Dienstag, 31. Mai 2022

Elisabeth Vigée-Le Brun - Die bedeutende französische Portraitistin

Von der Schönheit, Weisheit und Vaterlandsliebe zweier Hohenzollern-Frauen um 1800

Nachdem wir schon in zwei Beiträgen Werke der französischen Portraitistin Elisabeth Vigée-Le Brun (1755-1842) (Wiki) brachten (GAj!2022, GAj!2022), möchten wir in diesem Beitrag nach und nach noch weitere Angaben zu ihrem Leben und Schaffen ergänzen, sowie insbesondere auch zu einigen Menschen, die ihr Portrait gesessen haben.

Abb. 1: Ölportrait der "energischen" Prinzessin Luise von Preußen (1770-1836), einer Schwester des Prinzen Louis Ferdinand, gemalt von Elisabeth Vigée-Le Brun, 1802 (Wiki)

Man lernt nämlich über ihre Werke viel über bedeutende Menschen zu ihren Lebzeiten, nämlich sowohl in Frankreich wie in Italien wie in Rußland und auch in Preußen. 

So werden wir aufmerksam auf ein Portrait der Prinzessin Luise von Preußen (1770-1836) (Wiki) (Abb. 1), die man nicht mit der Königin Luise von Preußen verwechseln darf. Sie war eine Schwester des Prinzen Louis Ferdinand und eine enge Vertraute der Königin Luise ebenso wie ihrer Kinder, deren Mutter ja so früh gestorben ist. Die Prinzessin Luise wird als eine "energische" Frau beschrieben. Sie führte als solche seit 1796 eine sehr glückliche - wenn auch "nicht ebenbürtige" - Ehe mit dem katholischen, polnischen Magnaten und Komponisten Anton Fürst Radziwill (1775-1833) (Wiki). Sieben Kinder sind aus dieser Ehe hervorgegangen.

Zwischen Juli 1801 und Januar 1802 weilte die Vigée-Le Brun in Berlin und fertigte ein Pastell-Portrait dieser Prinzessin an. Anhand dieser Pastell-Studie erstellte sie dann 1802 in Paris ein sehr einnehmendes Portrait derselben (Abb. 1).

Portraits der Prinzessin Luise von Preußen (1770-1836), einer Schwester des Prinzen Louis Ferdinand

Und wir lesen nun über das Leben dieser preußischen Prinzessin noch weiterhin (Wiki):

Als nach dem Untergang Polens Warschau vorübergehend preußisch war, besuchte die preußische Königsfamilie 1795 Radziwiłłs Eltern auf deren Schloß Nieborów bei Lotsch. Dabei verliebten sich Antoni Henryk und die fünf Jahre ältere Prinzessin Luise von Preußen, eine Nichte Friedrichs II. und Schwester des Prinzen Louis Ferdinand von Preußen. Nach zähen Verhandlungen durften die beiden am 17. März 1796 heiraten. Ihre Ehe dauerte 37 Jahre und galt als glücklich. 

Angesichts der vielen unglücklichen Ehen im europäischen Hochadel früherer Jahrhunderte darf man doch diesen Umstand auch einmal auf sich wirken lassen. Aus dieser Ehe sind - wie gesagt - sieben Kinder hervor gegangen, und zwar vier Söhne und drei Töchter (Wiki): 

Während die Söhne katholisch erzogen wurden, wuchsen Luises Töchter wie ihre Mutter im protestantischen Glauben auf.

Eine sehr interessante Lösung für gemischtreligiöse Ehen. Und weiter (Wiki):

Sie bedauerte besonders, daß die Verbindung ihrer Tochter Elisa mit dem späteren Kaiser Wilhelm I. als "nicht standesgemäß" abgelehnt wurde. 

