Mittwoch, 19. August 2020

Jesus - Ein grundgütiger jüdischer Missionar

Michael Blume, der Religionswissenschaftler - Er vertritt immer betonter religiös-jüdische Positionen

Mit dem früheren Religionswissenschaftler und heutigen Antisemitismus-Beauftragten von Baden-Württemberg Michael Blume standen wir vor zehn Jahren in freundschaftlichem, wissenschaftlichen Austausch zu vielen spannenden Fragen der Evolutionären Religionswissenschaften. Damals ist uns nicht in der Deutlichkeit bewußt geworden, was inzwischen in seinen öffentlichen Äußerungen immer ausgeprägter hervortritt, nämlich daß er unverhüllt und unverbrämt religiös-jüdische - und damit zugleich jüdisch-missionarische Positionen vertritt (Scilogs).

Auch nur ansatzweise kritische Stellungnahmen oder auch nur Zwischentöne zum Prinzip Monotheismus und zu all dem, was aus diesem Prinzip folgt, wird man bei ihm zu allen Zeiten vergebens finden (oder irren wir uns?). Ist das eines ausgewogen urteilenden Religionswissenschaftlers würdig?

Andererseits wird ein Höchstmaß an Geisteskraft aufgewandt, um das Prinzip Monotheismus in allen denkbaren Argumentationssträngen nach außen hin abzusichern und als unangreifbar, unkritisierbar darzustellen. Am liebsten natürlich mit der Antisemitismus-Keule. Was hätte man auch sonst noch?

Man bedenke: das Prinzip Monotheismus, das heute von allen Seiten im Grunde längst als das lächerlichste religiöse Prinzip erkannt ist, das denkbar ist und das die religiös und ethnozentrisch am leichtesten durchschaubaren Motive enthält, nämlich ethnozentrisch-jüdische, sprich völkisch-jüdische Motive. Für diese Motive steht Michael Blume aber immer dezidierter auch ganz persönlich ein. Ein wenig merkwürdig kommt uns das vor. Geradezu wie eine "Wandlung". Aber vielleicht wird einfach nur immer deutlicher, unverhüllter, wie Michael Blume immer schon eingestellt war. Vielleicht hebt er diese Einstellung nun nur unverschleierter hervor. 

Albrecht Dürer - "Jesus unter den Schriftgelehrten"

Sehr gut kann das aufgezeigt werden an seinem neuesten Blogartikel (Scilogs). Für das Gemälde von Albrecht Dürer "Jesus unter den Schriftgelehrten" (Abb. 1) ...

Abb. 1: Albrecht Dürer - Jesus unter den Schriftgelehrten

.... findet er die folgende, unseres Erachtens völlig unausgewogene, völlig einseitige und damit völlig falsche Charakterisierung (Scilogs) (Hervorhebung nicht im Original):

... Entsprechend dominierte in den christlichen Gemälden zum kindlichen Jesus im Tempel der Kontrast: Hier der weiße, erleuchtete Christus, dort die dunklen, verstockten, jüdischen Schriftgelehrten. Die semitische Alphabetschrift-Bildung ist hier zum Vorwurf der vermeintlich angeborenen Schlauheit und Verschlagenheit geworden. Ein bedrückendes Beispiel dazu fertigte Albrecht Dürer (1471-1528) um 1506: Bei ihm sind einige jüdische Schriftgelehrten nicht nur häßlich und nah am Tod, sondern geradezu teuflisch geraten. Jesus hat sich von ihnen bereits ab- und nach innen gewandt. Die ur-semitische Szene war antisemitisch umgedeutet worden. Daß der kleine Jesus drei Tage inmitten dieses Hasses im Tempel geblieben und überlebt haben soll, paßt in keiner Weise zur Feindseligkeit, die hier gemalt wurde.

