Montag, 29. März 2021

Der Freudengott kommt im Triumph ...

... in die Völkerwelt
                              - Wann beginnt sein Triumphzug?

[ Leitwort ] 

An unsere großen Dichter

Des Ganges Ufer hörten des Freudengotts
   Triumph, als allerobernd vom Indus her
      Der junge Bacchus kam, mit heil'gem
         Weine vom Schlafe die Völker weckend.
 
O weckt, ihr Dichter! weckt sie vom Schlummer auch,
   Die jetzt noch schlafen, gebt die Gesetze, gebt
      Uns Leben, siegt, Heroën! ihr nur
         Habt der Eroberung Recht, wie Bacchus.

                                                                            Friedrich Hölderlin, 1798 

Ist mit diesen wenigen Zeilen nicht alles gesagt?

Wenn diese zitierten Zeilen von Friedrich Hölderlin nicht Leitwort sind, sein können, wären für einen modernen, gesellschaftlichen Aufbruch, für einen Aufbruch, der wirklich noch Sinn machen könnte - welche dann?

Abb. 1: Silenus (Wiki) - Römische Skulptur, Rom

Auch in diesen - wenigen - dichterischen Zeilen ist - wie in fast jeder Dichtung von Friedrich Hölderlin - die Rede von einem neuen Zeitalter, das herauf kommt gemeinsam mit einer neuen Lebensanschauung, einem neuen Zeitgeist, einer neuen philosophischen und dichterischen Gesamtdeutung der Welt. Einer Gesamtdeutung, die zu Freudentaumeln Anlaß gibt.

Es geht um eine erneute Wieder-Heraufkunft der untergegangene Antike, um eine Wieder-Heraufkunft in neuer, moderner, womöglich noch lebendigerer Form. 

 

Abb. 2: Maske des Silenus, 1. Jahrhundert, Seidenstraße, Afghanistan (Begram)

Viele Künstler, Denker, Philosophen, Wissenschaftler haben dieser Wieder-Heraufkunft über viele Jahrhunderte hinweg vorgearbeitet. Sie arbeiten ihr gegenwärtig vor, gebannt, vereinnahmt von den Möglichkeiten menschlicher, gesellschaftlicher Entwicklung, gebannt von den Möglichkeiten philosophischer Gesamtdeutung unserer Welt im Angesicht der Moderne.

 

Abb. 3: Cupido, Wandmalerei in Pompeji

Der hier genannte Bacchus (Wiki) ist ein Beiname des Dionysos, des Gottes des Weines, aber mehr noch, des Gottes der Freude, des Tanzes, des Taumels, der Trunkenheit. Jenes Gottes, der eine Verkörperung ist der Beseeligung durch Gotterleben.

Bacchus/Dionysos und ihre Begleiter, die Bacchanten und all die anderen Fabelwesen - immer und immer wieder aufs Neue haben sie Darstellungen in der bildenden Kunst gefunden. Von der Antike (s. Abb. 1 bis 3) über die Niederländer der Frühen Neuzeit (z.B. Peter Paul Rubens), auch über die Deutschen des 19. Jahrhunderts (z.B. Lovis Corinth) - und bis heute. Als wir nach einer angemessenen Bebilderung dieses Beitrages suchten, wurde uns das wieder klar.

"Die Stadt der Freude, das jugendliche Korinth"

Ebenso haben sie wieder und wieder Behandlung in der Philosophie gefunden, etwa in "Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik", jener Schrift, in der Friedrich Nietzsche anfing, zu taumeln, zu tanzen, sich zu freuen, exzentrisch zu sein. 

Als Lehrer und Begleiter des Dionysos gilt auch der Silenus. Und auch er ist dementsprechend ein beliebter Gegenstand künstlerischer Darstellung seit mehr als zweitausend Jahren gewesen (Abb. 1 und 2). Seine Verehrung reichte in der Tat - wie von Hölderlin ausgesagt - in der Antike von der Seidenstraße und von Indien im Osten (Abb. 2), vom Ganges und vom Indus im Osten bis an den Tiber, bis nach Rom im Westen (Abb. 1), bis an den Rhein und die Elbe und die Themse im Norden.

