Sonntag, 16. Mai 2010

Norbert Denef redet ...

... auf dem Kirchentag

(Siehe Youtube.) Hätte man ein anderes Verhalten überhaupt nur erwarten können? Sollen? Als wieder dieser Klügel aus Medien, Politik, Prominenz und Kirchenoberen? Unter Auschluß der Perspektive der Überlebenden selbst? Welche Arroganz. Welche Hinterhältigkeit. Welche Feigheit. Mehr auf der Seite von Herrn Denef selbst.

Viele haben sich bei Herrn Denef für seine Aktion bedankt (s.a. 1, 2, 3).

Die Überlebenden sexueller Gewalt von Seiten des Jesuitenordens lassen diesem gegenüber übrigens ebenfalls nicht locker, weder in Bad Godesberg, noch in Berlin. Der Jesuitenorden, der weiter in konsequent monotheistischem Geist mauert.

(Und Volker Pispers läßt auch nicht locker [- übrigens auch ein schöner Kommentar zur "Einzeltäter-These" bezüglich Reichstagsbrand von 1933 ... - aber das nur am Rande]).

"Wir wollen nichts mehr von Jesus hören. Okay?"

Was die westliche Welt alles von einem kleinen Volk im Amazonas lernen kann

Der Sprachforscher Daniel Everett, er, der den großen Sprachforscher Noam Chomsky wissenschaftlich "alt" aussehen ließ (1, 2), macht derzeit unter Atheisten, Humanisten und Naturalisten die Runde: Als christlicher Missionar besuchte er einen Indianerstamm am Amazonas. Aber statt daß er diesen Indianerstamm bekehrt hätte zu Jesus Christus und zum christlichen Glauben, wird vielmehr er selbst durch durch diesen Indianerstamm, seine Zufriedenheit, seine Fröhlichkeit von der Widersinnigkeit des Wahrheitsanspruches der christlichen Religion überzeugt.

Und ebenso von der Widersinnigkeit des Wahrheitsanspruches so mancher anderen "Religion". Etwa der "Religion" vom universalen "Sprachinstinkt" aller Menschen (Steven Pinker), der "Religion" von der "angeborenen Universalgrammatik" aller Menschen (Noam Chomsky). Sein nun auch ins Deutsche übersetztes Buch (1) ist außerordentlich lesenswert, mehr aber noch, wenn man danach die beiden in diesen Beitrag eingeflochteten Film-Dokumentationen sieht.

Der Originaltitel seines Buches sagt mehr als der Titel der deutschen Übersetzung und würde auf Deutsch lauten: "Schlaf nicht, es gibt Schlangen!" Das sagt der Indianerstamm der Piraha (Wiki) sich gegenseitig anstelle unseres: "Gute Nacht!" Und in der Tat ist das - wie so vieles andere - für uns ein etwas skurriler Gutenacht-Gruß. Aber die Piraha meinen ihn wörtlich: Die ganze Nacht hindurch redet irgendjemand im Dorf weiter und schwätzt.

Die Forschungen von Daniel Everett bestätigen die Forschungen des Sprachforschers Wilhelm von Humbold, sowie die Sapir-Whorf-Hypothese (Wiki): Die Kultur, Lebens- und Denkweise eines Volkes bestimmen die Art der von diesem Volk benutzten Sprache. Und umgekehrt bestimmt die Art der von diesem Volk benutzten Sprache die Wahrnehmungen und das Denken dieses Volkes, das auf diese Weise eine ungeheuer starke Anpassung an seine Umwelt erfährt.

Gibt es "eine" Wahrheit für "alle Völker"?

Die Piraha zeigen, daß die Theorie der angeborenen Universalgrammatik Noam Chomsky's der vorgefundenen Wirklichkeit bei den Völkern nicht gerecht wird - oder höchstens sehr unvollständig - gerecht wird: Unser Denken und unsere Wahrnehmungen sind, wie die Forschungen der letzten Jahre immer mehr erhärten, kulturell von unserer jeweiligen Muttersprache tiefgehend und einzigartig vorgebahnt. Jede Kultur, jedes Volk der Welt hat seine eigene unverwechselbare, einzigartige Sicht auf die Welt, interpretiert die Welt und das menschliche Zusammenleben auf seine ihm ganz eigenartige Weise.

Es gibt also keine Religion, keine Wahrheit, die für alle Völker auf der Welt in gleicher Weise gültig sind. Man kann sich eine sechsminütige, deutschsprachige Vorstellung des sehr lesenswerten, neu erschienen Buches von Daniel Everett über seine Forschungen und über seinen persönlichen religiösen Weg ansehen (YtARD). Man kann einen Mann der Piraha sprechen hören, jenes Volkes, dem die Forschungen Daniel Everett's gelten (s. Yt oder Yt). Und es findet sich ein einstündiger (englischsprachiger) Vortrag von Daniel Everett über seine Forschungen (Fora.tv).

