Donnerstag, 11. November 2010

"Deutschland schafft sich ab"-Debatte: Mainzer Humangenetiker mischen sich ein

Das naturalistische Argument gewinnt an Bedeutung in der Sarrazin-Debatte

Ein neues Forschungsergebnis verdienter Mainzer Humangenetiker zur genetischen Herkunft der ersten Bauern Europas wird von den Forschern selbst in den Zusammenhang der Sarrazin-Debatte gestellt (PLoS Biology 1, 2, Uni-Mainz.de, Telepolis). (Weitere deutschsprachige Berichte: a, b, c.)

Das Forschungsergebnis muß man sich zunächst einmal genau anschauen. Es ist zunächst nur eine einzelne Studie. Die Bandkeramiker gingen nach den archäologischen Befunden (wie schon oft auf unseren Blogs behandelt) aus einer Flaschenhalspopulation am Neusiedler See hervor, wo sich zuvor von Süden ausbreitende Neolithiker mit einheimischen Mesolithikern vermischten. Sie waren also wahrscheinlich etwas humangenetisch Neues, nicht einfach nur eine vorderorientalische "Kopie". Zumal auch ihre ganze Lebensweise - etwa die Hausbauform des einzeln oder in Weilern gruppierten Langhauses - Jahrtausende lang bis heute etwas typisch Mitteleuropäisches darstellt, nicht etwas typisch Orientalisches.

Irre ist es aber nun auf jeden Fall, was die Forscher aus einem so vereinzelten Forschungsergebnis an Folgerungen für die gegenwärtige "Deutschland schafft sich ab"-Debatte ableiten. Nämlich daß es Zuwanderung aus dem Vorderen Orient immer schon gegeben hätte, und daß man sich heute nicht so haben sollte.

Das ist natürlich eine "naturalistische Schlußfolgerung", was nicht per se ein Fehlschluß sein muß (wie früher oftmals unterstellt, um sich mit dem naturalistischen Menschenbild erst gar nicht auseinandersetzen zu müssen). Allerdings kann eine solche naturalistische Einwanderungs-Befürwortungs-Argumentation dieser Forscher früher oder später dann natürlich auch einmal nach hinten los gehen, so wie das schon mit "Lewontin's Fehlschluß" der Fall war: Denn was ist, wenn die nächste Studie zu einem gegenteiligen Ergebnis kommt?

Wir werden uns die Studie jedenfalls noch genau anzuschauen haben (---> schon geschehen). Schön auf jeden Fall, daß die Forscher ihrem sicherlich bislang von vielen Menschen als abseitig empfundenem Forschungsgebiet durch die Bezüge zu aktuellen Debatten neue Relevanz verleihen: Nieder mit den Elfenbeintürmen um das naturalistische Welt- und Menschenbild!

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