Mittwoch, 27. April 2016

Mein Genom: Es wurde sequenziert

Ein großer Tag
Your reports are ready!
heißt es vielleicht etwas unspektakulär in der Betreffzeile. Und doch ist es ein großer Tag heute. Soeben habe ich die Ergebnisse der Genom-Sequenzierung, die ich im Januar bei 23andMe für 150 Euro in Auftrag gegeben hatte, erhalten (GA-j! 01/2016, 02/2016). Lange genug hat es ja gedauert.

Ich protokolliere gleich das Lesen der Ergebnisse mit. Die Zusammensetzung meiner Vorfahren ("Ancestry Composition") ist laut der Ergebnisse zu 100 % europäisch.

Davon 30 % "französisch und deutsch" und 40 % "allgemein nordwesteuropäisch", weitere 11 % "britisch und irisch", 7 % "osteuropäisch". Das deckt sich womöglich alles recht gut mit meinem mir durch Ahnen- und Kirchenbücher-Forschung recht gut bekannten Stammbaum. In diesem Stammbaum gibt es nämlich in der Tat auch eine Urur...großmutter aus Leeds in England (Familienname Moore) und eine eben solche aus Ungarn. (Das werde ich in den nächsten Tagen noch genauer nachtragen welchen rechnerischen Anteil diese beiden Vorfahren-Linien in meinem Stammbaum haben.)

Mein Genom ist sequenziert - Die Ergebnisse sind da!

Weiterhin wird genannt: 2 % skandinavisch, 1,7 % allgemein südeuropäisch, 1,4 % Balkan. Das könnte sich decken mit der Tatsache, dass es auch eine Ururur...großmutter aus einer venezianischen Adelsfamilie gibt (der Familie Nobile Cicogna). Interessanterweise gibt es unter meinen Vorvätern und -müttern auch zu 0,5 % aschkenasisch-jüdische Vorfahren. Das muss in meine Vorfahrenlinien gekommen sein vor dem 17. Jahrhundert, denn soweit ich meinen durch Kirchenbücher bekannten Stammbaum überblicke, hat es dort niemanden mosaischer Religion gegeben.*)

Deine Gene sind da, kleiner Mann (Aufnahme von 1966)

Die Zusammensetzung meiner Vorfahren-Linien ist auch nach Chromosomen gegliedert. Auffälligkeiten: Die jüdische Vorfahren-Gruppe hat sich allein auf Chromosom 11 gehalten als Haplotyp. Das habe ich - vermute ich jetzt mal - wohl eher von meiner Mutter als von meinem Vater, meine Mutter ist eine europäische Mischung, während mein Vater nur Vorfahren aus dem westlichen Havelland hat. Ich glaube, ich sollte meiner Mutter zum Geburtstag mal ein Starterkit schenken, um diesbezüglich ein wenig weiter zu kommen! 

Mein X-Chromosom wird hier als einheitlich "osteuropäisch" angegeben. Osteuropäisch soll auch ein Strang des Chromosoms 9 sein. - Welches von den übrigen 22 Chromosomen ist aber nun eigentlich das Y-Chromosom, frage ich mich gerade.

Und wie passt das damit zusammen, dass mein mitochondriales Genom, das doch in ähnlicher Weise vererbt wird wie das X-Chromosom (.... oder nicht?) "I5a" ist? Haplogruppe I hat heute seine größte Häufigkeit weltweit in Norwegen (laut 23andMe). Weiter. Mein Y-Chromosom und damit das meines Vaters, Großvaters väterlicherseits und so weiter weist - laut 23andMe - Haplogruppe I2b1* auf:
Today the I2b1 branch of I2 is common in the Netherlands and Germany,
sagt "23andMe". Und das passt nun auch in der Tat hervorragend zu der Tatsache, dass der Familienname Bading (wohl) von dem Dorf Bading bei Stendal in der Altmark herstammt, höchstwahrscheinlich germanischen Ursprungs ist ("Bad-" für Bote oder Gebieter, "-ing" für jung), und dass die Mark Brandenburg und das Havelland bis zum Fläming im Hochmittelalter - bekanntlich - vor allem durch Siedler aus Holland und Flandern besiedelt worden ist. Das war schon seit längerem Wissen, bzw. Vermutung in unserer Familie, dass wir von diesen Siedlern aus Holland und Flandern abstammen - wie wohl auch sonst ein großer Teil der traditionellen größeren Bauern in den Straßendörfern der Mark Brandenburg (die 1953 und später zu großen Teilen nach Westdeutschland gegangen sind). (Unser Hof hatte 44 ha.)

