Freitag, 26. Februar 2010

Die Frage nach einer zweigleisigen gruppenevolutionären Strategie der katholischen Kirche

Woher kommt der postpubertäre "Sacro pop" in den Medien? Und was soll er?
- Teil 2: Josef Ackermann, Matthias Matussek und Daniel Kehlmann
Ich bin katholisch aufgewachsen, war Messdiener und später – wie alle meine Brüder – auf dem Jesuiteninternat. Ich habe also einen sehr katholischen Background. (...) Heute bin ich ein ganz normaler Katholik, der sonntags in die Kirche geht. (Tagespost, 17.4.07)

Zu Ostern sind wir mit dem Weihwasser-Becken hinter meinem Vater hergelaufen und haben die Wohnung eingesegnet, so katholisch waren wir! Und als ich noch zu jung fürs Messdieneramt war, haben meine Brüder und ich sonntags die Messe zu Hause nachgespielt. (Cicero, Jan. 09)
In dem eingangs gebrachten Zitat war wieder einmal die Rede vom Aloisius-Jesuiten-Internat in Bonn-Bad Godesberg. Das Zitat stammt weder von Johannes B. Kerner, noch von Stefan Raab (siehe --> Teil 1), sondern von Matthias Mattusek, dem mehrjährigen Leiter der Kulturredaktion des "Spiegel". Auch er also war - wie Heiner Geißler und die beiden anderen genannten "Entertainer" - Schüler am Jesuiten-Internat in Bonn-Bad Godesberg.

Der jüngste Spiegel-Titel zum Thema "Sünde" stammt von Matthias Matussek (Spiegel, 7/2010) (siehe links). Er erscheint - befremdlicherweise - nur eine Folge nach dem kirchenkritischen "Spiegel"-Titel über die katholische Kirche (Spiegel, 6/2010). Und das wirft dann doch irgendwann einmal die Frage auf, in wessen Interessen eigentlich Spiegel-Redakteure tätig sind.

Matussek-Fan-Blog war früher

Von Matthias Matussek und von seinen modischen, mitunter kulturkonservativen Haltungen kann sich mancher leicht um den Finger wickeln lassen (St. gen., 2.4.6.07, 4.7.07, 5.7.07, 9.7.07, 27.7.07). Aber viel kann einen auch stutzig werden lassen. (6.10.07) Dieser Blog war im schon Dezember 2007 zu folgender Beurteilung von Matthias Mattusek gekommen (8.12.07):
So mancher mag sich eine Zeit lang für den Video-Blog von Matthias Matussek begeistern. (...) Größtenteils treibt er da kindlichen, kindischen Klamauk. Das mag zur Abwechslung ja einmal ganz gut sein - wenn es aber geradezu zur Regel wird?
Der Video-Blog von Matussek hat inzwischen weithin seinen Ruf weg und braucht man stellt inhaltlich gar nichts Neues mehr fest, wenn man denselben unter die Rubrik "Sacro pop" einordnet. Nur daß der Autor eben aus katholischem Hintergrund heraus so handelt, das war einem bislang gar nicht bewußt. Warum eigentlich nicht?

Im Jahr 2008 war Matussek, wie Netzrecherchen zeigen, auf einem Kongreß "Freude am Glauben" im Zentrum deutscher Katholiken, in Fulda (Katholisch.de, 15.9.08) ...
im Fuldaer Kongreßzentrum Esperanto. "Wir versichern Eure Heiligkeit unserer unverbrüchlichen Treue zum katholischen Glauben, zur Kirche und zum Papstamt als dem Garanten der Einheit und Universalität der Weltkirche" ...
ließ der Vorsitzende des dort tagenden Forums Deutscher Katholiken in einer Grußadresse an Benedikt XVI. verlauten:
... Nur die Lehre der Kirche mit ihrer Botschaft könne echte Hilfe und Orientierung für einen Neuaufbruch im Glauben und für das Gedeihen der Gesellschaft geben. ...
"Unverbrüchliche Treue zum katholischen Glauben ..."

Matthias Matussek auf einer solchen Veranstaltung? Und ein Jahr später läßt Matussek in einem Interview verlauten (Kath.net, 19.10.09):
Kath.Net: Herr Matussek, würden Sie sich selbst als „gläubig“ bezeichnen? Falls ja, was für einen Glauben haben Sie?

Matussek: Den "Glauben meiner Väter", wir sind eine durch und durch katholische Familie, seit Generationen. Der Kalender meiner Jugendzeit war der Kirchenkalender. Messe, Gebet, Beichte waren Selbstverständlichkeiten. Eigentlich sind sie es immer noch.

Kath.Net: Sie sind selbst Vater. Was im Glauben wollen Sie unbedingt weitergeben?

Matussek: Den Glauben, der Trost und Zuversicht und Halt geben kann, was für einen Jungen in der Pubertät besonders wichtig ist.
Kath.Net: Sie gehörten der 68er-Bewegung an. Haben die Kirchen versäumt, diesen im Grunde genommen doch idealistischen Menschen Antworten zu geben?

Matussek: Haben sie, ja. Der Katholikentag in Essen 1968 war dem Vernehmen nach sehr stürmisch, da hat sich die „Kirche von unten“ zum ersten Mal vehement gemeldet. Allerdings habe ich das nicht mitgekriegt - ich war einfach zu bekifft.
Sacro pop: Bekifft auf dem katholischen Kirchentag ...
Kath.Net: Nicht wenige Menschen auch heute sagen „Jesus ja, Kirche nein!“ Können Sie das verstehen? Was halten Sie davon?

Matussek: Mein Pfarrer in New York, Father O'Connor, hat einmal gesagt: "Ritual ohne Glaube ist leer, aber Glaube ohne Ritual ist gestaltlos". Nein, ich glaube, beides gehört zusammen. (...)

Kath.Net: Ihr Videoblog gehörte zu den ersten etablierten Medienbeiträgen dieser Art. Spielt das Fernsehen bei der Glaubensvermittlung über die Medien eine größere Rolle als das bloße Wort der Presse?

Matussek: Ich spreche in meinen Blogs so gut wie nie über den Glauben. Aber es schadet mir auch nicht, öffentlich zu bekennen, dass ich Katholik bin. Selbst der Spiegel ist da mittlerweile tolerant.
Kommentar erübrigt sich.
Kath.Net: Was ist Ihres Erachtens derzeit das größte Problem der katholischen Kirche?

Matussek: Der Nachwuchs, nicht nur auf Gemeindeebene. Es fehlt an Priestern, aber auch an neuen Gesichtern in der Leitungsebene. Ich würde mir wünschen, dass es auch in der Deutschen Bischofskonferenz ein paar Stürmer und Dränger gäbe.

Kath.Net: Was stellt für Sie Papst Benedikt XVI. dar?

Matussek: Die Güte in Person.
Ob bekifft oder nicht: "Der Papst ist die Güte in Person"

Man versteht es natürlich schon, warum Herr Matussek so deutlich im "Spiegel" nicht spricht. Da wäre es mit seiner Popularität bei seiner Leserschaft wohl sehr schnell vorbei. Offenbar hat Mattusek auch schon etwas über seine Internats-Erfahrungen publiziert (Glaubeaktuell, 19.12.08, Bücher):
... Der Sohn eines katholischen CDU-Bürgermeisters besuchte damals ein Jesuiten-Internat, musste morgens um sechs in die Frühmesse und abends sündige Gedanken mit kalten Duschen bekämpfen.
- Sacro pop. Im Gespräch mit dem Schriftsteller Martin Walser, der, was Gewissensprüfung betrifft, offenbar doch noch etwas protestantischer ist, sagt Matussek auf "Sacro pop"-Art zum Thema Sünden und Beichten (Cicero, Jan. 09):
…nee, nee, nee, da haben Sie etwas falsch verstanden! Man muss es nur richtig bereuen, dann ist die Sünde vergeben!
So einfach ist das also, was der Herr Matussek da aus seiner katholischen Lebenspraxis zu berichten weiß: Bloß nicht zu viel das Gewissen überprüfen. Dabei können nur viel zu viele, ganz falsche Dinge herauskommen. An diesem Punkt kommt wohl schon sehr deutlich eine nicht gerade hochstehende Moral, wie sie mit "Sacro pop" verbunden sein kann, zum Vorschein. Und bei dem nächsten Zitat möchte man am liebsten entsetzt wegschauen, denn Herr Matussek gibt Einblicke in sein katholisches Familienleben - es fehlen einem die Worte zur Charaterisierung:
In unserer Familie war es immer das ganze Paket – Samstagnachmittag kamen wir in die Badewanne, und nach dem Baden gingen wir zur Beichte. Man war also sauber, innen und außen (Gelächter) und hat sich gefühlt wie ein neugeborenes Lämmchen. Es war ein schönes Gefühl, völlig sündenfrei zu sein, zumindest für fünf Minuten. Bei uns gab es nur die kleine Komplikation, dass mein Vater mit uns zusammen den Beichtzettel machte: Big Brother was watching! (lacht) Das war eine kleine List von ihm, und ich vermute, dass wir damals angefangen haben, die Bilanzen zu schönen. Doch an das tolle Gefühl, die Sündenlast abzuwerfen, kann ich mich heute noch erinnern.
Nur so viel: Ein solcher Vater möge einem weit vom Leibe bleiben. Es fehlen einem die Worte. Wie soll da das folgende Lachen des Herrn Matussek noch groß ins Gewicht fallen:
Die Kirche und das Eigentum haben sich eigentlich immer ganz gut vertragen. (Lachen)
Die katholische Kirche und das Eigentum - Josef Ackermann hat auch was davon

Aber passen wird dazu, daß auch Josef Ackermann Jesuiten-Schüler sein soll, wie man neuerdings erfährt (3Sat, 5.2.10). Josef Ackermann, einer der reichsten Männer Deutschlands, der unsere Gesellschaft nicht zu einer großzügigen, sozial gerechten Umverteilung auffordert? Wohl ebenfalls deshalb, weil sich Eigentum und Kirche - oder soll man sagen: Ausbeutung und Kirche - "eigentlich immer ganz gut vertragen" haben und er deshalb von Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit während seiner Schulzeit wenig gehört hat? Weil er noch heute, wenn er auf katholischen Akademien referiert, keine andersartigen Ratschläge - oder gar Vorwürfe - von dieser Seite erhält?

