Donnerstag, 23. Juli 2015

Rettet naturwissenschaftsnaher Katholizismus die europäischen Völker?

Entwicklungen auf dem Internetblog "Projekt Ernstfall"

Den Internetblog "Projekt Ernstfall" konnte man bislang zumindest zum Teil als einen Lichtblick im Internet erachten. (Ergänzung 2. Oktober 2015: Er ist inzwischen zwar gelöscht, dennoch sollten die Erfahrungen mit diesem Blog nicht vergessen werden.) Wer genau diesen Blog betreibt, ist nicht bekannt. Es erschienen auf dem Blog aber naturwissenschaftlich gut informierte Artikel, die zeigten, dass auch Biologie-Studenten darunter sein mussten. Vor allem aber - wie es schien - ernsthafte junge Menschen, die sich an Leuten aus dem Spektrum der "Konservativen Revolution" (Armin Mohler) rund um Ernst Jünger und seinen Freunden orientieren.

Abb.: Der Internetblog "Projekt Ernstfall"
Die Blogautoren schienen noch sehr jung zu sein und weltanschaulich zunächst noch wenig festgelegt. Es gab letztes Jahr viele Erörterungen auf dem Blog darüber, wie sinnvoll das Christentum in Zeiten des Ernstfalls ist, in dem sich unser Volk und die Völker der Nordhalbkugel heute befinden. Die Blogbetreiber schienen bislang eher in Richtung auf eine ziemlich kritische Beurteilung des Christentums zu tendieren, es gab jedenfalls - im Gegensatz zur Internetseite der rechtskatholischen "Sezession" - darüber ein recht offenes Meinungsbild. Christen warben dort für ihre Religion ebenso wie Nichtchristen diese kritisierten. Der Blog machte für ein Jahr Pause.

Und nun tritt er hervor mir einer deutlichen Wende hin zum Christentum, ja, sogar zum Katholizismus (Ernstfall 14.7.15, 19.7.15, 21.7.15). Diese Wende war, soweit übersehbar, auch verbunden mit Zerwürfnissen innerhalb jener Gruppe von Menschen, die diesen Blog betreiben. Die im Zusammenhang damit geführten Erörterungen und Argumente wird man immerhin als typisch erachten dürfen für die Art, wie in bestimmten Kreisen derzeit argumentiert wird. 

Aufmerksamkeiterregend ist das alles deshalb, weil man dort auch von dem grundlegenden Denkansatz von den gruppenevolutionären Strategien der modernen Soziobiologie ausgeht und von den übrigen modernen Erkenntnissen eines naturwissenschaftsnahen Menschenbildes (auch wenn die Kenntnisse darüber noch nicht die volle mögliche "Breite" und "Tiefe" erreicht haben mögen). 

Dieser ganze Fall scheint mehr als symptomatisch zu sein. In einer Situation, in der gerade unter Menschen wie jenen, die einen solchen Blog betreiben, man wirklich anfangen müsste, sich die Autorin Mathilde Ludendorff sehr genau anzuschauen - weicht man aus und kehrt zurück zum Christentum. Ja, sogar zum Christentum katholischer Prägung. 

Das liegt natürlich auch daran, dass Mathilde Ludendorff nur an sehr wenigen Orten im Internet und in der informierten Öffentlichkeit sachlich, kritisch und distanziert erörtert wird (am ehesten noch hier und auf "Studiengruppe Naturalismus", zum Teil auch auf Adelinde.net).

Fast mutet es jetzt im Nachhinein so an, als wäre die weltanschauliche Entwicklung des Blogs "Projekt Ernstfall" schon von vornherein auf die nun stattgehabte Entwicklung angelegt gewesen und als habe man sich anfangs nur möglichst "ergebnisoffen" gegeben, um auf diesem "Weg", bei dieser Entwicklung so viele Ahnungslose wie möglich "mitzunehmen". So wird jedenfalls durchaus gearbeitet. Sagen wir: Etwa im geistigen Umfeld des Verlages des Rußlanddeutschen Viktor Streck (geb. 1963) (Streck), der in seinen Romanen in an Volkserhaltung interessierten Kreisen nicht nur für das Christentum wirbt und seine Leser zu diesem "mitnehmen" will, sondern der eine Zeit lang zumindest (derzeit offenbar nicht) auf seiner Internetseite auch naturwissenschaftliche Bücher aus christlicher Sicht beworben hat. 