Hier schimmert bei Michael Blume sogar eine emotionale Ablehnung christlicher Positionen hindurch, soweit und solange sie auch nur ansatzweise als "antisemitisch" begriffen werden können. Auch nur in den leichtesten Anflügen, und sei es auch nur, indem er etwas sieht, was gar nicht vorhanden ist. Wir halten - mit Verlaub - die Charakterisierung dieses Gemäldes für völlig überzogen. Die Schriftgelehrten sind alle - wie zumeist bei Dürer - als achtenswerte, ältere Männer dargestellt, sogar mit innerer Schönheit (was Michael Blume gar nicht wahrzunehmen scheint - aber das muß er ja auch nicht ...). Nur auf das einzelne Gesicht rechts vom Jesusknaben könnten die Worte von Michael Blume - bei der schlechtestmöglichen Deutung - zutreffen. Sieht man auf diesem Gemälde Haß? Ich, der Autor dieser Zeilen, sehe diesen auf diesem Gemälde schlichtweg nicht. Hier sieht Michael Blume etwas hinein, was gar nicht da ist. Und das mag einem sehr ungut erscheinen. Da mag über Michael Blume jeder denken, was er will. Ein deutscher Antisemitismus-Beauftragter, der schon in solchen Gemälden Antisemitismus sieht? Gott, Jehova, hilf! Oder Thor. Oder Odin. Oder sonstwer.

Ohne alle kritischen Einwände oder Vorbehalte bringt Michael Blume dann ein Beispiel für eine jüdische Jesus-Rezeption, die er - offenbar - für vorbildlich, für einen "Höhepunkt", und zwar nicht für einen "bedrückenden" hält (Scilogs):

Einen späteren Höhepunkt erlebte die jüdische Jesus-Rezeption mit dem norddeutschen Rabbiner Jacob Emden (1697-1776), der im 18. Jahrhundert schrieb, daß – Zitat -: „Jesus der Welt eine doppelte Güte zuteil werden ließ. Einerseits stärkte er die Torah von Moses in majestätische Art … und keiner unserer Weisen sprach jemals nachdrücklicher über die Unveränderlichkeit der Torah."

Nebenbei: Was für Worte. Es geht um nichts geringeres als um das Alte Testament, das durchtränkt ist von Völkermord, Völkerhaß und Rassismus. Und weiter:

"... Andererseits beseitigte er die Götzen der Völker und verpflichtete die Völker auf die sieben Noachidischen Gebote, so daß sie sich nicht wie wilde Tiere des Feldes aufführten, und brachte ihnen grundlegende moralische Eigenschaften bei … Christen sind Gemeinden, die zum himmlischen Wohl wirken und zu Dauerhaftigkeit bestimmt sind. Ihre Bestimmung ist zum himmlischen Wohl und die Belohnung wird ihnen nicht versagt bleiben.“

Jesus also als grundgütiger jüdischer Missionar. Der zudem die "Unveränderlichkeit" des Alten Tesaments "in majestätischer Art" stärkte. Was möchte man eigentlich mehr? Dies ist in der Tat ein sehr interessantes Zitat. Aber vorbildlich? Das ist einfach nur eine ethnozentrische, religiös-jüdische, missionarische Position. Die nichtjüdischen Völker verehren "Götzen", also Teufel, solange sie nicht an den jüdischen Gott glauben und sie führen sich wie wilde Tiere des Feldes auf, ihnen waren noch grundlegende moralische Eigenschaften beizubringen.

Keinerlei Vorbehalte, keinerlei Distanzierung von Michael Blume gegenüber diesem Zitat, das von vorne bis hinten alttestamentarischen Geist atmet wie er ethnozentrisch-jüdischer und religiös-missionarischer und implizit rassistischer (andere Völker und Kulturen, sowie ihre Wertigkeit abwertend) nicht sein könnte.

Nebenbei sei bemerkt, daß es völlig lächerlich ist, die jüdische Religion als die erste Schriftreligion zu bezeichnen (wie das Michael Blume in dem angeführten Artikel tut). Das ist eine merkwürdige Verliebtheit in diese Religion. Die bürgerlichen Schichten der antiken Welt waren alle sowohl religiös wie gebildet wie "schriftgelehrt". Es ist schon einigermaßen merkwürdig, was auf den Scilogs an unwissenschaftlichen Einseitigkeiten und Verliebtheiten alles veröffentlicht werden kann.

Die Grundaussage seines Artikels ist übrigens mit weiteren religions- und geistesgeschichtlichen Lächerlichkeiten befaßt. Aus antisemitischen Motiven habe man Ende des 19. Jahrhunderts Jesus nicht als Juden sehen wollen - was er natürlich immer war und immer sein wird.

Im Kommentarbereich seines Blogs findet eine sachliche, kritische, inhaltliche Auseinandersetzung wie vorstehend in diesem unseren Blogartikel unternommen, gar nicht mehr statt. Auch wir bitten diesen Blogartikel nur als nebensächliche Randbemerkungen aufzufassen. Er handelt von geistes- und religionsgeschichtlichen Fragen, mit Verliebtheiten, die lange - lange - verstanden sind. Und die doch von der Geistesgeschichte längst ad acta gelegt sind.