- Reichen bei all solchen Feststellungen eigentlich die bisherigen, zurückhaltend-kritischen Stimmen zum Zusammenhang von Kirche und Medien, zum Zusammenhang von Kirche und Großkapital überhaupt aus (NDR, 2.5.07)?

Auch Daniel Kehlmann, Sohn einer katholischen Mutter und eines jüdischen, katholisch getauften Vaters (Cic., 12/09), besuchte, wie man neuerdings erfährt (3Sat, 5.2.10), in Wien das Jesuiten-Gymnasium Kalksburg. Und dem "Deutschlandradio" sagte er in der Tat schon vor einem Jahr (Dradio, 16.1.09):
Ja, die Jesuiten: (...) Voltaire, der größte Feind, den die katholische Kirche je hatte, unterhielt Zeit seines Lebens die freundlichsten Beziehungen zu seinen ehemaligen jesuitischen Lehrern. Das hat eine schöne Tradition.
Daniel Kehlmann's Naturwissenschafts-feindlicher Roman

Natürlich werden das Jesuiten als eine "schöne Tradition" erachten, wenn Kirchenkritiker freundschaftliche Beziehungen zu ehemaligen jesuitschen Lehrern behalten. Selbst den größten Feind, den die katholische Kirche je hatte (- ob es nach Voltaire wirklich keine größeren mehr gegeben hat?), könnte man theoretisch noch in die katholische Kirche zurückführen (!).

Der Roman "Die Vermessung der Welt" von Daniel Kehlmann über Carl Friedrich Gauss und Alexander von Humboldt hat eine sehr großes Aufsehen in der Medienwelt erregt. Er ist - umstritten. Trotzdem wird er inzwischen sogar schon an deutschen Schulen als Unterrichtsmaterial eingesetzt. Ob einer guten Popularisierung der Naturwissenschaft mit diesem Roman wirklich ein Dienst geleistet worden ist, wird mit allzu viel Recht von sehr vielen Lesern bezweifelt. Der Roman ist ganz und gar ehrfurchtslos geschrieben. (Der Eindruck des Biologen Emanuel Heitlinger deckt sich völlig mit dem des Schreibers dieser Zeilen: a, b)

Unter der Voraussetzung, daß dieser Roman von einem Jesuiten-Schüler verfaßt worden ist, was bislang der Öffentlichkeit ja gar nicht bekannt war, bekommt man sicher noch eine ganz neue und andere Sichtweise auf diesen Roman. Ganz offensichtlich läßt er sich auf einen gemeinsamen Nenner zurückführen mit so vielen anderen katholischen Kulturerscheinungen unserer Zeit. Ob dieser gemeinsame Nenner wohl schlicht heißt: Sacro pop?

Ehrfurchtsloses Schreiben über große Naturwissenschaftler

Ob dieser gemeinsame Nenner heißt "Wache gegen den Traum vom neuen Menschen", den naturalistisch denkende Menschen in der Tradition von Gauß und Humboldt seit mehreren hundert Jahren hegen? Und zwar gewiß nicht zur Freude der Kirche? Ja, man sollte die Kirche nicht unterschätzen. Auch sie kann innovativ sein in der Abwehr solcher "Träume". Unter den 392 (!) Kundenrezensionen auf Amazon hat sich offenbar bisher kein einziger über den katholischen Hintergrund des Autors Daniel Kehlmann Gedanken gemacht (--> Amaz.). Wie soll man sich auch darüber Gedanken machen, wenn man auf diesen Hintergrund erst lange nach Erscheinen des Romans hingewiesen wird, so wie dies derzeit allein durch eine Meldung von 3Sat geschieht (3Sat, 5.2.10)?

Zweigleisige Strategie?

Allmählich erscheint es einem immer sinnvoller, derartige Zusammenhänge einmal aus dem Blickfeld von katholischen "gruppenevolutionären Strategien" heraus zu analysieren - im Sinne von Kevin MacDonald, David Sloan Wilson, Richard Sosis und vielen anderen. Auch die katholische Kirche gebraucht "intelligente" Strategien, um sich langfristig das Überleben zu sichern. Vielleicht manchmal "intereligentere" und zweigleisigere als viele ahnen: "Sacro pop" für die Massen und wo immer es möglich ist, Beibehaltung der, bzw. Rückkehr zur absoluten kirchlichen Monarchie des Mittelalters - gerne auch in Kooperation mit politisch Linksstehenden (Tagesschau, 27.2.10).

Donnerstag, 25. Februar 2010

Papst und Jesuiten: Es gibt keine schlechte Publicity

Auch schlechte Publicity ist Publicity

Was findet der Leser heute auf Abendblatt.de ...:

Liebe Leute! Als Jesuitenorden muß man doch zunächst einmal wirtschaftlich denken. Schadensersatzklagen stehen an, Insolvenzen sind schon angemeldet (USA). Also, Leute, laßt sie doch die Publicity nutzen, die sie derzeit haben und laßt sie Werbung machen "für ihr Ding".

- - - Doch zum Glück finden auch Kirchenkritiker allmählich aus ihrer tagelang anhaltenden Sprachlosigkeit heraus. Man liest sie wieder, Schlagzeilen wie "Ultimative Unverschämtheit", "Gipfel der Scheinheiligkeit" (hpd, 24.2.a, 24.2. b) etc. pp.. Wäre auch wahrlich merkwürdig genug gewesen, wenn diese Schlagzeilen nicht irgendwann eingesetzt hätten. Aber das sind in der Tat schon etwas lethargische Reaktionsspannen.

... Er versuchte nie, sie zu küssen: Josef Ratzinger Uta Ranke-Heinemann ...

Und so manches wird derzeit in den Medien doch ganz ordentlich und redlich erörtert, auch ohne den Blog "Spreeblick".

Zum Beispiel: Nie ganz sicher konnte sie sich sein, ob nicht plötzlich einer der dem Zölibat entgegengehenden Theologie-Studenten auf die Idee käme, ihr einen Kuß zu geben. So erzählte es dem "Focus" Frau Uta Ranke-Heinemann, die erste Professorin für katholische Theologie in Deutschland, in einem Interview (Focus, 18.2.10). Und das, obwohl sie zu jenem Zeitpunkt schon verlobt war. - Eine Vorbereitung von Theologen auf alles das, was kommen würde?

Nur der junge Studiosus Josef Ratzinger, so sagt Frau Uta Ranke-Heinemann im "Focus", versuchte es nie:
FOCUS Online: Sie kennen Joseph Ratzinger persönlich aus Ihrer Studienzeit in München …

Ranke-Heinemann: Ja, ich kenne ihn und war über 50 Jahre lang eine Anhängerin von ihm. Er ist ein bedeutender Theologe, und wir haben uns Anfang der 50er-Jahre gegenseitig geholfen, unsere Promotionsthesen ins Lateinische zu übersetzen. Hochintelligent habe ich ihn in Erinnerung. Weil ich damals schon verlobt war, suchte ich mir einen Kommilitonen aus, bei dem ich absolut sicher sein konnte, dass er mir nicht plötzlich einen Kuss gibt. Bei ihm war ich da absolut sicher. Er hatte schon immer die Aura eines Kardinals, hochintelligent bei Abwesenheit jeglicher Erotik. Aus dieser Zeit kannten wir uns gut. Aber dennoch hat der heutige Papst mir in seiner späteren Rolle als Präfekt der Glaubenskongregation nicht geholfen, mich gegen den Verlust meines Lehrstuhls zu schützen. Ich dachte damals, er leide selbst unter Johannes Paul II. Doch seit er dessen Nachfolge angetreten hat, muss ich erkennen, dass Benedikt selbst hinter allen von mir bekämpften Tendenzen der Kirche steckt. Das war eine der größten Enttäuschungen in meinem Leben.
Pfäffisches Leben: Alles wird geküßt, nur kein Frauenmund

Über 50 Jahre lang Anhänger des - verlobte Frauen nicht küssenden - Josef Ratzinger zu sein und dann die größte Enttäuschung in seinem Leben erfahren, das klingt - ehrlich gesagt - ein wenig gar zu platt. Andererseits sieht Josef Ratzinger auf Fotos aus jüngeren Lebensjahren bis hin zum jungen Professor (a, b, c) wirklich noch etwas idealistischer und ehrlicher-wohlgesonnen aus, als heute (siehe Fotos links und rechts). Man meint deutlich zu spüren: Machtausübung hat später seinen Charakter allzu deutlich verändert. In einem, wie einem scheint, sehr katholischen Sinne.

