Montag, 15. Februar 2010

Müssen Papst, Bischöfe und Ordensobere vor Gericht gestellt werden?

Behinderung der UNO-Kinderrechtskonvention und der deutschen Strafverfolgungsbehörden durch die katholische Kirche

Im deutschen Strafgesetzbuch steht:
§ 258 Strafvereitelung

(1) Wer (...) vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft (...) wird, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Vor dem Gesetz sind alle gleich. Aber einige scheinen sich schon seit Jahrzehnten "gleicher" zu fühlen: Die Der Papst, die Bischöfe und die Ordensoberen der katholischen Kirche. Sie stellen das Kirchenrecht der katholischen Kirche über das Recht der Einzelstaaten. (1)

Wenn man der Berichterstattung der letzten Tage und Wochen hinsichtlich der Kindesmißbrauchsfälle durch Jesuiten und andere katholische Priester, sowie durch Kirchenangestellte gefolgt ist, dann muß man schlußfolgern, daß wahrscheinlich sogar die Mehrheit der deutschen Bischöfe bis hinauf zum Papst entsprechend des eingangs genannten Paragraphen vor Gericht zu stellen sind. Denn viele von ihnen, wenn nicht alle wußten von kriminellen Handlungen und haben sie dennoch nicht an die staatlichen Behörden weitergemeldet.

Sondern sie haben sie - ganz wie eine typische Sekte - gemäß "innerkirchlichem" Recht behandelt ("kanonischem Recht"). Die Initiative "Kirche von unten" (IKvu) hat zu der Frage der Höherbewertung von innerkirchlichem Recht gegenüber der Uno-Kinderrechtskonvention und gegenüber einzelstaatlichem Recht auch von dem Sekretär der deutschen Bischofskonferenz, dem Jesuiten Hans Langendörfer (Bild rechts) seit 2003 keine Stellungnahme erhalten.

Im aktuellen "Spiegel" ist darüber zu lesen (Spiegel, 9.2.2010):
Die Berliner Theologin Verena Mosen (von IKvu) sagt (...): "Es darf nicht länger sein, dass die Kirche ein Sonderrecht beansprucht, wie es sonst niemand in der Gesellschaft hat, nämlich beim Verdacht auf eine Straftat zunächst einmal lediglich eine interne Klärung zu verfolgen - jenseits von Polizei und Justiz." (...)

Schon ein Jahr nach Erscheinen der (neuen) bischöflichen Leitlinien (von 2002) erstellte Mosen eine Studie über die Behinderung der Uno-Kinderrechtskonvention durch die Kirche in Deutschland. Diesen Bericht übergab sie an Regierungsstellen und den päpstlichen Vertreter bei der Uno in Genf sowie an die Deutsche Bischofskonferenz.

"Keiner der Empfänger reagierte auf unseren Bericht", sagt Mosen. Nach einem halben Jahr kontaktierte sie den Jesuiten Hans Langendörfer, Sekretär der Bischofskonferenz. Es wurde demnach bestätigt, dass ihr Gutachten vorlag und dass man keinen Kommentar abgeben werde.

"Bis heute hat sich an der Situation, die bereits 2003 in der Studie kritisiert wurde, nichts geändert. Nach deutschem Strafrecht besteht eindeutig eine rechtliche Verpflichtung, Fälle sexuellen Missbrauchs staatlichen Behörden anzuzeigen und Opfern beiseitezustehen, sobald man hiervon erfährt, und nicht erst ein langes innerkirchliches Verfahren in Gang zu setzen", sagt Mosen. (...)

Die Praxis der Deutschen Bischofskonferenz im Umgang mit sexuellem Kindesmissbrauch stehe zudem "nicht im Einklang mit deutschem Recht", kritisiert Theologin Mosen. Es finde ein langer Prozess innerhalb der römisch-katholischen Kirche statt, ehe der Kontakt zu den Strafverfolgungsbehörden aufgenommen werde, "falls dies überhaupt geschieht".

Die Kirche sei durch ihre eigenen Richtlinien gehalten, kanonisches Recht und das Gesetz des Heiligen Stuhls zur Verschwiegenheit von 2001 zu befolgen. "Dieses kirchliche Recht führt aus, dass die Glaubenskongregation die absolute Autorität über die Untersuchungen und Beschlüsse hinsichtlich von Beschuldigungen wegen sexuellen Missbrauchs an Kindern in der Kirche innehat."

Im Fall der Canisius-Schüler zeige sich, dass dies problematisch sei. Bereits 1981 wurden die Vorfälle dem Jesuitenorden angezeigt, 1991 informierte der Täter selbst den Vatikan. Die Berliner Theologin fragt sich: "Warum werden diese strafrechtlich relevanten Gewaltakte erst 2010 öffentlich gemacht und Ermittlungen eingeleitet?" Die Kirche müsse doch sofort mit Regierungsbeamten und staatlichen Ermittlungsbehörden zusammenarbeiten. "Und auch das Einschalten der Medien kann dazu beitragen, dass sich weitere Opfer melden." (...)

"Da muss jetzt wirklich was passieren", klagt Mosen. Sie hofft, dass die katholischen Bischöfe auf ihrer bevorstehenden Frühjahrskonferenz über den Umgang mit sexuellem Missbrauch in der Kirche reden - und von der bestehenden Praxis abkehren werden.
Es ist besonders befremdend, daß offenbar auch deutsche Regierungsstellen auf den erwähnten Bericht von Verena Mosen bis heute nicht reagiert haben. Es ist dies insbesondere eine Angelegenheit des deutschen Familienministeriums, vormals unter Ursula von der Leyen, das auch Berichte über die Lage der Kinder in Deutschland für die Uno verfaßt.

Der 16-seitige Bericht der IKvu ist eine differenzierte Darstellung und außerordentlich lesenswert (1). In den letzten Tagen ist er endlich in die öffentliche Aufmerksamkeit geraten (Kath.net, 10.2.10). Werden sich jetzt endlich Vernunft und Rechtsstaatlichkeit durchsetzen?

Oder werden diese Restbestände von Mittelalter, favorisiert vom gegenwärtigen Papst, weiterhin am Leben erhalten - zum lebenslangen Schaden von hunderten von Kindern, bzw. von späteren Erwachsenen und ihren Familien, und nur damit das Bild "des Priesters" in der Öffentlichkeit nicht Schaden nimmt.

In der Kirche gibt es wie im Mittelalter weder Gewaltenteilung noch Öffentlichkeit und Transparenz. Unglaublich eigentlich, was sich Papst und Bischöfe herausnehmen und was deutsche Familienministerinnen dulden. (Mehr Aktuelles zu Irland --> hpd.)

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Literatur:

1. Mosen, Verena: Römisch-katholische Kirche und Kinderrechtskonvention in der Bundesrepublik Deutschland. Ein NRO-Bericht über die Behinderung der Konvention durch das katholische Kirchenrecht am Beispiel sexuellen Missbrauchs. Bonn, September 2003. 16 Seiten. --> pdf., jetzt auch auf --> hpd, 8.2.2010.

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