Dienstag, 26. April 2011

Léo Taxil - Der "Schalk" von 1897

Oder: Ist freimaurerischer Satanismus nur ein "Witz"?

Vor dem Hintergrund der Zeugenaussagen zu rituellem Satanismus der letzten Jahrzehnte, mit dem immer wieder auch die Freimaurerei in Zusammenhang gebracht wird, zum Teil auch völkische Logen und Orden, zum Teil auch der Jesuitenorden (Cathy O'Brien) (siehe frühere Beiträge hier auf dem Blog) nehmen sich die "schalkhaften" antiklerikalen, antifreimaurerischen Bücher des sich selbst an seinem Lebensende als Schelm und Schalk bezeichnenden Franzosen Léo Taxil (1854–1907) außergewöhnlich merkwürdig aus (1 - 12). (S.a.: Wikip., Esowatch, Chick, Clubconspiracy.com.) (Wir waren im letzten Beitrag zum Thema Elitärer Satanismus auf diese Thematik gestoßen.)

Leo Taxil in den 1880er Jahren
Léo Taxil (s. Foto links) hat seine Mitmenschen nach eigener Aussage Zeit seines Lebens zum Narren gehalten (für das folgende insbesondere: 12). Als Linksradikaler schrieb er Witzblätter und antiklerikale Aufsätze und Schriften. Ab 1884 spielte er dem Papst aber dann sogar in einer persönlichen Audienz - ebenso unzähligen Kardinälen und Bischöfen - den reumütigen Sünder vor, der in die katholische Kirche zurückgekehrt sei und der von nun ab mit ihr zusammen die Freimaurerei bekämpfen wolle. In Rom wurde Taxil vom Papst persönlich, von Kardinälen und insbesondere auch von den Jesuiten daraufhin gedrängt, wie er berichtet, die Öffentlichkeit über den von ihnen unterstellten Satanismus in der Hochgradfreimaurerei aufzuklären.

Also über das, was Léo Taxil in der Folge "Palladismus" nennen sollte: unterstellte sexualmagische Riten, Orgien und Schwarzen Messen innerhalb der Hochgrade ("Areopage") der Freimaurerei (siehe hier).

Welche Rolle spielte der Jesuitenorden in der "Taxil-Angelegenheit"?

Der Jesuitenorden spielt bei all dem eine besonders merkwürdige Rolle. Einerseits gehörte er zu jenen, die die Glaubwürdigkeit der "Bekehrung" von Taxil von Anfang an am lebhaftesten propagierten - und damit zugleich die anti-freimaurerischen Werke von Taxil (12, S. 67f). Andererseits gehörten die Jesuiten auch zu jenen, die zu jenem Zeitpunkt (1897), als der "Schalk" Taxil von sich behauptete, seine ganze katholische Bekehrung und sein ganzer aufsehenerregender Anti-Freimaurer- und -Satanismus-Kampf sei nur ein Schwindel, ein Ulk gewesen, ihren Pater Hermann Gruber S. J. nach vorne schoben, der von sich behauptete, diesen Schwindel ebenfalls schon früh gemerkt zu haben (6, 7), obwohl er zuvor viel dafür getan hatte, daß die Werke von Taxil in deutscher Sprache erscheinen konnten. Gruber war es dann auch, der eine ausführliche Darstellung von den ganzen Geschehnissen rund um Léo Taxil verfaßte, also sozusagen damit auch eine Art Deutungshoheit über den Fall Léo Taxil erhob.

Jener katholische deutsche Pfarrer jedoch, Joseph G. Findel, der den Taxil-Schwindel als erster als solchen benannt hatte, hatte zugleich auch behauptet, die Jesuiten selbst hätten hinter demselben gestanden (12, S. 84f), was nach dem Berichteten ja nun auch wirklich naheliegend ist. Andererseits haben die von Taxil mit diesen "Schwindeleien" angegriffenen Freimaurer sich auffälligerweise damals kaum gegen all die sehr konkreten Vorwürfe von Seiten Taxil's und der katholischen Kirche gewehrt. Sie haben also auch nicht die Jesuiten wegen ihres Taxil-Antifreimaurerkampfes besonders kritisiert. Später jedoch - und das schon seit vielen Jahrzehnten - höhnten und höhnen sie in Bausch und Bogen über die "Schwindeleien" des Léo Taxil, und daß die katholische Kirche ihnen zwölf Jahre lang geglaubt hätte, und daß die typische Art der Kritik an der Freimaurerei sei.

