Sonntag, 18. Oktober 2009

Prinzessin Diana (1961-1997)

Die Bedeutung authentischer Identifikationsfiguren für das Funktionieren von Gesellschaften

Nur weil jemand aussieht wie ein Glamour-Star, muß er deshalb nicht schon auch gleich so geistig, seelisch und emotional hohl und oberflächlich sein, als wie sich die meisten Glamour-Stars heutzutage in aller Regel darstellen oder darstellen lassen. Diesen Umstand müßten sich all jene zunächst einmal klar machen, die Prinzessin Diana allein deshalb weniger der Beachtung wert finden, weil sie ja letztlich "nur" ein Glamour-Star gewesen sei. Aber an einem Fall wie dem der Prinzessin Diana kann man sich die Bedeutung authentischer, allgemeiner Identifikationsfiguren für das emotionale Wohlergehen, für einen emotional ausgeglichen Haushalt auch moderner, hochkomplexer arbeitsteiliger Gesellschaften verdeutlichen. Die Trauer bei ihrem Tod in Großbritannien und weltweit war immens, sie war von einer emotionalen Wucht, wie man sie vielleicht sonst nur vergleichen kann etwa mit dem emotionalen Geschehen während der Öffnung der Berliner Mauer im November 1989.

Aufgrund der Forschungen zur "kin recogintion" zur genetischen Verwandtschaftserkennung innerhalb der Soziobiologie und Evolutionären Anthropologie wissen wir heute viel über die Bedeutung des Erkennens genetischer Verwandtschaft für altruistisches Verhalten unter Menschen, für empathisches Erleben und dergleichen mehr. Durch die Forschung wissen wir auch von der engen genetischen Verwandtschaft zum Bespiel zwischen dem englischen und dem deutschen Volk. Und es ist nicht fernliegend, in dem Länder und Muttersprachen überschreitenden emotionalen Mitgehen beim Tod von Prinzessin Diana - auch in Deutschland - an solche Zusammenhänge zu denken. Schon von ihrer äußeren Erscheinung her war Prinzessin Diana jene Art von Identifikationsfigur, wie sie in vielen Jahrhunderten in der nordeuropäischen Märchenliteratur als am emotional ansprechendsten dargestellt wurde.

Jedenfalls: Auch für uns Deutsche gilt: Die historische Bedeutung des Lebens und des Sterbens der englischen Prinzessin Diana (1961-1997) gültig zu fassen, ist ganz gewiß eine Herausforderung und kann viele Einsichten über unser überpersönliches emotionales Funktionieren vermitteln. Noch heute - 2017 - kann man sich und andere nicht an ihr Lebensschicksal erinnern, ohne an starke Emotionen zu rühren.


Abb. 1: Prinzessin Diana (1995)

Eines ist gewiß: Prinzessin Diana war etwas, was ihr ein fernerer Zuschauer, schon gar einer, der über Glamour-Stars gern automatisch hinwegschaut, gar nicht zutrauen würde. Sie war ein durch und durch politischer Mensch. Denn schon als junges Mädchen mit 19 Jahren, anläßlich ihrer Heirat, war sie sich der Rolle, die eine Prinzessin von Wales in der Welt spielen kann, zumindest in recht deutlichen ersten Ahnungen bewußt gewesen. Und weil sie aus Gründen, die nur allein in ihrer Individualität gesucht werden können, diese Rolle von Anfang so ausgefüllt hat, wie es die Welt als angemessen empfunden hat, wurde sie praktisch "über Nacht" zu einem unglaublichen "Politikum" in der Welt. Dies hat sicherlich - unter anderem - auch sehr viel mit ihrem Wunsch, ihrer Sehnsucht nach einem Leben in einer heilen Welt, in einer heilen Familie und in einer heilen Ehe zu tun. Diese Sehnsucht hat sie authentisch verkörpert und gelebt, repräsentiert, zu ihr stand sie. Und soll von einer Prinzessin mehr erwartet und gewünscht werden?

