Freitag, 11. Juni 2021

"Robert Koch, der Bekämpfer des Todes" (1939)

Auch der ruhigste und besonnenste Zeitgenosse wird seit dem Frühjahr 2020 nicht ganz unberührt geblieben sein von den "Aufgeregtheiten" unserer Zeit. 

Er wird nicht ganz unberührt geblieben sein von der Verdächtigung und Unterstellung, daß die medizinische Fachwelt und Ärzteschaft weltweit es mit der Menschheit nicht gut meinen würde, daß eine üble Verschwörung im Gange wäre und daß nur einige wenige aufrechte Wissenschaftler und Ärzte dieser weltweiten Verschwörung da oder dort Widerstand entgegen setzen würden.


Eine Studie aus diesen Reihen der Impfskeptiker setzt sich gegenwärtig kritisch mit den neuen Impfstoffen auseinander, die seit Anfang 2021 weltweit verabreicht werden (1). Immerhin wäre diese Studie einmal eine hinreichende wissenschaftliche Argumentationsstruktur, mit der es Sinn machen könnte, sich auch als medizinischer und biologischer Laie einmal auseinander zu setzen, um sich ein Urteil zu bilden. Gerne möchte wir an dieser Stelle dazu auffordern. Denn die eigene Bildung dürfte gewiß darunter nicht leiden.

Aber man merkt auch gleich, daß selbst mit deutscher Übersetzung die Thematik eine umfassende und komplexe ist und daß man sich zunächst umfangreiche Vorkenntnisse aneignen muß, damit man wenigstens halbwegs folgen kann. 

Ein Blick in die Wissenschaftsgeschichte

Wenn zu wenige Vorkenntnisse vorliegen (wie sogar beim Autor dieser Zeilen, der im Jahr 1995 einen Universitätsabschluß in Biologie abgelegt hat), dann darf man ja wenigstens einmal ganz bescheiden anfangen und sich mit ein wenig Wissenschaftsgeschichte beschäftigen. Wie entstand eigentlich all dieses "komplexe" Wissen? Wo fing das an? Ein Buchtitel kommt einem in den Sinn, "Mikrobenjäger", ein weltweit in großen Zahlen verkauftes Buch aus den USA aus dem Jahr 1926.

Dieses Buch hat aber in Europa und speziell in Deutschland keineswegs nur positive Aufnahme gefunden wie einen Wikipedia belehrt. Das Urteil des deutschen Schriftstellers Kurt Tucholsky diesem Buch gegenüber und gegenüber der als "amerikanisch" empfundenen Mach- und Denkungsart, die aus diesem Buch sprach, war ablehnend. Kurt Tucholsky schrieb (Wiki):

... Wenn das drüben die Art ist, ein schwieriges und wichtiges Thema an die Massen zu bringen, so soll uns das nicht kümmern. Aber es ist doch wohl nicht nötig, in Europa noch einmal auf den infantilen Standpunkt eines jungen Landes zurückzugehen und wieder von vorn anzufangen. Immerhin hat es ja hier einmal so etwas wie einen Humanismus gegeben. Nicht einmal - auf 346 Seiten nicht ein Mal ein Aufblick zu den Sternen: kein Gefühl für das Geheimnisvolle in der Natur.

Was für herrliche Worte von Kurt Tucholsky. Daß er sich bei der Auseinandersetzung mit der modernen Naturwissenschaft einen Aufblick zu den Sternen wünscht, ein Gefühl für das Geheimnisvolle in der Natur. 

Da erinnert sich der vormalige Biologie-Student dieser Zeilen, daß er den hier von Kurt Tucholsky geäußerten Gedanken sehr sehr oft hatte während seines Biologie-Studiums und während er in die dicken Lehrbücher der Biologie hinein schaute. Kurt Tucholsky konnte das vermutlich nicht wissen. Aber Naturwissenschaft wird eben heute so betrieben. Die meisten Naturwissenschaftler verbieten sich geradezu den Aufblick zu den Sternen, das Gefühl für das Geheimnisvolle der Natur. Sie sind "Techniker" und gehen als "Techniker" an die Dinge heran. Das hat einen guten Grund. Wie man auch schon an impfkritischen Studien feststellen kann (1), ist die moderne Biologie so komplex, daß man in der Beschäftigung mit dieser Komplexität kaum Zeit behält für "erhabenene Gefühle" oder dafür, "das Geheimnisvolle in der Natur" auf sich wirken zu lassen. 

