Dienstag, 23. Dezember 2008

Jesuit und Astronom

Bzw. wohl: mehr Astronom als Jesuit ...

Der Vatikan interessiert sich immer mehr - auch - für die Astronomie. Die Berliner Morgenpost bringt ein schönes Interview mit einem Astronomen des Vatikans. (Morgenpost) Ein Ausschnitt:
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Morgenpost Online: Aber ist Ihr Blick als Wissenschaftler in den Sternenhimmel nicht völlig inkompatibel mit Ihrem christlichen Glauben an einen persönlichen Schöpfergott?

P. Funes: Nein, ich bin Priester und Astronom zur gleichen Zeit. Meine Berufung als Jesuit bestand im Gegenteil in dieser doppelten Berufung, nämlich Priester und Wissenschaftler zu sein. Beide Berufungen als Jesuit harmonieren in ihren Aktivitäten in meiner Existenz sehr gut miteinander.

Morgenpost Online: Aber wenn Sie durch das Teleskop in die Tiefe des Weltalls schauen, ist es dann nicht fast unmöglich, als Wissenschaftler an dem Glauben festzuhalten, dass eine Person all dies geschaffen haben soll? Ist diese Herausforderung nicht einfach zu groß?

P. Funes: Wie gesagt: Wir leben in einem Universum von 100 Milliarden Galaxien. Schon das ist ja eigentlich nicht mehr zu glauben. Da ist es eine sehr menschliche und tiefe Frage: warum gibt es so viele Galaxien und nicht einfach Nichts? Als Wissenschaftler können wir den Ursprung der Galaxien untersuchen und erklären, wie sie sich geformt haben. Wie es zu Sternen und Planeten kam. Ich habe keine Antwort, wie es zu diesem wundervollen Universum kam. Doch vor allem erzählt und spiegelt für mich die Schönheit des Universums die Schönheit des Schöpfers.

Morgenpost Online: Aber ist es nicht vollkommen unnachvollziehbar, dass der Schöpfer aller Gestirne, der die Sonne und Sterne bewegt, wie Dante sagt, dass der ein menschliches Gesicht haben soll?

P. Funes: Das ist erstaunlich. Schauen Sie sich meine Weihnachtskrippe an. Gott ist Mensch geworden. Dass der Schöpfer des Himmels und der Erde einer von uns geworden ist, lässt sich nur so erklären, dass er sich in uns verliebt hat. Darum wollte er einer von uns werden. Das ist ein großes Geheimnis. Das können wir wissenschaftlich nicht erklären. Das ist weit jenseits aller Wissenschaft.

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Ich finde es bemerkenswert, daß dieser Jesuit und Astronom in den theologischen Aussagen sehr zurückhaltend ist. Er spricht größtenteils als reiner Naturwissenschaftler. Das ist erholsam. Und ich finde ebenso bemerkenswert, daß dort, wo er von "Gott" spricht, er eigentlich nur "Metaphern" benutzt. Man hat nicht das Gefühl, daß dieser Astronom in wortwörtlichem Sinne an einen personalen Schöpfergott glaubt. Er "redet" höchstens davon.

Ein wortwörtlich genommener personaler Schöpfergott, der das Weltall geschaffen habe, wird wohl von einer gebildeten, intellektuellen Elite in der katholischen Kirche - so z.B. auch schon von dem verstorbenen Limburger Bischof von Camphausen - längst größtenteils nur noch "für die breiten Massen" vertreten. Um die eigene "Deutungshoheit", die man besitzt, nicht zu verlieren.

Man muß aber z.B. die benutzte Metapher, daß sich Gott (zu verstehen als: das Göttliche) sich "in den Menschen verliebt" habe, für sich genommen noch keineswegs als Übertretung der Kant'schen Vernunftgrenzen verstehen. So lange es eben als eine - vielleicht durchaus geglückte - Metapher aufgefaßt wird. Als eine Metapher für die Zielgerichtetheit der Weltall-Entstehung und -Entwicklung wie auch der Lebensentstehung und Evolution, für die es ja inzwischen zahlreiche naturwissenschaftliche Hinweise gibt. Und mit diesen Gedanken im Hintergrund wird dies von diesem Astronomen auch ausgesprochen worden sein.

Zu fragen bliebe dann aber immer noch, ob mit diesem "Kind in der Krippe" jedes Menschenkind als Gotteskind aufgefaßt wird. Warum nur ein Kind von so vielen Milliarden seit so vielen zehntausenden von Jahren? Sind wir - letztlich - nicht alle: "Jesus"? Der Möglichkeit nach? Und zumindest wenn wir es selbst wollten? Könnten wir es denn nicht alle als unsere Aufgabe ansehen, die Menschheit zu erlösen von so manchem schlimmen Übel? Könnten wir nicht alle dafür bereit sein, dafür "an einem Kreuz" zu sterben - oder sonstwie? Haben nicht Millionen von Menschen für andere Interessen als ihre eigenen, persönlichen gelebt und sind dafür gestorben in der Geschichte oder wurden - von anderen - dafür - - - "aufgeopfert" (also: unfreiwillig)?

Im Angesicht von so vielen Milliarden von Milchstraßen mit jeweils so vielen hunderttausenden von Sternen dürfen solche Fragen schon gestellt werden, sollte man meinen. Zumindest das Menschenleid, das unsere Erde aushält, scheint "irgendwie" äquivalent zu sein zu der schieren raum-zeitlichen Größe des Universums. Verhält es sich aber mit anderen Menschendingen auch so - oder nur mit dem von Menschen anderen Menschen geschaffenen Leid?

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