Diese Ehe kam deshalb nicht zustande. Wie ihr Bruder Prinz Louis Ferdinand war auch sie selbst sehr eng mit Königin Luise befreundet (Wiki):

Nach der Schlacht bei Jena und Auerstedt war Luise 1806 mit dem preußischen Hof nach Königsberg geflohen und gehörte hier, gemeinsam mit Königin Luise und Prinzessin Marianne, zu dem patriotischen, antifranzösischen Kreis, der an einer Wiederaufrichtung des preußischen Staates arbeitete. Luise pflegte Freundschaften mit Barthold Georg Niebuhr, Dorothea von Kurland, Wilhelm von Humboldt, August Neidhardt von Gneisenau, Carl von Clausewitz und Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein. Die Entlassung des letzteren beklagte sie bitter und war wesentlich an dessen Wiedereinsetzung beteiligt. Gemeinsam mit ihrem Mann empfing sie in ihrem Haus, dem Radziwiłł-Palais in der Wilhelmstraße, zahlreiche Künstler und Gelehrte, mit denen sie ohne jegliche höfische Etikettevorschriften verkehrte und von 1796 bis 1815 einen Salon unterhielt. (...) Seit 1816 lebte sie in Posen, wo ihr Mann als preußischer Statthalter des Großherzogtums fungierte. Sie gründete hier Armenspeisungen und das Institut der Elisabethanerinnen.

Der Freiherr vom und zum Stein war ja damals der wichtigste Reformpolitiker Preußens. Es war also sehr wesentlich, wenn sich jemand an einflußreicher Stelle für seine erneute Ernennung zum Minister einsetzte. 

Nun aber zurück zu  Elisabeth Vigée-Le Brun.

Ihr erstes Selbstportrait malte sie schon mit 16 Jahren.

Zwischen 1778 und 1788 malte sie neun Portraits der französischen Königin Marie Antoinette (1755-1793) (Wiki) (zu den Portraits siehe: Wiki). Sie malte in dieser Zeit außerdem zahllose Portraits ihrer Hofdamen.

"Die Vielfalt ihrer Portraits ist einzigartig für eine Frau in dieser Epoche," lesen wir über ihr Gesamtwerk (Wiki). Als 1789 die Revolution in Frankreich ausbrach, mußte Vigée-Le Brun Hals über Kopf aus Frankreich fliehen, da sie als enge Vertraute der Königin und Royalistin äußerst gefährdet war. Erst 1802, zwölf Jahre später, konnte sie nach Frankreich zurück kehren, ohne daß ihr davon Schaden entstand. In der Zwischenzeit mußte sich ihr Ehemann von ihr scheiden lassen, um das gemeinsame Vermögen zu bewahren. 

Vigée-Le Brun ging zunächst nach Italien, wo sie große künstlerische Erfolge feierte. Danach lebte sie sechs Jahre in Rußland, wo ebenfalls zahllose Portraits bedeutender Persönlichkeiten entstanden. 1801 hatten sich die politischen Verhältnisse in Frankreich soweit entspannt, daß Vigée-Le Brun wieder ins Auge fassen konnte, nach Frankreich zurück zu kehren.

Ende Juli 1801 kam sie deshalb mit der Postkutsche von Petersburg über Riga und Königsberg nach Berlin. Im Januar 1802 reiste sie dann nach Paris weiter. Während ihres Aufenthaltes in Berlin entstand die Pastell-Vorlage des Portraits der Prinzessin Luise Radziwill.

Portraits der Königin Luise von Preußen

Ähnlich wie die beiden Portraits der Prinzessin Luise Radziwill entstanden auch die Portraits der Königin Luise (1, S. 198):

Die preußische Königin gewährte ihr im November des Jahres vier Porträtsitzungen, bei der zwei Pastellstudien entstanden, eine davon "en face", die andere im Dreiviertelprofil. Auf der Grundlage der zweiten Studie entstand das Kniestück in Öl, das 1802 fertiggestellt und nach Berlin geschickt wurde.

Eine Übersicht zu diesen drei Kunstwerken findet sich (2) (s.a. 3, S. 33). Auf Wikipedia findet sich derzeit nur eines der Pastelle (Wiki), auf dem die Königin nicht nur kindlich, sondern zugleich sehr "ländlich" wirkt, außerdem das Ölgemälde (Wiki). Wir stellen hier zusätzlich das zweite der Pastelle ein, das Vigée-Le Brun 1837 auch ihren Lebenserinnerungen beigab (Abb. 2) (s. 1, S. 213, Anm. 7).

