Sonntag, 18. August 2013

Ulrike Meinhof - okkultgläubig wie Verena Becker, Gudrun Ensslin und Christian Klar?

Manche Ähnlichkeiten zwischen Verena Becker und Rudolf Heß sind auffallend

Der folgende Blogartikel wurde schon - gemeinsam mit einem anderen - vor zwei Jahren hier auf dem Blog veröffentlicht (16/02/2011, 18/2/2011), nämlich während des Prozesses gegen Verena Becker in Stuttgart-Stammheim. Er soll hier noch einmal gebracht werden, um unten eine wichtige, bestätigende Ergänzung und Erkenntniserweiterung anzufügen.

Vor zwei Jahren hatten wir geschrieben: Es mag auf den ersten Blick oberflächlich, blöd, verletzend oder wie auch immer sonst klingen und es ist natürlich auch nach vielerlei Richtungen hin völlig verkehrt. Sensationsheischend wollen wir mit solchen Thesen jedenfalls nicht herüberkommen.

Dennoch: Hat Verena Becker vor Gericht in Stuttgart nach den Pressefotos der letzten Monate nicht einen *irgendwie* ähnlichen Gesichtsausdruck wie Rudolf Heß 1945/46 in Nürnberg? Und ist nicht sogar das Verhalten von beiden vor Gericht sehr ähnlich? Ja, es wird mehr oder weniger Zufall sein: Aber man könnte sie sogar rein physisch für Vater und Tochter halten.

Warum kommt uns das nur in den Sinn? Rudolf Heß war definitiv okkultgläubig und hat sich von einer Wahrsagerin, die für den britischen Geheimdienst arbeitete, 1941 dazu verleiten lassen, nach England zu fliegen (siehe Schmidt / "Botengang eines Toren") (siehe inzwichen jüngere Beiträge hier auf dem Blog zur "Schicksalsgläubigkeit des Adolf Hitler"). Er hat auch in der Gefangenschaft und vor Gericht viele Verhaltensweisen an den Tag gelegt, die sich auf diese Okkultgläubigkeit zurückführen lassen.

Daß sich Verena Becker viel mit Esoterik beschäftigt hat, steht nicht nur, wie im vorletzten Beitrag hier auf dem Blog kurz erörtert wurde (16/02/2011), in der Bild-Zeitung, sondern ist in allen Medien verbreitet worden. Das kann man schnell den ersten Google-Treffern zu den Suchworten "Verena Becker esoterisch" entnehmen. Im folgenden eine chronologisch geordnete Auswahl (Süddt. 30.8.10):
Die frühere RAF-Frau Verena Becker, die 1989 begnadigt worden war, ist Heilpraktikerin geworden. Die 57-Jährige betet und sucht Sinn im Über-Sinn der Esoterik. Das ist in ihrem Fall nicht nur Homöopathie für den Hausgebrauch - sie schätzt das "intuitive Schreiben", bei dem einer sofort niederschreibt, was ihm gerade durch den Kopf geht. Akademien empfehlen die Methode als "Weg, um mehr über sich zu erfahren, die eigenen Wünsche besser kennenzulernen und der inneren Stimme Gehör zu verschaffen: Schreibend finden Sie Orientierung und tanken Selbstbewusstsein".  

Dieser Weg zur Selbsterkenntnis hat die schwerkranke Becker nun in die Untersuchungshaft geführt. Als Fahnder einige der in der vorvergangenen Woche in ihrer Wohnung sichergestellten Notizen auswerteten, stießen sie auf tagebuchähnliche Einträge zum sogenannten "bewaffneten Kampf". Keine Pamphlete, sondern Dialoge mit sich selbst.