Die Katholische Kirche: Strukturiert wie eine Monarchie

Heute jedenfalls spricht Frau Ranke-Heinemann, wenn sie von ihrem ehemaligen Komilitonen, Herrn Ratzinger, spricht, von heuchlerischen "Krokodilstränen", die dieser vergießen würde. - Ja, in der katholischen Kirche selbst wächst der Widerstand gegen die Jahrtausende alten, festgeschriebenen, inneren Strukturen. Festgeschrieben von Männern, die in Jugendzeiten gerne überraschend hübsche Frauen küßten, die mit anderen Männern verlobt waren (Focus, 19.2.10):
Die Kurie sei bis heute wie eine Monarchie strukturiert, (...) berichtete die Forschungsgruppe „Religion und Politik“ der Universität Münster am Freitag (...) unter anderen mit dem Berliner Politologen Otto Kallscheuer und dem Münsteraner Sozialethiker Karl Gabriel. (...)

Gabriel kritisierte die zentralistische Autoritätsstruktur des Vatikans. Eine solche Institution lasse sich nicht mehr von einer Person allein regieren. Er warf dem Papst außerdem vor, er ignoriere das Säkulare der modernen Welt. Er komme nicht damit zurecht, dass die katholische Kirche nur noch eine von vielen Religionen im globalen Weltanschauungsmarkt darstellt.

Beide Experten bedauerten, dass Benedikt XVI. durch die Pannen eine weltpolitische Chance vergebe. Die Kirche könne wie kaum eine andere Institution die Rolle eines moralischen Global Player übernehmen.
Wenn sie ehrlich und redlich jene Frauen heiraten würden, die sie in ihrer Zeit als Theologiestudenten so gerne küssen wollten, und ab und an mal einen vertrauensvollen Vorschlag von weiblicher Seite entgegennehmen würden, würde man von ihnen noch etwas erhoffen wollen. - Auf den Papst hören heute in der Tat immer noch viele Menschen. Er könnte viel Positives bewirken, wenn es ihm darum ginge, wirklich Modernes, Positives, Zukunftsweisendes, Menschliches (und nicht: Priesterliches, Pfäffisches) bewirken zu wollen. Aber kann das einer, der noch nie in seinem Leben versucht hat, ein Mädchen zu küssen? Noch nicht einmal - - - Uta Ranke-Heinemann?

Katholischen Monarchie: Publicity-Kußorgien

Und auf der anderen Seite dann diese Kußorgien, zu denen der Papst in aller Öffentlichkeit fähig ist. Der Boden, die Tischplatten, die Kinder, alle möglichen heiligen und profanen Gegenstände werden geküßt. Nur kein Frauenmund. Obwohl man einen solchen Frauenmund doch wohl so ziemlich als das Humanste und Heiligste in dieser Welt wird bezeichnen dürfen. Wozu diese Ersatz- und Übersprunghandlungen, wie man sie wohl aus der Sicht der Verhaltensforschung wird nennen dürfen? Und von Staatsmännern, Fürsten und Königen läßt man sie sich immer noch gerne küssen, die monarchische, die päpstliche, die "segnende" Hand ...



("Küßt ihr nur den Boden, ich küß lieber dich," hat einmal die Pop-Gruppe "Pur" gesungen.)




Vielleicht kann man in der Tat alle Probleme der katholischen Kirche auf einen Nenner bringen: Die falschen Kußobjekte.

Mittwoch, 24. Februar 2010

Jürgen Elsässer warnt vor "Katholikenhatz"

Man möchte geradezu schmunzeln über den Geheimdienst-kritischen, "linken" Herrn Jürgen Elsässer. Er hat doch wohl nicht seinen verquasteten Herrn Jürgen Habermas etwas gar zu gründlich gelesen? Ist Herr Elsässer etwa genauso angetan vom "lieben", etwas arg totalitär angehauchten Herrn Ratzinger wie unser guter lieber alter Habermas, der allzu oft auch allzu "päpstlich" daherkam, auch wenn er nicht mit Herrn Ratzinger diskutierte?

Stoppt die Katholikenhatz!

schreibt Jürgen Elsässer auf seinem Blog. Da scheint jemand Sorgen zu haben. Irgendwie typisch: Tritt jemand aus einem totalitären System "kritisch" heraus - Schwups! - sucht er schon Anlehnung beim nächsten ... Geht's ohne Totalitarismus nicht? Herr Elsässer? Warum nicht einfach mal mit allen totalitären Systemen und Tendenzen Schluß machen? Einfach mit allen -? Übrigens befindet er sich da offenbar mit dem "linken" Gregor Gysi in guter Gesellschaft (St. gen., 6.10.07).

Margot Käßmann: "Nur ein Glas getrunken"

K.O.-Tropfen für Margot Käßmann?

Die Medien und viele in den Medien sich äußernde Persönlichkeiten war zwischen dem dem 23.2. vormittags und der Bekanntgabe ihres Rücktritts auffallend schnell gewesen in der Verurteilung von Margot Käßmann, die schon über viele theologische Schatten gesprungen ist (siehe Fotos). Als hätten diese Verurteiler nur auf ein solches kompromittierendes Ereignis "gewartet". Als ob die Umstände und der Sachverhalt des Fahrens mit Alkohl am Steuer nicht erst einmal umfassender bekannt sein müßten, bevor man entschiedenere Urteile oder gar Verurteilungen hätte wagen dürfen.

Und in besonders auffallender Weise wurde und wird nur selten berichtet und erörtert, was in jenem ersten Bericht der Bild-Zeitung auch stand (Bild, 23.2.), also in jenem Bericht, auf den sich alle anderen Medien zunächst bezogen hatten:
Gegenüber der Polizei soll Käßmann ausgesagt haben, sie hätte doch nur ein Glas getrunken.
Es sind weitere Berichte abzuwarten.*)

Es wäre absolut naiv, bei einem Fall wie diesem nicht zu berücksichtigen, daß Geheimdienste mit K.O.-Tropfen arbeiten, um Personen Autounfälle unter Alkohleinfluß begehen zu lassen. Man denke an die Ermordung des Fußballspielers Lutz Eigendorf durch die DDR-Staatssicherheit mittels K.O.-Tropfen und "Ausblitzen" während des darauffolgenden Autofahrens. Man denke an den Tod von Prinzessin Diana, deren Fahrer ebenfalls volltrunken gewesen sein soll, obwohl er nicht als einer bekannt war, der viel Alkohol trinkt, und der kurz vor dem Unfall stark angestrahlt worden war. Man denke an Jörg Haider, der ebenfalls alkoholisiert in einem VW-Phaeton unterwegs war.

Das große Vorbild von Margot Käßmann, Martin Luther King, fiel einem Attentat zum Opfer. Die letzten bedingungslosen deutschen Kriegsgegner Petra Kelly und Gerd Bastian starben unter ungeklärten Umständen.

Die Naivität der Presse hinsichtlich von ungeklärten Todesumständen von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ist manifest. Es spricht nichts dagegen aber alles dafür, daß Uwe Barschel (und auch Olof Palme) vom Mossad ermordet wurden. Diese Naivität all solchen Umständen gegenüber ist hier auf dem Blog - wie anderwärts - schon ausführlich thematisiert worden. Und eine solche massiv vorgespielte Naivität mußte es einer Margot Käßmann ebenso schwer machen, wie einem Oskar Lafontaine vor einigen Wochen (- wir wiesen darauf hin).

Schon George Orwell wußte, daß Journalisten Stiefellecker des Totalitarismus sind. Und er sprach dabei von seinen westlichen Kollegen. Wann hört diese offenbar immer noch karrierefördernde Naivität endlich auf?

Übrigens nimmt mancher vielleicht erst jetzt zur Kenntnis, daß einer der vielen, sehr aufgebrachten und sehr scharfen Kritiker von Margot Käßmann der Folter und alttestamentarische Moral befürwortende deutsch-israelische Historiker Michael Wolfssohn gewesen ist. Seines Zeichens Professor an der Bundeswehrhochschule in München. Als massive Forderungen nach seinem Rücktritt oder seiner Entlassung laut wurden, klebte er weitaus zäher an seinem Posten als Margot Käßmann. Und als akademischer Lehrer von Bundeswehroffizieren Folter befürworten, wird (noch) ein wenig schwerwiegender sein, als das eigene Leben und das Leben anderer durch alkohlisiertes Autofahrer zu gefährden. Auf seinem Posten verblieben, legt Wolfssohn jedenfalls sehr vehement Wert darauf, daß die "Gerechtigkeit" des Zweiten Weltkrieges auch nicht im Leisesten infrage gestellt wird (Bild, 18.1.10).

Dabei war Margot Käßmann bestimmt nicht die erste, die auch hinsichtlich des Zweiten Weltkrieges die Verhältnismäßigkeit der Mittel infrage gestellt sah. Sie selbst verwies schon auf damalige Zeitgenossen im Westen wie den englischen Bischof Bell. Und es braucht ja nun wirklich nur an den Einsatz der Atombombe erinnert zu werden, um auf so manche Fragwürdigkeit bezüglich der angeblich 100%igen "Gerechtigkeit" des Zweiten Weltkrieges hinzuweisen.
_________

*) Sie hatte sogar einen Beifahrer, wie erst jetzt, am 24.2., gemeinsam mit ihrer Rücktrittserklärung bekannt wird. Ihr Rücktritt scheint die richtige Entscheidung zu sein. Denn wenn sie jetzt Vermutungen über K.O-.Tropfen (a, b) aussprechen würde, die der aktuelle UN-Drogenbericht als gefährlicher einstuft als alle sonstigen Drogen, würde man sie als "Verschwörungstheoretikerin" angreifen. Anders aber würde sie sich - aus eigenem Selbstverständnis heraus - nicht glaubwürdig verteidigen können. Im Deutschen Ärzteblatt (2009; 106[20]: 341-7) steht:
Gelingt bei dem begründeten Verdacht auf Beibringung von K.-o.-Mitteln in Urin und Blut kein Substanznachweis, bietet sich die Analyse einer Haarprobe circa vier Wochen nach dem Vorfall an, bei entsprechender Haarlänge kann auch eine längere Zeit zurückliegende Aufnahme erfolgreich nachgewiesen werden.
"Zufälligerweise" muß Margot Käßmann genau in dem Augenblick zurücktreten, als die Basis der Partei "Die Grünen", die sich Jahre lang von ihrem wegen Mordverdachts erpreßbaren Vorsitzenden Joschka Fischer um den Finger hat wickeln lassen, die Anregungen von Margot Käßmann ernsthafter aufnimmt (--> TAZ-Anzeige, Grüne Friedensinitiative, Blog).