- Das sind erst mal nur die ersten groben Ergebnisse ohne weitere eigene Recherche in der Forschungsliteratur oder auf Internetblogs und -foren, wo man sich über all das noch weiter austauschen kann.

Hallo Verwandte!

Nun klicke ich weiter zu "DNA Relatives - View 23andMe-members who share DNA with you". Und was entdecke ich dort? Einen männlichen Cousin ersten Grades in den USA. Nanu? Hat einer meiner beiden dortigen Cousins auch schon seine Gene sequenzieren lassen? Hätte ich ja gar nicht gedacht! 10,9 % des Genoms teilen wir laut Angaben von 23andMe, wobei ich mich grade frage, ob das reicht, uns Cousins ersten Grades zu nennen. Sollten echte Cousins aufgrund von familiärer Abstammung nich - zumindest rein rechnerisch - ein Achtel ihrer Gene teilen (laut Voland/Soziobiologie 2000, S. 6)? Das wären dann 0,125, also 12,5 %. Kann das ein echter Cousin sein, wenn er nur 10,9 % gemeinsame Gene mit mir hat? Aber wie könnte sonst noch eine solche Gemeinsamkeit zustande kommen? - ??? (Es wurde von 23andMe angeboten, dass ich eine Email-Anfrage an meinen namentlich unbekannten Cousin senden kann, das habe ich auch gerade getan, bin gespannt auf die Antwort.)

Eine Kanadierin (sogar mit Name!) wird mir genannt als Cousine 3. bis 5. Grades. Hallo, Cousine! Sie ist aber "nur" englischer, schottischer und irischer Abstammung. Spannend. Oder verrückt. Wir teilen 0,68 % unserer Gene. Cousins und Cousinen 3. bis 6. Grades nennt mir 23andMe noch allerhand mehr! :) Vor einigen Jahren hat ja eine für mich aufsehenerregende Studie herausbekommen, dass auf Island am häufigsten Heiraten geschlossen werden zwischen Cousins und Cousinen, glaube, 2. (oder 3.?) Grades. Und zwar ganz ohne dass diese Menschen um dieses Verwandtschaftsverhältnis wüssten. Also eher unbewusst. Das fand ich schon damals sehr spannend. Deshalb - vielleicht - schade, dass mir hier vorerst Verwandten 2. oder 3. Grades so sicher nicht genannt werden können.

Kein Gesundheitsbericht von 23andMe in Deutschland - Mist!

Ein Cousin 5. Grades allerdings wohnt in Deutschland, auch mit Name genannt! Sieben weitere Cousinen und Cousins, zumeist 5. Grades ebenfalls. In Polen sogar 9, in New York 26, Philadelphia 12 und so weiter. Sogar einer in Japan (?!?), fünf in Russland.

Ups, nach Nachnamen-Übersicht tragen die meisten meiner entfernten Verwandten (ab 5. Grades) jüdische Familiennamen: Friedman, Levy, Schwartz, Goldberg, Cohen. Hallo, Verwandte! (Womöglich spiegelt sich in dieser Angabe auch nur wieder, dass aschkenasische Juden bei 23andMe schon zu überproportional hohen Anteilen Kunden sind, was passen würde zu dem hohen Interesse, das es in dieser ethnischen Gruppe überhaupt gibt an Abstammungs- und genetischen Fragen.)

Im Gegensatz zum durchschnittlichen Europäer mit 2,6 % Neandertaler-Genabschnitten habe ich nur 2,5 % derselben. ... Ääähm, und nun bin ich gerade auch etwas verwirrt. Mit Cousins 3. Grades teile 0,68 % der Gene, aber mit Neandertalern 2,5 %? - ??? Als was für Verwandte soll ich denn dann die Neandertaler bezeichnen? - - - Aha, beim genaueren Überlegen dämmert's womöglich: Bei dieser Prozentangabe sind ja die individuellen Unterschiede zwischen Neandertalern gar nicht mitgerechnet, berücksichtigt, bei den Angaben zu meinen jetztmenschlichen Cousins und Cousinen aber schon ...

