Donnerstag, 25. Februar 2010

Papst und Jesuiten: Es gibt keine schlechte Publicity

Auch schlechte Publicity ist Publicity

Was findet der Leser heute auf Abendblatt.de ...:

Liebe Leute! Als Jesuitenorden muß man doch zunächst einmal wirtschaftlich denken. Schadensersatzklagen stehen an, Insolvenzen sind schon angemeldet (USA). Also, Leute, laßt sie doch die Publicity nutzen, die sie derzeit haben und laßt sie Werbung machen "für ihr Ding".

- - - Doch zum Glück finden auch Kirchenkritiker allmählich aus ihrer tagelang anhaltenden Sprachlosigkeit heraus. Man liest sie wieder, Schlagzeilen wie "Ultimative Unverschämtheit", "Gipfel der Scheinheiligkeit" (hpd, 24.2.a, 24.2. b) etc. pp.. Wäre auch wahrlich merkwürdig genug gewesen, wenn diese Schlagzeilen nicht irgendwann eingesetzt hätten. Aber das sind in der Tat schon etwas lethargische Reaktionsspannen.

... Er versuchte nie, sie zu küssen: Josef Ratzinger Uta Ranke-Heinemann ...

Und so manches wird derzeit in den Medien doch ganz ordentlich und redlich erörtert, auch ohne den Blog "Spreeblick".

Zum Beispiel: Nie ganz sicher konnte sie sich sein, ob nicht plötzlich einer der dem Zölibat entgegengehenden Theologie-Studenten auf die Idee käme, ihr einen Kuß zu geben. So erzählte es dem "Focus" Frau Uta Ranke-Heinemann, die erste Professorin für katholische Theologie in Deutschland, in einem Interview (Focus, 18.2.10). Und das, obwohl sie zu jenem Zeitpunkt schon verlobt war. - Eine Vorbereitung von Theologen auf alles das, was kommen würde?

Nur der junge Studiosus Josef Ratzinger, so sagt Frau Uta Ranke-Heinemann im "Focus", versuchte es nie:
FOCUS Online: Sie kennen Joseph Ratzinger persönlich aus Ihrer Studienzeit in München …

Ranke-Heinemann: Ja, ich kenne ihn und war über 50 Jahre lang eine Anhängerin von ihm. Er ist ein bedeutender Theologe, und wir haben uns Anfang der 50er-Jahre gegenseitig geholfen, unsere Promotionsthesen ins Lateinische zu übersetzen. Hochintelligent habe ich ihn in Erinnerung. Weil ich damals schon verlobt war, suchte ich mir einen Kommilitonen aus, bei dem ich absolut sicher sein konnte, dass er mir nicht plötzlich einen Kuss gibt. Bei ihm war ich da absolut sicher. Er hatte schon immer die Aura eines Kardinals, hochintelligent bei Abwesenheit jeglicher Erotik. Aus dieser Zeit kannten wir uns gut. Aber dennoch hat der heutige Papst mir in seiner späteren Rolle als Präfekt der Glaubenskongregation nicht geholfen, mich gegen den Verlust meines Lehrstuhls zu schützen. Ich dachte damals, er leide selbst unter Johannes Paul II. Doch seit er dessen Nachfolge angetreten hat, muss ich erkennen, dass Benedikt selbst hinter allen von mir bekämpften Tendenzen der Kirche steckt. Das war eine der größten Enttäuschungen in meinem Leben.
Pfäffisches Leben: Alles wird geküßt, nur kein Frauenmund

Über 50 Jahre lang Anhänger des - verlobte Frauen nicht küssenden - Josef Ratzinger zu sein und dann die größte Enttäuschung in seinem Leben erfahren, das klingt - ehrlich gesagt - ein wenig gar zu platt. Andererseits sieht Josef Ratzinger auf Fotos aus jüngeren Lebensjahren bis hin zum jungen Professor (a, b, c) wirklich noch etwas idealistischer und ehrlicher-wohlgesonnen aus, als heute (siehe Fotos links und rechts). Man meint deutlich zu spüren: Machtausübung hat später seinen Charakter allzu deutlich verändert. In einem, wie einem scheint, sehr katholischen Sinne.

Die Katholische Kirche: Strukturiert wie eine Monarchie

Heute jedenfalls spricht Frau Ranke-Heinemann, wenn sie von ihrem ehemaligen Komilitonen, Herrn Ratzinger, spricht, von heuchlerischen "Krokodilstränen", die dieser vergießen würde. - Ja, in der katholischen Kirche selbst wächst der Widerstand gegen die Jahrtausende alten, festgeschriebenen, inneren Strukturen. Festgeschrieben von Männern, die in Jugendzeiten gerne überraschend hübsche Frauen küßten, die mit anderen Männern verlobt waren (Focus, 19.2.10):
Die Kurie sei bis heute wie eine Monarchie strukturiert, (...) berichtete die Forschungsgruppe „Religion und Politik“ der Universität Münster am Freitag (...) unter anderen mit dem Berliner Politologen Otto Kallscheuer und dem Münsteraner Sozialethiker Karl Gabriel. (...)

Gabriel kritisierte die zentralistische Autoritätsstruktur des Vatikans. Eine solche Institution lasse sich nicht mehr von einer Person allein regieren. Er warf dem Papst außerdem vor, er ignoriere das Säkulare der modernen Welt. Er komme nicht damit zurecht, dass die katholische Kirche nur noch eine von vielen Religionen im globalen Weltanschauungsmarkt darstellt.

Beide Experten bedauerten, dass Benedikt XVI. durch die Pannen eine weltpolitische Chance vergebe. Die Kirche könne wie kaum eine andere Institution die Rolle eines moralischen Global Player übernehmen.
Wenn sie ehrlich und redlich jene Frauen heiraten würden, die sie in ihrer Zeit als Theologiestudenten so gerne küssen wollten, und ab und an mal einen vertrauensvollen Vorschlag von weiblicher Seite entgegennehmen würden, würde man von ihnen noch etwas erhoffen wollen. - Auf den Papst hören heute in der Tat immer noch viele Menschen. Er könnte viel Positives bewirken, wenn es ihm darum ginge, wirklich Modernes, Positives, Zukunftsweisendes, Menschliches (und nicht: Priesterliches, Pfäffisches) bewirken zu wollen. Aber kann das einer, der noch nie in seinem Leben versucht hat, ein Mädchen zu küssen? Noch nicht einmal - - - Uta Ranke-Heinemann?

Katholischen Monarchie: Publicity-Kußorgien

Und auf der anderen Seite dann diese Kußorgien, zu denen der Papst in aller Öffentlichkeit fähig ist. Der Boden, die Tischplatten, die Kinder, alle möglichen heiligen und profanen Gegenstände werden geküßt. Nur kein Frauenmund. Obwohl man einen solchen Frauenmund doch wohl so ziemlich als das Humanste und Heiligste in dieser Welt wird bezeichnen dürfen. Wozu diese Ersatz- und Übersprunghandlungen, wie man sie wohl aus der Sicht der Verhaltensforschung wird nennen dürfen? Und von Staatsmännern, Fürsten und Königen läßt man sie sich immer noch gerne küssen, die monarchische, die päpstliche, die "segnende" Hand ...



("Küßt ihr nur den Boden, ich küß lieber dich," hat einmal die Pop-Gruppe "Pur" gesungen.)




Vielleicht kann man in der Tat alle Probleme der katholischen Kirche auf einen Nenner bringen: Die falschen Kußobjekte.

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