Sonntag, 7. November 2010

Begegnung

Elbing 1945 (Denkmal Hermann von Balk)
Am 11. Mai 1945 in Elbing

Am 8. Mai 1945 kapitulierten in der Weichselmündung östlich der Stadt Danzig - ebenso wie im heutigen Lettland (damals "Kurland" genannt) und auf der Halbinsel Hela - die letzten deutschen Soldaten, die nicht mehr über die Ostsee nach Schleswig-Holstein hatten abtransportiert werden können. Jene Soldaten, die in der Verteidigung der Schiffsverladestellen der deutschen Flüchtlinge an der Ostsee Unsägliches erlitten und geleistet hatten. 

Dabei gingen auch große Teile eines Panzergrenadierregimentes einer deutschen Panzerdivision (der "4.") noch weitgehend geschlossen in die russische Kriegsgefangenschaft. Einer Kriegsgefangenschaft, aus der viele, wie sie ahnten, ahnen mußten, nicht mehr lebend zurückkehren sollten.

Noch am 11. Mai marschierten diese Einheiten in Blocks zu je 1.000 waffenlosen Männern durch die vormals deutsche Stadt Elbing - nun böse vom Krieg zerstört (siehe Foto). Nicht nur die Häuser, sondern auch die Menschen waren - seelisch und körperlich - zerstört worden. Offensichtlich war auch schon die gesamte männliche Bevölkerung zu Zwangsarbeit abtransportiert worden. Manfred Nase, einer der damaligen Soldaten berichtet (1, S. 184):
Mit Gesang marschierten wir in die Stadt ein. (...) Wir sahen nirgends Männer, nicht einmal Greise. Die schutzlosen Frauen und Mädchen, die alles, was sie einmal besaßen, verloren hatten, (...) stürzten weinend aus den ausgebrannten Ruinen und schilderten uns ihr Unglück. (...)
Noch am gleichen Tag ging der Marsch in Richtung Braunsberg weiter. Der Ausmarsch aus Elbing wurde zu einer ergreifenden Demonstration. Unser lauter Gesang und unser gleichmäßiger Marschtritt hallten trotzig wider von den geborstenen Mauern. Tränenüberströmte Mädchen und Frauen warfen uns erste Frühlingsblumen zu, zu kleinen Sträußchen gebunden. Zum allerletztenmal in seiner Geschichte marschierte das Panzergrenadier-Regiment 12 geschlossen. Es half uns, unsere trostlose Situation zu vergessen.
Das sterbende Ostpreußen

Die gleiche Begegnung mit diesen, schlimmsten Lebensumständen überantworteten deutschen Frauen und Mädchen von Elbing, die schon Furchtbares erlebt hatten, und die noch vieles Furchtbare erleben sollten - von denen vielleicht auch viele in jenen Massengräbern von Marienburg und anderen Orten verscharrt worden sind, die in den letzten Jahren und Monaten wiederentdeckt wurden (weil sie verhungert sind oder an Krankheiten und Auszehrungen gestorben sind) -, diese gleiche Begegnung versuchte der damalige Soldat Otto Alexander Müller mühsam und sperrig in folgenden Zeilen in Worte zu fassen (gekürzt) (1, S. 185f):
(...)
Wir trösteten einander nicht.
Kein Wort des Mitleids
sollte die Ohnmacht
grausam entblößen.

Wir tauschten Blicke:
Sie klagten nicht.
Die Saat der Blicke,
wie Funken,
schlug in Flammen auf.
(...)
All das wäre - "lange her", wenn man nur nicht ständig diese störenden Massengräber finden würde, an die doch eigentlich kaum noch jemand erinnert sein will.
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  1. Schäufler, Hans: 1945 - Panzer an der Weichsel. Soldaten der letzten Stunde. Motorbuch Verlag, Stuttgart 1979

1 Kommentar:

  1. Der hier um 14.28 Uhr eingestellte Kommentar von "Rosa" (- wohl ein Mann, wenn man das irgendwo richtig gelesen hat) ist wieder gelöscht worden.

    Der Kommentarinhalt erschließt sich nur dem, der andernorts im Netz eine Diskussion mitverfolgt hat, von der in diesem Beitrag auch nicht ansatzweise die Rede ist.

    Der angegebene Link funktioniert außerdem nicht, außerdem kann man dem Bloginhaber solche Hinweise auch an seine Email-Adresse schicken.

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