Freitag, 28. Januar 2022

Afterliebe

"Wer kein Herz mehr hat, 
vermißt es auch nicht."
(I.B.)

Gedanken zur Psychohistorie und zur Psychohygiene

Afterliebe ist ein altertümlicher Ausdruck. 

Abb. 1: "Der sündige Mönch" - Radierung von Max Schenke - 1924

Im "Adelung", einem deutschen Wörterbuch des Jahres 1793, werden neben dem Wort "Afterliebe" viele andere Worte angeführt und erläutert, die in ähnlicher Weise wie dieses gebildet worden sind in Zeiten vor 1793 (1). Keines dieser Worte wird heute noch benutzt. Am ehesten noch können wir heute dem Wort "Afterliebe" Bedeutung zuordnen. Aber auch das nur mit Mühe und wenn wir historische Beispiele seiner Verwendung auf uns wirken lassen (2) (G-Bücher). Diese machen deutlich, daß das Wort Afterliebe in der Frühen Neuzeit ein nicht selten genutztes Wort war. Es bezeichnete die unechte, die verlogene, die aufgesetzte Liebe (1, 2). 

Auffallend sollte es doch sein, wenn wir heute gar kein Wort mehr benötigten für ein solches Phänomen wie Afterliebe.

Wenn dieses Wort in der Frühen Neuzeit verwendet wurde, ging es oft um eine aufgesetzte, verlogene Liebe zu Gott. Und eine solche verlogene Liebe zu Gott konnte mit einer verlogenen Liebe zu den Mitmenschen einher gehen - und umgekehrt. Es konnte das auch eine verlogene Liebe zu sich selbst einschließen und zu allem, was einem zugehört (Familie, Kulturraum).

Wenn wir auf Google nach dem Wort "Afterliebe" suchen, stoßen wir als erstes auf die Schriften eines polnischen Karmeliter-Mönchs namens "Hieronymus a Sancto Hyacintho" (geboren 1603 in Krakau) (G-Bücher) (2). Dieser Treffer mag völlig willkürlich sein. Dieser Hieronymus hat noch nicht einmal einen Wikipedia-Artikel. Seine Schriften wurden erstmals gedruckt im Jahr 1645, 1768 erneut. Vor allem in Klöstern und von Klosterbewohnern sind sie gelesen worden. Probleme, mit denen sich christliche Kleriker herum geschlagen haben, womöglich aber in Zeiten, in denen es wenigstens noch ansatzweise einen Hauch von Gespür für tatsächliche Anständigkeit gab, ein Gespür, dem als Gegenstück dann ein solches Phänomen wie "Afterliebe" entgegengesetzt werden konnte.

In der christlichen Welt und in Klöstern hat man sich mit Heuchelei, aufgesetzter Frömmigkeit, Frömmelei, aufgesetzter Liebe, "Afterliebe" immer wieder auseinandergesetzt. Man scheint innerlich dazu gezwungen gewesen zu sein. Ein Umstand, der schon auffallend genug sein könnte. Auf jeden Fall hat man sich damit auseinander gesetzt. Man ist dieser Auseinandersetzung nicht scheu ausgewichen. Vielmehr war sie damals - aus einer christlichen Lebenshaltung heraus - noch mehr oder weniger selbstverständlich.

Beispielsweise versteht man nichts an der historischen Gestalt von Martin Luther, wenn man sich nicht die Selbstzweifel klar macht, von denen Martin Luther als junger Mensch durchdrungen war. Die Grundfrage auch seines Lebens war: Wie finde ich einen gnädigen Gott? Man verachte die Christen nicht um dieser Frage willen. Ist sie denn eine so unberechtigte?

Christen hatten damals das Gefühl, daß Gott auf heuchlerische Liebe, auf Afterliebe mit Abscheu schauen könnte. Aber womöglich gibt es ja solche Heuchelei auch heute noch in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen, in unserer Beziehung zu uns selbst oder zu etwaig übergeordneten Werten. Aber fragt jemand danach? Soweit man nicht auf Politiker verweisen könnte, die man - spielend leicht - als heuchlerisch benennen könnte? 

Führt ein solches Verweisen auf andere zu einem Hinterfragen der eigenen, inneren, menschlichen Situation, Haltung und Ausgerichtetheit? Hinterfragt jemand auch einmal seine eigene Einstellung in all diesen Dingen? So wie das - zum Beispiel - die Mönche taten? So wie das Martin Luther tat?

Ist es denn eigentlich gesund, hier nichts zu hinterfragen? Könnte die Situation entstanden sein, daß uns heute sogar Mönche des 17. Jahrhunderts diesbezüglich etwas sagen könnten? Weil sie uns voraus waren? In dem Vermissen - und in dem Anstreben - von menschlicher Aufrichtigkeit und Anständigkeit? Mönche wären uns voraus? Es gäbe Anlaß, bei ihnen anzuknüpfen? Wirklich?

Psychohygiene

Wir müssen nicht lange suchen, wie Luther und all die anderen Mönche auf diese Auseinandersetzungen gekommen sind. Man findet sie allgegenwärtig auch schon im Alten Testament. Auch hier ist die ständige Frage der Gläubigen: Tun wir wirklich das, was Gott will? Der diesbezügliche Selbstzweifel ist allgegenwärtig. Werden wir dem Willen Gottes gerecht? Und in der Antwort auf diese Frage verzweifeln die Menschen dort allzu oft an Gott, werden ohnmächtig vor ihm, werden sich ihrer Schwäche gewahr ihm gegenüber, des Ungenügens, sie haben immer wieder eine Ahnung davon, daß sie nicht eifrig genug Gottes Willen folgen.

Und deshalb sinken sie in den Staub gegenüber Gottes Herrlichkeit und Größe. Im Angesicht dieser Herrlichkeit empfinden sie sich als unwürdig, als "Scherbe", als "Nichts". Sie empfinden es als unwürdig, im Angesicht dieser Größe und Herrlichkeit nicht im Staub zu liegen. Da sie dieser so unangemessen und selbstgerecht begegnen.

Sollte nicht - wenn wir schon Despoten anbeten wollen in dieser Zeit, sollte dann dieser Despot nicht wenigstens Gott sein? Wenn schon? 

Wäre nicht Gott ein Despot, den anzubeten - wenn schon - am angemessenste wäre? Statt uns so unzählig viele andere Despoten zu wählen in der Welt. Nennen wir sie Glück, Wohlbehagen, Zufriedenheit, Seelenruhe, Abwesenheit nagender Selbstzweifel. Freilich können solche seelischen Erscheinungen auch zu Despoten werden, freilich .... Und würde es nicht Sinn machen, der Verehrung solcher Despoten die Verehrung anderer "Despoten" entgegenzustellen? Ist dies nicht womöglich sogar der Grundgedanke des Monotheismus? Seine eigentliche ihm innewohnende Stärke?

Woher wohl die Seelenhaltung kam, die wir da im Alten Testament finden? Gott als Despot. Und der Mensch im Staub und in Unwürdigkeit vor ihm. Wo sie wohl erstmals Ausdruck gefunden hat in der Menschheitsgeschichte in dieser extremen Unterwürfigkeit, in dieser Unbedingtheit, in diesem Eifer? Liegt hierin die innere psychische Notwendigkeit des Mono-Theismus? Einem Gott kann ich unbedingter folgen als vielen. Einer Wahrheit (über Gott) (einer willkürlich postulierten) kann ich unbedingter folgen als dem vielen "Raten und Meinen" (über Gott und Götter).

Hat es Anbahnungen einer solchen Haltung in Ägypten gegeben? Bei den Assyrern? Anbahnungen zu dieser Emphase? Aber war sie schließlich dennoch die "Neuerfindung" des Judentums, womöglich im 6. Jahrhundert v. Ztr. während der Belagerung Jerusalems durch die Assyrer, eine Zeit, in der sich die frühesten archäologischen Belege für so etwas wie "Judentum" finden (3)? Verstärkt in den Zeiten des Hellenismus, als das Judentum konfrontiert wurde mit der aristotelischen Unterscheidung zwischen Wahr und Falsch, der sie die monotheistische Unterscheidung zwischen Wahr und Falsch entgegensetzten (4)?