Das ist zunächst die letzte Angabe, die ich auf's erste finde. Wo aber finde ich nun Angaben zu Genen, die meine Gesundheit, Körpermerkmale, psychischen Merkmale bestimmen? Ich werde wohl noch weiter suchen müssen. Dies erst mal als ein erster Eindruck. - Aktualisierung, 29.4.16. Tja, erst mal große Enttäuschung. Das, was mir fehlt, ist sehr umfangreich und nennt sich "Health Report". Und erst indem ich auf dem Forum von 23andMe herumfrage, erfahre ich:
Germany is one of the countries that doesn't receive health reports (but where customers also pay a lower price excluding shipping). Unknown if they'll eventually be provided.
- Aktualisierung, 4.5.16: Gestern (3.5.) erhielt ich das auch von 23andMe selbst bestätigt:
Hello Ingo, Thank you for contacting the 23andMe Team. 23andMe does not provide health reports to customers in Germany. Customers in your region currently receive uninterpreted raw genetic data, as well as ancestry information. We apologize if the current product offering was not clear to you at your time of purchase. Note, however, that 23andMe has taken several measures to inform potential customers of the service they are purchasing. Customers must read through and agree to health report disclaimer on the order page prior to proceeding. A similar disclaimer is provided during the barcode registration process. You can review this disclaimer on the order page here: https://store.23andme.com/en-int/cart/ It is possible that additional reports or products may be available in the future. However, regulatory bodies in your region may have requirements that prohibit the sale of or require changes to specific reports or products. Additional charges for new products may apply. Please let us know if you have any additional questions. Best Regards, The 23andMe Team
Also erlaubt das die Gesetzgebung in Deutschland nicht? (???) Übrigens muss das unter dem Kleingedruckten geschrieben worden sein. Naja, das Geld ist nicht zum Fenster hinaus geworfen. Man hat die Rohdaten und jetzt gilt es, andere Orte zu suchen, wo man einen Gesundheitsbericht mit ihnen erhalten kann.

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*) Ergänzung 27.5.17. Wo dieser aschkenasisch-jüdische Vorfahre auftauchen muss, lässt sich ja ausrechnen. Von Generation zu Generation zurück gerechnet verdoppelt sich jeweils der Anteil jener, die zu meinem Genom beigetragen haben und halbiert halbiert sich jeweils der Anteil der Gene jedes einzelnen, die er zu meinem Genom beigetragen hat: In der ersten  Generation tragen zwei Eltern zu je 50 % bei. In der zweiten Generation vier Großeltern zu je 25 % .... In der sechsten Generation tragen 64 Vorfahren zu je 1,5625 % zu meinen Genen bei. In der siebten Generation tragen 128 Vorfahren zu je 0,78125 % zu meinen Genen bei. In der achten Generation 256 Vorfahren zu je 0,39 %. Das heißt: 0,5 % ist also zunächst einmal rein rechnerisch gar nicht möglich. Jedenfalls bedeutet das, dass etwa innerhalb der siebten Generation einer von 128 Vorfahren aschkenasisch-jüdischer Herkunft war. Wählt man einen durchschnittlichen Generationenabstand von 30 Jahren, sollte der- oder dieselbe vor grob 200 Jahren gelebt haben, sagen wir also grob zwischen 1750 und 1800 (eher früher). Es muss immerhin nicht ganz unmöglich sein, diesen Vorfahren im Stammbaum zu finden.

5 Kommentare:

  1. "Sollten echte Cousins aufgrund von familiärer Abstammung nich - zumindest rein rechnerisch - ein Achtel ihrer Gene teilen."
    Ich weiß jetzt nicht ob diese Aussage ganz ernst gemeint war.
    Wir haben zwar mit unseren Eltern ziemlich genau 50% der "Gene" gemeinsam. Doch liegt bei zwei Geschwistern der Anteil an geteilten "Genen" jeweils irgendwo zwischen 0 und 100%, und lediglich im Schnitt bei 50%.(Hundert Prozent im Fall von eineiigen Zwilligen, doch auch bei etwa 50% der Geschwister im unter 50%igen Bereich.) Ähnlich verhält es sich bei Cousins.

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  2. Also, den Gesundheitsbericht kriege ich vorerst mal nicht. Das ist großer Mist. Habe meinen rohen Datensatz deshalb gleich bei OpenSNP hochgeladen, wo ich ihn sowieso hochgeladen hätte. Und dort erregt gleich - zu meinem Erstaunen - meine mitochondriale Haplogruppe Aufmerksamkeit. Habe schon zwei Zuschriften. Die erste über meinen 23andMe-Account:

    From: ...
    Subject: mtDNA Haplogroup I5a2

    Hello Ingo,

    My name is ..., and I am an administrator of the mtDNA Haplogroup I Project. I am interested in research and development of Haplogroup I.