Dienstag, 23. Februar 2010

Die katholische Kirche versucht, die deutsche Bundesregierung einzuschüchtern

Pikiert. Beleidigt. Und drohend: Herr Robert Zollitsch, seines Zeichens Bischof in Deutschland, spricht - in Tonfall und Haltung fast identisch zu einem Herrn Ratzinger - von einer "schwerwiegenden Attacke", von einer "maßlosen Polemisierung" gegen die katholische Kirche durch die deutsche Bundesjustizministerin, also durch ein deutsches Regierungsmitglied, wie er es noch nie erlebt hätte. Er fordert eine Richtigstellung innerhalb von 24 Stunden (Tageschau, 23.2.). Wer glaubt er eigentlich reagiert in unserem Land?

Der unverhohlene Machtanspruch der "ecclesia triumphans"

Nur weil die deutsche Bundesjustizministerin Sabine Leutheuser-Schnarrenberger zurückhaltender - zurückhaltender (!) - das gesagt hat, was hier auf dem Blog (15.1.) schon ausgeführt worden ist (Tagesthemen, 23.2.), nämlich daß sie als deutsche Justizministerin (!) sich "ohnmächtig" fühle (!!!) angesichts der Tatsache, daß die katholische Kirche kanonisches Recht über deutsches Staatsrecht stellt bei der Verfolgung, bzw. Nichtverfolgung von Fällen von Kindesmißbrauch. Und zwar seit Jahrzehnten bis heute. Und zwar erst 2002 wieder neu bestätigt und bekräftigt durch den Scharfmacher Ratzinger. Und die Tatsache, daß sie ihrem Gefühl der Ohnmacht Ausdruck gibt, erachtet der Herr Zollitsch als eine bis heute nie erlebte "schwerwiegende Attacke" von Seiten des deutschen Staates gegenüber der katholischen Kirche!

Was denken Herr Zollitsch und seine Berater eigentlich, wer sie sind? Wer außer ihnen darf sich Jahrzehnte lang so weit über deutsches Recht stellen, ohne daß er vor Gericht gestellt wird? Wer außer ihnen und ihresgleichen?

Jesuiten und Papst als Scharfmacher der Deutschen Bischofskonferenz?

Das ist um Grunde genommen ein ungeheuerlicher Vorgang. Will die Deutsche Bischofskonferenz im "Gegenangriff" die deutsche Bundesregierung - einmal aufs Neue - einschüchtern? Was für eine Stirn haben diese Bischöfe? Und insbesondere der Jesuit Hans Langendörfer als Sekretär der deutschen Bischofskonferenz, der auch in den Aufnahmen der Tagesschau im Vordergrund zu sehen ist (siehe auch unser Beitrag vom 15.2.)?

Der Jesuit Langendörfer (Links), die graue Eminzenz hinter den Bischöfen
Zollitsch (Mitte) und Lehmann (Rechts)


Dieser Vorgang zeigt außerordentlich deutlich, auf wieviel "Anfassen mit Samthandschuhen" die katholische Kirche durch den deutschen Staat glaubt rechnen zu dürfen. Und das offenbar seit vielen Jahrzehnten, wahrscheinlich seit der Adenauer-Zeit. Und dieser Vorgang zeigt zugleich auch, wie "ohnmächtig" sich selbst eine deutsche Justizministerin dieser Jahrzehnte langen, geradezu mental eingebrannnten Kungelei des deutschen Staates mit der katholischen Kirche gegenüber fühlt.

Nirgends wird der Machtanspruch der katholischen Kirche deutlicher, als wenn man das 16-seitige Gutachten von Verena Mosen von "Kirche von unten" liest. In ihrem Selbstverständnis sieht sich die katholische Kirche und ihre "geweihten" Priester sehr grundlegend und als eigengesetzlich über dem deutschen Staat stehend. Auf dieses Gutachten sei deshalb noch einmal ausdrücklich hingewiesen (1). Wenn man es liest, versteht man besser, wer hier eigentlich polemisiert, ja: hetzt.

____________
1. Mosen, Verena: Römisch-katholische Kirche und Kinderrechtskonvention in der Bundesrepublik Deutschland. Ein NRO-Bericht über die Behinderung der Konvention durch das katholische Kirchenrecht am Beispiel sexuellen Missbrauchs. Bonn, September 2003. 16 Seiten. --> pdf., jetzt auch auf --> hpd, 8.2.2010.

Sonntag, 21. Februar 2010

Weisheit geschöpft am heiligen Brunnen

Die Archäologen waren und sind hell begeistert. Sie haben eine völlig neue Fundgruppe zur archäologischen Kultur der Bandkeramik entdeckt. Als ein Beispiel aus dieser Fundgruppe zum ersten mal Ende der 1990er Jahre im Kolloquium am Institut für Vor- und Frühgeschichte in Frankfurt am Main unter der Ägide von Jens Lüning (Bild links) vorgestellt wurde, lag unverhohlene Feierlichkeit im Raum. Im dicht besuchten Seminarraum wurde die Präsentation geradezu zelebriert. Man wohnte einem wissenschaftsgeschichtlichen Ereignis bei, daran ließ niemand einen Zweifel. Kenner der Materie testen den Geschmack dieser neuen Fundgruppe wie den Geschmack eines ihnen bis dahin unbekannten, edlen, alten Weines. - Worum ging es?

Um die Entdeckung eines Brunnen. Eines siebentausend Jahre alten Brunnens. Ende der 1990er Jahre kündigte Jens Lüning dieses wissenschaftshistorische Ereignis noch an unter der Überschrift "Der Brunnen".

"Der Brunnen"

Innerhalb der letzten zehn Jahre hat sich auf diesem Gebiet aber so viel getan, daß sich Harald Stäuble veranlaßt sah, darüber gerade einen neuen zusammenfassenden Artikel in "Spektrum der Wissenschaft" zu veröffentlichen (1). Und auch Harald Stäuble kann seine Begeisterung nur schwer verhehlen. Eine Fülle vormals unbekannter, organischer Materialien hat sich in den ergrabenen Brunnenschächten erhalten, wie sie sonst nirgends erhalten sind. Aufgrund dieser Umstände faßt Harald Stäuble die neuen Erkenntnisse unter der Überschrift "Steinzeit jenseits der Steine" zusammen und schreibt (1, S. 69):
Die Epochenbezeichnung Steinzeit vermittelt ebenso wie die Deklarierung als bandkeramische Kultur ein viel zu einseitiges Bild. Die noch heute durch ihre Ästhetik be­eindruckenden Gefäße führen uns vor Augen, dass unsere Vorfahren einen ausgeprägten Sinn für Schönes hatten und ihre Welt alles andere als trist war.
Es handelt sich nämlich heute, zehn Jahre später nicht mehr nur um den Einzelfund eines Brunnens. Nein, innerhalb von gut zehn Jahren sind sage und schreibe 18 bandkeramische Brunnen entdeckt worden. Und zwar fast alle in Sachsen. Und der sächsische Archäologe Harald Stäuble sagt auch, woher diese Brunnenfülle gerade in Sachsen kommt:
Die Bedingungen, die Siedler in der Dresdner Elb­talweitung, dem Lössgefilde westlich von Mei­ßen sowie in der Region um Leipzig vorfan­den, unterschieden sich nicht von denen in anderen Regionen. Die vergleichsweise große Häufgkeit an Brunnenfunden beruht wohl vor allem auch auf der Arbeitsweise der archäolo­gischen Denkmalpflege in unserem Bundes­land. Seit einer Gesetzesänderung 1993 werden hier insbesondere Großbaustellen intensiv be­treut und das Gelände im Vorfeld untersucht. Seitdem hat nicht nur die Zahl der Fundstellen um 500 Prozent zugenommen; die entdeckten Siedlungen werden auch so vollständig und so gründlich wie möglich untersucht – und un­scheinbare Gruben in der Peripherie der Dör­fer entpuppten sich als Brunnen.
Da kann man eigentlich nur hoffen, daß sich die anderen Bundesländer und europäischen Länder daran ein Beispiel nehmen, und daß dann auch andernorts die Zahl der Fundstellen um 500 Prozent zunimmt. Genug Langzeitarbeitslose sollte es heute geben, die man auch motivieren können müßte, um die Forschungen hier mit ausreichend Personalausstattung weiter voranzutreiben. Harald Stäuble jedenfalls weiter aufgrund der erkannten Holzverarbeitungstechniken beim Brunnenbau:
Unsere Vorfahren lebten nicht in Verschlägen aus grob bearbeiteten Brettern, nicht in zugigen Räumen. Ihre Zim­merleute verfügten bereits über eine ausgefeilte Technik, wussten mit ihrem Werkstoff so geschickt umzugehen, dass sie heutigen Handwerkern nur wenig nachstanden.
Heilige Brunnen

Außerdem drängt sich den Forschern die Vermutung auf, daß die Brunnen bei den Bandkeramikern heilige, religiöse Bedeutung hatten. Bekanntlich hatten ja die drei Brunnen unter der Weltenesche Yggdrasil noch im germanischen Mythos heilige Bedeutung. Der Brunnen der Urd, der Skuld und der Verdanda.