Abb. 2: Königin Luise, Pastellstudie "en face" von Elisabeth Vigée-Le Brun, November 1801 - Enthalten auch in der Erstauflage der Erinnerungen der Vigée-Le Brun von 1837 (s. 1, S. 213, Anm. 7)

Von Königin Luise gibt es viele Porträts. Die vergleichsweise bekannte, "ländlich" anmutende Pastell-Vorlage (Wiki) und das vergleichsweise bekannte Ölgemälde (Wiki) der Vigée-Le Brun gelten als die bedeutendsten. Vigée-Le Brun schreibt in ihren Erinnerungen sehr überschwenglich über die Königin (zit. n. 4):

Schließlich fühlte ich mich um ein wesentliches besser, als die Königin von Preußen, die zu jener Zeit nicht in Berlin war, mich nach Potsdam bat, wo sie ein Portrait von mir wünschte. Ich ging hin. Aber ich bin unfähig, den Eindruck wiederzugeben, den diese Prinzessin beim ersten Anblick auf mich machte. Die Schönheit ihres himmlischen Gesichts, das Wohlwollen und Güte ausdrückte, und dessen Konturen so regelmäßig und delikat waren, die Lieblichkeit ihrer Figur, ihres Nackens, ihrer Arme, die exquisite Frische ihrer Haut - all das ging weit über alles, was man sich vorstellen kann. Sie war in tiefer Trauer und trug ein samtschwarzes Diadem, das, weit davon entfernt, unvorteilhaft zu wirken, die blendende Weise ihrer Haut hervor hob. Man muß die Königin von Preußen gesehen haben, um zu verstehen wie verwunschen ich war, als ich sie zum ersten mal erblickte.
I was feeling much better when the Queen of Prussia, who was then absent from Berlin, was kind enough to request my presence at Potsdam, where she desired me to do her portrait. I went. But my pen is incapable of rendering the impression which the first sight of that Princess made upon me. The beauty of her heavenly face, that expressed benevolence and goodness, and whose features were so regular and delicate, the loveliness of her figure, neck, and arms, the exquisite freshness of her complexion – all was enchanting beyond anything imaginable. She was in deep mourning, and wore a coronet of black jet, which, far from being to her disadvantage, brought out the dazzling whiteness of her skin. One must have seen the Queen of Prussia in order to understand how bewitched I was when I first beheld her.

Die Besitzgeschichte des Ölportraits der Königin Luise zeigt auf, welche Bedeutung man diesem Portrait gegeben hat und gibt (1, S. 213): Es hing 1842 bis 1850 im Weißen Saal des Berliner Stadtschlosses, 1883 befand es sich im Schloß Freienwalde, 1888/89 im Schreibzimmer der Kaiserin Auguste Victoria im Stadtschloß zu Berlin. 1919 bis 1941 befand es sich im Haus Doorn in den Niederlanden im Besitz des abgedankten letzten deutschen Kaisers. Kronprinz Wilhelm ließ das Gemälde nach dem Tod seines Vaters zurück nach Deutschland holen, wo es sich im Besitz seiner Frau befand, der Kronprinzessin Cecilie. Diese lebte in Bad Kissingen und Stuttgart. Sie starb 1954 und danach befand es sich im "Wümmehof" in Bremen, dem Wohnort ihres zweitältesten Sohnes, des Prinzen Louis Ferdinand. Nach dessen Tod kam es 1994 auf die Burg Hohenzollern, wo es im Zimmer der Königin präsentiert wird (3), solange es nicht für Ausstellungen ausgeliehen ist. 

"Keine zufriedenstellenden Portraits der Königin" vorhanden

Wir möchten als beeinträchtigenden Umstand zu diesem Portrait benennen, daß auf diesem die womöglich gewiß in Andeutungen vorhandenen kindlichen Gesichtszüge der Königin Luise zu deutlich heraus gestellt sind. Das ist eine Eigenart auf vielen Portraits der Vigée-Le Brun, die sich aber selten so störend bemerkbar macht wie auf diesen. 

So ausgeprägt kindliche Züge finden sich auf keinem der anderen zu Lebzeiten der Königin entstandenen Portraits, auch nicht auf solchen, die viele Jahre vor 1801 entstanden sind. Deshalb möchte man ein Portrait wie das der Schwester des Prinzen Louis Ferdinand insgesamt als ein gelungeneres bezeichnen, verglichen mit diesem Portrait der Königin. Auch die Königin Luise selbst hat sehr klar an ihren Portraitisten Schadow über das Gemälde geschrieben (zit. n. 1, S. 198):

"Die Le Brun hat mir eine Schönheit geben wollen, die ich nicht habe, indem sie die Oberlippe kurz und ihre Distanz zwischen Nase und dem Spalt des Mundes zu lang gemalt hat."

