Donnerstag, 4. Juli 2013

Wachstumshemmung durch Kita-Erziehung

Eigene Beobachtungen

Abb. 1: Unsere Tochter - ein Jahr und drei Monate alt
[4.7.2013] Im folgenden eine längere Geschichte. Die wesentlichsten Fakten sind blau gefärbt für Schnelleser. Da unsere Tochter ein Einzelkind ist und sie sich unübersehbar nach Spielkameraden sehnte, haben wir schon sehr früh einmal probiert, das Angebot wahrzunehmen, und sie in eine Kindertagesstätte zu geben. Da war sie ein Jahr und drei Monate alt (Abb. 1).

Da uns aber bewußt ist - wie hier auf den Blogs auch schon in früheren Jahren oft besprochen - daß Kleinkinder in Kindertagesstätten ebenso viel Kortison ins Blut ausschütten, als wären sie sehr schwer krank, daß sie dort also sehr stark unter Streß stehen (1), stand für uns von vornherein fest, daß wir sie dort nur unter günstigsten Bedingungen lassen würden, und daß wir dabei nichts gegen ihre Einwilligung tun würden. Unter diesen Prämissen versuchten wir es mit der "Eingewöhnung" nacheinander in drei verschiedenen Kindertagesstätten. Da sie sich aber letztlich von uns Eltern sehr klar nicht trennen wollte, haben wir jeden Versuch jeweils ziemlich bald wieder abgebrochen

Ein Bedauern auf Seiten unserer Tochter über diesen Abbruch konnte ich nicht feststellen. Zwar spielt sie gerne mit Kindern. Aber wenn ich sie frage: "Ok, du bleibst da, ich gehe weg" - dann ist ihre Entscheidung klar. Sie will nicht dableiben.

Ganz glorreiche Erzieherinnen oder auch Erzieher sagen dann: Aha, da kann sich ein Vater nicht von seiner Tochter trennen. Ich weiß nicht, ob in der modernen Erzieher-Ausbildung auch mit ausreichendem Nachdruck auf die Nachteile der Kollektiverziehung von Kindern vor dem dritten Lebensjahr hingewiesen wird nach heutigem Forschungsstand (1). Eigentlich habe ich diesen Eindruck nirgendwo gewonnen. Würde ein solcher Kenntnisstand vorhanden sein, würde sich das ja womöglich auch quasi "berufsschädigend" auswirken können. Denn jede Kita ist ja bestrebt, immer alle Plätze voll zu haben. Ich habe mich also niemals mit den Erzieherinnen und Erziehern auf grundlegendere Diskussionen über dieses Thema eingelassen, wenn diese nicht von selbst darauf gekommen sind.

Einmal traf ich auf eine Erzieherin, die selbst inzwischen schon ältere Kinder hatte, und die für meine Einstellung vollstes Verständnis hatte. Da auch sie ihre eigenen Kinder nicht vor dem dritten Lebensjahr in die Kita gegeben hat. - Sie wurde kurz nachdem wir unseren Eingewöhnungsversuch in ihrer Kita abgebrochen hatten, entlassen. Diese ihre Meinung wird nicht der ausschlaggebende Grund für ihre Entlassung gewesen sein. Aber als symptomatisch empfand ich es schon.

Wie auch immer. Diese vielfältigen Erfahrungen mit Kita-Erziehung sollen eigentlich gar nicht Thema dieses Beitrages sein, sondern nur das folgende erläutern. -

Meine Tochter und ich treffen die drei Kindergruppen, die wir bei diesen Eingewöhnungen jeweils ganz gut haben kennen lernen können, immer einmal wieder auf den Kinderspielplätzen. Einige der älteren Kinder kennen unsere Tochter dann noch beim Namen.

