem Lebenswerk natürlich viel von einer 100%ig künstlerischen Gültigkeit und macht seine Filme allesamt zu Tendenzwerken.

Eindimensionale Moral

In der Zeit, in der Staudte seinen Film drehte, starb beispielsweise Heinrich George im Konzentrationslager Sachsenhausen infolge von Unterernährung, so wie zehntausende von Deutschen östlich der Oder zur gleichen Zeit. War das der richtige Zeitpunkt, mit "Moralisieren" anzufangen, noch dazu in einer solchen Weise? Aber einfach nur, um die Zeitstimmung nach 1945 zu verstehen, eignen sich die Filme von Wolfgang Staudte sicherlich als "Zeitdokumente". Über den Film "Die Mörder sind unter uns", ist zu erfahren (Fotos: a, b, c, d):
Das Zentralkomitee (ZK) der SED forderte die Landes- und Provinzialleitungen der Partei auf, für diesen Film eine "besondere Propaganda durch Aushängeplakate in den Büros, Kulturstätten etc. …" zu entwickeln, und begründete das damit, daß er gemessen an der bisherigen deutschen Filmproduktion eine ausgesprochene Spitzenleistung darstelle und der erste große Film eines neuen Deutschland sei.
Auf dem Grabstein des Filmemachers steht das Wort:
"Feigheit macht jede Staatsform zur Diktatur."
Dieses Wort könnte auch ein Leitwort dieses Blogs sein. Aber ob Wolfgang Staudte diesem Wort selbst gerecht geworden ist, indem er sagte (1), daß eigentlich alle Diktaturen und Kriege jeden einzelnen Menschen "überfordern", stehe dahin. Die Schlußfolgerung wäre: Weil wir "überfordert" sind, leben wir quasi immer in Diktaturen. Das sollte man einer solchen hedonistischen Gesellschaft wie der heutigen nicht sagen, weil es schlicht nicht stimmt. Wir sind nicht überfordert.
__________________
  1. Mörsdorf, Rüdiger: Ein unbequemer Moralist. Wolfgang Staudte - Filmregisseur in Deutschland. (Teil 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9)

1 Kommentar:

Ingo Bading hat gesagt…

Im Nachgang kommen einem noch viele Gedanken. Da Wolfgang Staudte schon vor dem 8. Mai 1945 das Drehbuch dieses Filmes fertig hatte, drängt sich eigentlich der Gedanke auf, daß Staudte, der - wie so viele - im Dritten Reich nicht wirklich dafür und nicht wirklich dagegen war, sich nur rechtzeitig auf die Seite der neuen Machthaber schlagen wollte mit diesem Drehbuch und diesem Film. Möglicherweise so wie die Mörder selbst, die er mit diesem Film anklagen will. Das braucht ihm dabei gar nicht einmal voll bewußt gewesen sein.

Wahrscheinlich ist es dieser Grund, der einen diesen Film - letztlich - als so "schmierig", als so kitschig empfinden lassen muß, trotz der nicht geringen künstlerischen Begabung, die sich in ihm auszusprechen scheint.

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