Von diesem Vortrag kann man sehr profitieren, um so mehr, wenn man zuvor sein Buch gelesen hat. Durch das persönliche Erzählen von Seiten Everett's bekommen die Piraha eine Lebendigkeit und damit eine Liebenswürdigkeit, daß man ihnen und ihrem Erforscher mit großer Sympathie gegenübersteht. Es gibt übrigens inzwischen viele Vortragsausschnitte, in denen Daniel Everett von seiner "Bekehrung" durch die Piraha berichtet (Beispiele: Yt1, 2, 3, ...).

Gibt es eine universelle Sprache auf dem Gebiet des Religiösen?

Ein Volk, das keine Zahlen kennt, sondern daß "per Sprache" unfähig und dem es auch ganz und gar gleichgültig ist, den Geist des Neuen Testamentes zu verstehen, bzw. seine tieferliegende religiöse Konzeption. Mit diesem Volk wird also nicht nur eine "universelle Grammatik" auf dem Gebiet der Sprache infrage gestellt, sondern auch gleich noch eine von den meisten Menschen und Wissenschaftlern heute vorausgesetzte "universelle Sprache" auf dem Gebiet der Religiosität. Daniel Everett setzt an das Ende seines Buches das Kapitel "Ein Missionar wird bekehrt" (S. 385ff). Er schreibt, wie ihn 1983 sein Piraha-Sprachlehrer eines morgens beim Kaffee ansprach:

He, Dan, ich muß mit dir reden. Die Piraha wissen, daß du deine Familie und dein eigenes Land verlassen hast, um hierherzukommen und bei uns zu leben. Wir wissen, daß du das alles getan hast, um uns von Jesus zu erzählen. Du willst, daß wir wie Amerikaner leben. Aber die Piraha wollen nicht wie Amerikaner leben. Wir trinken gern. Wir lieben nicht nur eine Frau. Wir wollen Jesus nicht. Aber wir mögen dich. Du kannst bei uns bleiben. Aber wir wollen nichts mehr von Jesus hören. Okay?

Was für ein souveränes Volk. Mit genau diesem Adjektiv bezeichnet schließlich auch Everett selbst die Piraha (S. 396). 

"Wir wollen nichts mehr von Jesus hören. Okay?"

Aber in einem neuen Anlauf und mit sehr ernster Miene nannte Everett den Piraha irgendwann später seine persönlichen Gründe, wie er zum Glauben an Jesus Christus gekommen sei. Everett war nämlich "bekehrt" worden, so erzählte er ihnen sehr ernst, unter anderem durch den Selbstmord seiner Stiefmutter. Davon erzählte er den Piraha mit bewegten Worten ausführlicher. Und er endete:

Ich erklärte, dies sei eine sehr ernste Geschichte.
Als ich geendet hatte, brachen die Piraha in Gelächter aus. Das kam, gelinde gesagt, unerwartet. Ich (...) rechnete damit, daß mein Publikum ehrlich beeindruckt war: Ich hatte Schlimmes durchgemacht, und Gott hatte mich da herausgeholt.
"Warum lacht ihr?", fragte ich.
"Sie hat sich selbst umgebracht? Ha ha ha. Wie dumm von ihr. Piraha bringen sich nicht selbst um."
Sie waren nicht im Mindesten beeindruckt. Die Tatsache, daß ein mir nahestehender Mensch sich das Leben genommen hatte, war für sie ganz eindeutig keinerlei Grund, an meinen Gott zu glauben. Ganz im Gegenteil: Es hatte genau die entgegengesetzte Wirkung.

Souveräne, vorbildliche Menschen. Nicht im geringsten lassen sie sich in ihrer eigenen Wertewelt erschüttern. Tod ist ein trauriges Ereignis für Piraha, wie auch Everett berichtet. Aber sie haben keine Angst vor ihm. Und so souverän, eigenständig in ihrem Wertesystem, so wirken sie auch in den Videoaufnahmen. Warum kommen uns die Menschen gerade überall dort mitunter so vorbildlich vor, wo Weltreligionen wie Christentum oder Islam noch nicht hingekommen sind? Was hat das Christentum, was hat der Islam mit den Menschen gemacht? Warum diese schlotternde Angst vor dem Tod? Warum dieses unwürdige Kriechen vor ihm?