Entspringt aus der bis dahin angebahnten Unterwürfigkeit, vermischt mit "mosaischem Eifer" und mit Feindvernichtungswünschen (5) die "sprengende" Macht des Monotheismus? Und wenn ja: Was würde uns das sagen über uns, die wir unterworfen worden waren, über tausend Jahre lang von Monotheismus? Die wir über tausend Jahre lang einen zutiefst despotischen Gott angegebetet haben? Die wir über tausend Jahre lang vor ihm im Staube lagen?

Es ist natürlich, sozusagen "höllisch leicht", in all dem - von einem "germanischen", "nordeuropäischen" Standpunkt aus - unwürdige Kriecherei vor Gott sehen. "Afterliebe" (6). Aber wenn diese innere Haltung des Angstvollen, des allen Einklangs mit Gott Enthobenen, der Entblößung, der Entbehrung des Göttlichen, der Entehrung durch diese Entbehrung, wenn diese "Afterliebe" der Wahrheit entspricht, zumindest einen Zipfel von wahrer Erkenntnis, Selbsterkenntnis enthält - trägt sie dann nicht auch dazu bei, der eigenen "Lage" gegenüber Gott, der eigenen Stellung gegenüber Gott und gegenüber Gottes Herrlichkeit in dieser Welt gewahr zu werden? Würde sie nicht helfen, dieses Gewahrwerden mit den einer solchen Lage angemessenen Gefühlen zu begleiten? Statt in womöglich billiger, unhinterfragter Afterliebe - entblödet und verblödet sich für den so einigermaßen gottnächsten Menschen auf Erden zu halten? 

Abb. 2: van Gogh - Alter Fischer

Kann es wirklich sein, daß wir alle so gottnah sind - wenn es doch gleichzeitig so wüst zugeht auf Erden und in unser aller Leben? Eine "Wüstheit", die doch mehr hervorruft als bloßes "Unbehagen" (wie das von der Kulturpsychologie auch schon einmal benannt worden ist).

Geschichtlich gesehen erkämpfte sich der Indogermane exzentrisch mit dem Schwert nach außen hin zugleich Seelenmut, Großherzigkeit, Adel der Seele, Höhe, Erhabenheit, Entgrenzung, und zwar nach innen ebenso wie nach außen in die zwischenmenschlichen Beziehungen hinein. Die Welt der Indogermanen, die Geschichte der Indogermanen ist erfüllt von Waffenlärm, von freudiger Lebenshaltung, der Lebenshaltung "Sieg oder Tod".

Unbedingtheit

Diesen Seelenmut, diesen Adel, diese Entgrenzung, diese Verherrlichung des Menschen, der Götter und der Welt finden wir - beispielsweise - noch in jeder Zeile der "Ilias": "Helllumschiente Achaier" sind gegenüber gestellt einem "helmumflatterten Hektor". Menschen, die in dieser Dichtung erwähnt werden, sind per se - möchten sie Gutes, Heldenhaftes tun oder das Gegenteil - per se sind sie schön, edelgesinnt, verherrlicht. Alle. Freund und Feind. Homer kann über Menschen nicht anders denken. Es ist ihm unmöglich. Eine der Haltung des Mittelalters und des Alten Testamentes völlig entgegengesetzte Seelenhaltung und Sichtweise.

Die Weiten der Steppe, die Weiten des Meeres, das ahnungsvolle verschwommene Rot eines prachtvollen Sonnenaufganges, die "rosenfingrige Eos" entsprachen jener Seelenhaltung, die hier Ausdruck findet. In der weiten Stille eines Sommermorgens, eines Wintermorgens wurden in heiliger Einsamkeit Gaben an die Götter niedergelegt (wieder gefunden von Archäologen allerorten in Europa als "Hortfunde"). Die Weltgeschichte klingt Jahrtausende lang wieder von dieser Seelenhaltung, von diesem Adel, von dieser Höhe, davon, daß Kleinmut Kleinmut bleiben möge und davon, daß Großherzigkeit selbstverständlich ist.

Bis die großen Weltreligionen von den Herzen der Menschen Besitz ergreifen, bis in Asien der Buddhismus, im Vorderen Orient der Islam und in Europa das Christentum Wurzel fassen.

Und heute, da - auch - die Indogermanen, die Völker ursprünglich indogermanischer Seelen- und Geisteshaltung übermannt sind von der Geisteshaltung des Vorderen Orients, eingetaucht sind in die Geisteshaltung des Vorderen Orients - seit tausend oder zweitausend Jahren, ist heute nicht eine erste Voraussetzung für die innere Befreiung von dieser Geisteshaltung, für ein Entschlüpfen aus der tiefen Ohnmacht dieser Geisteshaltung eine schlichte Benennung jener innerseelischen Tatsachen, die vorliegen, eine Benennung der Wahrheiten, die im Eingetauchtsein in die Geisteshaltung des Vorderen Orients ihre Wurzel finden? War Wahrhaftigkeit nicht immer schon eine der ersten, selbstverständlicher gelebten Tugenden des indogermanischen Geistes? Und gerade auch in den Klöstern des Mittelalters (6)? Sind wir - nach innen, in das tiefste Innere unseres Innenlebens wirklich hinabgestiegen - so wahrhaftig wie nur immer möglich?

Eine "Proklamation" "hoher", "würdiger" Geisteshaltung im Angesicht der Welt und im Angesicht Gottes oder im Angesicht der Liebe (in Paarbeziehungen) mißlingt doch heute an allen Orten und zu gar zu vielen Zeiten. Wenn wir ehrlich und aufrichtig hinterher hören. Mögen es nun eigene Worte seien, mögen es Worte anderer sein. Wo klingt etwas nicht hohl, aufgesetzt, "entformt", "wabbelig", formlos oder - im Gegensatz dazu - steif?

Gibt es auch noch Pathos, der nicht steif, der nicht hohl klingt?

Stehen wir auf der Höhe? In der weiten freien Ebene? Am Meer? Innerseelisch? Oder befinden wir uns nicht vielmehr im Tal, in der Schlucht, in der Enge, in der "Beugehaft", im "Strafvollzug" (der Geschichte), im Gefängnis, zu Boden gebeugt, am Ende. (Hier schreibt jemand gerade "assoziativ", ohne Nachdenken, nur die Worte fließen-lassend.) Und sollte es nicht wirklich so sein, daß aus einer solchen Lebenshaltung heraus nur noch kleine "Afterlieben" möglich sind? Daß wir uns im freien Fall befinden? Daß wir: Fallen - fallen - fallen - ?

Psychohistorie

Sollte denn anderes noch wahr sein? Sollte es schon deshalb wahr sein, weil wir behaupten, es wäre wahr? Weil wir gerne hätten, es wäre wahr?

Oder wäre es psychohistorisch, wäre es für unsere heutige Psychohygiene sinnvoll, einmal in die Bücher christlicher Kleriker der frühen Neuzeit hinein zu schauen und uns ihrer - und damit vielleicht unserer - Ohnmacht vor Gott gewahr zu werden? Ihrer - und unserer - Entfernung zu Gott? Dem Erleben ihrer - und unserer - Schmach?

Nur weil ich jedenfalls behaupte, die Dinge wären so und so (mit mir), nur weil ich sie so benenne, heißt keinesfalls, daß sie auch wirklich so sind. Schon Ralph Waldo Emerson gab uns den Rat, so oft wie möglich auch das Gegenteil unseres Fürwahrgehaltenen in Betracht zu ziehen (St Nat 2021) (7).*)

Wir können voller Nacht sein, voller Dunkelheit, voller Moder, voller Dreck, voller Gewürm, voller Schmutz, voller Dingen, die uns (eigentlich) ohnmächtig machen könnten, sollten (vor Gott). Und wir könnten uns - dennoch (aber unberechtigt): frei, hell, rein und sonnenumflutet dünken. Aber eben ohne daß wir es wirklich sind.