Die Archäologen nun finden zwei sich aufrecht gegenübergesetzte Ferkel(-Skelette) in einem der Brunnen, die ganz offensichtlich nicht zufällig in dieser Anordnung niedergelegt wurden. Daß die Bandkeramiker eine ungeheuer liebevolle Beziehung zu Schweinen gehabt haben, geht aus vielen keramischen, kleinplastischen Scheine-Darstellungen hervor, die man auch andernorts (etwa in Hessen) gefunden hat.

Am heiligen Brunnen unter der Weltenesche Yggrdasil

Die Archäologen finden die Deponierung, also höchstwahrscheinlich Opferung aufwendig gearbeiteter und mit Birkenpech, Holz und Bastschnüren reparierter und modisch modernisierter Keramikgefäße in den Brunnen. Der Schönheitssinn, der sich bei der Gestaltung dieser Gefäße Ausdruck verschaffte, war Anlaß für die oben zitierten Worte Stäubles. Auch faßten die vorgefundenen Schöpfgefäße, Schöpftaschen (aus Rindenbast) nur einen halben bis einen Liter. Diesen Umstand deuten die Archäologen ebenfalls dahingehend, daß hier "heiliges" Wasser geschöpft wurde, nicht Gebrauchswasser. Zumal manche Brunnen gar nicht so weit von fließenden Gewässern entfernt angelegt worden sind.

Hobby-Archäologen und -Forscher begeistern die Wissenschaftler vom Amt

Die sächsischen Erfolge auf dem Gebiet der Archäologie lenken einmal auf's Neue den Blick auf den Einsatz ehrenamtlicher Kräfte: Im Deutschlandradio gibt es gegenwärtig eine sehr schöne, dreiteilige Sendung über Hobby-Forscher. (Dradio, 27.12.09, 31.1.10, 28.2.10; s.a. Stud. gen., 5.5.08) In der ersten Folge geht es vor allem um Biologen, etwa um Käfer- oder Schneckenforscher:
Die Liste an Projekten für Freizeitforscher ist lang, und gerade das Internet birgt ungeahnte Möglichkeiten. Nie war es so einfach für Wissenschaftler, Daten zu sammeln und zu verwalten. Und nie war es so einfach für Hobbyforscher, ihre Daten den Wissenschaftlern zur Verfügung zu stellen.
Und:
Matthias Freude leitet das Landesumweltamt Brandenburg. Zu seinem Amt gehören 120 ehrenamtliche Säugetierspezialisten, die Fledermäuse, Fischotter oder Biber zählen. 200 Freiwillige kartieren Pflanzen. Und mehr als 500 Vogelkundler erfassen den Status von Spatz, Schwalbe und Feldlerche.

"Und da kommt man zum Teil zu ganz dramatischen Ergebnissen, wie schlecht es zum Beispiel der Feldlerche geht in weiten Teilen, mittlerweile in beiden Teilen Deutschlands, das ist dank ehrenamtlicher Forschungsergebnisse so zu erkennen gewesen. Und da kann man was dagegen tun."
In der zweiten Folge geht es um Archäologen und um Paläontologen und um das Abenteuer der Schatzsuche, wobei es zum Teil auch um sehr viel Geld gehen kann.

Die Archäologen Thomas Kersting und Felix Biermann vom Landesamt für Denkmalpflege in Brandenburg (Sitz in Zossen) bilden gegenwärtig in einem dreieinhalb Jahre dauernden Kurs ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger aus. Letzterer sagt:
"Ich muss sagen, dass die ehrenamtlichen interessierten Laien, dass die häufig außerordentlich engagiert sind und außerordentlich geschickt, und dass man damit eigentlich nur gute Erfahrungen macht und das kann ich hier auch bestätigen, außerordentlich fleißig und rasch und machen hier ganz tolle Arbeit."
Teil 3 der Sendung folgt am 28. Februar um 16.30 Uhr. Unsere Vorfahren schöpften Erkenntnis an heiligen Brunnen unter heiligen Bäumen. Wir gewinnen heute - zusätzlich - nicht nur durch unmittelbare Naturverbundenheit, sondern auch durch wisssenschaftliche Forschung Erkenntnis auf vielen Ebenen und in den diversesten Bereichen. Und auch an der letzteren Form der Erkenntnisgewinnung kann jeder Mensch Anteil nehmen, so wie sicherlich früher jeder willkommen war am heiligen Quell unter der Weltenesche Yggdrasil.


1. Stäuble, Harald: Steinzeit jenseits der Steine. In: Spektrum der Wissenschaft, März 2010, S. 62 - 69, --> frei abrufbar)

Mittwoch, 17. Februar 2010

Als "Parasit" wie Cioran leben?

Merkwürdige anonyme Zuschriften ...

Als Blogger erhält man manchmal merkwürdige Zuschriften, bestehend aus einem merkwürdigen Gemisch von geistreichem Inhalt und Nonsens. (Wahrscheinlich will man damit den Inhalt dieses Blogs karrikieren ;-) .) So wurde dieser Blog in einer Zuschrift auf ein Zitat von Friedrich Nietzsche hingewiesen.

Im Jahr 1882, ein Jahr vor dem Buch "Also sprach Zarathustra" brachte Friedrich Nietzsche sein Buch "Fröhliche Wissenschaft" heraus. In diesem Buch finden sich Ausführungen über das Verhältnis zwischen Arbeit und Langeweile (1). Der anonyme Zusender hat dieses Zitat in den Zusammenhang der Diskussion um ein bedingungsloses Grundeinkommen gestellt. Daß ein bedingungsloses Grundeinkommen die Möglichkeit gibt, die Jahrhunderte alte christliche - benediktinische und protestantische - Arbeitsethik neu zu überdenken, Arbeitsethiken, die unsere moderne Gesellschaft erst hervorgebracht haben, wird niemand in Abrede stellen. Und daß Friedrich Nietzsche bei diesem Überdenken mit zu Rate gezogen werden kann, ebensowenig.

Arbeitsethik - des Mittelalters, der Neuzeit, der Zukunft ...

Allerdings soll betont werden, daß hier auf dem Blog der Schwerpunkt der Argumentation ein anderer ist. Dieser Blog geht davon aus, daß durch die Rationalisierungs-Prozesse in der modernen Wirtschaft unglaubliche Rationalisierungs-Gewinne von einer Schicht weniger Menschen eingefahren werden (besonders kraß in Rußland - aber auch anderwärts).

Rationalisierungsgewinne allerdings, die gar nicht den wenigen zustehen, die sie einfahren, sondern allen, weil alle und nicht wenige die Stabilität jener Gesellschaft erst garantieren, in der solche Rationalisierungs-Gewinne möglich sind. Insbesondere garantieren sie die Stabilität schon dadurch, daß die Menschen in ihrer großen Mehrheit Familien gründen und verantwortungsbewußt leben. - Oder daß sie beides doch zumindest in ihrer großen Mehrheit gerne möchten. Es geht also bei den Themen bedingungsloses Grundeinkommen, Erziehungsgehalt und Umverteilung vor allem um soziale Gerechtigkeit. (Das ist in früheren Beiträgen - auch zur Mehrwert-Theorie von Karl Marx - klar genug ausgeführt worden.)

Doch zunächst einmal das zugesandte Nietzsche-Zitat, um aufzuzeigen, auf was sich manche Leute heute stützen bei ihrer Argumentation:
Arbeit und Langeweile. – Sich Arbeit suchen um des Lohnes willen – darin sind sich in den Ländern der Zivilisation jetzt fast alle Menschen gleich; ihnen allen ist Arbeit ein Mittel, und nicht selber das Ziel; weshalb sie in der Wahl der Arbeit wenig fein sind, vorausgesetzt daß sie einen reichlichen Gewinn abwirft. Nun gibt es seltnere Menschen, welche lieber zugrunde gehen wollen, als ohne Lust an der Arbeit arbeiten: jene Wählerischen, schwer zu Befriedigenden, denen mit einem reichlichen Gewinn nicht gedient wird, wenn die Arbeit nicht selber der Gewinn aller Gewinne ist. Zu dieser seltenen Gattung von Menschen gehören die Künstler und Kontemplativen aller Art, aber auch schon jene Müßiggänger, die ihr Leben auf der Jagd, auf Reisen oder in Liebeshändeln und Abenteuern zubringen. Alle diese wollen Arbeit und Not, sofern sie mit Lust verbunden ist, und die schwerste, härteste Arbeit, wenn es sein muß.
Sonst aber sind sie von einer entschlossenen Trägheit, sei es selbst, daß Verarmung, Unehre, Gefahr der Gesundheit und des Lebens an diese Trägheit geknüpft sein sollte. Sie fürchten die Langeweile nicht so sehr als die Arbeit ohne Lust: ja sie haben viel Langeweile nötig, wenn ihnen ihre Arbeit gelingen soll.
Für den Denker und für alle empfindsamen Geister ist Langeweile jene unangenehme »Windstille« der Seele, welche der glücklichen Fahrt und den lustigen Winden vorangeht; er muß sie ertragen, muß ihre Wirkung bei sich abwarten – das gerade ist es, was die geringeren Naturen durchaus nicht von sich erlangen können! Langeweile auf jede Weise von sich scheuchen ist gemein: wie arbeiten ohne Lust gemein ist. Es zeichnet vielleicht die Asiaten vor den Europäern aus, daß sie einer längeren, tieferen Ruhe fähig sind als diese; selbst ihre Narcotica wirken langsam und verlangen Geduld, im Gegensatz zu der widrigen Plötzlichkeit des europäischen Giftes, des Alkohols.
Ob diese sicherlich wertvollen Worte so einfach auf Inhalte heutiger Debatten anzuwenden sind, stehe dahin. Der anonyme Zusender glaubt sich selbst als Geisteswissenschaftler und Künstler als jemanden ansehen zu können, der zu diesen "wenigen" im Sinne des eben gebrachten Nietzsche-Zitates gehört, und der sich deshalb offenbar selbst in der Wahl der Arbeit als "fein" und "wählerisch" im Sinne von Nietzsche ansieht. Wäre es in heutigen Debatten angebracht, so zu argumentieren? Kann das nicht auch sehr arrogant und schnöselig herüber kommen? Insbesondere für jene, die nicht Geisteswissenschaftler und Künstler sind? In der etwas merkwürdigen, anonymen Zuschriften heißt es etwa:
Vielleicht sollte ich über eine Auswanderung nach Dänermark nachdenken, um menschenwürdiger leben zu können -- auf der ARGE wird man ja für dumm verkauft. Nun halte ich ja nicht viel von meinem Magister („Diplom: Amtlicher Ausweis für Studienabschluss. Beweist gar nichts.“ – Gustave Flaubert), aber daß ich Gabelstapler fahren oder die Straße fegen soll, da man nehmen soll, was man bekommt und flexibel sein muß, das ist die Höhe.
Ist es empörend, wenn ein Künstler Gabelstapler fahren muß?