Doch schauen wir uns auf "Projekt Ernstfall" die vorgetragenen Begründungen für diese Wende zum Katholizismus noch etwas genauer an (in den Kommentaren zu Ernstfall 14.7.15) (Hervorhebung nicht im Original!):
Ich und ein paar andere Beteiligte (die hier noch nicht schreiben) haben das vergangene Jahr vor allem damit verbracht, verschiedene Subkulturen praktisch zu studieren. Für mich persönlich war die überraschende Entdeckung eben der Teil des Katholizismus, in dem die christliche Mystik im Sinne religiöser Erfahrung noch lebendig ist, der sich nicht (wie leider manche der entschlosseneren Formen des Protestantismus) über die Ablehnung der Naturwissenschaft definiert, und dessen Ethos nicht auf die Auflösung von Gemeinschaften gerichtet ist, sondern auf deren Stärkung. In seinen Formen ist dieser Katholizismus feierlich, aber gleichzeitig ernst und schlicht. Diese Strömung repräsentiert zwar nur eine radikale Minderheit, kann sich aber auf eine lange Tradition stützen, die auch die kriegerischen Teile der Geschichte des Christentums mit einschließt, und zudem jene gut integrierten außerchristlichen Impulse, die dem mittelalterlichen Christentum das Überleben ermöglicht haben. Damit konfrontiert erkannte ich, dass angesichts dieses langen, bewährten und lebendigen Erbes jegliche Neuerfindung überflüssig wäre. Die Mehrheit der sonstigen Beteiligten machte andere Erfahrungen, die sich aber insgesamt meist nicht widersprachen, und mit dem Rest erfolgte der notwendige, in aller Freundschaft vollzogene Bruch. Einer der Vertreter der erwähnten katholischen Strömung sagte u.a., dass dem Christentum der Gegenwart leider jener männliche Impuls verloren gegangen sei, der es über lange Zeit lebendig gehalten habe, und dass dieser Impuls wiederbelebt werden müsse. Diese Strömung kann zwar mit ihrem Namen nicht für das “Projekt Ernstfall” eintreten, das ja nur der Suche nach belastbaren Ansätzen dient, aber sie stellt den kulturellen Kontext zur Verfügung, mit dem dieser Ansatz letztlich an die Öffentlichkeit treten wird. Wenn es soweit ist, wird jegliche Unterstützung, die der Fortsetzung dieser Tradition zusätzliche Kraft geben kann, willkommen sein.
Man wird also künftig noch mit weiteren, etwaig naturwissenschaftsnahen Identifikationsangeboten aus katholischer Richtung in den Kreisen jener Menschen rechnen müssen, denen die Erhaltung der gewachsenen Völker der Nordhalbkugel wichtig ist.

"Eine religiöse Erfahrung, die sich nicht über die Ablehnung der Naturwissenschaft definiert"

Auch die katholische Kirche arbeitet - wie man seit langem wissen kann und wie das alle globalisierenden, "überstaatlichen" Bertelsmann-Mächte tun - nach dem Motto Goethes: "Wer vielen etwas bringt, wird manchem etwas bringen." Sie weiß also, dass man Menschen unterschiedlicher Interessen-Richtungen und Lebensziele auch unterschiedliche Angebote machen muss, wenn man sie nicht ganz verlieren will, sondern viel mehr auf seine Richtung hin orientieren möchte. Hier wird erkennbar, dass die katholische Kirche neue Angebote bereit gestellt hat. Diese scheinen aus dem Umfeld der Jesuiten-nahen Grabesritter oder ähnlicher "kämpferischer", "ritterlicher" Gruppierungen und "Glaubensritter" zu kommen. So jedenfalls muten diese andeutenden Worte an.

Eigentlich enthält diese Mitteilung wenig Neues. Das einzige Neue ist die Phrase: "eine religiöse Erfahrung, die sich nicht über die Ablehnung der Naturwissenschaft definiert". Man kann dies positiv nehmen und sich fragen, wohin das führt. Auf diesem Gebiet hält die katholische Kirche ja inzwischen zahllose Angebote bereit seit vielen Jahren. Man denke an den Rasseforscher Pater Muckermann der 1930er Jahre, an den etwas verstaubten Teilhard de Chardin, man denke an den verstorbenen Bischof Kamphausen von Limburg, der einen seiner Mitarbeiter in das Doktorantenseminar von Eckart Voland in Gießen schickte (kurz nachdem ich dort war ;) ), woraus eine der frühen soziobiologischen Theorien zur Religionswissenschaft entstand. Man denke an die Templeton Foundation. Man denke an den Kardinal Schönborn und seine Katechesen zur Evolution und Schöpfung aus dem Jahr 2000. Und auf dieser Linie gibt es sicherlich noch etliches mehr.

Man muss schließlich mit dem Wind segeln. Alte Seefahrer- und Glaubensritter-Weisheit.