Noch sind nicht alle Unterlagen ausgewertet und auch die vielen esoterischen Exkurse, die auf der sichergestellten Festplatte zu finden sind, bedürfen noch der Aufarbeitung, aber schon die erste Lektüre elektrisierte die Fahnder. Becker fragte Becker nach ihrer Verantwortung für den Anschlag eines RAF-Kommandos im April 1977, bei dem der damalige Generalbundesanwalt Siegfried Buback und zwei seiner Begleiter starben. Auch beschäftigte sich Becker intensiv mit der Frage, ob sie Kontakt zu Michael Buback aufnehmen solle, dem Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts.
Richter Wieland verliest dann eine Passage aus Notizen von Becker, die sie am 7. April 2008, dem 31. Jahrestag des Buback-Mordes, verfasst hat. Sie habe überlegt, ob sie für Buback beten solle. Aber: "Die Zeit für Reue und Schuld ist noch nicht da." Es sei "noch ein weiter Weg". Zur Sprache kommt auch, dass Becker einen Brief an Michael Buback, den Sohn des Ermordeten, verfasst habe. Auf Anraten ihres Anwalts habe sie das Schreiben jedoch nie abgeschickt. "Spirituell haben Herr Buback und ich einen Konflikt, den es noch zu heilen gilt" , hatte Becker laut Vernehmungsprotokoll erklärt. 
"Die Zeit der Reue und Schuld ist noch nicht da."

... Und Rudolf Heß sagte: "Ich bereue nichts!" Das sind schon recht auffallende Parallelen. Oder (Tagblatt, 1.10.10):
Dazu kommen Schriftstücke, die Becker im Rahmen einer esoterischen I-Ging-Befragung angefertigt habe, die ebenfalls ihre Täterschaft belegen sollen.
An dieser Stelle übrigens der Hinweis auf den noch heute wichtigen Blog von Michael Buback zum Prozeß gegen Verena Becker. Wenn man gründlicher sucht im Netz, findet man vielleicht noch weitergehendere Angaben zu den esoterischen Interessen von Verena Becker, als diese wenigen. (Zu den ebenfalls vermuteten esoterischen Interessen von Christian Klar finden sich übrigens derzeit - zumindest auf den vorderen Googleplätzen - keine Hinweise.)

Wir wollen hier durch den rein äußeren Vergleich zwischen Verena Becker und Rudolf Heß niemanden der Angehörigen oder der Opfer beleidigen oder verharmlosen. Wir wollen nur darauf hinweisen, daß Okkultgläubigkeit gegebenenfalls zu ähnlichen Verhaltensweisen und zu ähnlicher Mimik vor Gericht bei Anklage wegen Mordes führen kann. (Irre: Sogar dunkle Brillen sind von einigen Angeklagten in Nürnberg getragen worden ...)

Ulrike Meinhof - "sehr stark in den okkultistischen Sog hineingeraten"

Erschienen 1979
So, und jetzt (18. August 2013) finden wir in dem nicht unwichtigen Buch "Das Testament des Bösen" des Journalisten Horst Knaut, eines verdienstvollen Vorgängers von Guido Grandt, aus dem Jahr 1979 folgenden mehr als interessanten Hinweis (1, S. 296 - 299; Hervorhebungen nicht im Original):
"Wer einmal in diesem Boot sitzt, der kommt da so schnell nicht wieder raus" - das sagte mir vor zwölf Jahren eine Hamburger Journalistin. Mit ihr unterhielt ich mich über Okkultismus. Und sie wußte mir aus diesen Bereichen einiges zu erzählen.

Damals konnte ich nicht ahnen, wie oft ich noch in den folgenden Jahren an diesen Ausspruch gerade aus dem Mund dieser Frau denken sollte. Schon einige Zeit danach konnte ich ihren Satz ergänzen: "Wer einmal in diesem Boot sitzt, der kommt da so schnell nicht wieder raus - oder er kommt darin um!"

Die Journalistin aus Hamburg, mit der ich einen langen Abend zusammengesessen hatte, lebt nicht mehr, Sie ist an den Folgen eines Wahnzustandes umgekommen, der mit den hier geschilderten Phänomenen in enger Beziehung steht. Die Frau hieß Ulrike Meinhof.