Haben wir denn noch ein Gespür überhaupt für Möglichkeiten? Solcher Art? Entspricht nicht alles Unflexible, Einseitige in unser aller Leben dem Nicht-in-Betrachtziehen von Möglichkeiten? Gewisser Art? Dem Nicht-Inbetracht-Ziehen der Möglichkeit des Bestehens von "Afterliebe"?

Probieren wir es doch, ermutigt von Ralph Waldo Emerson. Sagen wir: Oh, Mensch, du in deiner Dunkelheit! Seien wir Dichter. Geben wir der Sprache Raum. Behandeln wir unsere Sprache und Worte wieder - - - "wie ein Gebet". Schauen wir - meinetwegen - in die Bibel.

Aber werden wir doch dabei nicht - - - "hoffärtig".

Wieder so ein altes Wort.

Für bestimmte psychische Möglichkeiten hatten jedenfalls die christlichen Kleriker des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, einschließlich Luthers ein Gespür, das uns verloren gegangen ist mit dem Hochmut der späten Neuzeit und des Materialismus, mit dem Hochmut und der Blasiertheit des 20. und des 21. Jahrhunderts samt seiner lächerlich schalen "politischen Religionen". Damals, in der Frühen Neuzeit, gingen die Menschen mit diesem Gespür -  tagtäglich - um. Sie fanden Worte dafür, sie lagen - um dessentwillen - in Schmach vor Gott. Noch in den Jugendgedichten von Friedrich Schiller finden wir genügend von einer solchen Geisteshaltung. Nur weil Schiller gelebt hätte im deutschen Volk wären wir von allen psychohistorischen Möglichkeiten, die es vor Schiller gegeben hat, entbunden? Die Orientierung an ihnen wäre entbehrlich?

Womöglich wäre dem Menschen von heute zuzurufen: "Mensch, in deiner Dunkelheit, kehre um. Kehre um, gehe zum Licht, werde dir des Unwürdigen, Vermoderten, Entherzten, Abgeschmackten Deiner inneren 'Welten' und 'Werte' bewußt. Wäre dir nicht zunächst einmal die Frage zu stellen: Hast du denn überhaupt 'Innenwelt'? Gibt es Räume, Hallen, Dome in dir? Oder doch nur Dumpfheit, Moder, Natterngezücht, ... Afterliebe?"

Abb. 3: van Gogh - Betender alter Mann

Hast du mehr in dir außer Gründe zum Stöhnen und zum Aufschrei vor Gott? Aus deiner eigenen Verwesung und Niedrigkeit heraus? Aus deiner Vermodertheit heraus? Aus deiner Verlassenheit heraus? Aus deiner "Entmetaphysierung" heraus? Aus deiner Entblößung heraus? Aus deiner Entgöttlichung heraus? Wer die Welt ohne Gott sieht, sieht der nicht auch sich selbst als ungöttlich an, als wertlos an, als entheiligt an? Gar zu leicht? Auch wenn er anderes postulieren sollte? Mensch, beachte die Möglichkeiten, die vorliegen könnten.

Die christlichen Kleriker des Mittelalters und der Frühen Neuzeit - wußten sie mehr als wir um die Unwägbarkeiten im Verhältnis zwischen Gott und Mensch? Um die Unwägbarkeiten des grenzenlosen, nicht umzubringenden Stolzes, der uns immerwährend einflüstert, wir wären schon gut, so gut wie wir sein könnten, im Angesicht Gottes, im Angesicht der Welt. Wir bräuchten uns nicht zu ändern. Alles wäre "gut". Dabei ist doch gar nichts gut - ?

Liegen nicht hier, im Bereich solcher Möglichkeiten Leistungen, die zu erbringen wären? Rechenschaften, die abzulegen wären? Bevor auch nur ansatzweise sinnvoll etwas anderes, Weiterbringendes geschehen könnte?

Wäre nicht hier der Anfang dessen, was überhautp zu tun wäre - für "Werkleute", "Bauleute" des Geistes (GAj)?

"Gott, aus tiefer Schmach ruf ich zu dir," beteten die Beter. Früher.

Stichworte zu diesem Thema würden dann dementsprechend lauten: #Psychohygiene, #Reinigung, #Katharsis, #Entschlackung. Abwehr des Fürwahr-Gehaltenen. Überprüfung der Frage: "Ernähren" wir uns richtig? Haben wir die richtige Ernährung? Haben wir - also - die richtigen Worte für unser Verhältnis zu Gott? Zu den Menschen? Zur Welt? Zu uns selbst? Wären solche Worte nicht auch: Ernährung. Nahrung. - ?

Kleider?

Gott, aus tiefer Schmach ruf ich zu dir. 

Schaffe dir ein neues Kleid an. Mensch.

Wähle Worte, die gesund sind. Wähle Worte, die dich gesund machen. Nicht deshalb, weil sie "schön" wären. "Angenehm" wären, "glatt eingehen". Sondern weil sie schlicht wahr sind. Und uns darum - völlig - gegen den Strich bürsten. Mensch. Wähle Bilder, die dich gesund machen. Die nicht heucheln, die nicht der Hölle deshalb entnommen sind, weil sie unwahr sind.

Wenn du lieber der Afterliebe anhängst als der echten Liebe - dann sage es doch auch. Sinke in den Staub vor dich selbst.

Bekenne dich dazu.

Schau in den Spiegel deiner Seele. Deiner Worte.

Dein Beichtstuhl, der Ort deiner Reue, deiner Schmach, deiner Schande sei dein inneres Selbstgespräch, sei das innere Flüstern in dir ....

"Mensch werde wesentlich ..."

Welcher Ort wäre angemessener dafür als das innere Gespräch? Du willst einem - Pfaffen - beichten? Nicht doch. Nein. Nur eines könnte gelten: Befreie dich selbst - und du befreist alle. Gehe nicht zu - Pfaffen. Niemals. Aber horche jenen unter ihnen hinterher, die dir - dennoch - etwas zu sagen haben können. Setze dabei ihrer Herrschgier dein Selbstbestimmungsrecht entgegen. Gegen alle Fremdbestimmung. Dein Leben aus eigener Kraft.

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*) Einige diesbezügliche Zitate von Ralph Waldo Emerson, der von Nietzsche so gerne gelesen worden ist (3): "Ich werde der Wahrheit nachgehen entgegen dem, was Gott genannt wird." (Original: "I will think the truth against what is called God.") Oder "Der Candidat der Wahrheit ... prüft alle entgegengesetzten Verneinungen zwischen denen wie zwischen Mauern sein Wesen hin und her gestoßen wird ... und ehrt das höchste Gesetz seines Seins." Oder: ".... Jede Geißelung, die an ihm vollzogen wird, ist ruhmvoll für ihn, jedes Gefängnis ein glänzender Aufenthalt; jedes verbrannte Buch oder Haus erhellt die Welt; jedes unterdrückte oder vernichtete Wort hallt wieder durch die ganze Erde ... Im Allgemeinen ist jedes Übel, dem wir nicht unterliegen, eine Wohltat für uns."

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  1. Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 175-176. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20000013323
  2. Hieronymus  a Sancto Hyacintho: Sammlung einiger auserlesenen geistlichen Büschlein aus dem Acker göttlicher Schrift und heiliger Vätter zu Anstellung eines wahrhaft geistlichen Leben. 1645; erneut 1768 (G-Bücher)
  3. Israel Finkelstein, Neil Asher Silberman: Keine Posaunen vor Jericho. Die archäologische Wahrheit über die Bibel, dtv Verlagsgesellschaft, 2001
  4. Assman, Jan: Die Mosaische Unterscheidung oder Der Preis des Monotheismus. Hanser, München 2003
  5. Sloterdijk, Peter: Zorn und Zeit. Politisch-psychologischer Versuch. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2006
  6. Hunke, Sigrid: Europas andere Religion. Die Überwindung der religiösen Krise. Econ-Verlag, Düsseldorf 1969
  7. Bading, I.: Eduard Baumgarten, 2011, ergänzt 2021, https://studiengruppe.blogspot.com/2011/08/eduard-baumgarten-eine-groe_30.html

Sonntag, 23. Januar 2022

"Eine religiöse Allianz gegen China"

Der Papst in Rom und seine Pläne

Schmiedet der Papst in Rom und sein Jesuitenoberhaupt an einer religiösen Allianz gegen China? Und feuert allseits an zum "Willen zum Kampf" gegen China? So wie das einer seiner treuen Vasallen, ein deutscher, katholischer Vizeadmiral tut? Muß Rußland dafür zunächst weich gekocht werden, um ihm dann "Respekt" erweisen zu können und um es dann - als "christliches Land" - gegen China aufstellen zu können? 