Doch wer Seele in sich hat und Seele sich zu bewahren gewillt ist, der kann es sich dennoch, auch angesichts der riesen großen Detailfülle der modernen Wissenschaft angewöhnen, sich den Aufblick zu den Sternen und das Gefühl für das Geheimnisvolle in der Natur auch von viel Detailwissen nicht zerstören zu lassen, sondern im Gegenteil nähren zu lassen. Es kommt da eigentlich nur auf die innere Einstellung an. Wer Seele hat, dem gelingt es auch mühelos, Seele in die nüchternde, materialistische Naturwissenschaft hinein zu tragen. 

Gute Philosophie der Naturwissenschaften (2-4) und gute naturwissenschaftliche Sachbücher mögen dazu freilich eine sehr wertvolle und willkommene Hilfe sein. Denn erstaunlicherweise sind die meisten naturwissenschaftlichen Sachbücher der letzten Jahrzehnte von Menschen geschrieben worden, die das Staunen gegenüber dem Gemeinisvollen der Natur eben dann doch - ob all der Detailfülle ihrer Forschungen - nicht verloren haben (Konrad Lorenz, Hoimar von Ditfurth, Paul Davies, Stephen Hawking .... die Namen sind ja Legion). 

Der "Kulturfilm" bis 1945

Gut, jedenfalls, das Buch "Mikrobenjäger" muß es dann offensichtlich doch nicht unbedingt sein, das man hier als erstes heran zieht. Aber wurden denn nicht in jener Zeit auch gute Filme über Wissenschaftsgeschichte gedreht? Ach ja, bis 1945 gab es dafür sogar eine eigene Film-Kategorie, den "Kulturfilm" (Wiki) (5). Vor jedem in den damaligen Kino's gezeigten Film mußten die Kinos einen solchen (kürzeren) Kulturfilm zeigen, um der sonstigen Verflachung in diesen Anstalten gegenzusteuern. Später wurden ganze Spielfilme als Kulturfilme angelegt. 

Und so wurde 1939 in Deutschland der deutsche Nobelpreisträger Robert Koch (1843-1910) (Wiki), Mitbegründer der Mikrobiologie und der Infektionslehre geehrt (6). Und man ist erstaunt zu entdecken, daß über ihn ein Spielfilm gedreht worden ist auf ähnlicher künstlerischer Höhe und mit - vermutlich - ähnlicher historischer Genauigkeit wie zeitgleich jene bedeutenden Spielfilme über Peter Henlein, Rembrandt, Friedrich den Großen, Schiller oder Bismarck: "Robert Koch, der Bekämpfer des Todes" (1939) (Wiki). Apropos Bismarck. Der Spielfilm kommt zu seinem Höhepunkt während einer Rede von wem? Von Otto von Bismarck. Denn Bismarck antwortete im Reichstag auf seinen Kontrahenden Rudolf Virchow, den langjährigen Vorsitzenden der Fortschrittspartei. Und dieser Rudolf Virchow wiederum hat damals eine große Rolle im Leben von Robert Koch gespielt. Wie man mit einem solchen Spielfilm in kurzer und zugleich unterhaltsamer Weise bedeutende Wissenslücken schließen kann!

Und wie man diese historische Genauigkeit bewundern kann. Nichts zu Holzschnittartiges, nichts zu Plakatives. Nein, genau werden einige wesentliche Forschungswege von Robert Koch aufgezeigt, genau wird ein kaiserlicher Hofball nachgezeichnet, auf dem Rudolf Virchow aus der Hand des Kaisers einen hohen Verdienstorden erhält, genau wird nachgezeichnet wie "undurchschaubar" sich Rudolf Virchow lange Zeit gegenüber Robert Koch und dessen Forschungen verhalten hat. Genau wird - ganz nebenbei - nachgezeichnet welche vielfältigen Erkenntnisinteressen und politischen Aktivitäten Rudolf Virchow aufwies (Archäologie, Anthropologie, Völkerkunde - und dann noch Reichstagsabgeordneter).

Abb. 1: Robert Koch Haus in Wollstein (Postkarte, vor 1945)

Genau wird sogar die eheliche Situation von Robert Koch nachgezeichnet. Noch nicht einmal der Hofmaler Menzel darf in der Bilderfolge fehlen. Er fällt einem nur wie nebenbei auf. Toll!

Robert Koch  lebte von 1872 bis 1880 in Wollstein (Wiki) in der Provinz Posen. Die Handlung des Filmes setzt in dieser Phase des Lebens von Robert Koch ein. Als Hintergrundwissen wollen wir dazu erläutern: Wollstein liegt 120 Kilometer östlich von Frankfurt an der Oder und 75 Kilometer südwestlich der Stadt Posen. Diese Stadt war 1285 von Deutschen gegründet worden - so wie während des Mittelalters alle Städte im damaligen Ostmitteleuropa.