/ Nachbemerkung: Als Staatsbeamter dürfte Michael Blume inzwischen den einen oder anderen Mitarbeiter und damit auch den einen oder anderen Ghostwriter haben. Vielleicht ist es insofern auch gar nicht ganz richtig, solche Texte als Ausdruck gar zu persönlicher Überzeugungen und "Erkenntnisse" anzusehen. / 

Die beiden Michaels - Ballweg und Blume

Nachtrag 13.10.2020: Mit einem Interview für die TAZ (1) hat Michael Blume bei der Querdenken-Bewegung für heftigen Unmut gesorgt. Seine darin enthaltenen Theorien über antipreußische Ressentiments in Sachsen und Baden-Württemberg gegenüber "Berlin" seien hier einmal übergangen. Da scheint er doch "Verschwörungsmythen/Verschwörungstheorien" zu unterstellen, an deren Überprüfung, bzw. Überprüfbarkeit einem nicht zwangsläufig besonders viel liegen muß. (Hach, bin ich wieder böse in den Formuierungen, - - - Schulterklopf!) Ein wenig interessanter darf man vielleicht finden, daß hier - soweit ich sehe zum ersten mal in der gegenwärtigen Öffentlichkeit - die Anthroposophie in diesen Zusammenhängen zum Thema macht. Er macht das freilich nicht besonders konkret und detailliert. Zum Beispiel weist er nicht darauf hin, daß jener Ken Jebsen, den er ja wenig später ausdrücklich anspricht, auch aus dem Umfeld der Anthroposophen stammt. Blume geht also seiner These nicht sehr detailliert nach in diesem Interview. Immerhin, auf die Frage, warum ein Schwerpunkt der Querdenken-Bewegung im Südwesten Deutschlands zu finden ist, sagt er unter anderem (1):

Das liegt zum einen an der evangelischen Strömung des Pietismus, der sagt, man muß die Wahrheit selbst überprüfen. Die meisten heute schauen dafür dann aber nicht mehr in die Bibel, sondern ins Internet. Und wir haben die Anthroposophie, die sagt, wir haben ein überzeitliches Wissen. Da soll man sich von den Wissenschaften nicht unbedingt reinreden lassen.

Das finde ich immerhin eine wichtige, womöglich auch notwendige Aussage. Inwiefern sich Lebenseinstellungen, wie sie in größerer Häufigkeit in einem anthroposophischen Lebensumfeld vorzufinden sind, auf die Wirklichkeitswahrnehmung heutiger Menschen weit über dieses Lebensumfeld hinaus auswirken, ist - soweit ich das überblicke - noch wenig erforscht. Aber Michael Blume gibt hier einen sehr brauchbaren Hinweis, wie ich finde, wenn er von "überzeitlichem Wissen" spricht, was man hier glaubt zu besitzen, das sich dem jeweils aktuellen Stand des Wissens - scheinbar - nicht mehr wirklich der Überprüfung stellen muß, da seine "Überzeitlichkeit" ja von vornherein gesichert ist. Es würde dann also so etwas ähnliches vorliegen wie die - zuvor angesprochene - Bibel, von denen ja auch viele behaupten, sie würde "überzeitliches Wissen" beinhalten, das nicht zwangsläufig und durchgängig in konsequenten Abgleich gebracht werden müßte mit dem heutigen Kenntnis- und Bewußtseinsstand. (Und wenn, dann auf ziemlich "komplizierte", umständliche, sprich überhaupt nicht überzeugende Weise.)

Komisch ist, daß Michael Blume vor allem, bzw. nur auf den Pietismus Bezug nimmt, wenn er von der Anforderung spricht, man müsse die Wahrheit selbst überprüfen. Schließlich ist das schlichtweg die Aufforderung der Aufklärung. Aber - geschenkt! Worauf dieser Nachtrag aber eigentlich hinaus will, ist der Umstand, daß es einem doch mehr als berechtigt erscheint, wenn sich Michael Ballweg gegen die Aussagen, Verunglimpfungen wehrt, die in diesem Interview von Michael Blume formuliert werden, wenn er auf die Frage "Sind denn die selbsternannten Querdenker automatisch Antisemiten?" sagt (1):

Der Antisemitismus bildet beim Verschwörungsglauben immer die Spitze, weil alles darauf hinausläuft, daß Juden die Weltverschwörer sind. Bei Querdenkern war das von Anfang an sehr stark. Michael Ballweg hat zu seiner ersten großen Demonstration den Antisemiten Ken Jebsen eingeladen. Sein Pressesprecher ist in der Reichsbürgerszene aktiv. Dazu kommt das Bekenntnis zur QAnon-Bewegung, die die Erzählung verbreitet, eine Elite, zu der natürlich auch Juden gehören, halte sich durch die Körperzellen von Kindern jung. Das ist nur die etwas modernisierte Fassung von antisemitischen Mythen aus dem Mittelalter.