Die große Anteilnahme am Leben und Sterben von Prinzessin Diana ist einfach ein Hinweis darauf, daß es eine unglaubliche Lüge ist, wenn uns Wissenschaftler und andere Menschen glauben machen wollen, diese Welt wäre nur verstehbar, wenn man sie als eine "entzauberte" verstünde. Es ist das einfach eine unglaubliche Lüge. Lüge deshalb: Weil jeder kann sehen, daß es anders ist. Das Lebensschicksal von Prinzessin Diana zeigt es deutlich genug auf.

Die immense Sehnsucht nach einer heilen Welt, nach einem heiligen, gelungenen Familienleben

Und sie hat diesen Wunsch, diese Sehnsucht dann mehr und mehr nicht nur wie ein schüchternes Mädchen in sich selbst versteckt - weil sie merkte, daß sie das krank macht - sondern sie hat diese mehr und mehr auch in eigenen Worten nach außen getragen. Und warum hätte sie das nicht tun sollen?

Für wieviele Menschen hat sich der Traum eines erfüllten und dem Leben einen Sinn gebenden Ehe- und Familienleben so wie bei Prinzessin Diana ins Nichts aufgelöst? Und wie selten wird darüber in der Gesellschaft so authentisch gesprochen, wie dies Diana über ihre eigene Erfahrung getan hat? Jener Traum von einem Leben, das - die Natur ist unverwüstlich - viele, insbesondere junge Mädchen haben, und der dann in schwere Enttäuschungen mündet? Warum soll der Trauer und der Sehnsucht dieser Frauen keine Stimme gegeben werden? Wenn es doch möglich ist, darüber authentisch zu sprechen? Und wenn die Wissenschaft doch feststellt, daß das Nicht-Gelingen von Partnerschaften einer der Hauptgründe für die schwerwiegenden Überlebensprobleme fortgeschrittener Gesellschaften darstellt (s. St. gen.)?

- Es gibt sicherlich eine Fülle von Möglichkeiten, sich an das Leben - und insbesondere an die Innenwelt - von Prinzessin Diana heranzutasten. Der nächste Weg dazu wird zunächst immer derjenige in das eigene Innenleben hinein sein. Denn nur das, was man in sich selbst erlebt, kann man auch bei anderen erkennen, erleben - und damit verstehen. An dieser Stelle soll vorläufig auf zwei Möglichkeiten hingewiesen werden. (Siehe auch --> Bücher.)

"Diana - Meine Geschichte" (2002) - ein Spielfilm

Da ist zum einen ein eineinhalbstündiger Spielfilm aus dem Jahr 2002 "Diana - Meine Geschichte" von Regisseur Philip Saville. Dieser Film erzählt die Geschichte von Prinzessin Diana aus der Perspektive des Diana-Biographen Andrew Morton, mit dessen Hilfe - so stellt es zumindest Morton bis heute dar - Diana 1992 durch die sensationelle Buchveröffentlichung "Diana - Ihre wahre Geschichte" erstmals eine größere Öffentlichkeit auf ihre Situation in ihrer Ehe und innerhalb der königlichen Familie aufmerksam gemacht hat. Dieser Film kann gegenwärtig kostenlos im Netz angesehen werden. Er kann auch demjenigen empfohlen werden, der nur Unterhaltung sucht (--> hier).

Bei manchem Zuschauer werden sich nach dem Ansehen weitere Fragen stellen. Sehr viele solcher Fragen werden dann beantwortet in Diana's berühmten BBC-Interview vom November 1995 (Yt. 1, Yt. 4, BBC), das zwei Jahre vor ihrem Tod stattgefunden hat.

In diesem Interview spricht sie über ihre Ehe, über den historisch erstmaligen Fall der Scheidung eines Thronfolger-Paares. Sie spricht über die Unfähigkeit und Unwilligkeit der englischen Königsfamilie, der "Royals", mit einem solchen Fall angemessen, großmütig und großzügig - sprich: schlichtweg "königlich" - umzugehen.

Das BBC-Interview (1995)

Und in demselben Interview spricht Diana gegen Ende auch klar und deutlich - sozusagen "unverhüllt" - über ihr eigenes früheres, gegenwärtiges und künftiges Selbstverständnis. Und auf diesen Teil des Interviews soll hier besonders die Aufmerksamkeit gerichtet werden. Obwohl das Interview auch vollständig sehenswert ist.