So berichtete es Schwadow in einem Brief aus dem Jahr 1842. Auch dieser Umstand trägt sicherlich zu der betont kindlichen Erscheinung auf diesem Portrait bei.

Daß dieses Portrait von dem bedeutendensten Portraitkünstler stammt, von dem es überhaupt ein Portrait der Königin gibt, soll damit nicht in Abrede gestellt werden. Es soll nur in Abrede gestellt werden, daß man durch dieses Portrait ein authentisches, historisches Bild der Königin gewinnen könnte. Es dürfte sicherlich sehr "stilisiert" sein.

Ein authentisches, historisches Bild der Königin zu gewinnen, dürfte aber auch im Angesicht der Vielfalt der zeitgenössischen Portraits derselben schwierig sein, da diese sich allesamt zu sehr untereinander unterscheiden und jeweils mehr vom Charakter des einzelnen Künstlers bestimmt sind als etwas "Gemeinsames" aufweisen würden. Etwas ähnliches kann man etwa auch sagen für die vielen Portraits Friedrichs des Großen. Authentizität im Portraitieren war ja überhaupt schwierig im Zeitalter vor der Erfindung der Photographie. 

Erwähnt sei noch, daß Elisabeth Vigée-Le Brun am 11. Dezember 1801 ehrenvoll in die Berliner Akademie der Künste aufgenommen worden ist (1, S. 213, Anm. 5). 

Erwähnt sei weiterhin noch, daß die Königin Luise in einem britischen Diplomaten einen Verehrer besaß, der sie persönlich um ein Portrait bat, und der alle Portraits von ihr sammelte, denen er habhaft werden konnte. In dem Besitz seiner Nachfahren befindet sich noch heute das Pastell aus Abbildung 2. Kein Abbild Luises stellte ihn zufrieden (1, S. 213, Anm. 8):

Ich habe alle tolerierbaren Portraits gesammelt, die ich finden konnte - aber es gibt keine zufriedenstellenden.
I have collected all the tolerable resemblances I can find but there are none satisfactory.

Damit dürfte wohl Ausreichendes zur Schönheit der Preußen-Königin gesagt sein und zur Schwierigkeit, sie in einem Kunstwerk festzuhalten. Fast alle Zeitgenossen, die sie erleben durften, waren von ihr eingenommen. Man erhoffte sich von derselben so viel, daß man die Königin Luise um ein persönliches Gespräch mit Napoleon bitten ließ, damit sie günstigere Friedenbedingungen für Preußen aushandeln könne. Aber dieser kalte Machtmensch ließ sich auch dadurch nicht erweichen.

Halten wir uns insgesamt besser an die Schwester des Prinzen Louis Ferdinand und ihres Portraits (Abb. 1) und lassen wir uns inspirieren von der Ahnung, daß die - auch von ihr verehrte - Königin Luise noch um vieles schöner gewesen sein muß als sie selbst!

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  1. Luise. Die Kleider der Königin. Mode um 1800. Ausstellungsband, hrsg. von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, bearbeitet von Bärbel Hedinger, Adelheid Schendel und Stefan Schimmel. Hirmer Verlag München 2010
  2. Portraits of Louise Augusta, Queen of Prussia, https://www.batguano.com/xqueenofprussia.html
  3. "Bei ihrem Anblick wie verzaubert" - Zur Restaurierung des "Zimmers der Königin" und der Neuhängung des Bildnisses der Königin Luise von Elisabeth Vigée Lebrune. In: Museums Journal, Band 16, 2002, Ausgabe 2. Museumspädagogischer Dienst Berlin, in Zusammenarbeit mit den Staatlichen Mussen Preussischer Kulturbesitz, 2002 (GB), S. 32f
  4. Memoirs of Elisabeth Vigée-Lebrune (Archive), http://digital.library.upenn.edu/women/lebrun/memoirs/memoirs.html
  5. Der Schönheit Malerin ... Erinnerungen der Elisabeth Vigée-Le Brun. Hrsg. von Lida v. Mengden. 1985

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