Weil über all das ein wenig gar zu offen geplaudert wurde, muß ein übereifriger katholischer Vizeadmiral erst einmal zurück treten.

Ein Freund des Völkermörders Putin kann man ebenso wenig sein wie ein Freund der Politik Chinas gegenüber den Uiguren oder gegenüber Nordkorea. Ein Freund des amerikanischen CIA und damit der NATO ebensowenig wie ein Freund von Vizeadmiralen wie dem deutschen, katholischen Marine-Chef a.D. Kay-Achim Schönbach (geb. 1965) (Wiki) ..... Marine-Chef a.D. seit heute im übrigen ...

Abb. 1: Dieses kleine Twitter-Video (1) kostete den deutschen Marine-Chef sein Amt ....

Er bezeichnet sich als einen "sehr radikalen römisch-katholischen Christ" (1). Wie kann man denn auf so etwas kommen? In heutigen Zeiten? Müßte diese Psychosekte nicht längst ähnlich behandelt werden wie Scientology? Vor einem halben Jahr erst war er von der eifrigen, Papst-treuen Frau Kramp-Karrenbauer zum Marine-Chef ernannt worden (2). 

Gleich nach seiner Ernennung hatte die "Zeit" getitelt (2):

"Neuer Marine-Inspekteur lenkt Blick auf China und Rußland"
Er sprach von der umfangreichen maritimen Aufrüstung Chinas. Sie hätte keinen defensiven Charakter (!!!). Als Rolle der deutschen Marine benannte er - deshalb (2):

"Refokusierung auf die Fähigkeit und den Willen zum Kampf".

Auf den Willen zum Kampf? 

Gegen China? 

Im Pazifik? 

Welche Drogen hat dieser Mensch genommen?

Gibt es damit nicht noch ein paar mehr Gründe, die katholische Kirche als brandgefährlich anzusehen und ähnlich zu behandeln und zu bewerten wie Scientiology? Wenn sie solche brandgefährlichen Spinner hervor bringt?

So kann doch ein "sehr radikaler römisch-katholischer Christ" in führender Stellung nur reden, wenn er weiß, daß er sich damit nicht in Gegensatz stellt zu seinem höchsten Vorgesetzten, ... dem Papst. Dieser Papst also bläst neuerdings zum Endkampf gegen China? Und muß dafür zuvor noch Rußland weich kochen, dessen Moskauer Patriarch sich so ganz infam einer Unterstellung unter ihn, den Papst verweigert? Es muß insbesondere deshalb weich gekocht werden, damit es kooperiert und dem Westen nicht in den Rücken fällt? Und zwar durch eine Ukraine-Krise?

Wird so ein Schuh aus allem? Geht es weder um Rußland, noch um die Ukraine, sondern um - - - China?

Auffallenderweise scheint niemand danach zu fragen, wer das Video eigentlich geleaked hat, das dem Marine-Chef heute das Amt gekostet hat. War das Öffentlich-Stellen dieser Worte in vertraulicher Runde ein - - - "Versehen"?

Oder stehen umfangreichere Interessen dahinter? Wir vermuten letzteres. Die Reaktionen in Presse und Politik sind so einheitlich und geballt geschehen. Es wird nicht gejammert, es werden keine Wunden geleckt. Man macht niemandem Vorwürfe wegen dieses Öffentlich-Machens. Es wird einfach nur harsch reagiert. Hatte man denn mit einem solchen Schlag schon gerechnet? Hatte man nur nicht gewußt, aus welcher Richtung er kommen könnte?

Und als der Schlag kam, reagierte man eben sofort?

Daß der Westen gegenwärtig mehr gegen Rußland zündelt, als umgekehrt Rußland gegen den Westen, das glauben wir schon seit Wochen allein aus dem Umstand ablesen zu können, daß in der westlichen Berichterstattung kaum jemals die eigentlichen Antriebe und Positionen Putin's zur Darstellung kommen. Denn in dem Augenblick, wo man sie klar nennt, sind sie schon selbsterklärend. Putin will keine NATO-Osterweiterung in der Ukraine. Ende. Und das ist mehr nachvollziehbar.

Wozu soll sie notwendig sein?

Aber nein, die Journaille, Funk und Fernsehen machen - einheitlich durchstilisiert - mit. Putin ist der Böse. Niemand sonst. Es gäbe viele Anlässe, in der Ukraine-Krise überzeugend zu argumentieren (7). Wenn man also überzeugend argumentieren könnte - warum argumentiert man hohl und propagandistisch? Denn umgekehrt muß genauso gesagt werden (7):

Rußland hat kein gottgegebenes Recht zu entscheiden, welche Bündnisse seine zig Nachbarländer eingehen.

Es hatte kein Recht, Völkermord in Tschetschenien zu begehen, die Krim zu besetzen und Krieg in der Ostukraine zu führen.

In dieses Einheitliche, Durchstilisierte nun dieser "Leak"

Diese unbekümmerten, weil eigentlich nicht für die Öffentlichkeit gedachten Äußerungen das deutschen Marine-Chefs Kay-Achim Schönbach am gestrigen Tag (1) und die schnellen Reaktionen, die sie in der deutschen Presse (3) und in deutschen Regierungskreisen hervor rufen, und die schnell das Durchblitzen der Wahrheit, das mit diesen Äußerungen geschehen ist, wieder "rückgängig" zu machen versuchen.

Werfen sie doch ein grelles und helles Schlaglicht auf die eigentlichen Beweggründe des Westens in der Ukraine-Krise, nämlich: daß es nur um Zündeln geht, womöglich auch mehr, nämlich: um ein Weichkochen Rußlands. Denn wenn die Bild-Zeitung schon - so unvorsichtig und unbedacht - mit einem Hitler-Vergleich daher kommt, dann muß zuvor doch wirklich etwas passiert sein, das das "Make up", das "Perception Management" kräftig verschoben hat. Schreibt sie doch (3):

Es klingt fast nach einem Freibrief für Putin - und klassischem Appeasement (Beschwichtigungs-Politik).

Nämlich das, was da der Vizeadmiral Schönbach geäußert habe. Appeasement nannte man die Politik Nevil Chamberlain's im Jahr 1938 gegenüber Deutschland. Diesen Bild-Zeitungs-Satz darf man also - nach heutigen Bewertungskriterien - als Hitler-Vergleich bezeichnen. Da wird Putin zu einem neuen Hitler. Und diesem gegenüber dürfen keine "Fehler" passieren, so daß die Benutzung solcher Bilder und Metaphern in Gegenreaktion notwendig werden. Es ging um diese Äußerung, die Schönbach in Indien in einem Thinktank-Hintergrund-Gespräch gemacht hat (1) (ergänzt nach: 4-6):

Aber bitte sehr geehrte Damen und Herren, was denke ich, wenn mein Minister mich fragen würde, was Rußland wirklich will, (unverständlich) ist auf der anderen Straßenseite: Ist Rußland wirklich an einem schmalen Streifen von ukrainischem Boden interessiert? Um ihn seinem Land einzuverleiben? Nein, das ist Nonsense. Ich denke, Putin übt wahrscheinlich Druck auf die Europäische Union aus, weil er es tun kann. Er weiß, daß er damit die Europäische Union in Uneinigkeit bringt. Aber was er wirklich will, ist Respekt, er will - auf einem hohen Level - er will Respekt. Und, mein Gott, jemandem Respekt zu geben, kostet wenig, sogar gar nichts. Wenn ich also gefragt würde - ich werde nicht gefragt: Es ist leicht, ihm den Respekt zu geben, den er wirklich einfordert, und den er höchstwahrscheinlich sogar verdient. Rußland ist ein altes Land, ist ein wichtiges Land. Sogar wir, Indien und Deutschland, sogar wir brauchen Rußland. Weil wir Rußland gegen China brauchen. Wahrscheinlich aus ihrer Sicht. Aus meiner Sicht: Ich bin ein sehr radikaler römisch-katholischer Christ. Ich glaube an Gott und das Christentum. Und da haben wir ein christliches Land, aber Putin ist Atheist, aber das bedeutet nichts. Ich denke, wenn wir dieses große Land haben, auch wenn es keine Demokratie ist an unserer Seite, ihm eine Chance geben als bilateraler Partner, eine Chance mit der EU und den USA auf derselben Augenhöhe geben, das wäre ein leichtes Vorhaben und das hält Rußland wahrscheinlich entfernt von China.