Welche Rolle spielten andere Okkultgläubige in der Taxil-Angelegenheit?

Aus dem Besitz des Gründers der freimaurerischen, satanistischen Loge "Golden Dawn", aus dem Besitz von William Wynn Westcott hinwiederum, ist eines der von Taxil herausgegebenen wichtigeren Bücher erhalten geblieben, die mit handschriftlichen Kommentaren von Westcott übersät sind (12, S. 84). Also in den satanistischen Logen der damaligen Zeit hat man sich mit Taxil durchaus sehr intensiv beschäftigt. Man scheint ihn also ernst genommen zu haben.

Was man von all dem halten soll, wagt man derzeit noch nicht mit letzter Gewißtheit zu sagen. Zumal der Fall Léo Taxil in der wissenschaftlichen Literatur auch noch nicht besonders gut aufgearbeitet ist (12, S. 311). Die ausführlichste und aktuellste deutschsprachige Arbeit, eine Doktorarbeit, die wir hier vor allem benutzen, stammt von Alexander Knorr und ist frei im Netz zugänglich (12).

Auffällig ist vielleicht auch folgendes: Die Werke von Léo Taxil, insbesondere auch über Frauen als Freimaurer, erschienen in einer Zeit, als die okkulte Theosophische Bewegung viele Aspirationen in Richtung Freimaurerei hegte, und als diese eben auch von zwei Frauen und Freimaurerinnen, von H. P. Blavatsky und Annie Besant geleitet wurde, bzw. als es auch einen Machtkampf zwischen beiden gegeben hat. Da die Schriften von Taxil nun auch einen solchen Machtkampf zwischen zwei führenden Freimaurerinnen enthalten, drängt sich doch die Frage auf, es da Zusammenhänge gibt. Dieser Frage ist aber offenbar in der Literatur - soweit übersehbar - noch nicht nachgegangen worden.


Ein fein ausgetüfftelter Schutzschirm für die Freimaurerei?

Im Endeffekt hat sich die ganze Léo Taxil-Angelegenheit bis heute als eine Art Schutzschirm für die Freimaurerei und für okkulten Satanismus, gerne auch im Jesuitenorden, herausgestellt. Kritik an der Freimaurerei und an okkultem Satanismus kann noch heute leicht auf eine Stufe mit Léo Taxil gestellt werden und damit der Lächerlichkeit preis gegeben werden. Ob das die letzte Absicht auch der Jesuiten war, als sie sich so übertrieben naiv mit dem antiklerikalen Freimaurer, "Schalk" und "Schelm" Léo Taxil zusammentaten? Vielleicht auch als eine Art "Eintrittsgeschenk" in die Freimaurerei, die ja der Jesuitenorden gewiß auch gerne unterwandert, wenn es ihm möglich sein sollte?

Schon in seiner Jugend ein linksradikaler Schalk und Schelm


In seiner Jugend schrieb Taxil für linksradikale Blätter, kämpfte 1871 kurzzeitig für die Marseiller Kommune und gab danach verschiedene Witzblätter und satirische Zeitschriften heraus, die ihm eine Fülle von Prozessen und drei Duelle auf Leben und Tod einbrachten. Er narrte die Fischer und die Stadtverwaltung von Marseille, indem er anonym vor Haifischen in den Fanggründen warnte und trieb im weiteren Verlauf seines Lebens, wie er selbst berichtete, viel ähnlichen Schalk. Dabei berief er sich immer gerne auch darauf, daß in der Freimaurerei, der er nur für ein Jahr angehörte, wie er behauptete, das Lügen erlaubt sei. Das alles berichtet Taxil offen in seinen "Bekenntnissen eines ehemaligen Freidenkers" aus dem Jahr 1888 (2), nachdem die Jesuiten und der Papst ihn nach seiner Wiederbekehrung zur katholischen Religion dazu animiert hatten, ein Vorkämpfer gegen den Satanismus und die Freimaurerei zu werden. Knorr wundert sich selbst ständig, daß diese "Bekenntnisse" in treukatholischen Verlagen verlegt werden konnte. Denn schon in dieser Autobiographie präsentierte sich Taxil selbst als Hochstapler und Scharlatan in vielfältiger Weise.