Ja: Das ist ja wirklich die Höhe! Das ist wahrhaftig ein Grund, nach Dänemark auszuwandern. Menschenunwürdig und sicherlich empörend, wenn ein Geisteswissenschaftler und Künstler Gabelstapler fahren muß. Was ist das denn für eine Grundeinstellung? Sollte es wirklich Leser dieses Blogs geben, die glauben, daß die Äußerung derartiger Einstellungen willkommene Diskussionsbeiträge für diesen Blog wären?

Es gibt einfach viele Arbeiten in unserer Gesellschaft, die getan werden müssen, und die niemals "fein" sein werden. Daß sich auch Geisteswissenschaftler und Künstler daran gewöhnen, ab und an - sicherlich nicht nur - "in die Produktion gesteckt zu werden" - was sollte eigentlich dagegen sprechen? Grundlegende "philosophische" Erwägungen - soweit übersehbar - jedenfalls nicht.

Gabelstaplerfahren würde sicherlich so manchen Schnösel einmal herunter auf den Boden der Tatsachen bringen.

Mersch, Sloterdijk und Kutschera - wenige sehen hier schon zukunftsweisende Zusammenhänge

Die Zuschrift meint hingegen, daß ein "Grundeinkommen" dringend nötig ist, "um der Lohnsklaverei zu entkommen". Der - - - "Lohnsklaverei"? Dieser Blog meint, wie schon oben ausgeführt, daß das nicht das eigentliche Thema ist beim Thema "Grundeinkommen". Sondern das Thema ist schlicht und einfach soziale Gerechtigkeit für alle, nicht - wieder - nur für wenige (Künstler, Geisteswissenschaftler! ...). Die anonyme Zuschrift geht aber sogar noch weiter und schreibt:
Schlau ist es eher, die Lohnsklaverei nicht zu unterstützen, und als „Parasit“ wie Cioran zu leben (siehe Cioran, der ebenfalls nicht arbeiten wollte und sich als Parasit im Sinne von Sartres Baudelaire-Interpretation sah), oder in die Fußstapfen Diogenes von Sinopes zu treten.
Ja, sehr schlau! Mein lieber Diogenes! Der Zusender will also nicht zu den Gedankenlosen gehören. Seine Zuschriften sind hier deshalb behandelt worden, weil sie sich auch sonst mit spannenden Themen auseinandersetzen: Mit Peter Mersch und den Diskussionen rund um ihn bei den Amazon-Leserrezensionen. Mit Peter Sloterdijk und Ulrich Kutschera. Und auch dem, was zu ihnen hier auf dem Blog gesagt worden ist. Andererseits scheinen das manchmal merkwürdige Leute zu sein, die ähnliche Zusammenhängen zwischen Mersch, Sloterdijk und Kutschera sehen wie dieser Blog. Irgendwie mitunter offenbar auch sehr gehässige Leute, wenn man den Tonfall dieser Zuschriften in ihrer Gesamtheit auf sich wirken läßt, worum es aber in diesem Beitrag gar nicht weiter gehen soll. (Der Zusender ärgert sich über viele wesentliche Standpunkte, die Mersch, Sloterdijk und Kutschera vertreten. Das war der Anlaß seiner Meinungsäußerung.)

Jedenfalls: Reichlich merkwürdige, anonyme Zuschriften erhält man manchmal ...

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Ergänzung. Vielleicht lernt man noch viel über die ideologischen Hintergründe derartiger anonymer Zuschriften, wenn man sich erst einmal mit Emil Cioran beschäftigt (Wikip.)? Auch unter Rechtskonservativen wird er als bekannt vorausgesetzt (Sezes.), wie so viele ähnlich gelagerte rechtskonservative bis faschistische Existentialisten und Nihilisten. Z.B. zu den Röhm-Morden von 1934 hat dieser Cioran so ekelhafte Ansichten geäußert (siehe Wikip.), daß man sich weitere Auseinandersetzungen mit diesem Herren eigentlich ganz sparen will. Elitär, schnöselig, einen einseitig geisteswissenschaftlichen Schwerpunkt betonend, sich auf Cioran beziehend. Sich verärgert zeigend über Mersch, Sloterdijk und Kutschera. - Wo das wohl alles herkommen wird ...

Vielleicht wieder nur eine neue Äußerungsart der "Wache gegen den Traum vom neuen Menschen"? ...
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1. Nietzsche, Friedrich: Fröhliche Wissenschaft. Erstes Buch, 42. Abschnitt. Ersterscheinen 1882.

Dienstag, 16. Februar 2010

Jesuitische Diskussionkultur?

Eine Analyse zum Abbruch der Diskussion auf "Spreeblick" vor einer Woche

In diesem Beitrag soll eine Analyse erfolgen der simplen Methode, mit der auf dem Blog "Spreeblick" die Diskussion, eine sehr offene, sehr freie Diskussion über den Jesuitenorden abgewürgt worden ist. Das ist erst sechs Tage her, also noch ein sehr frisches Geschehen.

Vom 28. Januar bis zum 10. Februar, also innerhalb von nur zwei Wochen, gab es da 485 Diskussionsbeiträge. Das sind - klein ausgedruckt - 130 Din-A-4-Seiten.

"Spreeblick" - 28. Januar bis 8. Februar: Hohes Niveau der Diskussion

Der Blog "Spreeblick" ist nach allem, was man hört, einer der meistgelesensten, angesehensten deutschsprachigen Blogs. In der deutschen Presse wurde wiederholt auf diese Blog-Diskussion zu den Jesuiten hingewiesen und aus ihr auch länger zitiert. Diese Diskussion wurde also wirklich gelesen. (Im Gegensatz zu so manchem anderen Blog ... ;-) ) Sie hatte eine unglaubliche Öffentlichkeit. Nirgendwo anders wurde bislang so offen, so dicht, so umfassend und von so vielen Leuten, die es wissen mußten, um alles rund um den Jesuitenorden diskutiert wie hier.

Und fast bis zum Schluß wurde von fast allen Mitdiskutierenden das hohe Niveau, der ruhige, sachliche Ton gelobt, der von allen Teilnehmern bis dahin eingehalten worden war trotz der hohen Emotionalität, die diese Diskussion mit sich bringen mußte, trotz der Tatsache, daß einige Mitdiskutierenden sagten, der Jesuitenorden solle ihnen dankbar sein dafür, daß sie keine Terroristen geworden wären. Trotz einer solchen Emotionalität, die in diesem Thema beschlossen liegt.

Und der Bloginhaber, der sich auch sonst viel mit "Netzkultur" beschäftigt, ja, von vielen dazu auch sonst interviewt wird, zeigte sich in mehreren Interviews, die er genau zu dieser Diskussion gab, über das lange Anhalten des hohen Niveaus in dieser Diskussion sehr erstaunt und überrascht. Und warum hätte dieses Niveau auch verlassen werden sollen? Nachdem es sich über so viele Tage hinweg eingespielt hatte? Wer will denn als neu dazu Kommender in einer Diskussion derjenige sein, der das Niveau herabzieht?

Nun. Wenn man gewisse "Absichten" hat, scheut man sich um solche "Empfindlichkeiten" bestimmt nicht. Wenn ich Jesuitenorden bin und wenn ich einer noch weitergehenden, ausbordenden, "Unheil" stiftenden Diskussion einen Riegel vorschieben möchte: was kann ich tun? Was werde ich tun, wenn ich Jesuit bin und hier "Gefahren" sehe?

Um das zu erfahren, muß man die genannte Seite nur nach diesen beiden Suchworten absuchen: "exsj" und "ExWeinhändler". Im folgenden soll eine Zusammenfassung der Diskussionbeiträge der beiden Geschöpfe gegeben werden, die sich mit diesen beiden Pseudonymen dort zu Wort gemeldet haben, und die unter Gottes freier Sonne herumlaufen.

Am 1. Februar meldet sich in Beitrag 128 zum ersten mal ein "exsj" zu Wort. Zunächst noch ganz sachlich. Ebenso in Beitrag 135 vom gleichen Tag.