Denn China benötigt die Ressourcen von Rußland, und sie sind gewillt, sie ihnen zu geben, weil unsere Sanktionen (unverständlich) sie in die falsche Richtung (drängen). Aber das ist Außenpolitik, die wird von Außenpolitikern gestaltet. Natürlich sind wir nicht einverstanden mit dem, was Rußland tut, weder in Tschetschenien noch an anderen Orten. Das muß man ansprechen. Und man muß auch ansprechen, was auf der Halbinsel Krim passiert. Die Krim ist weg, sie wird nie wieder zurückkommen, das ist ein Fakt.

Und wir müssen lernen, politische Fragen sind taktische Fragen, keine Emotionen. So, jetzt weiß ich schon gar nicht mehr, was die Frage war.  

Frage: Ich denke sie haben sie beantwortet, wir könnten ihnen nicht intensiver zustimmen, denn Indien hat eine strategische Partnerschaft mit Rußland und ist einer unserer nächsten Freunde. Die nächste Frage ist …. 

Dieser genaue und vollständige Wortlaut seiner Äußerung ist nur sehr schwer im Internet zu finden (4, 5). Die Äußerung über Tschetschenien geben wir hier nach der Übersetzung in "Russia Today" wieder (6), da sie nirgendwo sonst zu finden ist. 

Rußland wird also - aus Sicht von Schönbach - gebraucht zum Krieg gegen das "ungläubige" und "unchristliche" China. In einem Kommentar dazu wird in Bundeswehr-nahen Kreisen gefragt (4):

... Eine religiöse Allianz gegen China? Warum eigentlich? Weil die Heiden in China missioniert werden müssen, weil das gut fürs Seelenheil "radikaler" Katholiken ist? In welcher romantischen Blase lebt denn dieser "radikale römisch-katholische Christ"? Eine geeinigte Christenheit auf bewaffnetem Kreuzzug gegen die wirtschaftliche Heidenbedrohung in China. Diese "gesellschaftliche" Großtheorie ist religiöser und kulturphilosopischer Schwachsinn.
Das sehen wir ganz genauso. Aber zu wenige Menschen machen sich klar, daß solche schwachsinnigen religiösen Fanatismen eine große Rolle spielen in der heutigen Politik.

Wer hat mit der Veröffentlichung dieser vertraulichen Worte einen geschickten Schachzug gelandet? Wer will hier dem römischen Papst und der westlichen, monotheistischen, von westlicher Esoterik geleiteten Politik in die Parade fahren? Von Indien aus? Etwa Politik, die von östlicher Esoterik geleitet ist? Vom "Dach der Welt" aus? Von wo aus man auch - traditionellerweise - mit sehr freundlichen Blicken nach Rußland schaut? Und von wo aus man die gerade erst gewonnene Kontrolle über China immer einmal wieder gerne verliert und außer Landes fliehen muß (wie mit dem Dalai Lama geschehen)? Von wo aus man aber immer auch in einem besonderen Verhältnis zu China steht?

Diese Äußerung jedenfalls ist Anlaß zu einem Hitler-Vergleich in der Bild-Zeitung und zum sofortigen Rücktritt des Marine-Chefs noch am gleichen Tage.

Die Äußerung des Marine-Chefs muß also viel Wahrheit in sich bergen. Wahrheit der ganz besonderen Art. Sonst hätte man ja auch sagen können: "Was für wirres Zeug redet der da? Völlig unautorisiert. Das geht ihn gar nichts an, muß uns nicht weiter kümmern." Nein, so fällt die Reaktion nicht aus. Sondern: Sofortiger Rücktritt. Er sagte die Wahrheit. Eine Wahrheit von ganz besonderer Art.

Der mittlere Sohn von Schönbach hat übrigens - ganz im Sinne römisch-katholischen und jesuitischen Denkens - in Indien seine derzeitige Freundin kennen gelernt und will sie heiraten. Schönbach äußerte sich am selben Tag in einer öffentlichen, gestreamten Ansprache begeistert von den indischen Frauen. Er fühlte sich in Indien unter "Freunden" und scheint gar zu schnell "kumpelhaft" geworden zu sein und dabei gar zu offen und unbedacht gesprochen zu haben. Vielleicht war das der eigentliche Fehler.

Seine Begeisterung über die indischen Frauen hat ihn verleitet, zu offen zu sprechen.

Ein Klassiker.

Sein Beichtvater wird ihm zu diesem Thema danach sicherlich das Allernötigste geflüstert haben .... "Du mußt dich noch viel, viel mehr in den Griff bekommen," wird er ihm gesagt haben. "Niemals dürfen dich Frauen - pfui Teufel, Frauen! - von dem geraden Weg deiner religiösen Pflichten abbringen, niemals dürfen sie der Grund sein dafür, daß du die absolute Unterordnung unter das Wohl der römisch-katholischen Kirche auch nur für einen Wimpernschlag aus den Augen verlierst ...." Und er wird dem reuigen Sünder Absolution erteilt haben.

/ Ergänzt und überarbeitet
entsprechend (4-7): 20.2.22 /

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  1. "Does Russia really wants a small tiny strip of Ukraine soil?", 22.1.22, https://twitter.com/sidhant/status/1484608264142987268
  2. Neuer Marine-Chef lenkt Blick auf China und Rußland. In: die Zeit, Juni 2021, https://www.zeit.de/news/2021-06/25/neuer-marine-inspekteur-lenkt-blick-auf-china-und-russland 
  3. Marine-Chef muss zum Rapport - Weil er Putins Aggression schönredete, 22.1.22, https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/deutscher-marine-chef-die-krim-ist-weg-und-putin-verdient-respekt-78905360.bild.html
  4. T. Wiegold: Chef der Deutschen Marine von Posten entbunden, 22.01.2022, https://augengeradeaus.net/2022/01/nach-umstrittenen-aeusserungen-zu-putin-und-russland-chef-der-deutschen-marine-von-posten-entbunden/comment-page-1/
  5. Viktorija Nedaschkowskaja, 22.1.22, https://snanews.de/20220122/marinechef-bezweifelt-krim-rueckgewinnung-durch-ukraine-5100568.html 
  6. Deutsche Übersetzung im Video selbst auf Russia Today, 22.1.22, https://ne-np.facebook.com/rtde/videos/admiral-r%C3%A4umt-seinen-posten/630691091473129/
  7. Melina Borčak: Fehler in der Berichterstattung zur Ukrainekrise, 14.2.22, https://twitter.com/MelinaBorcak/status/1493181878827995142; s.a.: https://twitter.com/I_Bading/status/1493416208066134021

Sonntag, 9. Januar 2022

Die Löwenjagd des Herkules war kein Mythos

"Operation Zucker - Jagdgesellschaft" - wer sich mit den Inhalten eines solchen Fernseh-Dokumentar-Filmes auseinander gesetzt hat (GAj), der weiß, daß mehr Anlaß als je dazu besteht, sich bewußt zu machen, daß es Herkules-Taten bedarf, um die modernen "Untiere" von heute in Form von satanistischen Okkultlogen auszurotten. Und insofern darf man es auch für wichtig halten, was soeben die archäologische Forschung heraus bekommen hat: 

Der Kampf des Herkules mit dem Löwen war kein Mythos.