Und die Jesuiten wollen nicht erkannt haben, daß auch seine Bekehrung und sein Antifreimaurerkampf zu dieser Scharlatanerie gehört? Daß sie auf der gleichen Linie liegen? Oder war ihnen letztlich gerade diese Scharlatanerie und Hochstapelei in einer solchen Sache recht?

Ließen sie sich gerne von ihm "düpieren", um "Schlimmeres" zu verhüten - sowohl für sich wie die Freimaurerei? Also für alle satanistisch-okkultgläubigen Geheimgesellschaften? Indem die zuvor ernsthaft erhobene Behauptung von Satanismus in der Freimaurerei - durch Taxil - lächerlich gemacht wurde, konnte möglicherweise die ebenfalls zuvor ernsthaft erhobene Behauptung von Satanismus innerhalb der katholischen Kirche (siehe unten) als lächerlich hingestellt werden.

Vorschlag zu einem Interpretationsrahmen für die Taxil-Angelegenheit

Wir wollen nicht sagen, daß es so gewesen ist. Aber wir wollen damit einen Vorschlag zu einem Interpretationsrahmen machen, in den die heutigen vielfältigen Zeugenaussagen, Erlebnisberichte von Überlebenden von elitärem Satanismus,  sowie Forschungen zu Fällen multipler Persönlichkeitsstörung seit vielen Jahrhunderten, die so gut auch zu vielem passen, was Taxil berichtet hat, einigermaßen widerspruchslos eingeordnet werden können. Die "Taxil-Affäre" vom heutigen Kenntnissstand aus einfach nur als ein lächerliches Kuriosum hinzustellen, kann schlichtweg nicht mehr angehen.


Kennzeichnend in diesem Zusammenhang ist auch das Urteil von Knorr selbst über die "Bekenntnisse eines ehemaligen Freidenkers":
Die geschilderten Fakten sind aller Wahrscheinlichkeit nach authentisch, Taxil verschweigt keinen einzigen seiner antiklerikalen Umtriebe. – Das Buch ist also keine Fälschung, denn es wird nichts verschwiegen und, abgesehen vom Palladismusschwindel, nichts Unwahres behauptet.
Also Taxil sagt immer die Wahrheit in seiner Autobiographie, außer bei seinem "Palladismusschwindel"? Ist das nicht auch widersprüchlich und sollte zu denken geben? Knorr berichtet auch über den Schelm Taxil, dessen bürgerlicher Name Jogand-Pagès lautet:
Vor seiner Bekehrung überträgt Jogand-Pagès das Copyright seiner antiklerikalen Werke auf seine Frau und trennt sich zum Schein von ihr. Seine Frau publiziert weiterhin die antikatholischen Schriften, während Taxil für die Kirche und gegen die Freimaurer anschreibt. Würde dieser Interessenkonflikt öffentlich, so wäre das mühsam erworbene Vertrauen der Kirche mit einem Schlag wieder dahin. Aber dank des geschickten Schachzuges erfreut sich das Ehepaar Jogand-Pagès der Einkünfte aus beiden Arten von Veröffentlichungen.
Und diese "Schelmerei" sollte der Jesuitenorden nicht mitbekommen haben?