Und sie alle wurden auch in Pompeji in Skulpturen und in Wandmalereien gefeiert. Und verehrt. Als Gleichgesinnte. In jenem Pompeji, von dem dasselbe gesagt werden könnte wie das, was Friedrich Hölderlin über "die Stadt der Freude, das jugendliche Korinth" gesagt hat (Hyperion, 1. Buch, 1. Brief). 

Auch über Pompeji wäre zu sprechen als von der "Stadt der Freude", von dem "jugendlichen Pompeji" (Abb. 3). So wie über alle Städte im Mittelmeerraum der damaligen Zeit (1, 2).

Es fragt sich, wann der Triumphzug des Freudengottes durch die Völkerwelt, dem durch so viele Generationen von Künstlern, Philosophen, Dichtern und Wissenschaftlern voraus gearbeitet worden ist, wann er nun - endlich - seinen Anfang nimmt.

Es dürfte abhängen von Dir und von mir, lieber Leser.

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  1. Bading, Ingo:  "... Iss, trink und scherze - das übrige ist nicht SO viel wert ..." Ein Ausflug in die Kultur- und Philosophiegeschichte der südtürkischen Küste, 3-2016, https://studgendeutsch.blogspot.com/2016/03/iss-trink-und-scherze-das-ubrige-ist.html
  2. Bading, Ingo:  "Damals war nichts heilig als das Schöne" Side - Die Hauptstadt Pamphyliens, 6-2016, https://studgendeutsch.blogspot.com/2016/06/damals-war-nichts-heilig-als-das-schone.html

Samstag, 6. März 2021

Der BND als Handlanger des Mossad

Reinhard Gehlen, erst gab er die Feindlage-Berichte an der Ostfront - - - dann half er Israel 

Der BND hat Akten freigegeben, was er nur mit Zustimmung des Mossad gemacht haben kann (1). Wir haben also wieder vorliegen einen weiteren Fall von "gewollter Transparenz" von Seiten des Mossad. Die Akten zeigen auf, daß der Mossad den BND regelmäßig und wie selbstverständlich als Handlanger für seine Anliegen benutzt hat. Unter Wahrung der Interessen der Adenauer-Regierung, in der der Staatssekreträr Globke genauso vor Gericht hätte gestellt werden können wie Adolf Eichmann (2, 3). Alle Seiten wußten das.

Was deutet sich hier insgesamt als "Schema" an? Der deutsche Nachkriegsstaat wird freundlich geduldet von Seiten Israels, obwohl bestens bekannt war, daß in der BRD die vielen Schreibtischtäter während des Zweiten Weltkrieges (unter anderem auch gegen Juden) überhaupt nicht vor Gericht gestellt wurden (sondern daß gegen sie mit gerissenen Mitteln kalte Amnestie geübt wurde), daß diese weiter in allen Ministerien an führenden Stellen arbeiteten (4). Muß man dann nicht sagen, daß sie auch schon VOR 1945 mit wohlwollendem Kopfnicken der Israel-Lobby in Deutschland tätig waren? Und auch dafür gibt es ja viele Belege. Immerhin wäre in dieses Schema zum Beispiel auch sehr nahtlos die Finanzierung Hitlers durch das Bankhaus Warburg einzugliedern (5). Oder die Gerüchte um die Beziehungen zwischen Hitler und Hanussen (6). Um nur Weniges zu nennen.

Ganz am Ende des Videos greift auch noch Allen Dulles persönlich in die Geschehnisse ein. Er hatte also sozusagen das letzte Wort. Auch Allen Dulles war 1933 während der Machtübernahme in Deutschland. Und unter seiner Federführung sollten nach 1945 noch unzählige Regierungsumstürze und Revolutionen in Staaten weltweit inszeniert werden.

Wie ekelhaft das alles. Wie zutiefst ekelhaft. Es wird hier deutlich wie die sich hier auf dem Blog oft behandelte Eliten-Kontinuität über die Jahre 1933, 1945 und 1989 hinweg sehr konkret anfühlt.