Waren unsere eigenen heidnischen Vorfahren möglicherweise in früheren Zeiten auch einmal souveräner und in ihrer Wertewelt eigenständiger und haben "Missionare" einfach nur - - - ausgelacht? Und welche Macht maßen sich heute noch diese monotheistischen Interessenklüngel in der westlichen Welt an ... Was geht es sie an, was andere Leute glauben? Warum sagen wir ihnen nicht auch einfach:

Ihr könnt bleiben. Aber wir wollen nichts mehr von Jesus hören. Okay?
____________

  1. Everett, Daniel: Das glücklichste Volk. Sieben Jahre bei den Pirahã-Indianern am Amazonas. Deutsche Verlags-Anstalt, 15. Februar 2010 (Bücher)
  2. Henk, Malte: Gixai kaxaxai - Die Sprache der Piraha. In: Geo, 1/2010, S. 48 - 70 (im Netz eine --> zu kurze Version - aber mit Video und Hörbeispielen)
  3. Weigmann, Katrin: Beeinflußt Sprache unser Denken? (Spektrumdirekt, 23.3.2007)

Freitag, 14. Mai 2010

Jesuitenschüler sprechen

Die Stimmen von schon im Keim, in der Jugend zerstörten Leben

Ganz richtig heißt es auf einem Internetblog von Überlebenden sexueller Gewalt:
Nichts, absolut nichts, hilft mehr als die Herstellung von Öffentlichkeit, Bruch des Schweigegebotes, Verständigung über das Vorgefallene.
Dementsprechend gibt es inzwischen schon mehrere, sehr ausführliche Internetblogs von Seiten der Mißbrauchsopfer selbst, abgesehen von der Internet-Seite von Norbert Denef:
- "Eckiger Tisch" (Jesuiten allgemein)
- Freinberg (Jesuiteninternat und -schule in Linz/Oberösterreich, Klaus Knoll)
- Kremsmünster I (Benediktiner in Österreich)
- Kremsmünster II
- Betroffen.at (Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt)
- ...
Die großen Medien weisen nicht mehr sehr häufig auf diese Blogs hin. Sie schießen sich auf Bischof Mixa ein, da brauchen sie sich - so denken sie vielleicht - mit allem anderen nicht mehr so stark beschäftigen ...

Ein seelisch Überlebender sexueller Gewalt, die ihm während seiner Schulzeit an einem Jesuitengymnasium offenbar in Linz in Oberösterreich zugefügt worden ist (in Freinberg), schreibt anläßlich der derzeitigen öffentlichen Debatten über seine eigenen Erfahrungen mit den Jesuiten (Presse, 20.3.10):
Elias Canetti versteht das am besten: töten, um zu überleben, und erst wenn er seinen Fuß auf den Körper des Untergebenen setzt, weiß der Präfekt, dass er wirklich lebt, weil jeder Zögling eine Bedrohung seines Überlebens ist, so wie ich die ihre bin jetzt: die lebende, lebendige, frei herumspazierende Bedrohung des Systems Schuld, Sühne und Vergebung und was sich sonst noch an Schwachsinn zusammenbraut in einem Jesuitengehirn, das aus selbstverschuldeter tausendjähriger Nacht nicht herausfindet. Hitler, Stalin, Lubicek*. Und wenn man erst einmal angefangen hat mit dem Umbringen, da gibt's natürlich kein Aufhören.

(* Name von der Red. geändert)
"Die lebende, lebendige, frei herumspazierende Bedrohung des Systems Schuld, Sühne und Vergebung"

Und:
Dass ich überlebt habe, verdanke ich wesentlich und zuallererst der Liebe meiner Mutter. Der starken, klaren, geraden Liebe meiner Mutter. (...)

Schon mit zwanzig wusste ich, dass ich mich in autoritären Systemen nicht aufhalten kann. Ich wusste das ganz sicher, auf eine komische Art, so wie man weiß, dass man Hämorrhoiden hat oder ein Magengeschwür. Man weiß das durch beharrliches Wegschauen. So, wie ich wusste, was sie mir angetan haben. An-ge-tan, schönes Distanzierungsvokabel.
"Mit dem Umbringen aber unbedingt zuwarten ..."

Und er fragt:
Was ich wirklich wissen möcht von ihnen: Was haben sie sich dabei gedacht? (...) Wie viel und welche Arten Lüge, Vorwand, Verleugnung es braucht, bis ein halbwegs erwachsener Mensch so was tut, das hätt ich gern aus ihrem Mund gehört. Im Großen ist es eh klar: Heide, Klassenfeind, Untermensch, Dreinhauen, Wegnehmen, Umbringen, in dieser Reihenfolge, das Instrumentarium der Eskalation. Einschränken zuerst und Benachteiligen, wo's nur geht, dann ein bisserl Unterdrücken, Schlagen, Enteignen, mit dem Umbringen aber unbedingt zuwarten, bis zumindest das Einsperren allgemein akzeptierter Brauch ist. Das war ja bei ihnen auch so, Hosentaschen zuerst, Zuckerlkontrolle (...)