Nicht nur freimaurerischer, sondern auch katholischer Okkultismus

Auffällig ist auch der folgende Umstand, den Knorr über die antiklerikalen Schriften von Taxil berichtet (12, S. 71):
Übernatürliches kommt in diesen Schriften kaum vor, außer der Unterstellung, die Jesuiten hätten sowohl die Magie des Westens und des Ostens erlernt, könnten Menschen auf Entfernung töten und hätten noch weitere, geheimnisvolle und von ihnen zum Unguten verwendete, okkulte Fähigkeiten. Eine Verbindung mit dem Teufel hat er der Kirche und dem Klerus aber nie unterstellt.
Soll man daraus ableiten, daß auch Taxil selbst - zumindest - Anwandlungen zur Okkultgläubigkeit besaß? Jedenfalls weiß Taxil, daß es auch bei den Jesuiten Magie und Okkultismus-Gläubigkeit gibt, daß sie die Magie des Westens wie des Ostens erlernt hätten, um die ja auch der Streit zwischen Blavatsky und Besant ging, und über die also auch Taxil selbst schon als antiklerikaler Freidenker gut Bescheid weiß. Für seine anti-freimaurerischen Schriften aber greift Taxil nun noch viel mehr auf Übersinnliches, sprich Okkultes zurück, und zwar dabei auch auf den katholischen Okkultismus der Jesuiten:
All die der Öffentlichkeit zu dieser Zeit bestens vertrauten Phänomene aus dem Umfeld des Modernen Spiritismus tauchen in Taxils Enthüllungen bei den Ritualen und Zeremonien der Freimaurer auf. Für die „dämonische Ausgestaltung“ konnte Taxil aus entsprechenden Werken schöpfen: (Jean) BODIN 1580, 1581a und b, sowie 1616 und LECANU 1863. Viel später schöpft der Schriftsteller William Peter Blatty (*1928) auch aus dem Fundus des katholisch geprägten Okkultismus (siehe BLATTY 1974) und fabriziert daraus, wie Taxil, einen Bestseller: „The Exorcist“ (BLATTY 1971). Die berühmte Szene aus dem gleichnamigen Film (FRIEDKIN 1973), in welcher sich der Kopf des vom Teufel besessenen Mädchens um 360° dreht, findet sich bei Taxil beschrieben, begleitet von einer entsprechenden Illustration (DR. BATAILLE 1893 bis 1895 bzw. TAXIL 1893 bis 1895, Band 2: S. 665 und 719).
(Es war erst jüngst wieder der Jesuit Gary Thomas, der eine neue Verfilmung von "Der Exorzist" als immer noch praktizierender Teufelsaustreiber beriet [Frank. Rdsch., 15.3.11]. Auch diesem Satanismus innerhalb der katholischen Kirche müssen wir hier auf dem Blog noch genauer nachgehen.) Somit greifen also auch sehr bekannte Verfilmungen der letzten Jahrzehnte letztlich auf Taxil zurück. Noch einmal: auch wenn Taxil nur Anti-Freimaurer-Romane geschrieben haben sollte, so können sie ja ebenso wie seine anti-klerikalen "Romane" auf umfangreichen Quellenstudien und Insiderinformationen beruhen und damit auch viel Wahres enthalten.