Der Oberst Gehlen, der als Chef der Abwehr Ost massiv Einfluß genommen hat auf die Erfolge oder Mißerfolge der deutschen Wehrmacht gegen die Sowjetunion, er tritt hier als selbstverständlicher und williger Handlanger des Mossad in Erscheinung. Ist das die Rolle, die er in letzter Instanz auch schon vor 1945 gespielt hat?

Damit soll nur weniges angedeutet werden, in welche Zusammenhänge die Inhalte dieses Videos zu stellen sind. 

Beschlossen in "Camp David", im Kriegslager des jüdischen Königs David? 

Seine Veröffentlichung nehmen wir zum Anlaß, einige bislang hier auf dem Blog nicht veröffentlichte Artikel und Hinweise mit einzustellen als Anregungen für weitere Recherche.

Die Filmaufnahmen vom Eichmann-Prozeß in Jerusalem sind schon seit Jahren zugänglich. Hier eine Übersicht über alle 114 Videos. Der erste Teil zeigt einen völlig verkniffenen, verängstigten Adolf Eichmann. Die ersten zehn Teile zeigen die Anklage und den Staatsanwalt. Im Teil 8/9 folgt ab der 45. Minute mit Beginn der 9. Sitzung die erste Zeugenvernehmung. In der 75. Sitzung wird der Angeklagte von der Verteidigung vernommen.

Nicht nur einmal in diesem Video (1) fühlt man sich an den Buchtitel des Autors Hennecke Kardel (1922-2007) erinnert von "Hitler als Begründer Israels" (8). Das ist natürlich ein Autor, der insgesamt (9-18) höchst kritisch zu lesen ist, wobei uns ja glücklicherweise auch Lesehilfen mit an die Hand gegeben worden sind (19). 

Auch versteht man mit diesem Video besser, daß die Aufarbeitung der Geschichte des BND noch vor zehn Jahren zu einer Staatsangelegenheit werden konnte, die auf höchster politischer Ebene verhandelt - und verhindert - werden mußte. So geschehen im Jahr 2009 rund um den Journalisten Andreas Förster (2).

Dazu hier noch ein paar Hinweise: Der freiberufliche Journalist Uwe M. (Uwe Müller) aus Leipzig arbeitete unter dem Decknamen "Sommer" für den BND und bespitzelte vier Jahre lang den Journalisten der "Berliner Zeitung" Andreas Förster. (Berliner Ztg. 15.5.06Spiegel 16.5.06Berliner Ztg. 17.5.06Stern 23.5.06Süddt. 31.5.06Handelsblatt 31.5.06TAZ, 29.4.08Berliner Ztg. 13.2.09Spiegel 12.12.09) So findet sich in den BND-Unterlagen ein Vermerk, er habe 2004 ein Buch über die Zusammenarbeit des Ministeriums für Staatssicherheit mit dem Mossad geplant. Über dieses Buch, so Förster, habe er nur mit einer Person am Telefon gesprochen, zudem sei das Buchprojekt "nie über das Stadium einer Überlegung hinausgegangen". Der heute 43-jährige M. war offenbar eine gute Quelle. Der BND honorierte "Sommers" Spitzelberichte über Förster und zwei andere Journalisten mit angeblich vierstelligen Eurosummen. Der Dienst rüstete den Agenten sogar mit Deckadresse und Handy aus, damit er aktuelle Erkenntnisse und erbeutete Unterlagen umgehend an seinen Verbindungsführer beim Geheimdienst weitermelden konnte.

Dieses Video der deutschen Journalistin Gaby Weber (geb. 1954)(Wiki) verdiente eine weitaus gründlichere Auswertung als das mit diesem Blogartikel geschehen kann. Durch dasselbe gerät auch das Thema "Eichmann vor Jerusalem" (20-22) in neues Licht. Mit diesem Thema haben wir uns auch schon in unveröffentlichten Vorarbeiten beschäftigt. Wenn Adolf Eichmann schon "vor Jerusalem" mit Geheimdiensten zusammen gearbeitet hat - wie sind dann seine großspurigen Aussagen, die er da in Argentinien getätigt hatte - geradezu wie ein Angeber, der stolz war auf den Mord von Millionen von Juden - eigentlich zu werten? Verdienen sie überhaupt Glaubwürdigkeit? Zumal auch ein weiterer wichtiger Zeitzeuge in diesem Zusammenhang - Wilhelm Höttl (1915-1999) - sich in Geheimdienstkreisen bewegt hat. 

