Samstag, 26. September 2009

Die streitbaren angelsächsischen Könige um 600 n. Ztr.

Ein Schwertknauf (England, frühes 7. Jhdt., neu entdeckt)

Der neu entdeckte Schatz von Staffordshire, Mittelengland

Im Jahr 597 n. Ztr. begann die Christianisierung Englands durch Missionare aus Frankreich, Irland und Italien. Noch um 900 n. Ztr. (siehe Stud. gen.) scheinen die Angelsachsen in Südengland auf Bergeshöhen die von ihnen getöteten Feinde "den Göttern" zum Opfer dargebracht zu haben. Da die Angelsachsen damals schon mehrere Jahrhunderte - ähnlich etwa wie die Alemannen in Süddeutschland - christlich waren, würde das einmal erneut darauf hinweisen, daß christliche und heidnische religiöse und Moralvorstellungen in England noch viele Jahrhunderte lang miteinander vermischt fortbestanden haben. Vielleicht sogar in England noch länger als in Deutschland. (- Zumindest was das damalige Deutschland westlich der Elbe betrifft. Die "Nieder-"Sachsen wurden um 800 n. Ztr. christianisiert.)


Nun geht durch die Presse ein neuer sensationeller, angelsächsischer Schatzfund, offenbar vom Anfang des 7. Jahrhunderts (Ausschnitt siehe Foto) mit insgesamt 5 Kilogramm Gold, 1,3 Kilogramm Silber, verteilt in mehr als 1.300 Einzelstücken. (Time, Yahoo, Oe24.at, Spiegel) Vor allem goldene Schwert- und Helmteile, Kreuze. In der nächstbedeutenden, berühmten angelsächsischen Ausgrabungsstätte, dem Schiffsgrab von Sutton Hoo (in Suffolk an der Südostküste Englands*)) etwa gleicher Zeitstellung (auch Anfang des 7. Jahrhunderts) sind 1939 "nur" 1,5 Kilogramm Gold gefunden worden. Das zeigt schon die Bedeutung dieses neuen Schatzfundes für unser Wissen um das englische und europäische Frühmittelalter auf.

So war die Fundsituation: "... unter den Graswurzeln"!

Experten vermuten, daß es sich um Kriegsbeute handelt, die hier im vormaligen "Königreich Mercia" niedergelegt worden ist:
Mercia war eines von sieben angelsächsischen Königreichen Englands. Deren Herrscher lieferten sich ständig Kämpfe um die Vorherrschaft, dem König von Mercia gelang es im 8. Jahrhundert London zu erobern und so für einige Jahrzehnte Macht über die anderen Reiche zu erlangen. (Epoc)
Auch diese Kriegsbeute scheint auf den ersten Blick wieder als Opfer "den Göttern" dargebracht worden zu sein. Man könnte sich wiederum vorstellen "Gott, Sohn Kriste und dem Heiligen Geist". Denn es scheint ja tatsächlich schon der neue christliche Gott zu sein. Zumindest die besiegten angelsächsischen Könige, denen man diesen Schatz abgenommen hat (nach Expertenmeinung kann er zuvor nur im Besitz von Königen gewesen sein), müssen schon mit dem Christentum in Berührung gekommen sein.

Darauf deutet einerseits das kleine, verbogene Kreuz (- siehe Foto: eine Rekonstruktion - rechts unten der originale, verbogene Zustand). Und darauf deutet auch ein kleiner, schmaler, verbogener Goldstreifen (Teil eines Gürtels?, Armreif?) (siehe nächstes Foto), auf dem sich eine Inschrift in Latein findet, und zwar ein Vers aus dem Alten Testament, 4. Buch Mose, Kapitel 10, Vers 35:
"Steh auf, mein Gott, mögen Deine Feinde verstreut werden und die, die Dich hassen, mögen hinweggejagt werden von Deinem Angesicht."
Solche martialischen Sprüche des Alten Testamentes wurden also offenbar sehr passend empfunden in der damaligen Zeit, die auch von Missionskriegen geprägt gewesen ist.

Überhaupt besteht der Schatz so weit übersehbar vor allem aus Kleinteilen. Und es drängt sich die Vermutung auf, daß diese zur Opferung absichtlich so zerstört (zerhackt?) und verbogen worden sind. Es findet sich darin keinerlei Frauenschmuck. Es handelt sich ausschließlich um Waffenteile und Ausrüstungsgegenstände männlicher Krieger.**) Natürlich erinnert der Schatzfund auch an das berühmte Grab des fränkischen Königs Childerich I. (gest. 482), das schon 1653 entdeckt worden ist.
Der Fundort des neuen Schatzes von Staffordshire, damaliges Königreich Mercia

Das 1939 entdeckte spektakuläre Schiffsgrab von Sutton Hoo, das offenbar mit Hilfe von Schriftquellen auf den Anfang des 7. Jahrhunderts datiert werden kann, zeigt "einheimische, irische, skandinavische, merowingische und ostmediterrane Einflüsse", wie man auf Wikipedia lesen kann (siehe auch Wikip. engl.). Und so verhält es sich dann sicherlich auch mit diesem neuen Schatz. Von dem ostenglischen Oberkönig Radewald, der höchstwahrscheinlich in Sutton Hoo begraben lag, wird ein Jahrhundert später berichtet, er habe sich zwar der Taufe unterzogen und die Gottesdienste besucht aber zugleich weiterhin seinen alten Göttern gedient. (Wikip.)

Es ist die Zeit, in der der fränkische Bischof Gregor von Tours (538 - 594) seine berühmten "Zehn Bücher fränkischer Geschichte" geschrieben hat, in der von fast nichts anderem die Rede ist als von Mord und Totschlag unter den Verwandten des fränkischen Königshauses. Dabei spielen viele fränkische Königinnen eine ähnlich militante, oft aus Eifersucht mordende Rolle wie ihre männlichen Standesgenossen.

Ein englischer Archäologe wird zu dem neuen Schatzfund mit den Worten zitiert: "Ich mußte weinen, als ich das erste mal den Schatz sah. Das Dunkle Zeitalter (/Mittelalter) hat in Staffordshire niemals zuvor so schön und glanzvoll ausgesehen." ***) Rechts im Bild der Entdecker Terry Herbert, ein Arbeitsloser, mit dem Teil eines Kriegerhelmes.

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*) Rechts eine Karte Englands mit der Örtlichkeit des Königsgrabes von Sutton Hoo, Suffolk, Ostengland (East Anglia).

**) There's a male dominance to the hoard as Kevin Leahy, an expert on Anglo-Saxon metal, explains. "There is absolutely nothing feminine. There are no dress fittings, brooches or pendants. The vast majority of items in the hoard are martial — war gear, especially sword fittings." (lt. "Time")
***) Deb Klemperer, an expert on Saxon Staffordshire pottery said, "My first view of the hoard brought tears to my eyes — the Dark Ages in Staffordshire have never looked so bright nor so beautiful." (lt. "Time")

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