Satanismus-Vorwürfe gegen Kirche und Loge in Frankreich vor Taxil

Kurz bevor sich Léo Taxil mit dem freimaurerischen Satanismus beschäftigte, geschahen zudem in Frankreich allerhand auffällige Dinge (12, S. 72):
Schon gegen Ende der 1880er erfährt die Idee des Satanismus in Frankreich eine Renaissance. Der Skandal um den exkommunizierten Lyoner Priester Joseph-Antoine Boullan (1824-1893) hält die Öffentlichkeit in Atem. Boullan hatte umstrittene Zeremonien abgehalten und Sexualmagie praktiziert – seine gleichermaßen interessante wie originelle Rechtfertigung geht dahin, daß er dies alles tun müsse, um den Satanisten und den in Frankreich und Belgien präsenten Teufelsanbetern Einhalt zu gebieten. Die Gruppen, von denen er spricht, wurden von dem Journalisten Jules Bois (1868-1943) – selbst im okkulten Milieu verwurzelt – aufgedeckt. Der Schriftsteller Joris-Karl Huysmans (1848-1907), ein enger Freund Bois’, löst 1891 mit seinem außerordentlich erfolgreichen Roman „Là-Bas“ eine Sensation aus. Der durch und durch „satanische“ Roman enthält u.a. die erste bekannte literarische Schilderung einer Schwarzen Messe, die angeblich auch noch auf persönlichen Erfahrungen von Huysmans und seiner Freundin Berthe Courriere (1852-1917) basieren.
Können nicht die Jesuiten mit ihrer westlichen und östlichen Magie ähnlich wie Joseph-Antoine Boullan gedacht und gehandelt haben und von daher ein Interesse daran gehabt haben, daß "endlich" einmal alles Reden über Satanismus aufhört, bzw. ins Lächerliche gerückt wird? Und wandten sie sich zu diesem Zweck an den "Schalk" Léo Taxil? Wenn man berücksichtigt, daß Schwarze Messen schon am Hof Ludwigs XIV. gefeiert wurden - und zwar inmitten der katholischen Kirche, ebenfalls von Seiten katholischer Priester -, dann wundert man sich natürlich nicht, 200 Jahre später ähnliche Phänomene in Frankreich anzutreffen, ebenfalls sowohl inmitten der katholischen Kirche als auch außerhalb derselben unter ihren Feinden. Aber Knorr hat noch weitere interessante Einzelheiten zur unmittelbaren Vorgeschichte von Taxils Satanismus-Vorwürfen zu berichten. Auch von Seiten eines jüdischen Rabbiners wurde - im Einklang mit dem Papst! - den Freimaurern Satanismus unterstellt (12, S. 73):
Im Jahr 1886 veröffentlicht der aus Polen stammende, und über Konstantinopel nach Frankreich gelangte Rabbi Samuel Paul Rosen (1840 - 1907) anonym sein Werk: „Die praktische Maurerei“. Bereits im Untertitel bezieht er sich konkret auf die Enzyklika „Humanum Genus“ und tatsächlich ist sie Programm seines Werkes. D.h. alle vom Papst ausgesprochenen „Glaubenssätze“ hinsichtlich der Freimaurerei werden bestätigt. 1888 wird Rosen in „Satan und Co.“ noch konkreter und offenbart, daß die Essenz des 33ten Grades der Freimaurerei in der Verehrung und Glorifizierung Satans besteht. (...) Für all das hatte Rabbi Rosen den persönlichen Segen des Papstes.
Taxil: Freidenker sind atheistisch - Freimaurer nicht

Léo Taxil schreibt in seiner Autobiographie von 1888 (zit. n. 12, S. 54f):
Das maurerische Dogma, welches dem Einzuweihenden allmälig vom Meistergrade an enthüllt wird, nimmt einen Gott an, einen Ordner (nicht Schöpfer) der Welten, welchem die Menschheit huldigen muß. Dieser Gott ist aber nicht der von den Christen verehrte. In ihren Kapiteln und Areopagen oder Hochgradlogen lehrt die Freimaurerei, daß die Bibel den Charakter der übernatürlichen Kräfte verkehrt darstelle; sie gibt vor, die Wahrheit wieder herzustellen. Nach der Darstellung der Sekte ist der Gott der Katholiken nur ein böses Princip, ein heimtückischer, eifersüchtiger, grausamer Genius, ein überirdischer Tyrann, der Todfeind der menschlichen Wohlfahrt. Sein Widerpart, Lucifer hingegen, ist der gute Genius, das tugendhafte und weise Princip, der Geist der Freiheit, der Freund des Menschengeschlechts. Er ist der wahre Gott. Daher wird denn auch in den Hochgrad-Logen Lucifer, der angebliche Vater Kain’s, Chanaan’s und Hiram’s von den Freimaurern unter den verschiedenen, ihm als höchstem Wesen beigelegten Benennung als Naturgott und großer Weltenbaumeister verehrt. Kurz, das moderne Freidenkerthum ist atheistisch, es läßt im Nothfall höchstens noch Skeptiker zu, welche, wenn sie auch Gott nicht leugnen, sich um ihn nicht kümmern. Die Freimaurerei hingegen hat zum wesentlichen Zug den Teufelskult.
Sollte Taxil niemals auf die Gemeinsamkeiten zwischen Jesuitenorden und Freimaurerei hingewiesen haben, was die Anwendung von westlicher und östlicher Magie betrifft und was die Verehrung der beiden Götter der Bibel zugleich betrifft: Jehovas und Satans?