Auch wäre der Eichmann-Prozeß noch in den Zusammenhang zu stellen mit der ersten Welle der Vergangenheitsbewältigung in Deutschland (so von Armin Mohler charakterisiert), die mit den - von östlichen Geheimdiensten inszenierten - Hakenkreuzschmierereien in Köln zu Weihnachten 1959 begann. Verschiedene Autoren haben Hinweise gegeben darauf, daß solche Geschehnisse der Folgemonate und -jahre in groben Zügen abgesprochen worden waren während des Chruschtschow-Besuches im September 1959 in den USA, in "Camp David", also ... im "Kriegslager des jüdischen Königs David", unter anderem in Gesprächen mit Bernard Baruch.

Insgesamt wird immer deutlicher, wie furchtbar "billig" "Geschichte", "Geschichtsbilder" und der Wandel von Geschichtsbildern werden, wenn Hintergrundmächte so viel "gewollte Transparenz" zulassen. Wird den Menschen nicht irgendwann speiübel vor so viel - - - "Billigkeit"? 

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  1. Weber, Gaby: Pimpel und Blaustern - Die BND-Akten über die Strafsache Eichmann. 10.02.2021, https://youtu.be/N0GRmAVTDDM
  2. Bading, Ingo: Gesellschaftlicher Aufbruch - jetzt?: Hans Globke, der politische Katholizismus und Israel (studgenpol.blogspot.com), 2009
  3. Der Mann hinter Adenauer - Hans Maria Globke, https://youtu.be/awTUDrEzsUg
  4. Bading, Ingo: Gesellschaftlicher Aufbruch - jetzt?: Warum hat es nie einen großen Gestapo-Prozeß gegeben? (studgenpol.blogspot.com), 2011
  5. Bading, Ingo: Gesellschaftlicher Aufbruch - jetzt?: Die Wallstreet kaufte Hitler - Allen Dulles, der CIA und seine Verbindungsleute in Deutschland erledigten alles weitere (studgenpol.blogspot.com), 2010
  6. Bading, Ingo: Gesellschaftlicher Aufbruch - jetzt?: Die Schicksalsgläubigkeit des Adolf Hitler (Teil 2: 1927-1933) (studgenpol.blogspot.com), 2012
  7. Bading, Ingo: Gesellschaftlicher Aufbruch - jetzt?: Der "Verfassungsschutz" als Nachfolgeorganisation der "Gestapo" (studgenpol.blogspot.com), 2011
  8. Kardell, Hennecke: Adolf Hitler – Begründer Israels. Marva, Genf 1974
  9. Ledraque, Jean (d.i. Hennecke Kardell): Springers Nazionismus. Anklage und Zeugen. Marva, Genf  o.J. (etwa 1978)
  10. Kardell, Hennecke: Parteien-Wahl ohne uns. Hamburg 1992
  11. Kardell, Hennecke: von Weizsäcker. Ein Mann nach dem Herzen Gottes. o.J. (etwa 1992)
  12. Kardell, Hennecke: BUND - „out of area“. Der Dank des Vaterlandes ist Euch UN gewiß. Hamburg 1993
  13. Kardell, Hennecke: Bonns Zwing-Herren. 2. Aufl., Hamburg 1996
  14. Kardell, Hennecke: Hitlers Abkunft. Das deutsch-israelische Tabu. Hamburg o.J.
  15. Kardell, Hennecke: Goldener Oktober. Anschluß. Hamburg 2001 [Brandenburger Tor-Kreis]
  16. Kardell, Hennecke: Deutschland – Heimatland. Rückschau auf achzig Lenze. Hamburg 2002
  17. Kardell, Hennecke: Marcel Reich-Ranicki - Eichmann von Kattowitz. oO oJ
  18. von Frankenberg, Alfred: Hennecke Kardell - Nachruf. Auf: Luebeck-Kunterbunt 2007
  19. Langowski, Jürgen: Hennecke Kardel. Auf: Holocaust-Referenz - Argumente gegen Holocaust-Leugner. [2021]
  20. Eichmann, Adolf: I transported them to the bucher. / I regret nothing. In: Life (magazine), 28. November und 5. Dezember 1960 (siehe HannaArendtCenter)
  21. Aschenauer, Dr. R. (Hg.): Ich, Adolf Eichmann. Ein historischer Zeugenbericht. Druffel-Verlag, Leoni am Starnberger See 1980, 1981 (550 S.)
  22. Stangneth, Bettina: Eichmann vor Jerusalem. Das unbehelligte Leben eines Massenmörders. Arche Literatur-Verlag, Zürich, Hamburg 2011
  23. Weber, Gaby: Die nukleare Pflugschar – US-Testversuche trotz des Moratoriums?, Deutschlandfunk, Dossier, 2. September 2011, dossier_110902.pdf (deutschlandfunk.de)