"Spreeblick" am 8. Februar: Das Hetzen beginnt

Aber eine Woche später, nach - wie man meinen möchte - für alle Beteiligten sehr wichtigen Erörterungen, die jeden Tag aufs Neue auf diesem Blog den Erkenntnishorizont erweiterten und angesichts der Tatsache, daß noch viele wichtige Aufklärungen zu erwarten waren, daß sich mehrere Journalisten auch vom ZDF in die Diskussion positiv mit einbrachten, wird am 8. Februar in Kommentar 407 der Ton plötzlich ganz anders. Und zwar sehr abrupt. Und nicht nur der Ton wird anders, es wird auch - quasi sofort - mit dem Aufdecken von Pseudonymen gedroht. Wie billig. Und wie bekannt. Und wie so ganz und gar typisch. ...

Zunächst geht es noch um einen Kommentar, der die Kirche mehr oder weniger in Schutz genommen hatte. Dennoch meint der Ex-Jesuit ("exsj"), der Kommentator, auf den er sich bezieht, solle nicht geringeres als den Psychiater aufsuchen:
Den Beitrag von “Hajo” @Hajo (383) kommentieren wir lieber nicht. Völlig absurd. Der Autor sollte einen Psychiater aufsuchen. Hoffen wir, daß dahinter nicht Hajo K. steht.
Das ist ein unglaublich perfider Kommentar. Und am gleichen Tag der gleiche "exsj" in Kommentar 410:
Hocke und Nordhausen – dasselbe Pack.
Es geht um Journalisten, die über den Jesuitenorden schreiben. Plötzlich, mit einem Schlag ein völlig anderer Ton in der Diskussion. Einer der ganz offensichtlich provozieren soll, der Diskussion kaputt machen soll. Was wohl sonst sollte ein solcher Ton? Das ist doch viel zu durchsichtig. Wird aber der Streich gelingen? Wird man es denn nicht durchschauen, daß hier eine aufklärende Diskussion kaputt gemacht werden soll aus allzu durchsichtigen Gründen?

In Kommentar 413 versucht Bloginhaber Johnny Häusler, der ja selbst Jesuitenschüler war und - soweit man sieht - nicht gar zu anti-katholisch geworden ist seither, die Diskussion im Rahmen zu halten:
Ich bitte darum, von Beleidigungen Abstand zu nehmen. Natürlich ist auch die Debatte um die Rolle der Medien eine wichtige, aber das geht sicher auch, ohne Autoren, die sich hier mit vollem Namen dem Dialog stellen, als “Pack” zu bezeichnen.

Man möchte meinen, daß das doch angesichts des angeschlagenen Tonfalls eine sehr milde Zurückweisung ist. - Wie hätte man als Bloginhaber auch reagieren können? Man hätte die Vermutung aussprechen können, daß das wohl jesuitische Diskussionskultur mit Gegnern des Jesuitenordens sein soll. Und man hätte für diesen Fall den Kommentar als ein Anschauungsbeispiel für eine solche Diskussionskultur stehen lassen können. Wäre es in diesem Tonfall weitergegangen, hätte man noch einmal darauf hinweisen können und diese Kommenare dann einfach löschen können. Oder für einen neuen, eigenen Beitrag sammeln können, sozusagen als "Schmutzkübel". Dann wäre das Niveau erhalten geblieben. Aber so dann leider nicht der dann emotional wohl doch etwas überlastet wirkende Johnny Häusler.

Aber vielleicht schiebt er ja selbst noch eine so ähnlich gelagerte Analyse irgendwann hinterher.

Zunächst nimmt der "Ex-Jesuit" seinen Ton noch - etwas - zurück. "Entschuldigen" ist offenbar schnell gemacht. - Zumindest für den Angehörigen oder Ex-Angehörigen eines in den letzten Wochen bekannter gewordenen Ordens.

"Spreeblick" am 10. Februar: Das Wild ist in der Falle, nämlich die Redefreiheit

Dann am 10. Februar der nächste Knaller: Ein "ExWeinhändler" meldet sich zu Wort, natürlich auch ein Ex-Jesuit oder Jesuit. Er verschärft noch einmal den Ton. Von Kommentar 459 bis 465 melden sich nur die beiden bisher genannten "Ex-Jesuiten" zu Wort. Auszüge:

Mein aufrichtiges Bedauern für Deinen Haß und Deine Unfähigkeit (und/oder Unwillen?) verstehen zu können und verzeihen zu wollen. (...) Die Jesuiten als “totalitäres System” zu bezeichnen, halte ich für absurd. ...

Man merkt also schon, an welcher Stelle für die Jesuiten - oder sogar für Ex-Jesuiten - "neuralgische Punkte" erreicht sind.

... eine üble Hetzkampagne gegen CK und RKK ...

Also gegenüber Canisius-Kolleg und Römisch-katholischer Kirche von seiten der Medien. Aber dann Kommentar 463 vom gleichen Tag:

Meine absolute Verachtung für Ihre o.a. geistigen Auswürfe, die Sie auch noch in einer Zeitung veröffentlichen dürfen.

Das hat nichts mit Berichterstattung zu tun, sondern ist pure Hetze, ganz im Sinne der Kreise, die hinter Ihren Arbeitgebern stehen. Unerhebliche Details genüßlich für den Boulevard ausgewälzt, um Stimmung zu machen. Nicht weit weg von Sudel-Ede, nur nicht so lustig wie der damals.

Meine beste platonische Freundin hat lange als Hure gearbeitet. Ich kannte sie schon lange davor, und sie hat mir sehr viel darüber erzählt. Daher habe ich den Unterschied zwischen Hure und Nutte gut kennen gelernt (außer in Wien, da kennt man den verbalen Unterschied nicht).

Daher weiß ich, daß bei “Presse-Hure” das falsche Wort benutzt wird, denn Huren haben viel mehr Ehre!

Hat man hier etwa jesuitische Diskussionkultur in Reinform vorliegen? Braucht man noch mehr Anschauungsmaterial? Wird man sich etwa durch das Kürzel "Ex" verwirren lassen? Der Mann, der hier auf diese Weise angegriffen wird, ist Frank Nordhausen, jener Journalist, der wertvolle Beiträge geschrieben hat über den Jesuitenorden, aus denen auch hier auf dem Blog schon zitiert wurde.

"Stahlkappenbewehrte Schuhe ..."

Einer derjenigen, der sich in der Diskussion bis dahin am überlegtesten und auch kritischsten geäußert hatte über die Jesuiten ("Alt-CKler"), antwortet in Kommentar 468 sicherlich völlig richtig:

Da entdecke ich sie wieder, diese hinterfotzige Verlogenheit, die meine Kindheit vergiftet hat – oben tropfen salbungsvolle Worte aus dem Mund und unten wird mit stahlkappenbewehrten Schuhen kräftig gegen das Schienbein getreten! ...
Es folgen noch weitere Analysen, die alle wichtig sind. Und auf 472 droht dann der Bloginhaber das erste mal:
Es wäre schade, wenn ich die Kommentare schließen müsste.

Warum löscht er nicht einfach die provozierenden Kommentare der "Ex-"Jesuiten? Nein, er läßt dem "Ex Weinhändler" weiter freies Feld, Auszüge von 481 und 482:

... Ersetzen Sie mal das Wort “Jesuiten” durch “Türken” oder “Juden” ...

... Schmierenschreiberei ...

Und damit ist es dann erreicht. Das, was - offenbar - hatte erreicht werden sollen. Der Bloginhaber schließt die Diskussion:

… das ist nicht mehr zu moderieren ...
Man hat - offenbar - alle Anständigen auf seiner Seite, wenn man eine "solche" Diskussion schließt. Aber wenn alle so handeln, handeln würden, würde der Jesuitenorden oder würden "Ex-"Jesuiten jede offene Diskussion über ihn kaputt kriegen.

Man ist gespannt, ob Johnny Häusler sich noch einmal zum Thema zu Wort meldet. Auf jeden Fall hat man wieder etwas gelernt zum Thema Jesuiten.

Montag, 15. Februar 2010

Müssen Papst, Bischöfe und Ordensobere vor Gericht gestellt werden?

Behinderung der UNO-Kinderrechtskonvention und der deutschen Strafverfolgungsbehörden durch die katholische Kirche

Im deutschen Strafgesetzbuch steht:
§ 258 Strafvereitelung

(1) Wer (...) vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft (...) wird, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Vor dem Gesetz sind alle gleich. Aber einige scheinen sich schon seit Jahrzehnten "gleicher" zu fühlen: Die Der Papst, die Bischöfe und die Ordensoberen der katholischen Kirche. Sie stellen das Kirchenrecht der katholischen Kirche über das Recht der Einzelstaaten. (1)

Wenn man der Berichterstattung der letzten Tage und Wochen hinsichtlich der Kindesmißbrauchsfälle durch Jesuiten und andere katholische Priester, sowie durch Kirchenangestellte gefolgt ist, dann muß man schlußfolgern, daß wahrscheinlich sogar die Mehrheit der deutschen Bischöfe bis hinauf zum Papst entsprechend des eingangs genannten Paragraphen vor Gericht zu stellen sind. Denn viele von ihnen, wenn nicht alle wußten von kriminellen Handlungen und haben sie dennoch nicht an die staatlichen Behörden weitergemeldet.