Beobachten wir also die Erörterungen auf dem Internetblog "Projekt Ernstfall" unter diesen Voraussetzungen weiter. Während das katholische "Institut für Staatspolitik" um Götz Kubitschek und Ellen Kositza jeder weiteren kritischen Erörterung seines Selbstverständnisses ausweicht (solche hatte es im Jahr 2006, in der "Jugendzeit des Internets", noch zum Teil sehr offen und fröhlich gegeben, Kommentare dazu werden dort aber nicht mehr freigeschalten, wie erst jüngst wieder erfahren), ist eine solche sehr freie Erörterung auf dem Blog "Projekt Ernstfall" derzeit noch möglich und geistig auch noch recht befruchtend. Befruchtend auch deshalb, weil der Weg, auf dem man dort vorgibt, zum Katholizismus gekommen zu sein, folgendermaßen beschrieben wird:
Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich in religiösen Fragen noch jenen Indologen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts nahe gestanden, die sich mit den Quellen indoeuropäischen Glaubens auseinandersetzt haben, der mir nachvollziehbarer erschien als das Christentum.
Damit ist Jakob Wilhelm Hauer gemeint, auf den die "Freie Akademie" zurück geht, für die sich der schätzenswerte Wiener Soziobiologie-Autor Franz Wuketetis seit Jahrzehnten einsetzt und in der er weltanschaulich zu wurzeln scheint. Weiter:
Sie hatten diesbezüglich auf Ludendorff verwiesen, deren Texte ich auch gelesen habe, wobei ich persönlich Autoren wie Hauer und Hunke mehr abgewinnen konnte. Alle diese Strömungen haben sich aber positiv auf die christliche Mystik des Mittelalters bezogen, die sie als Fortsetzung dieser Tradition verstanden haben. Die GBS bzw. Schmidt-Salomon haben sich interessanterweise ebenfalls positiv dieser Tradition gegenüber geäußert. Mit ihr haben ich und einige andere Personen uns dann im nächsten Schritt näher auseinandergesetzt, und in diesem Zusammenhang trat bei mehreren die Glaubenserfahrung ein, von der jene Mystiker sprachen.
Dies geschah ganz im Sinne des biblischen Satzes: “Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan.”
Sehr ungewöhnliche Worte. In einem so späten Lebensabschnitt sollten solche Erfahrungen noch möglich sein? Nun, unter Katholiken ist ja vieles möglich ... Ehrlich gesagt: Ich glaube es nicht. Bindungen an den Katholizismus wurzeln heute fast immer in Kindheitserfahrungen, das ist meine ganz persönliche Erfahrung mit Katholiken. Weiter:
Widersprüche zum naturwissenschaftlichen Denken gab es sowohl vor als auch nach dieser Erfahrung nicht.
Früher habe ich übrigens (Sam) Harris lieber gelesen als (Richard) Dawkins, zumindest was die religiösen Gedanken angeht. Dawkins ist gewiss ein großartiger Vermittler der Naturwissenschaften, aber seine religiösen Gedanken halte ich für unangemessen schlicht, weil er dazu neigt, sich nur die leichtesten Ziele im Spektrum seiner Gegner auszusuchen. Trotz aller Fehler der Vergangenheit finden sich aber gerade im katholischen Glauben mittlerweile ausgesprochen harte Ziele, was zu meiner persönlichen Entscheidung beigetragen hat.
Den Diskussionszusammenhang, aus dem diese Worte heraus geäußert werden, kann man ja vor Ort nachlesen. Die Erörterungen dort sind im Fluss, wenn es auch die grundlegenderen Lebensentscheidungen dort nicht mehr zu sein scheinen (oder besser: wahrscheinlich niemals waren).

Dazu kann nur gesagt werden: Auffallende Entwicklungen. Da sich die Blogbetreiber auf die zum Teil widerspruchsvollen religionsdemographischen Aussagen und Deutungen von Michael Blume berufen, werden durch solche Lebensentscheidungen und "mystischen Erfahrungen" natürlich zum Teil noch mehr neue Widersprüche aufgeworfen, als es sie zuvor schon gab. Ja, die katholischen Glaubensstreiter, sie sind aktiv und wach wie eh und je. Und man versteht jetzt vielleicht auch besser, warum die Blogbetreiber eine so große, ja strikte Geheimniskrämerei um ihre Identität betreiben.

Wenn nur andere ähnlich aktiv und wach wären wie man es dort ist. Ein Katholizismus also, der die modernen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse auf einer sehr großen Breite zur Kenntnis nehmen und aus ihnen heraus volkserhaltend handeln will. Das könnte doch auch ein nichtchristlicher, weiterführender Ansatz sein ....

Wird fortgesetzt --> hier.

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