Das finde ich ein außerordentlich krasses Zitat von Seiten eines Staatsbeamten. Sehr kraß. Und zutiefst unredlich. Ken Jebsen einfach nur "cum grano salis" als "Antisemiten" zu bezeichnen - ist das wirklich redlich? Ist das redlich? Ich meine nicht. Diese ausufernde Antisemitismus-Riecherei bei Michael Blume - ich stehe ihr - wie ich ja oben schon beim Thema Dürer zum Ausdruck gebracht habe - mit der allergrößten Skepsis gegenüber. Mit der allergrößten Skepsis.

Und soll das nun heißen, daß jeder, der mit Ken Jebsen zusammen arbeitet, ebenfalls zurecht des Antisemitismus verdächtigt wird? Wieviele hunderte und tausende von Denkern, die sich am Rande oder abseits des Mainstream bewegen, würden davon dann mitbetroffen sein? Wie obskur ist das denn? Das geht einfach zu weit. Viel zu weit.

Zu dem Pressesprecher will ich jetzt nicht recherchieren. Für mich wäre auch die Frage: Ist man als "Reichsbürger" zwangsläufig antisemitisch? Das ist mir alles zu holzschnittartig gezeichnet, entschieden zu holzschnittartig. Dasselbe gilt für QAnon. Wenn ich Blume (ich meine: "Michael", wir waren ja mal per Du) recht verstehe, ist QAnon deshalb antisemitisch, weil sie einer Elite böse Dinge unterstellt (ich verkürze). Und einer Elite würden ja auch Juden angehören. Und Juden hat man ja schon immer böse Ding unterstellt. So kann man jede Eliten-Kritik als antisemitisch umdeuten. Jede.

Michael, Michael, Du gehst einen sonderbaren Gang. Diese krasse Art zu verunglimpfen, geht in weiteren Teilen des Interviews übrigens weiter:

Antisemitismus bildet da eine Querfront für eine Bewegung, die nur durch ein gemeinsames Feindbild verbunden sind, nicht durch eine positive Vision.

Das ist mir einfach bei weitem nicht sauber genug durchdekliniert und differenziert genug formuliert so wie sich das für einen ordentlichen Wissenschaftler gehört und so wie ich das - auch - bei Michael Blume eigentlich immer als selbstverständlich unterstellt hatte. Michael Blume höhnt dann auch noch auf Twitter, daß Michael Ballweg sich gegen diese undifferenzierten Vorwürfe wehrt (2).

Nachtrag, 13.9.2023: Michael Blume berichtet, daß sein Familienname Blume jüdischer Herkunft ist und im 18. Jahrhundert von Juden angenommen worden ist, daß die Träger dieses Namens aber schon früh zum Christentum übergetreten seien und dann nichtjüdische Ehepartner geheiratet hätten (Scilogs12.9.2023):

"Früh zum Christentum konvertierte Blumes wie meine Vorfahren vermischten sich dagegen - laut Genauswertungen meiner Familie kamen vor allem skandinavische und dann norddeutsche Einflüsse hinzu. Eine Großmutter heiratete aus der Schweiz ein."

Uns drängt sich insgesamt der Eindruck auf, als ob sich bei Michael Blume vergleichsweise früh im Leben eine besondere Identifikation mit dem Judentum angebahnt hat (oder auch von außen bei ihm angebahnt wurde), obwohl er offenbar vornehmlich nichtjüdische Vorfahren hatte. Diese besondere Identifikation konnte dann bei seinem offenbar geringen Anteil jüdischer Vorfahren in der männlichen Linie anknüpfen.


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  1. Benno Stieber: Antisemitismusbeauftragter Michael Blume über Corona-Leugner, 2.10.20, https://taz.de/Antisemitismusbeauftragter-ueber-Corona-Leugner/!5712778/ 
  2. https://twitter.com/BlumeEvolution/status/1312798966535393280

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