Zu Beginn des Jahres 1967 war ich mit Recherchen für eine erste Dokumentationsreihe über Okkultismus in Deutschland beschäftigt. Damals wußte ich nicht allzuviel über diese Bereiche des Glaubenslebens in unserer modernen Umwelt. Es war nicht nur für Journalisten ein weitgehend unerforschtes Niemandsland. Selbst sogenannte Sekten-Experten konnte nicht viel Brauchbares sagen - ihre Bücher waren überaltert, und den Nachkriegsstand hatten sie noch nicht aufgearbeitet. Hinzu kamen die neuen religiösen Sektenwellen aus Amerika, die sie gar nicht so schnell auffangen konnte. Mich reizte das Thema ungemein, schon weil es in unseren Redaktionskonferenzen so viele widersprüchliche Meinungen dazu gegeben hatte. Der "nüchterne" Kollege von den politischen Nachrichten sah die Dinge ganz anders als der Feuilletonist, der ein Theologie-Studium hinter sich hatte. Und der protestantische Kollege von der Abendschau urteilte wieder anders als der Kollege vom Ressort Wirtschaft, der ursprünglich einmal Philologe werden wollte. Bedenken über Bedenken wurden angemeldet: Man könne bei den katholischen Mitgliedern des Rundfunkrates anecken, meinten einige denn wenn man in solch ein Thema tiefer einstiege, dann führe das letztlich auch zu den Springprozessionen, zur Therese von Konnersreuth, zum Weihwasser und zum Reliquienzauber. Oder: Vorsicht! Die Freimaurer, besonders die einflußreichen FDP-Leute unter ihnen, könnten Rabatz machen! Kurzum: Es war ein heißes Thema, in das ich mich da eingelassen hatte.

Zu dieser Zeit bereitete eine andere Redaktion eine neue Sendung vor, zu der man die ultralinks engagierte Journalistin aus Hamburg eingeladen hatte. Das war Mitte Februar 1967.

Ich sehe uns noch am Tisch einer kleinen Pension unterhalb des Stuttgarter Fernsehstudios sitzen.

Von Ulrike Meinhof erhielt ich für mein Filmvorhaben und ein sich später daraus ergebendes Sachbuch einige gute Tips. Sie machte mich auf okkultistische Literatur aufmerksam, die mir noch nicht bekannt war. Und sie gab mir auch zwei oder drei Adressen von Okkultisten in der Bundesrepublik und in der Schweiz, von "Geheimen" sozusagen, von denen einer dann auch bereit war, in meinen Filmdokumentationen ein Statement zu geben und einige okkulte Praktiken zu demonstrieren.

An richtige Okkultisten heranzukommen, ist schwierieg. Besonders als Journalist wird man meistens abgewiesen. Nur die Pseudookkultisten, Quacksalber und Geschäftemacher unter ihnen empfangen gern Reporter und setzen sich in Szene. Das Eindringen in einen richtigen okkultistischen Zirkel kann man etwa mit einem Empfang in einem Mafia-Kreis vergleichen.

Diese Verborgenen suchte ich, und ein klein wenig half mir dabei auch Ulrike Meinhof. Wenn es nicht viel war, was sie mir sagte, so waren es doch ein paar Mosaiksteinchen mehr, die ich zusammenlegen konnte. Und dieses Zusammenlegespiel der Steinchen und Splitter brachte mich schließlich immer weiter.

Wenn ich resümiere, dann entstammten die wenigen ersten Verbindungen, die ich einst auch über Ulrike Meinhof hatte anknüpfen können, nicht nur dem allgemeinen Neugierwissen einer Frau über den "Prickel", den der vulgäre, kommerzielle Okkultismus nun einmal für viele auslöst. Sie wußte doch mehr über okkultistische Lehren, obwohl sie dem Okkultismus nicht verfallen war.

Schon einige Zeit nach der Begegnung in der kleinen Pension war Ulrike Meinhof das Tagesgespräch in der Bundesrepublik Deutschland und darüber hinaus. (...) "Wer einmal in diesem Boot sitzt ..." Wenn ich meine Notizen aus jener Nacht nachlese, dann denke ich, daß sie doch sehr stark in den okkultistischen Sog geraten sein mußte. Zumindest war der Okkultismus ein "Mittäter" bei ihren späteren politkriminellen Unternehmungen. (...)

Kurz vor Drucklegung dieses Buches erfahre ich aus München, daß auch die Terroristin Gudrun Ensslin, die Pfarrerstochter, dem Okkultismus nahegestanden oder zumindest mit ihm geliebäugelt hatte. Von einem evangelischen Pfarrer aus Bad Cannstatt wird mir diese Information bestätigt. Gudrun Ensslin und auch später mehrere Mitglieder der Gruppen, die den Kammergerichtspräsidenten von Drenckmann erschossen und den Berliner Politiker Peter Lorenz gefangengehalten hatten, waren interessierte Käufer von okkultistischer Literatur in einem Westberliner Buchladen für Geisteswissenschaften.