Abb. 2: Erinnerungstafel am Robert-Koch-Haus in Wollstein (Postkarte, vor 1945)

Die Einwohnerschaft von Wollstein, insbesondere das besitzende Bürgertum bestand bis 1918 zur Mehrheit aus Deutschen. Wollstein war die Kreisstadt des Landkreises Bomst, in dem bis 1918 ziemlich genau zur Hälfte Einwohner deutscher und polnischer Muttersprache lebten (7). Der Film des Jahres 1939 deutet diese Nationalitätenverhältnisse zu Lebzeiten von Robert Koch übrigens mit keiner einzigen Andeutung an. Vielleicht spielten sie ja auch für das Leben von Robert Koch keine Rolle. 

Wollstein im Wartheland

2005, anläßlich des 100. Jahrestages der Verleihung des Nobelpreises an Robert Koch, ist im heutigen Wollstein ein Denkmal aufgestellt worden (Abb. 3). Im früheren Wohnhaus von Robert Koch in Wollstein gibt es seit 1996 ein Robert-Koch-Museum (Wiki):

Das Robert-Koch-Museum in Wollstein wurde 1996 im Erdgeschoß eines 1842-46 erbauten Gebäudes errichtet, das zunächst als Armenkrankenhaus diente. In den Jahren 1872-1880 lebte und arbeitete hier der deutsche Arzt und Nobelpreisträger Robert Koch. Die Ausstellung des Museums umfaßt Erinnerungsstücke, die sich auf diesen großen Wissenschaftler beziehen, wie antike Möbel und Dokumente zu seinen Aktivitäten. Ziel der Stiftung und des "Wissenschaftlichen Vereins Robert Koch" ist es, wissenschaftliche Errungenschaften auf dem Gebiet der Mikrobiologie, Pharmakologie und Pneumologie zu popularisieren.

Wenn man den Spielfilm gesehen hat, wird einem auch das berühmte Wort von Robert Koch in Erinnerung bleiben, das man auf seinem Wikipedia-Artikel findet, ausgesprochen während der Besichtigung des Hafensviertels von Hamburg anläßlich der dortigen Cholera-Epidemie von 1892:

"Ich vergesse, daß ich in Europa bin!"

Er durfte das sagen, er hatte zuvor die Armenviertel in Ägypten, Afrika und Asien als medizinischer Forschungsreisender erlebt. Solche Worte waren damals natürlich Wasser auf die Mühlen der Sozialdemokratie. Aber natürlich auch berechtigter Weise.

Abb. 3: Robert-Koch-Denkmal in Wollstein

In einer Kritik zu diesem Film aus heutiger Sicht heißt es (8):

Der Film ist technisch und handwerklich einwandfrei inszeniert. (...) Die Geschichte wird in einer klaren, konzentrierten und ernsten Form präsentiert. (...) Der Film verzichtet auf alles, was dem Auge und Ohr allzu gefällig eingeht. 

Spannend ist es zu erfahren, daß die Haltung von Rudolf Virchow, die im Spielfilm zur Darstellung kommt, keineswegs eine einwandfrei gültige und historische ist. Der Film ... (8)

... stellt Virchow als einen engstirnigen, zynischen Wissenschaftler dar, der dem Fortschritt feindlich gegenübersteht. Indem er die direkte Konfrontation mit Koch scheut, und dessen Vortrag nicht kommentiert, verhält er sich im Film wie ein feiger Ignorant, auch wenn er am Ende Größe in der Niederlage zeigt.  Eine solche Darstellung des sozial engagierten Forschrittspartei-Abgeordneten Rudolf Virchow ist historisch unhaltbar und löste schon im Dritten Reich Proteste aus. Er gilt als hervorragender Pathologe und akzeptierte und unterstützte die Forschungsergebnisse Robert Kochs nach anfänglicher Skepsis.

Als Zuschauer hat der Autor dieser Zeilen allerdings einen so schlechten Eindruck von Virchow nicht zurück behalten wie es diesen Worten zu entnehmen wäre. Gegenüber dem Deutschen Kaiser macht Virchow im dem Film auf die menschliche Irrtumsanfälligkeit aufmerksam. Wenn man möchte, könnte man schlußfolgern, der Film hätte hier auch den deutschen Staatsführern des Jahres 1939 etwas sagen wollen. Leider geht die hier von uns heran gezogenene Filmkritik auf diese Szene mit keinem Wort ein.