Um so mehr Knochen von Löwen aus dem Neolithikum und der Bronzezeit in Südosteuropa gefunden worden sind, um so mehr sind die Archäologen gezwungen, diese Erkenntnis anzuerkennen.

Abb. 1: Herkules im Kampf mit der Hydra (von Antico, um 1490)

Der Höhlenlöwe ist zwar nach der Eiszeit in Europa ausgestorben. Jedoch lebte der Afrikanische Löwe noch bis mindestens zum Ende der Bronzezeit im südöstlichen Europa, also in der Ukraine, in Ungarn, in Rumänien, Bulgarien und Griechenland. Sogar in der Heimatstadt des Herkules, in Tyrinis, hat man schon vor Jahrzehnten Löwenknochen gefunden (1). Aber Jahrzehnte lang sperrten sich die Archäologen der Einsicht, daß es sehr wohl möglich gewesen ist, daß ein "Herkules" einen Löwen gejagt haben kann. Wo es doch auch so vielfache authentische Darstellungen von Löwen in der bronzezeitlichen Kunst der Mykenischen Kultur in Griechenland gibt. Um diese Erkenntnis anzuerkennen mußten sich erst so viele Funde von Löwenknochen anhäufen allerorten wie es bis heute geschehen ist, so daß dann Artikel erscheinen können mit Überschriften wie (1): 

"When lions roamed Europe".

Spätestens seit dem Fernsehfilm "Operation Zucker - Jagdgesellschaft" im Jahr 2016 ist die Frage aufgeworfen, ob es überhaupt jemals ein Zeitalter geben wird auf Erden, in denen es keine Raubtiere gibt. Und in denen deshalb kein Herkules von Nöten wäre. 

Ob ein solcher Herkules allerdings ausgerechnet auf Anti-Corona-Demo's zu finden ist? Oder bei den allseits vorherrschenden Polit-Populisten aller Schattierungen?

In Kommentaren auf unserem Videokanal sind wir hingewiesen worden auf ein neues Video von Thorsten Schulte. 

Thorsten Schulte (geb. 1973) (Wiki). Könnte nicht er einer sein, der aufsteht - wie ein moderner Herkules? Der so notwendig wäre?

Ein Video über Omicron (Yt, Bt). Behauptung: Die Satanisten wären überall dabei. Sie würden uns überall Zeichen geben und uns mit diesen Zeichen verhöhnen. Von dem Fernseh-Dokumentar-Film "Operation Zucker - Jagdgesellschaft" und all den in ihm zur Darstellung kommenden Recherche-Ergebnissen spricht er - leider - nicht. Warum muß man von geheimnisvollen Zeichen in der Medienlandschaft unken, wenn man sich doch auf sehr ernsthafte Mainstream-Berichterstattung beziehen kann?

Als wir von seinem Buch "Fremdbestimmt" von 2019 Kenntnis genommen hatten, haben wir noch in Rechnung gestellt, daß Thorsten Schulte Herkules-Arbeiten auf sich nehmen könnte, da er ernsthaft genug zu arbeiten schien. 

Aber das Gehetzte an der Art von Thorsten Schulte in diesem neuen Video, sein Alarmismus, seine mangelnde Gelassenheit gegenüber - für ihn - unerwarteten Wahrheiten (oder auch nur: "Wahrheiten"), sie machen doch alle nichts besser. Sieht so ein Herkules aus? Sieht so jemand aus, der Herkules-Arbeiten verrichten würde? Macht seine ganze Art nicht alles nur noch schlimmer? Womöglich sogar sehr viel schlimmer? Sind solche Videos eine Hilfe für die Überlebenden rituellen Mißbrauchs? Oder solche, die es werden könnten? Muß man, um ihnen beispringen zu wollen, von ominösen Zeichen in der Öffentlichkeit reden? Muß man überhaupt von Omikron reden?

Uns fehlt hier die Gelassenheit zu sagen, daß es in der Corona-Politik - so oder so - nur darum geht, pro Jahr 150.000 vermeidbare Tote (für ein Land wie Deutschland) zu vermeiden. Wenn man darin als Mainstream-Journalist oder als Mainstream-Politiker glaubwürdig sein wollte, sollte man erst einmal mit einem Tabakverbot anfangen und darüber allseits so gehetzt diskutieren wie das gegenüber der Corona-Thematik allüberall geschieht. 

Warum stellt Thorsten Schulte dieses gelassene Argument nicht in den Mittelpunkt?

Gehetzt diskutieren - Fehlt nicht allseits die innere Mitte?

Da werden sich die meisten einig sein, daß diese 150.000 jährlichen Rauchertoten - in einer vergleichbaren Altersgruppe wie die Riskiogruppe bei Corona - tatsächlich vermeidbar sind. Und damit würde man eine Gesellschaft nicht so spalten wie es gerade jetzt geschieht - vor allem in den deutschsprachigen Ländern und in den USA.

Im Vergleich mit den Rauchertoten wird doch klar, daß beide Seiten - alternative Öffentlichkeit ebenso wie der Mainstream - das Augenmaß verloren haben. Und wir müssen auch gar nicht zu klären suchen, ob dieser Verlust an Augenmaß bei speziell diesem Thema die Folge von bewußter Manipulation ist oder nur die Folge von Jahrzehnte langer Arbeit daran, daß ganze Gesellschaften ihrer emotionalen Mitte verlustigt gehen, seelisch entkernt werden, auf Suchtverhalten konditioniert werden auch in Bezug auf Wahrnehmungen und Reaktionsmuster auf dem Gebiet des Politischen, Weltanschaulichen, auf die billige, gewinnorientierte Mentalität von Börsen-Maklern und auf den stieren Tunnelblick von Fachwissenschaftlern, denen es nicht mehr gelingt, ihr Spezialgebiet angemessen und angemessen zurückhaltend in die übrige Wissenslandschaft und in die darin enthaltenen Orientierungspunkte einzuordnen.

Abb. 2: Mehr Unruhe geht nicht - Schon in der ganzen äußeren Aufmachung seines Videos

Börsen-Makler? Ach ja, aus welcher Subkultur stammt Thorsten Schulte noch einmal? Tunnelblick? Ach ja, aus welchen Subkulturen stammen Christian Drosten und Karl Lauterbach noch einmal?

Themen, mit denen man die Menschen "ablenken" kann, hatten jene, "die dahinter stehen", doch schon immer genügende im Köcher. Aber scheint nicht das Corona-Thema in diesem Sinne für sie noch einmal ein Themen-Volltreffer der ganz besonderen Art geworden zu sein? Haben "sie" sich da ein Thema in die Hand gespielt - oder sind sie da nur auf einen fahrenden Zug aufgesprungen - egal!, und nutzen dieses Thema nun weidlich, weidlich, weidlich - da es der unendlichen Möglichkeiten der Ablenkung und der Hysterie in Hülle und Fülle bietet? Da man Menschen von heute scheinbar durch nichts mehr leichter "emotionalisieren" kann als durch ein solches Seuchen-Thema, das "irgendwie" jeden betrifft? Aber eben auch letztlich nur: "irgendwie"?

Standbein, Spielbein - Und immer schön wechseln!

Vielleicht machen sich da einige ja auch nur einen Spaß daraus, in der Öffentlichkeit Signale wie "666" zu streuen? Da sie an diesem Spaß-Thema Corona so viel Freude haben? Da ihnen für dieses Thema selbst längst jede Ernsthaftigkeit abhanden gekommen ist? Könnte ja auch sein, Thorsten Schulte? Was denn dann? Traut man jenen, "die dahinter stehen", keinen Spaß mehr dazu? Das wäre sehr verfehlt.

Ein Kämpfer braucht beides: Standbein, Spielbein, immer schön wechseln. Immer schön in Beweglichkeit bleiben. Nicht erstarren, innerlich. Thorsten Schulte.

Zeigt der Umgang mit diesem Thema nicht, daß längst alles Augenmaß verloren gegangen ist, alle innere menschliche Mitte abhanden gekommen ist?