    From OpenSNP, I learned that you belong to Haplogroup I5a2. The markers that distinguish it from I5a are A3615G and A8742G. It is fascinating to see that you have additional variants that I have never seen in Haplogroup I. These variants are G1664A and G15466A.

    In the mtDNA Haplogroup I Project, the maternal lines of some of our (few) I5a2 members are also from Germany. So far, one separate branch of I5a2 has been identified: I5a2a. In the future, more will be discovered.

    With your rare markers , it appears that you belong to a subclade of I5a2 that has not yet been identified. To discover your specific subclade status and maximize knowledge of your mtDNA line heritage, I would like to recommend that you get Full-Sequence mtDNA testing. As you may known, 23andMe only tests about 10% of the mtDNA sequence. Knowing the other 90% of your mtDNA results would enable you to find out your exact subclade status. It will equip you to know where you fit on the mtDNA tree, both now and in the future as new subclades are found.

    At Family Tree DNA, full sequence testing will also provide you with a list of mtDNA matches at several matching levels, along with the ancestral origins of the matches when known.

    By the way, some things we have in common are German ancestry, and I also belong to I5 (although, a different branch: I5c1).

    If you are interested, here is a link to the mtDNA Haplogroup I Project.
    https://www.familytreedna.com/groups/mt-dna-i/about/background

    Here is a link to Family Tree DNA (FTDNA), which does full-sequence mtDNA testing (mtFull-Sequence test).
    https://www.familytreedna.com/

    If you have any questions, let me know.

    Best regards,

    ...

    Habe erst mal gefragt, ob mich das tatsächlich die angegebenen 199 Dollar kosten würde. Und hier die zweite Zuschrift über meinen OpenSNP-Account:

    Subject: Your 23andMe Results (mtDNA)

    Hello Ingo

    I am pleased to see your 23andMe results on this website.

    You belong to mtDNA Haplogroup I5a2
    and you may be interested to look at:
    http://www.ianlogan.co.uk/23andme/23andme_opensnp.htm
    where I have added your name.

    And also at:
    http://www.ianlogan.co.uk/sequences_by_group/i5_genbank_sequences.htm
    which gives details about Haplogroup I5a2

    Do let me know if you have any questions.

    ...

    Das geht ja flott. Wird eine Zeit dauern, bis ich mich in die Thematik weit genug eingearbeitet habe, um hier mitreden zu können. Aber vielleicht können mir Kommentatoren ja schon mal zwischendurch was erklären ... :)

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  3. Hier finden sich weitergehende Auskünfte
    https://en.wikipedia.org/wiki/Haplogroup_I_(mtDNA)

    "Haplogroup I has so far been absent from ancient European samples found in Paleolithic and Mesolithic grave sites. One early example has been found in Neolithic Spain (c. 5000 cal BC in Paternanbidea), but its subclade was not determined. Haplogroup I displays a strong connection with the Indo-European migrations; especially its I1, I1a1 and I3a subclades, which have been found in Poltavka and Srubnaya cultures in Russia (Mathieson 2015), among ancient Scythians (Der Sarkissian 2011), and in Corded Ware and Unetice Culture burials in Saxony (Brandt 2013)."

    Hm, von Haplogruppe I5 ist da ja noch nicht die Rede. I5 findet sich in der dann folgenden Tabelle aber in der minoischen Kultur 2400 bis 1700 v. Ztr. I5c in der späten Bronzezeit in Russland und Armenien.

    I5a im Yemen und bei den Hutterern.

    hmmmmmmm ..... Ich kann ja mal meine mütterliche Linie so weit zurück verfolgen, wie es geht. Die Mutter meiner Großmutter mütterlicherseits ist eine geborene von Samson Himmelstjerna. Deren Mutter ist eine geborene Morley, die auf Auckland in Neuseeland geboren wurde (deren Vater aber aus Leeds in England stammt). Und deren Mutter ist eine Elisabeth Locker, geboren in Uttoxeter, Staffordshire, am 9. Feb. 1834! Und damit endet vorerst mein mütterlicher Stammbaum!!! WUSSTE ich gar nicht, bzw. das war mir gar nicht (mehr) bewusst, dass meine Mitochondrien und mein X-Chromosom aus England stammen!!! :) Also stammt daher auch Haplotyp I5a2.

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  4. Elizabeth Locker stammt also aus Mittelengland, etwa auf halbem Weg zwischen London und Liverpool.

    https://www.myheritage.de/names/mary_morley

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