Einige dieser "Geisteswissenschaften", die zum Teil gar nicht mehr unter dem Ladentisch gehandelt werden, habe ich selbst an ihren Lehrstätten kennengelernt - darunter die Lehrsätze: "Du sollst Freude am Erschlagen haben!" "Foltert und martert!" "Erbarmen laßt beiseite!" und das "heilige" Baphomet-Gebot, wonach man jeden töten könne, der einem die Rechte einer totalen Freiheit zu nehmen gedenkt. (...)

Auch der Ex-Verfassungsschützer Nr. 1 Günther Nollau, empfiehlt in seinen Memoiren, Religiosität und Okkultismus in das vorterroristische Terrain mit einzubeziehen.
Nun, diese Empfehlung braucht heute, nach 9/11 etc., niemandem mehr gegeben werden ... Dennoch sollte sie noch einmal im Wortlaut herausgesucht werden. (Google und Google-Bücher lassen einem im Stich, aber auch E. R. Carmin zitiert sie in "Das schwarze Reich".)

Wie leicht mit Wahrsage-Gläubigkeit Demokratien und Diktaturen gelenkt werden können 

Das dürften jedenfalls wesentliche Ergänzungen zum Kenntnisstand sein. Auf diese Ausführungen von Horst Knaut wurde auch in der Polizei-Zeitung Baden-Württembergs (4/1981) positiv Bezug genommen. Und dazu paßt doch irgendwie, daß Helmut Schmidt den "Bohemian Groove" besucht hat und von ihm begeistert war und daß zahllose deutsche Geheimdienstchefs (Walter Lohmann, Wilhelm Canarais, Arthur Nebe, Heinrich Himmler, Walter Schellenberg, Otto Schily - wer noch?), Politikberater (Karl Haushofer - wer noch?), sowie die von ihnen beratenen oder gelenkten Regierungschefs und -mitglieder (Adolf Hitler, Rudolf Heß, Ronald Reagan - wer noch?) oder einflußreichen Zeitungsverleger (Axel Springer - wer noch?) astrologie- und okkultgläubig waren oder sind, wenn nicht sogar dem Satanismus nahe gestanden haben (Hans Bernd Gisevius) oder ihm noch nahestehen (nach der Aussage von Renate Rennenbach). (Von den hier auf dem Blog schon behandelten Literaturnobelpreisträgern und ihren Freunden ganz abgesehen.)

Googelt man "Ulrike Meinhof okkult", findet man nur zwei oder drei Hinweise, die auch auf das Buch von Horst Knaut zurückzugehen scheinen. Ob sich dazu etwas findet in der Meinhof-Biographie von Jutta Ditfurth, die ja für das Thema Esoterik sensibilisiert ist? Und was wohl die Meinhof-Tochter, die hintergrundpolitikkritische Journalistin Bettina Röhl, dazu sagt? Vielleicht würde Google Bücher-Suche dazu noch manches wertvolle Ergebnis bringen.

Man muß sich einfach klarmachen, wie leicht mit Wahrsager-Gläubigkeit Politiker, Terroristen und Geheimdienstchefs gelenkt werden können. Man sagt ihnen und allen ihren wahrsagergläubigen Mitarbeitern, Zuarbeitern einfach nur "voraus", daß das und das "geschehen wird" (etwa der Ausbruch eines Krieges, ein Mordanschlag, ein Reichstagsbrand etc.) - und sie können sich innerlich, psychisch gut darauf vorbereiten und auch im Sinne dessen, was "sowieso" geschehen wird, dann handeln. Welcher Okkultgläubige wird sich schon gegen ein Schicksal, das "eh" kommt, auflehnen? Und jede erfolgreiche Voraussage bekräftigt den Glauben an die Fähigkeiten des Wahrsagers und des politischen "Visionisten" und Propheten. Mehr dazu in unserer Blogreihe "Die Schicksalsgläubigkeit des Adolf Hitler", inzwischen auch als Buch erschienen ("Wer auf dem Tiger reitet, kann nicht absitzen", 2013).
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  1. Knaut, Horst: Das Testament des Bösen. Kulte, Morde, Schwarze Messen - Heimliches und Unheimliches aus dem Untergrund. Seewald Verlag, Stuttgart 1979

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