Virchow sagt, daß wenn ein Arzt sich irrt, daß das dann tödliche Folgen haben kann. Und bekanntlich können auch die "Irrtümern" von Staatsführern "tödliche Folgen" nach sich ziehen. Dieser Gedanke mußte jedem Zuschauer bei diesen Worten kommen. Es handelt sich hier also um eine implizite, unausgesprochene Aufforderung an einen Staatsführer, sich nicht für unfehlbar zu halten. Was doch jeder damals mitgehört haben muß. 

Virchow wird eigentlich auch nicht als zynisch dargestellt, sondern eher als ein wenig verkniffen, verbiestert und ältlich. Warum auch nicht? Das darf er doch sein. Er hat ein langes, aufreibendes Gelehrtenleben hinter sich, das auch manche menschliche Enttäuschung und Verbitterung mit sich gebracht haben kann. Leider ist in der hier von uns angeführten Filmkritik (8) viel Filmtext zitiert, allerdings nicht der hier von uns genannte - für die Filmschaffenden sprechende - Wortwechsel Virchows mit dem Kaiser.

Nein, insgesamt: Ein absolut hinreißender Film!

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Indem man sich aber einen Dokumentation neuerer Zeit zu einem ähnlichen Thema ansieht - "Koch und Pasteur  - Duell im Reich der Mikroben" (9) - wird einem bewußt, daß der Spielfilm von 1939 doch auch von der Chronologie her einiges historisch ungenau "gerafft" hat.  Und es wird einem bewußt, in welchen internationalen Rahmen die Forschungen von Robert Koch stattgefunden haben. Außerdem mag es der historische Genauigkeit gut tun, wenn nicht gar so sehr "dramatisiert" und "heroisiert" wird wie 1939.

Als weitere "Filmbiografie(n) über Person(en) mit Heilberuf" nennt uns Wikipedia unter anderem: "Paul Ehrlich - Ein Leben für die Forschung" (USA 1939) (Wiki), "Paracelsus" (Deutschland, 1943) (Wiki), "Semmelweis - Retter der Mütter" (Deutschland 1950) (Wiki).

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*) Als der Autor dieser Zeilen seine mündliche Biologie Zwischenprüfung bei Professor von Camphausen in Mainz über das Buch "Wir sind nicht nur von dieser Welt" von Hoimar von Ditfurth machen wollte, was - im Nachhinein betrachtet - wahrlich ein naives Ansinnen war, lehnte der Herr Professor lächelnd ab!!! :-) Recht hatte er! Bleib bei deinem Leisten, Biologe!

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  1. Seneff, Stephanie; Nigh, Greg: Worse Than the Disease? Reviewing Some Possible Unintended Consequences of the mRNA Vaccines Against COVID-19. In: International Journal of Vaccine Theory, Practice, and Research, Vol. 2 No. 1, 10.5.2021, https://ijvtpr.com/index.php/IJVTPR/article/view/23; deutsche Übersetzung: Schlimmer als die Krankheit? Übersicht über einige mögliche unerwünschte Folgen der mRNA Impfstoffe gegenCOVID-19 (pdf), s. a. https://telegra.ph/Lesen-Schlimmer-als-die-Krankheit-Wissenschaftliches-Papier-des-MIT-zeigt-erschreckende-Risiken-der-Covid-Impfstoffe-06-06
  2. Hartmann, Max: Die philosophischen Grundlagen der Naturwissenschaften. 1948
  3. Ludendorff, Mathilde: Wunder der Biologie im Lichte der Gotterkenntnis meiner Werke. Band 1. Verlag Hohe Warte, Stuttgart 1950 (Archive.org)
  4. Ludendorff, Mathilde: Wunder der Biologie im Lichte der Gotterkenntnis meiner Werke. Band 2. Verlag Hohe Warte, Pähl 1954 (Archive.org)
  5. Deeken, Annette: Kulturfilm - ein vergessenes Filmgenre. In: Deutschunterricht 1995 (pdf)
  6. Robert Koch, der Bekämpfer des Todes, Spielfilm, Deutschland, 1939, https://youtu.be/kDtvewYOfZY.
  7. H.E.: Der Landkreis Wollstein/Wolstyn und seine Bevölkerungszahlen. http://www.heimatkreis-wollstein.de/Download/ [106.2021]
  8. Niels Martens: Robert Koch - Bekämpfer des Todes. http://www.uni-kiel.de/medien/koch.html [11.6.2021]
  9. Koch und Pasteur - Duell im Reich der Mikroben Doku (2018), 13.06.2020, https://youtu.be/sc8NIGKSc1M.

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