Montag, 1. März 2021

Ein Kind - In einem Ehekonflikt - In Pompeji im Jahre 79 n. Ztr.

Eine Bildbetrachtung

Abb. 1: Ein Kind, sitzend - Wandmalerei in Pompeji, "Haus des Jason", entdeckt 1878

Was für eine Stimmung geht von diesem Gemälde aus? ....

Es kann sein, daß von einem Kunstwerke eine Stimmung ausgeht, ohne daß man sogleich wüßte, um welche Art von Stimmung es sich handelt (Abb. 1): Ein Kind sitzt mit dem Rücken zur Wand auf dem Boden. Einsamkeit, Nachdenklichkeit liest man auf seinem Gesicht. Es deutet sich schon mancher Übergang zum Erwachsensein an. Auf den Zügen des Kindes ist aber auch Anmut zu lesen, ist zu lesen, daß es sich geliebt fühlt. Insgesamt aber: Solche fast "modernen" Gefühle auf einer Wandmalerei des ansonsten so "fröhlichen", übermütigen Pompeji aus der Zeit vor 79 v. Ztr.?

Das Bild wirft Fragen auf, die erst befriedigt sind, wenn man noch weiteres über die Inhalte, Hintergründe dieses Gemäldes in Erfahrung gebracht hat.

Was könnte es denn eigentlich zum Ausdruck bringen? In welcher Lage befindet sich das Kind?

Abb. 2: Medea mit ihren Kindern - Wandgemälde in Pompeji im "Haus des Jason", Museum von Neapel

Die Antwort auf diese Fragen bahnt sich schlagartig an, wenn man heraus bekommt, daß es sich nur um den Ausschnitt aus einem größeren Gemälde handelt .... (Abb. 2).

Und wenn man dann erfährt, daß das Thema dieses größeren Gemäldes lautet (Abb. 2): "Medea nachdenklich darüber, ob sie ihre Kinder töten soll".

Medea nachdenklich darüber, ob sie ihre Kinder töten soll.

Was für ein Geschehen, was für ein Thema. In was für einen Zwiespalt gerät man hier plötzlich - mit dem Wissen um diese Thematik ....

Im Hintergrund steht die berühmte Tragödie "Medea" des griechischen Dichters Euripides aus dem Jahr 431 v. Ztr. (Wiki): Der Grieche Jason hat auf der Argonautenfahrt die Ausländerin Medea geheiratet. Medea hat Jason auf ihren Fahrten durch ihre Zauberkünste mehrfach aus Gefahren gerettet. Mit den Kindern hat das Paar nun Zuflucht in Korinth gefunden. Der König von Korinth bietet Jason die Heirat mit seiner Tochter an. Jason geht auf das Angebot ein, weil es auch günstig wäre für das Schicksal seiner Kinder. Zugleich aber wird Medea - als Ausländerin - des Landes verwiesen. Der König von Athen bietet ihr Asyl an (Wiki):

Nun beschließt sie, nicht nur ihre Rivalin zu töten, sondern auch die Kinder, um Iason das größtmögliche Leid zuzufügen. Vergeblich erhebt der Chor Einspruch.