"Alle Welt hielt sich vor Lachen die Seiten" - Freimaurerkritiker über Léo Taxil 1938

In der freimaurerkritischen Literatur der 1920er und 1930er Jahre findet man die Bezüge zu Léo Taxil - entgegen einer beiläufigen Behauptung von Knorr - nicht besonders häufig. Unsere nicht sehr systematische Suche (13 - 19) wurde eigentlich nur bei dem nationalsozialistischen Freimaurerkritiker Friedrich Hasselbacher (18) fündig. (Wurde Taxil von Erich Ludendorff irgendwo erwähnt, wie Knorr behauptet?) Und Hasselbacher macht sich nun grenzenlos lustig über Léo Taxil, bzw. stellt ihn als ein Lehrbeispiel dafür dar, wie man die Freimaurerei nicht bekämpfen dürfe, und daß man nicht auf unseriöse Kritiker hereinfallen dürfe.

Aber er macht sich über die Unterstellungen von rituellem Satanismus in einer Weise lustig, wie man sich heute, angesichts der vielen Zeugenaussagen von Überlebenden ritueller Folterungen und Tötungen bestimmt nicht mehr so ohne weiteres lustig machen würde. Also selbst unter vergleichsweise scharfen nationalsozialistischen Freimaurerkritikern sah man die Freimaurerei noch als "harmloser" an, als man das aus heutiger Sicht so ohne weiteres tun möchte. So schreibt Hasselbacher über den Antifreimaurerkongreß von Trient im Jahr 1886, als Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Taxil sich schon auszubreiten begannen (18, IV, S. 258f):
Diese illustre Versammlung debattierte tagelang über Teufelsbräute und ähnliche von Taxil der Freimaurerei zugeschriebene Personalunionen mit der Hölle. Da war zunächst ein Teufel, der sich Bitru nannte. Diesem gab Taxil eine uneheliche, angeblich 1874 geborene Tochter Miß Diana Vaughan bei, die er dann zur Teufelsbraut erhob und, damit sie dies sein konnte, in freier Liebe mit einem zweiten Teufel verkuppelte, der auf den Namen Asmodeus hörte. Der Clou vom Ganzen aber war Sophie Walder, die Taxil - man höre und staune! - als "Urgroßmutter des Antichrist" aufmachte. Und diesen ganzen Schwindel glaubte der Klerus 12 Jahre - -z-w-ö-l-f Jahre! - lang!! Tagelang wurde man die Gänsehaut auf dem Rücken nicht los. Nur ganz wenige Versammlungsteilnehmer behielten die Herrschaft über ihre fünf Sinne und nahmen mit starken Bedenkenäußerungen gegen den hysterischen Rummel Stellung.
Und dann schreibt Hasselbacher zur Reaktion, nachdem Taxil seinen Schwindel selbst aufgedeckt hatte:
Alle Welt hielt sich vor Lachen die Seiten (...). Zwölf Jahre lang - zwölf Jahre! - hatte sich die "Unfehlbarkeit dieser Welt" tausendfach und auf die plumpste Weise von den plattesten und geistlosesten Mätzchen eines Geschäftemachers und von haarsträubenden, widersinnigen und dem gesunden Menschenverstand einfach hohnsprechenden Teufelsgreuelmärchen dupieren lassen!!
Überall amüsierte man sich über die "Tollpatschigkeit der Pfaffen", die instinktlos und kritiklos hinter einem Scharlatan hergelaufen waren.  (...)
"Dem gesunden Menschenverstand hohnsprechende Teufelsgreuelmärchen"