Dann wollt ich noch wissen, ob sie meine Beschädigung beabsichtigt haben oder bloß billigend in Kauf genommen.
Und er schreibt unter anderem über sein seitheriges Leben, 40 Jahre lang als "Überlebender":
Es hat auch nicht geholfen, dass ich den Leuten nicht in die Augen schauen konnte, die ganze Zeit. Sagt sich so leicht, schließt aber drei Ehefrauen mit ein, nur schnell beispielshalber. Wie lebt, liebt, werkt man vierzig Jahre ohne Augenkontakt? Was hätt ich mir alles ersparen können, welche Wahrheiten sind mir entgangen?
Das sind ungeheuerliche Verbrechen. Und die Medien scheinen sich darauf geeinigt zu haben, erst einmal wieder allerhand "Schweigeminuten" einzulegen, damit der Jesuitenorden "Atem schöpfen" kann. Ob er damit durchkommt, der Jesuitenorden, dessen Mißbrauch System hatte, wie inzwischen nur allzu deutlich klar geworden ist. Dessen Mißbrauch den Prinzipien Schwarzer Pädagogik folgte?

"Da war System drin"

Auch ein weiterer Überlebender sexueller Gewalt, ausgeübt von Jesuiten, Gernot Lucas, Architekt und Architekturprofessor, sagt (KStA, 5.5.10):
Den aktuellen Forderungen der bundesweiten Opfergruppe „Eckiger Tisch“ an die Jesuitenzentrale hat Lucas sich dieser Tage angeschlossen. (...) Nachts verfolgten ihn diese Erinnerungen sein Leben lang, meint Lucas. „Dann gehe ich diesen Weg immer wieder und werde von dem Pater reingeholt.“ Der sexuelle Missbrauch sei ganz sicher von den anderen Patres gedeckt worden, so der Professor. „Die wussten doch untereinander Bescheid. Da war System drin.“ (...)

Dem Ako, den Jesuiten oder der Kirche könne er sich aber keineswegs anvertrauen. „Das lehne ich strikt ab. Mit denen will ich nichts mehr zu tun haben.“ (...) „Ich will zwar keine Rache, aber die sollen bluten. Und anders verstehen die das nicht“, erregt sich Professor Lucas. Den in den USA und Irland schon gezahlten Summen entsprechend, müssten ihm 100 000 Euro zustehen.
Der Jesuitenorden hat das Geld, keine Sorge. Er steht in allerbestem Kontakt zur Finanzwelt. Ist nicht auch Josef Ackermann ein Jesuitenschüler. Also finanziell bluten lassen wird man sie schon dürfen, ohne gar zu "ausbeueterisch" daher zu kommen.

Lebt der monotheistische Totalitarismus fort?


Am 20.3. heißt es auf dem Kremsmünster Blog I über die Benediktiner, die nach allem, was man hört, nur wenig besser waren als die Jesuiten:
Hier haben erwachsene gebildete Leute – aus welchen Gründen auch immer – tatenlos zugesehen und ermöglicht, wie Jugendliche unter Ausnutzung ihrer schwachen Position JAHRELANG!!! misshandelt und gedemütigt wurden. (...)

Hattet ihr euch eventuell alle untereinander bereits zuvor abgesprochen was ihr da letztlich mit kleinen Bubis in den nächsten 4 Jahren vorhabt's? (...)
Diese Blogs muß man alle noch gründlich durchsehen, um zu lernen, wie Totalitarismus funktioniert. Noch heute. Und um zu lernen, auf welchen leicht zu durchschauenden Wegen noch heute Totalitarismus in der Öffentlichkeit verbrämt wird, verharmlost wird, gedeckt wird - zuletzt dann wohl wieder einmal an Runden statt Eckigen Tischen ...

Wie werden christliche Priester noch heute von den öffentlich-rechtlichen Medien bevorzugt. Wie kann das sein? Ständig hört man Morgenandachten im Radio. Wie kann das sein? Welche monotheistische Interessenwirtschaft herrscht dort vor?

Montag, 3. Mai 2010

Facharbeiter-Mangel in Deutschland und seine Folgen

"Natürlich geht es auch ohne Handwerk"

- Eine aussagekräftige Werbekampagne des deutschen Handwerks zu seiner Zukunft und der Zukunft Deutschlands?




"Unser Leben ohne das Handwerk ..."



Den künftigen Facharbeitermangel in Deutschland und auf der Nordhalbkugel aufgrund der Kinderarmut wird man aber durch solche Werbekampagnen allein auch nicht beheben. Die Komplexität einer Gesellschaft (ihr materieller Reichtum) ist - unter anderem - abhängig vom durchschnittlichen angeborenen Intelligenz-Quotienten derselben.