Ist es das C-Thema denn wert, in einen solchen unendlichen Alarmismus zu verfallen und einen großen Teil seiner eigenen Zeit wie auch der Zeit seiner Mitmenschen damit zu verschwenden und zu vergeuden? 

Tun wir das etwa mit den Rauchertoten? Seit Jahrzehnten? 

Zwei Rauchertote als Großväter - Wer hat die nicht?

Der Autor dieser Zeilen hat zwei Rauchertote als Großväter. Hat sich über deren vermeidbaren Tod irgendjemand auch nur ansatzweise aufgeregt? Ansatzweise? Heiße er nun Mainstream oder Alternative Öffentlichkeit?

Hat Deutschland nicht schon ganz, ganz andere Zeiten erlebt? Dieser Pippifax mit jährlich 150.000 Raucher-, nein Corona-Toten. Oder - ach du liebe Güte: Impf-Toten. Du liebe Güte. 

Nein, wir werden uns nicht mißverstehen: Jeder Tote ist einer zu viel. Das ist nicht das Thema. Nicht wahr? Merken wir nicht endlich etwas? Womit wir allzu billig emotionalisiert werden? Wir nehmen einerseits hunderttausende von vermeidbaren Toten in unserer nächsten Nähe ganz gelassen und elastisch hin, regen uns aber bis ins Unendliche gesteigert auf über Tote, die zahlmäßig - gesamtgesellschaftlich gesehen - in dieselbe Größenordnung fallen.

Das ist einfach Verlust allen Augenmaßes und jeder inneren, emotionalen Mitte.

Das ist Verwahrlosung.

Haben sich nicht mit Recht zahllose Menschen darüber aufgeregt, daß innerhalb der politischen Linken neuerdings so viel mit "Identitätspolitik" gearbeitet wird, anstatt die sozialen Ungleichheiten anzuprangern, daß also "abgelenkt" wird wie es nur so im Buche steht der Manipulateure?

Und hier - mit dem Corona-Thema - würde nicht abgelenkt? In noch viel größerem Umfang?

Die Corona-Fanatiker aller Seiten machen alles - alles - doppelt schlimm. Schlimmer als die Identitäts-Politik treibenden "Linken" es je hätten tun können.  Dieser Generation, die da glaubt, die Welt zum Besseren hin verändern zu können, weil sie unvermittelt durch das Internet auf unerwartete Wahrheiten (und "Wahrheiten") über Elitäre Satanisten stößt, denen gegenüber sie zuvor völlig ahnungslos war, dieser Generation fehlt - womöglich mit geschichtlicher Notwendigkeit (?) - viel innere Mitte. Und damit Würde.

Und das scheint doch mit jedem Jahr deutlichere Ausmaße anzunehmen. Man kann nur versuchen, sich innerlich auf diese Perspektive einzustellen: Es könnte noch deutlichere Ausmaße annehmen. In den Zeiten des Untergangs Roms war es doch ähnlich. Oder als sich Indianerstämme Nordamerikas in der letzten Lebensphase ihrer Existenz befanden. Die Untergangstänze von im Untergang befindlichen Indianerstämmen. 

Wir haben es doch mit klugen Leuten zu tun. Thorsten Schulte ist doch klug. An mangelnder Intelligenz jedenfalls liegt es nicht.

Jährlich werden in Deutschland 150.000 deutsche Kinder zu wenig geboren

Noch ein Gedanke: Wenn man schon in den Dimensionen von 150.000 Menschenleben  jährlich denken möchte - wie das derzeit überall geschieht - dann doch bitteschön dieser Art: Jährlich werden in Deutschland 150.000 deutsche Kinder zu wenig geboren. 

Ist das nicht ein Thema, das es verdient hätte, so intensiv öffentlich erörtert zu werden und ebenso lang und unausgesetzt und nervend wie gegenwärtig die Vermeidung von 150.000 Corona-Toten debattiert wird, bzw. die unterstellten vielen bösen Absichten, die Satanisten mit diesem Thema verfolgen würden?

Thorsten Schulte. 

Nervös, panisch, gehetzt, unstet, erfüllt von Alarmismus, erfüllt von "Börsen-Hektik". Ohne innere Mitte. Kein Herkules für moderne Gesellschaften. 

Herkules-Arbeiten gesucht? Sucht sie dort, wo anzufangen wäre mit der Suche nach innerer emotionaler Mitte. Sucht sie dort, wo Dichter - als frühe Sensoren - spürten, was verloren geht:

Lebt ein Leib ohne Herz und du,
Volk, lebst ferne der Kunst? ...

Nicht wahr, lieber Leser? Im Angesicht all dieser Emotionalisierungen eine auffallend merkwürdige, sonderbare Frage. Das ist schon klar. Wer kein Herz mehr hat, vermißt es auch nicht.

_________

  1. Zimmer, Katarina: When lions roamed Europe. The Atlantic, 9.1.2022, https://www.theatlantic.com/science/archive/2022/01/archaeologists-find-lion-bones-europe/621201/

Requiem - Von Rainer Maria Rilke

Eine Dichtung, die von Handwerkern und Bauleuten handelt

Die Einsicht ist nicht leicht anzuerkennen, daß wir in Ausnahmezeiten leben, in denen die Wahrscheinlichkeit, glücklich sein zu können, nicht gerade groß ist, in denen also eher das Schopenhauer-Wort gelten könnte "Ein glückliches Leben ist unmöglich: Das Höchste, was der Mensch erlangen kann, ist ein heroischer Lebenslauf." Und in denen das Rilke-Wort gilt: "Wer spricht von Siegen? Überstehn ist alles."

"Wer spricht von Siegen? Überstehn ist alles." - ? Woher kommt dieses nicht selten angeführte Rilke-Wort eigentlich? Wir finden: Es sind die letzten Worte eines sehr langen Gedichtes, benannt "Requiem" (1). Um dieses soll es im vorliegenden Beitrag gehen.

Abb. 1: Das Gedicht "Requiem" - Es wurde gemeinsam mit zwei anderen Dichtungen 1919 das erste mal veröffentlicht

Im Jahr 1908 ist es entstanden, kurz nachdem die nachgelassenen Gedichte eines jungen Dichters erschienen waren, der sich zwei Jahre zuvor, mit nur 19 Jahren das Leben genommen hatte, nämlich Wolf Graf von Kalckreuth (1887-1906) (Wiki) (2).

Rilke wußte um den Wert der Dichtungen des Wolf von Kalckreuth. 16 Jahre später noch, als es darum ging, daß eine Sammlung deutscher Sonette heraus gegeben werden sollte*) und Rilke um Erlaubnis des Nachdrucks einiger seiner Sonette gebeten wurde, gab er die gewünschte Zustimmung, wies zugleich aber auch auf die Gedichte von Kalckreuth's hin (4, S. 876f):

Es sind außerordentlich schöne Sonette darunter .... Diese Frühvollendeten, die man so rasch vergißt, wären ja, mehr als andere, am Platz in einer solchen Auswahl.

Es sollen im folgenden nur ausschnitthaft einige Auszüge aus dieser längeren Dichtung "Requiem" gebracht werden. Nach zwei längeren, einleitenden Absätzen springt der nächste Absatz den Leser an mit den Worten:

O dieser Schlag, wie geht er durch das Weltall, 
wenn irgendwo vom harten scharfen Zugwind 
der Ungeduld ein Offenes ins Schloß fällt. 

Schon diese wenigen Worte lassen verstummen. - Ein Offenes ist ins Schloß gefallen als ein junger Dichter den Freitod gewählt hatte. Wie viel Offenes fällt überhaupt ins Schloß in diesem Weltall? - Der danach folgende Absatz springt den Leser erneut an, und zwar mit den Worten: "Daß du zerstört hast". Diese werden einige Zeilen später erneut aufgegriffen:

Daß du zerstört hast. Blöcke lagen da, 
und in der Luft um sie war schon der Rhythmus 
von einem Bauwerk, kaum mehr zu verhalten; 
du gingst herum und sahst nicht ihre Ordnung ...