Das hätte der Freimaurer-Verteidiger Eugen Lennhoff (17) auch nicht viel anders formulieren können, klingt aber beklemmend im Angesicht des heutigen Wissens. Heute ist es schlicht unmöglich, noch von "haarsträubenden, widersinnigen und dem gesunden Menschenverstand einfach hohnsprechenden Teufelsgreuelmärchen" zu sprechen. Welch ein Wandel! Auffälligerweise schreibt stattdessen der  wohl mit weitaus mehr Insider-Kenntnissen ausgestattete Rudol Steiner-Freund Karl Heise, kurz nachdem er Léo Taxil erwähnt hatte (14, S. 19, Anm. 1):
Wir selbst kennen einen Br. :. Maurer, der auf zwei Schultern Wasser trägt: zu den Brr. :. Maurern und zu den Jesuiten und der Feldkirchner Pater Hermann Gruber, eine Autorität und heftiger Befehder des Logentums, dürfte kaum sein immenses Wissen über das Maurertum anders erlangt haben als durch intimste Beziehungen zu Logenbrüdern! 
Da muß natürlich Heise auch von eigenen Erfahrungen sprechen, schließlich behauptet dieser intime Logenkenner ebenfalls, kein Freimaurer zu sein. Wie ziemlich plausibel Karl Heise sonst die Angelegenheit Léo Taxil interpretiert, daß er ihm nämlich in der Sache recht gibt, hatten wir schon im letzten Beitrag zur Thematik zitiert (s. "Weiße Magie zugunsten unserer arischen Rasse ...") und wird durch diesen Beitrag nur bestätigt und ergänzt. 