Die Verblüffung - ein dreiviertel Jahr später

Was nun aber am meisten bei diesen Wiederbegegnungen verblüffte, und zwar etwa ein dreiviertel Jahr später (s. Abb. 2), in denen wir die Gruppen nicht mehr gesehen hatten, das war der plötzliche Größenunterschied zwischen unserer Tochter und den Kita-Kindern, die wir von früher her kannten. Er kam mir richtiggehend unheimlich vor. Und das fiel auch den Kita-Erzieherinnen auf: "Oh, sie ist aber groß geworden!" Meine erste Reaktion war ein richtiggehendes Erschrecken. Denn während der jeweiligen Eingewöhnungen war unsere Tochter zumeist die Jüngste der ganzen Gruppe gewesen. Und deshalb auch die Kleinste.

Abb. 2: Unsere Tochter, zwei Jahre und einen Monate alt
Und jetzt beim Wiedersehen war klar zu erkennen: Sie war deutlich gewachsen, sehr deutlich. Während man den Eindruck hatte, daß sowohl Gleichaltrige wie auch ältere Kinder der drei Gruppen in den Kitas in der Zwischenzeit - sozusagen in ihrer Gesamtheit - so gut wie gar nicht gewachsen waren. Weshalb unsere Tochter der ganzen Kinderschar plötzlich so "kräftig" und "groß" gegenüber wirkte.

Sozialer Streß hemmt Körperwachstum

Und jetzt stoße ich auf einen Zeitungsartikel aus dem Jahr 2005 (2), nach dem die sozialen Verhältnisse, in denen Kinder leben, sehr klar Auswirkungen haben auf ihr Körperwachstum:
Einer britischen Studie zufolge haben Kinder bei familiärem Streit oder emotionalen Konflikten wie Scheidungen ein fast doppelt so großes Risiko, unter der durchschnittlichen Körpergröße zu bleiben. Ein Siebenjähriger aus unharmonischer Familie ist um etwa sieben Zentimeter kleiner als ein Kind gleichen Alters, das in stabilen Verhältnissen lebt. 
Nach dieser Lektüre bin ich mir nun fast sicher, daß das Körperwachstum von Kleinkindern dadurch, daß sie viele Stunden täglich in der Kita verbringen, sehr deutlich gehemmt wird. (Übrigens wäre interessant zu erfahren, ob sich diese Wachstumshemmung auch auswirkt auf die Endkörpergröße, die später im Erwachsenenalter erreicht wird.)

Unsere Tochter hat einige Cousinen und Cousins in der Nähe wohnen. So daß sie dennoch, was Spielkameraden betrifft, nicht zu kurz kommt. Und die Notwendigkeit, sie mit Spielkameraden zu "versorgen", verstärkt sogar den Zusammenhalt zwischen den Familien.

Bin jedenfalls gespannt, ob es zu diesem Thema der Wachstumshemmung durch Kita-Erziehung schon Studien gibt, oder wann die ersten dazu erscheinen werden. Dieser Frage wird man vielleicht anhand dieses Zeitungsartikels etwas zielgerichteter nachgehen können.

PS: Natürlich habe ich diesen Beitrag nur geschrieben, um endlich einmal einen Grund zu haben, Bilder von unserer Tochter einstellen zu können. :-) (Dabei sind die für die These dieses Blogbeitrages gar nicht so aussagekräftig ...)

Aktualisierungen einige Jahre später (2017, 2019)


[29.6.2017] Vier Jahre später. Meine Tochter wird bald ihr erstes Schuljahr abschließen. Und soeben wird mir bewußt, daß sie im Vergleich zu ihren Mitschülerinnen wiederum (bzw.: immer noch?) auffallend größer und kräftiger ist. Geradezu als wäre sie mindestens ein Jahr älter als diese. Ich selbst war früher unter Gleichaltrigen körperlich eher zurück. Auch deshalb kann einem dieser Umstand bei meiner Tochter als ein auffallender vorkommen. Sogar eine Mitschülerin, die fast ein Jahr älter ist als sie selbst, ist deutlich zierlicher, kleiner.