Dieser Vorwurf - an einen Menschen, der längst tot ist. So darf nur jemand sprechen, der dem Tod selbst ins Auge gesprochen hat und in seinem Angesicht eine scharfe, entschiedene Entscheidung getroffen hat: Weiter zu leben. Da es Werte gibt, um deretwillen gelebt werden kann. Sollte.

Zu wehleidig beim Dichten

Rilke sucht nach den Ursachen, fragt nach Auswegen:

                                       ... wäre einer, der 
beschäftigt war, im Innersten beschäftigt, 
dir still begegnet, da du stumm hinausgingst, 
die Tat zu tun -; ja hätte nur dein Weg 
vorbeigeführt an einer wachen Werkstatt, 
wo Männer hämmern, wo der Tag sich schlicht 
verwirklicht ...

Was für Worte. Was für wunderschöne Worte. Wir können es nicht anders sagen. - Rilke bringt dann zum Ausdruck, daß viele Dichter beim Dichten zu wehleidig wären ...

... statt hart sich in die Worte zu verwandeln, 
wie sich der Steinmetz einer Kathedrale 
verbissen umsetzt in des Steines Gleichmut. 

Rilke ist oft auf das Thema künstlerisches Schaffen und die Bedrohungen desselben zurück gekommen. Oft. 1899 beispielsweise hatte der allseits verehrte Tolstoi eine Schrift herausgegeben "Über moderne Kunst". Tolstoi hatte in dieser einem Pessimismus in Bezug auf die Bedeutung des Schaffens von Kunst und Kultur Ausdruck gegeben, der am Ende sogar in die völlige Ablehnung künstlerischen Schaffens mündete, der am Ende nicht davor zurück scheute, sogar der Musik Beethovens mit Ablehnung gegenüber zu stehen.

"Blöcke lagen da ..."               ²)

Es war diese Schrift eine andere Art von Selbstmord künstlerischen Schaffens. So hat es Rilke gesehen. 1924 nannte sie Rilke "die schmähliche und törichte Broschüre" (6).**) Verkörpert Rilke nicht jene heroische Lebenshaltung, die Schopenhauer gefordert hatte? Beim Lesen seiner Zeilen werden wir erinnert auch an ein anderes Bild eines anderen Dichters, nämlich an Hölderlin's "Dichtermut" ...

... Wenn die Woge denn auch einen der Mutigen,
      Wo er getreulich getraut, schmeichelnd hinunterzieht,
        Und die Stimme des Sängers
          Nun in blauender Halle schweigt ...   

Erneut also ist da von den Gefahren des künstlerischen Schaffens die Rede. Hölderlin:

... Freudig starb er und noch klagen die Einsamen,
     Seine Haine, den Fall ihres Geliebtesten;
       Öfters tönet der Jungfrau
         Vom Gezweige sein freundlich Lied.
 
Wenn des Abends vorbei Einer der Unsern kommt,
  Wo der Bruder ihm sank, denket er manches wohl
    An der warnenden Stelle,
      Schweigt und gehet gerüsteter.

Hatte nicht zu Hölderlins Zeiten Heinrich von Kleist sich das Leben genommen? Ein Tod, der damals schon in Dichterkreisen so viel Ergriffenheit auslöste? In Berlin, am Wannsee? "An warnender Stelle", wo schon so mancher "schwieg" und "ging, gerüsteter"? 

"Wo Männer hämmern"

Zurück zur Dichtung "Requiem", wo Rilke spricht von einem Blick "in Werkstätten, wo Männer hämmern":

Dies war die Rettung. Hättest du nur ein Mal 
gesehn, wie Schicksal in die Verse eingeht 
und nicht zurückkommt, wie es drinnen Bild wird 
und nichts als Bild ....

Schicksal soll Bild werden und nicht zu voreilig zu Taten hinreißen. Bild, in solche Worte gefaßt wie jene, mit denen Rilke diese Dichtung begonnen hatte:

                                        ... Mir ist das Herz
so schwer von dir wie von zu schwerem Anfang,
den man hinausschiebt. ...

Nun nur noch die Schlußzeilen:

Die großen Worte aus den Zeiten, da 
Geschehn noch sichtbar war, sind nicht für uns. 
Wer spricht von Siegen? Überstehn ist alles. 

Das hier behandelte Gedicht von Rilke ist 1908 in Paris entstanden. Es war das in einer Zeit, in der er - neben der Werkstatt Rodin's - als dessen Sekretär arbeitete, neben einer Werkstatt also, wo tatsächlich "Blöcke" lagen.

"Werkleute sind wir"

Hören wir in diesem Bild von Werkstätten und Hämmern nicht auch noch anderen Worten hinterher, jenen Worten von .... "Werkleute sind wir ...." - ? Überraschung - auch diese stammen von Rilke. Sie sind schon 1899 entstanden:

Werkleute sind wir: Knappen, Jünger, Meister,
und bauen dich, du hohes Mittelschiff.
Und manchmal kommt ein ernster Hergereister,
geht wie ein Glanz durch unsre hundert Geister
und zeigt uns zitternd einen neuen Griff.
 
Wir steigen in die wiegenden Gerüste,
in unsern Händen hängt der Hammer schwer,
bis eine Stunde uns die Stirnen küßte, 
die strahlend und als ob sie Alles wüßte
von dir kommt, wie der Wind vom Meer.
 
Dann ist ein Hallen von dem vielen Hämmern
und durch die Berge geht es Stoß um Stoß.
Erst wenn es dunkelt lassen wir dich los:
Und deine kommenden Konturen dämmern.
 
Gott, du bist groß
 
"... deine kommenden Konturen dämmern ..." ³)

Nachbemerkung: Noch dichter ist der Inhalt der Dichtung "Requiem" vielleicht gefaßt in den Zeilen:

                  ... wär in deinem vollen Blick
nur so viel Raum gewesen, daß das Abbild
von einem Käfer, der sich müht, hineinging.


_________

*) Es handelte sich um den Hölderlin- und Goethe-Forscher Karl Viëtor (1892-1951) (Wiki) (3), der 1924 gerade seine Habilitation über die Geschichte der deutschen Ode beendet hatte. Er schrieb an Rilke, um die Erlaubnis für einen Nachdruck von Sonetten Rilke's zu erlangen. Rilke gab diese Erlaubnis, wies zugleich aber - und wie wir meinen: sehr vornehm - mit den zitierten Worten auf diese nachgelassenen Gedichte des Wolf von Kalckreuth hin. 1926 ist die Anthologie dann erschienen (5).
**) Tolstoi's Schrift "Über moderne Kunst" von 1899 lag ihm offenbar viele Jahre lang quer im Magen. Dieser Umstand stand auch im Hintergrund seiner beiden persönlichen Begegnungen mit Tolstoi in den Jahren 1899 und 1900. Erst 1924, nachdem er seine eigenen "Duineser Elegien" geschaffen hatte, sein Hauptwerk, konnte er so klare Worte über Tolstoi's Schrift finden ("die schmähliche und törichte Broschüre") (6).
 
 ___________
 
²) Blick in den Innenhof der Dombauhütte des Kölner Doms (Wiki) (Symboldbild)
³) Nordturm des Kölner Domes mit Gerüst (Wiki) (Symboldbild)

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  1. Rilke, Rainer Maria: Requiem. Insel-Verlag 1919, https://de.wikisource.org/wiki/Requiem_(Rainer_Maria_Rilke):Seite_25 (auch: Rilke.de)
  2. Wolf Graf von Kalckreuth: Gedichte. Insel-Verlag, Leipzig 1908,  https://www.projekt-gutenberg.org/kalckreu/gedichte/motto.html
  3. Zelle, Carsten, "Viëtor, Karl" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 802-803 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117416002.html#ndbcontent 
  4. Schnack, Ingeborg: Rilke-Chronik. Rainer Maria Rilke - Chronik seines Lebens und seines Werkes 1875-1926, Insel-Verlag, Frankfurt/M. 2009
  5. Deutsche Sonette aus vier Jahrhunderten. Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Karl Viëtor, Euphorion Verlag, Berlin 1926
  6. "Meine geheimnisvolle Heimat" - Rilke und Rußland. Hrsg. von Thomas Schmidt. Insel Taschenbuch 2020