Sondern sie haben sie - ganz wie eine typische Sekte - gemäß "innerkirchlichem" Recht behandelt ("kanonischem Recht"). Die Initiative "Kirche von unten" (IKvu) hat zu der Frage der Höherbewertung von innerkirchlichem Recht gegenüber der Uno-Kinderrechtskonvention und gegenüber einzelstaatlichem Recht auch von dem Sekretär der deutschen Bischofskonferenz, dem Jesuiten Hans Langendörfer (Bild rechts) seit 2003 keine Stellungnahme erhalten.

Im aktuellen "Spiegel" ist darüber zu lesen (Spiegel, 9.2.2010):
Die Berliner Theologin Verena Mosen (von IKvu) sagt (...): "Es darf nicht länger sein, dass die Kirche ein Sonderrecht beansprucht, wie es sonst niemand in der Gesellschaft hat, nämlich beim Verdacht auf eine Straftat zunächst einmal lediglich eine interne Klärung zu verfolgen - jenseits von Polizei und Justiz." (...)

Schon ein Jahr nach Erscheinen der (neuen) bischöflichen Leitlinien (von 2002) erstellte Mosen eine Studie über die Behinderung der Uno-Kinderrechtskonvention durch die Kirche in Deutschland. Diesen Bericht übergab sie an Regierungsstellen und den päpstlichen Vertreter bei der Uno in Genf sowie an die Deutsche Bischofskonferenz.

"Keiner der Empfänger reagierte auf unseren Bericht", sagt Mosen. Nach einem halben Jahr kontaktierte sie den Jesuiten Hans Langendörfer, Sekretär der Bischofskonferenz. Es wurde demnach bestätigt, dass ihr Gutachten vorlag und dass man keinen Kommentar abgeben werde.

"Bis heute hat sich an der Situation, die bereits 2003 in der Studie kritisiert wurde, nichts geändert. Nach deutschem Strafrecht besteht eindeutig eine rechtliche Verpflichtung, Fälle sexuellen Missbrauchs staatlichen Behörden anzuzeigen und Opfern beiseitezustehen, sobald man hiervon erfährt, und nicht erst ein langes innerkirchliches Verfahren in Gang zu setzen", sagt Mosen. (...)

Die Praxis der Deutschen Bischofskonferenz im Umgang mit sexuellem Kindesmissbrauch stehe zudem "nicht im Einklang mit deutschem Recht", kritisiert Theologin Mosen. Es finde ein langer Prozess innerhalb der römisch-katholischen Kirche statt, ehe der Kontakt zu den Strafverfolgungsbehörden aufgenommen werde, "falls dies überhaupt geschieht".

Die Kirche sei durch ihre eigenen Richtlinien gehalten, kanonisches Recht und das Gesetz des Heiligen Stuhls zur Verschwiegenheit von 2001 zu befolgen. "Dieses kirchliche Recht führt aus, dass die Glaubenskongregation die absolute Autorität über die Untersuchungen und Beschlüsse hinsichtlich von Beschuldigungen wegen sexuellen Missbrauchs an Kindern in der Kirche innehat."

Im Fall der Canisius-Schüler zeige sich, dass dies problematisch sei. Bereits 1981 wurden die Vorfälle dem Jesuitenorden angezeigt, 1991 informierte der Täter selbst den Vatikan. Die Berliner Theologin fragt sich: "Warum werden diese strafrechtlich relevanten Gewaltakte erst 2010 öffentlich gemacht und Ermittlungen eingeleitet?" Die Kirche müsse doch sofort mit Regierungsbeamten und staatlichen Ermittlungsbehörden zusammenarbeiten. "Und auch das Einschalten der Medien kann dazu beitragen, dass sich weitere Opfer melden." (...)

"Da muss jetzt wirklich was passieren", klagt Mosen. Sie hofft, dass die katholischen Bischöfe auf ihrer bevorstehenden Frühjahrskonferenz über den Umgang mit sexuellem Missbrauch in der Kirche reden - und von der bestehenden Praxis abkehren werden.
Es ist besonders befremdend, daß offenbar auch deutsche Regierungsstellen auf den erwähnten Bericht von Verena Mosen bis heute nicht reagiert haben. Es ist dies insbesondere eine Angelegenheit des deutschen Familienministeriums, vormals unter Ursula von der Leyen, das auch Berichte über die Lage der Kinder in Deutschland für die Uno verfaßt.

Der 16-seitige Bericht der IKvu ist eine differenzierte Darstellung und außerordentlich lesenswert (1). In den letzten Tagen ist er endlich in die öffentliche Aufmerksamkeit geraten (Kath.net, 10.2.10). Werden sich jetzt endlich Vernunft und Rechtsstaatlichkeit durchsetzen?

Oder werden diese Restbestände von Mittelalter, favorisiert vom gegenwärtigen Papst, weiterhin am Leben erhalten - zum lebenslangen Schaden von hunderten von Kindern, bzw. von späteren Erwachsenen und ihren Familien, und nur damit das Bild "des Priesters" in der Öffentlichkeit nicht Schaden nimmt.

In der Kirche gibt es wie im Mittelalter weder Gewaltenteilung noch Öffentlichkeit und Transparenz. Unglaublich eigentlich, was sich Papst und Bischöfe herausnehmen und was deutsche Familienministerinnen dulden. (Mehr Aktuelles zu Irland --> hpd.)

_______
Literatur:

1. Mosen, Verena: Römisch-katholische Kirche und Kinderrechtskonvention in der Bundesrepublik Deutschland. Ein NRO-Bericht über die Behinderung der Konvention durch das katholische Kirchenrecht am Beispiel sexuellen Missbrauchs. Bonn, September 2003. 16 Seiten. --> pdf., jetzt auch auf --> hpd, 8.2.2010.

Sonntag, 14. Februar 2010

Der Fall Norbert Denef

Seelenmord an Kindern
Steht katholisches Kirchenrecht über dem deutschen Strafrecht?


Der Fall Norbert Denef ist der erste Fall, in dem ein deutsches Bistum eine Entschädigung gezahlt hat. Über diesen Fall kann man sich über eine Sammlung von Fernsehmitschnitten bei "wertghao0" einen Überblick verschaffen. Norbert Denef hat auch eine wichtige, eigene Netzseite.

Norbert Denef wurde von 1958 bis 1964 zwischen dem 10. und dem 16. Lebensjahr von dem inzwischen verstorbenen aber bis heute in seiner Gemeinde beliebt gebliebenen katholischen Geistlichen von Delitzsch bei Leipzig mißbraucht. Er hat auch viele andere mißbraucht. Nachdem dieser Priester versetzt worden war, wurde er Denef zwei Jahre, 1965 und 1966, vom Organisten der Gemeinde mißbraucht.

Norbert Denef, technischer Leiter an den Opern Leizpig und Frankfurt am Main, hat über seinen Mißbrauch Jahrzehnte geschwiegen. Nachdem er sich mit der Fachliteratur über den Seelenmord an Mißbrauchsopfern auseinandergesetzt hatte, hat er dann im November 1993 auf einem Familientreffen seine sämtlichen Angehörigen und die beiden Täter mit dem Geschehenen konfrontiert. Seitdem sprechen seine Geschwister und deren Familien nicht mehr mit ihm.

Erst 2003 hat sich Norbert Denef zu einer Anzeige beim Bistum Magdeburg durchgerungen. In das Opfer ständig beleidigenden Verhandlungen ließ sich das Bistum schließlich dazu bewegen, anstelle der geforderten 450.000 Euro Entschädigung 25.000 Euro Entschädigung zu bezahlen, und ohne dabei auf ein zunächst gefordertes Redeverbot über diesen Fall weiter zu bestehen.

Im Dezember 2005 machte der "Spiegel" diesen Fall öffentlich. (Spiegel, 3.12.2005, aktuell: Spiegel, 12.2.2010) Zwischenzeitlich ging dann auch ein skandalöser Fall im Erzbistum Regensburg mit größerem Aufsehen durch die Presse. Die folgenden Video's zu diesem Fall kann man sich ruhig einmal ansehen. Sie sind eine recht gute "Einführung" in die derzeitige Praxis der katholischen Kirche und katholischer Gemeinden wie Delizsch im Umgang mit solchen Mißbrauchsfällen.
MDR Unter uns - Die Narben bleiben
(Dezember 2007)

MDR SachsenSpiegel - Opfer brechen das Schweigen
(Dezember 2007)

MDR Dabei ab zwei - Vom Pfarrer missbraucht

westART im WDR - Ich wurde sexuell missbraucht

Menschen bei Maischberger - Tätern helfen?

Johannes. B. Kerner - 1/3 Lebenslänglich
Johannes. B. Kerner - 2/3 Lebenslänglich
Johannes. B. Kerner - 3/3 Lebenslänglich

Kirchentag Osnabrück 2008

ZDF Volle Kanne
(November 2009)

Aber eigentlich muß sich nach der Beschäftigung mit solchen Einzelfällen die Frage auch ganz allgemein auf die vielen Fälle von Kindesmißbrauch richten, ob mit oder ohne kirchlichen oder religiösen Zusammenhängen. Wenn dieser Fall Norbert Denef das könnte, dann hätte doch wenigstens dadurch die katholische Kirche noch etwas "Gutes" bewirkt. Die Empörung über die unsensible Art, mit der die katholische Kirche mit diesen Dingen umgeht, muß sich erweitern zu einer Empörung über die unsensible Art, mit der unsere Gesellschaft überhaupt mit solchen Dingen umgeht.

"Seelsorge" jedenfalls wäre innerhalb unserer Gesellschaft sehr von nöten. Glaubwürdige. Wahrhaftige. Aber bestimmt nicht eine solche wie von der römisch-katholischen Kirche derzeit betriebene! (Weitere aktuelle Literatur auch: Bild, 12.2.10, Heise, 13.2.10.)