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Literatur

1. Taxil, Léo: Die Drei-Punkte-Brüder. Vollständige Enthüllungen über die Freimaurerei; Ausbreitung u. Verzweigung, Organisation u. Verfassung, Ritual, geheime Zeichen u. Thätigkeit der Freimaurerei. Von Leo Taxil ([d.i.:] Gabriel Jogand-Pagé). Autoris. Übers. aus dem Franz. Buchh. des Werkes vom hl. Paulus, Freiburg ; Verl. d. Bonifacius-Dr., Paderborn. Teil 1: 1886 (421 S.); Teil 2: 1887 (580 S.)
2. Taxil, Léo: Bekenntnisse eines ehemaligen Freidenkers. Aus dem Franz. übers.. Buchh. des Werkes vom Hl. Paulus, Freiburg in der Schweiz 1888 (336 S.) (1887 auf franz. unter dem Titel "Confessions d’un Ex-Libre-Penseur")
3. Taxil, Léo: Der Meuchelmord in der Freimaurerei. Mittermüller, Salzburg 1891 (479 S.)
4. Taxil, Léo: Freimaurerei und Sozialdemokratie oder Ist außer der Sozialdemokratie auch die Freimaurerei nachweisbar religions-, staats- und gesellschaftsgefährlich? Ein Mahnruf an Fürsten und Völker. Von einem deutschen Patrioten [d.i. Léo Taxil] 5., gänzlich neubearb. Aufl.. Ochs, Stuttgart 1901 (206 S.)
5. Ewald, Franz: Ein Blick hinter Freimaurercoulissen, oder: Taxil übertroffen. Bearb. nach authentischen, bisher unbenutzten Quellen. Mit e. Einl. von Benno Felsen. Süddeutsche Verlagsbuchh., Stuttgart 1897, 1898 (104 S.)
6. Gruber, Hermann (als Gerber, Hildebrand): Betrug als Ende eines Betruges oder Die Kundgebung Leo Taxil's vom 19. April 1897 und der Hereinfall, bezw. die Schwindeleien deutscher "Culturkämpfer" anlässlich derselben. Verl. d. Germania, Berlin 1897
7. Gruber, Hermann: Leo Taxil's Palladismus-Roman oder Die 'Enthüllungen' Dr. 'Bataille's', Margiotta's und 'Miss Vaughans' über Freimaurerei und Satanismus. Krit. beleuchtet von Hildebrand Gerber (d.i. H. Gruber). 3 Bände. Verl. d. Germania, Berlin 1897
8. Bräunlich, Paul: Leo Taxil. Ein Miniaturbild aus dem großen Verzweiflungskampfe der römischen Priesterherrschaft um ihren Bestand. Den Ostmarkdeutschen zur Lehre. 19.-21. Tsd.. Lehmann, München 1904 (16 S.) (Schriftenreihe: Gottesgerichte über Rom: Flugschriften aus der Zeit für die Zeit; 1)
9. Lanz-Liebenfels, Jörg: Der Taxil-Schwindel. Ein welthistorischer Ulk. Nach den Quellen bearbeitet. Neuer Frankfurter Verlag. Frankfurt a.M. 1906 (151 S.)
10. Hirsch, Franz: Der Taxil-Schwindel oder Roms größte Blamage. Eine noch nie dagewesene Bloßstellung des Papsttums in unseren Tagen. Freidenkerverl., Wien 1927 (24 S.) (Freidenkerbücherei, Jg. 2 (1927), H. 16))
11. Frick, Karl R. H.: Satan und die Satanisten. Ideengeschichtliche Untersuchungen zur Herkunft der komplexen Gestalt "Luzifer, Satan, Teufel", ihrer weiblichen Entsprechungen und ihrer Anhängerschaft. Teil 3: Satanismus und Freimaurerei. Eine Dokumentation bis zur Gegenwart. Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 1986 (172 S.); neu erschienen im Marix-Verlag 2006
12. Knorr, Alexander: Metatrickster. Burton, Taxil, Gurdjieff, Backhouse, Crowley, Castaneda - eine Interpretation von Leben, Werk und Wirken ausgesuchter historischer Persönlichkeiten, deren Wohlgelingen der Hilfe des Diskurses zur mythologischen Trickstergestalt bedurfte. Hrsg. von Matthias Samuel Laubscher. VASA-Verl., München 2004 (München, Univ., Diss., 2002) (frei als --> pdf.), S. 33 - 96  
13. Wichtl, Friedrich: Weltfreimaurerei, Weltrevolution, Weltrepublik. Eine Untersuchung über Ursprung, Verlauf und Fortsetzung des Weltkrieges und über das Wirken des Freimaurerbundes in der Gegenwart. 1. Auflage März 1919. Neu herausgegeben von Robert Schneider, J. F. Lehmanns Verlag, München, 14. Auflage, Berlin 1943 
14. Heise, Karl: Entente-Freimaurerei und Weltkrieg. Ein Beitrag zur Geschichte des Weltkrieges und zum Verständnis der wahren Freimaurerei.Verlag für ganzheitliche Forschung und Kultur, Struckum, 2. Auflage 1991. Nachdruck der 1920 erschienen 3. Auflage. (Vorwort  von Rudolf Steiner, datiert "Zürich, am 10. Oktober 1918) 1. Auflage 1919, 2. und 3. überarbeitete Auflage 1920. Auch 1932.
15. Heise, Karl: Okkultes Logentum. Leipzig 1921
16. Schwartz-Bostunitsch, Gregor: Die Freimaurerei. Ihr Ursprung, ihre Geheimnisse, ihr Wirken. Alexander Duncker Verlag, 1929; Erstauflage in Russisch 1922
17. Lennhoff, Eugen: Die Freimaurer. Gondrom Verlag, Bindlach 1981; Nachdruck der Ausgabe von 1929.
18. Hasselbacher, Friedrich: Entlarvte Freimaurerei. Band I - IV. Verlag Friedrich Geller, in mehreren Auflagen zwischen 1934 und 1941

19. Lützeler, Felix Franz Egon: Hinter den Kulissen der Weltgeschichte. Biologische Beiträge zur Geschichte der Geheimbünde aller Zeiten und Völker. 3 Bände. Helingsche Verlagsanstalt, Leipzig 1937, 1938

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