Ich weiß es zwar nicht, aber es ist sehr nahe liegend, daß die Mitschülerinnen viel mehr Lebenszeit in der Kita verbracht haben als meine Tochter. (Letztere erst seit dem dritten Lebensjahr und dann auch möglichst nicht so viele Stunden.) Auch jetzt noch werden ihre Mitschülerinnen in der Regel später aus dem Hort abgeholt als sie. Auch der Hort nach der Schule ist - wie man ja gut beobachten kann - eine streßreiche Zeit. Auch diese Zeit im Hort dürfte also selbst noch Wachstumshemmung bewirken.

Nette Nebenbemerkung: Übrigens kostet eine dreijährige Nichtteilnahme an der Kollektiverziehung, sprich die eigene Betreuung zu Hause, die einem ja niemand bezahlt, mindestens 15.000 Euro. Denn in der Zeit kann ja ein erwachsenes Familienmitglied nicht oder nur weniger verdienen. Dieses Geld muß man auch erst einmal haben. Bzw.: Dieses Geld ist natürlich schon ein Grund, Prioritäten entweder so oder so zu setzen ....

[26.9.2019] Eine Blogleserin schreibt uns in anderem Zusammenhang:
Während meiner Berufstätigkeit als Lehrerin in einer Förderschule war ich mehrmals mit Fällen von Kindern konfrontiert, die längst im Pubertätsalter waren, aber körperlich nicht entsprechend entwickelt. Sie waren eher auf dem Stand von 7-8-Jährigen. In allen Fällen war klar, daß sie in der Familie schwerer Gewalt und / oder Mißbrauch ausgesetzt waren. Ein Kind kam schließlich in eine Pflegefamilie und man konnte ihr beim Wachsen zusehen. Sie legte innerhalb weniger Wochen 10 cm zu. (...) Wie ich heute herausfand, gibt es für dieses Phänomen einen medizinischen Fachbegriff: Psychosozialer Kleinwuchs.
Und tatsächlich, das in diesem Blogartikel behandelte Thema wird unter den Stichworten "Psychosozialer Kleinwuchs" (Wiki), bzw. "Psychosocial short stature" (Wiki) behandelt. Natürlich fallen der Forschung immer erst einmal die extremeren Fälle auf.
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  1. Aktuelle Forschungen zum Thema werden zum Beispiel auf der Internetseite des "Familiennetzwerkes" im Auge behalten (zum Beispiel hier)
  2. Zittlau, Jörg: Harmonie macht groß  Familiäre Situation entscheidet mit über Wachstum. Die Welt, 18.03.05

4 Kommentare:

  1. Vielen Dank fuer diesen interessanten Artikel. Sie haben eine reizende kleine Tochter.
    Helmut Wild

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  2. Ja, der Blogautor Andreas Müller hat ja einmal in einem Blogbeitrag womöglich überzeugend, jedenfalls ausführlich dargelegt, daß nach allen vorliegenden Studien ELTERN durchschnittlich unglücklicher sind als KINDERLOSE.

    WENN dem aber so ist (womöglich stimmt es sogar - ???), dann sollten Eltern doch dann möglichst all ihr Unglück mit allen anderen teilen, damit wir es gemeinsam tragen können.

    Und womöglich merken wir gerade erst durch das TEILEN des Unglücks, wieviel Spaß Kinder doch machen.

    Vielen Dank für Ihr Lebenszeichen, der Sie ja auch über reizende Töchter nicht ("nur") zu klagen haben!

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  3. Ist das der Grund warum DDR'ler im Schnitt ein paar cm kleiner sind als der durchschnittliche Westdeutsche? Natürlich kann man da auch sozioökonomische oder genetische Gründe finden, fiel mir aber mal auf als ich ne Statistik dazu gesehen habe.

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  4. Ja, kein schlechter Hinweis, dem könnte man nachgehen.

    Ich habe auch das Gefühl, daß die heutigen Jugendlichen im Durchschnitt wieder kleiner sind als meine Generation (Jg. 1966), habe dazu aber noch keine Statistiken gesehen.

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