Der Handlungsablauf der Tragödie spitzt sich dann folgendermaßen zu (Wiki):

Die fünfte Hauptszene zeigt Medea schwankend, nachdem sie erfahren hat, daß das Verbannungsurteil gegen die Kinder aufgehoben ist. Beim Anblick der Kinder erwägt sie, doch mit ihnen ins Exil zu gehen oder sie in Korinth zurückzulassen. Doch ist es nun zu spät, denn sie hat der Tochter Kreons schon das vergiftete Kleid überreichen lassen, das der Empfängerin den Tod bringen wird, sobald sie es anzieht. Dann werden sich die Angehörigen der Ermordeten an Medeas Kindern rächen. Sie beschließt, die Kinder lieber selbst zu töten als sie in die Hände von Feinden fallen zu lassen. Der Chor weist auf das traurige Schicksal aller Eltern hin, die sich wegen ihrer Kinder grämen und sorgen. Wer sogar den Tod seiner Kinder erleben müsse, dem widerfahre schlimmstes Leid.

Indem man diesen Handlungsablauf zugrunde legt, wird auch der eigentlich "versöhnte" Gesichtsausdruck des Kindes (Abb. 1) nachvollziehbar. Das Kind weiß sich geliebt von der Mutter. Es ist nicht mütterliche Kälte, die zur Tötung führt. In der Schlußszene wird Medea vom Sonnengott Helios gerettet und es kommt zum abschließenden Wortwechsel mit Jason (Wiki):

Er verflucht Medea und wirft ihr nun vor, daß sie einst, um seine Frau zu werden, ihren Vater und ihr Vaterland verraten und ihren Bruder getötet hat. Dies habe sie als Barbarin getan, keine Griechin sei zu so schändlichem Verhalten fähig. Sie weist ihm die Schuld am Tod der Kinder zu, da er die Ehe gebrochen habe, und kündigt ihm einen elenden Tod an.

Der hier aufbrechende, benannte Gegensatz zwischen Grieche und Barbarin wird dann in der Tragödie "Medea" von Grillparzer im 19. Jahrhundert noch wesentlich tiefer psychologisch ausgedeutet als das in der Tragödie von Euripides scheint geschehen zu sein. Aber wir erfahren (Wiki):

Daß Medea ihre Kinder tötet, um sich an Jason zu rächen, ist eine Erfindung des Euripides. In älteren Fassungen wurden die Knaben von den Korinthern aus Haß gegen die Barbaren oder aus Rache für den Mord an Kreon erschlagen.

Also erst Euripides hat durch die Tötung der eigenen Kinder die Gestalt der Medea zu jener oft behandelten Figur der Weltliteratur und der Malerei gemacht als die sie seither gilt. Euripides hat insbesondere auch die Figur des Griechen Jason gezeichnet in einer Weise, die auf Wikipedia folgendermaßen charakterisiert wird (Wiki):

Im Streit mit Medea tritt seine durchgängige, teils groteske Verkennung ihrer Denk- und Empfindungsweise zutage. Durch seine Verständnislosigkeit reizt er sie zu immer heftigerer Wut und Erbitterung, obwohl er sie eigentlich besänftigen und in seinem Sinne zur Vernunft bringen will. Damit trägt er wesentlich dazu bei, daß die Katastrophe unabwendbar wird. In seiner Naivität hofft er allen Ernstes, sie werde sich mit ihrer Verstoßung abfinden und sich damit trösten, daß sein Aufstieg zum korinthischen Thronfolger auch ihren Kindern durch die Nähe zum Königshaus erfreuliche Perspektiven eröffnen könnte.

Es wird deutlich, daß der Mentalitätskonflikt, den Grillparzer dann so entschieden heraus arbeitet, schon in der Tragödie des Euripides enthalten ist.

Obwohl die beiden anderen Gesichter dieses Gemäldes zu Medea im "Haus des Jason" in Pompeji - aufgrund des Erhaltungszustandes - nicht gut sichtbar sind, wird doch spürbar, daß die Szene auch sonst mancherlei Psychologie enthält. Das Entsetzen über die Gedanken und Pläne der Medea ist nur gemildert durch den Blick des an der Wand sitzenden Kindes auf den Betrachter. Es hat wohl in diesem Augenblick noch gar nicht das volle Ausmaß begriffen dessen, was mit ihm geschehen soll. Nur eine kindlich-unschuldig-traurige und vor allem auch einsame Ahnung davon ist in sein Gesicht geschrieben.

Während der jüngere Sohn unbefangen in der Nähe der Mutter spielt, scheint sich der ältere schon - geradezu ahnungsvoll - auf Distanz zur Mutter gesetzt zu haben. Offenbar also ein psychologisch gekonnt ausgedeutetes Geschehen in diesem Gemälde. Auf dem Arm des sitzenden Kindes scheinen zwei kleine weiße Vögelchen zu sitzen, mit denen es sonst zu spielen scheint.

Es ist "nur" eine "gewöhnliche" Wandmalerei. In einem "gewöhnlichen" Haus in der "gewöhnlichen" römischen Provinzstadt Pompeji.

Und doch - welche Stimmung ist in ihm enthalten.

Abb. 3: Medea mit ihren Kindern - Wandmalerei in Pompeji, Museum von Neapel (Pompeji Pictures)

Abschließend noch ein Blick auf das Gesamtgemälde wie es - von der ursprünglichen Wand abgelöst - heute im Museum in Neapel hängt (Abb. 3). Blickt man mit dem oben umrissenen Wissen und mit einigem zeitlichen Abstand zur Recherche auf dieses Bild, wird einem erst die große Verzweiflung deutlich, von der diese Szene getragen ist. 

Eine Familie in der tiefsten Verzweiflung. Der Mann, der über die Mauer schaut, dürfte der - einigermaßen ahnungslose, naive - Jason sein, der sich im Gespräch mit Medea befindet, der beschwichtigt und der den abgrundtiefen tiefen Ernst der Situation noch kaum zu ahnen begonnen hat. Aller emotionaler Schwerpunkt der Szene liegt in der weiblichen Figur rechts, in der Medea, deren Seele von einer Wildheit von Entschlüssen überquillt.

Eine Szene tiefster Verzweiflung

In dem "Haus des Jason" im Pompeji finden sich übrigens noch andere Wandmalereien zum Thema "Unglückliche Liebesgeschichten".

Und dasselbe Thema "Medea mit ihren Kindern" findet sich auch noch auf einem zweiten Wandgemälde in einem anderen Haus in Pompeji, nämlich im "Haus des Dioskuren" (Wiki). In diesem Gemälde hält Medea sogar schon den Dolch in der Hand. Die beiden Kinder sind aber als völlig ahnungslos dargestellt. Damit wird deutlich, welche Unterschiede es in diesen Wandgemälden geben konnte bei der Behandlung desselben Themas.

Die psychologisch viel interessanter gestaltete Darstellung im "Haus des Jason" ist auf Wikipedia zu den Artikeln "Medea" noch gar nicht eingebunden. Wenn das mal nicht ein Desiderat ist. Das aufwühlende Geschehen ist in diesem Gemälde fast noch viel deutlicher zum Ausdruck gebracht als in allen anderen Werken der Kunstgeschichte zu diesem Thema, auch dem von Anselm Feuerbach (1).

Dabei sind die Wandmalereien aus dem Haus des Jason seit 1878 bekannt, dem Jahr, in dem dieses Haus ausgegraben wurde (2). Ob auch Gefühlswelten der Tragödie "Medea" des Seneca (3) in dieses Gemälde in Pompeji mit eingeflossen sind - immerhin entstand es zu Lebzeiten dieses Philosophen und Dichters - wäre noch einmal zu klären. Es wäre das eine von vielen Fragen, die eine solche Wandmalerei aus Pompeji aufwerfen kann.

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  1. Feuerbach, Anselm: Medea, 1870, https://de.wikipedia.org/wiki/Medea_(Anselm_Feuerbach)
  2. IX.5.18 Pompeii. Casa di Jasone or House of Jason. Linked to IX.5.19, IX.5.20 & IX.5.21. Excavated 1878, https://www.pompeiiinpictures.com/pompeiiinpictures/R9/9%2005%2018%20p1.htm
  3. Seneca: Medea, https://www.lateinlehrer.net/autoren/medea