Aus dem Interview gewinnt man den Eindruck, daß Prinz Charles und seine Mutter sehr kleingeistige, engherzige Menschen sein müssen. Daß man sich überhaupt in der "königlichen" Familie spätestens in den vielen Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg an eine Kaltherzigkeit und emotionale Unbeteiligtheit gewöhnt haben muß, die wohl nur noch von etwas anderem - ein wenig - übertroffen werden kann. Nämlich davon, daß eine regierende Familie einfach auch physisch ermordet wird. So wie 1791 in Frankreich. So wie 1917 in Rußland. Oder daß man eine regierende Familie durch Krieg zur Abdankung zwingt und durch Rufmord ihre Rückkehr auf den Thron verhindert. So wie 1918 in Deutschland.

Daß aber, man möchte sagen, "königlicher Sinn" - trotz all solcher Ereignisse - in den Herzen der Menschen heute dennoch weiterlebt, daß Sinn für das Königliche, Sinn für Großmut, Sinn für Großherzigkeit, Sinn einfach für eine ganz andere, humanere Seite der Wirklichkeit - das zeigte sich eben in jenem Jahr 1981, als ein zwanzigjähriges, schüchternes Mädchen in ihrer mädchenhaften Verträumtheit trotz allem eben doch - wieder - die ganze riesige Bedeutung der Rolle einer britischen Thronfolgerin und Königin nicht mehr nur nach außen repräsentierte, weil sie so aussah und so gekleidet war, sondern weil sie es auch ihrer inneren, schüchternen Anteilnahme nach war.

Sie war - und blieb es, daran kann kein Zweifel bestehen: ein Bild der Unschuld. Ein Bild großer Verletzlichkeit.

Eine reife Frau

Aber das in einem sehr modernen Sinne, das heißt, die ganze Gefährdetheit von "Unschuld" in dieser Welt, von Verletzlichkeit in dieser Welt war in ihr verkörpert. Aber nicht allein in wehleidiger Weise. Man sieht nie eine jammernde Frau. Man sieht eine Frau, die Schmerz zu ertragen weiß, ihn auszuhalten weiß, ihn zu verarbeiten weiß. Und zwar nicht dadurch, daß sie einfach verdrängt, von sich wegschiebt. Man sieht eine reife Frau.

Eine Frau, die einfach deshalb auch vorbildlich ist. Vor allem ab Minute 5'10 in dem obigen vierten Teil des Interviews werden Fragen ihres eigenen Selbstverständnisses angesprochen. Prinzessin Diana wird gefragt *):

"Welche Rolle sehen Sie für sich selbst in der Zukunft?"

Das heißt: Nach einer gescheiterten Ehe mit Prinz Charles. Und die Worte von Prinzessin Diana sind unverfälscht und - sozusagen - eine Lanzenspitze in die völlig vertrockneten Herzen derer, die sie stoppen möchten, beiseite drängen möchten:

"Ich möchte ein Botschafter für dieses Land sein. Ich möchte dieses Land im Ausland repräsentieren. Wo es schon so viel Medieninteresse für mich gibt"

- über die damit verbundenen Probleme auch für sie selbst war immer wieder ausführlich gesprochen worden, auch zuvor in diesem Interview -,

"wo es schon dieses riesige Medieninteresse gibt - warum nur in diesem Land hier sitzen und sich davon bombardieren lassen? Laßt uns diese Leute mitnehmen ins Ausland, um unser Land und seine guten Qualitäten dort zu repräsentieren. - Wenn ich ins Ausland gehe, kommen 60 bis 90 Fotografen allein aus diesem Land mit mir. Also laßt es uns doch benutzen in einer produktiven Weise, um diesem Land zu helfen."

"Die größte Krankheit unserer Zeit ..."

Ist Prinzessin Diana die erste, die das große Medieninteresse, das sie auf sich zieht, ohne dies ursprünglich so gewollt zu haben, schließlich doch bereit ist anzuerkennen und dazu zu benutzen, ausnahmsweise einmal etwas grundlegend Positives damit zu machen? Und sollte das eine falsche Einstellung sein? Es kommt dann die Frage:

"Warum glauben Sie, daß Sie ein Recht haben, sich als Botschafter zu fühlen? In wessen Auftrag?"

Und man merkt, daß das eine von den Fragen sind, die Prinz Charles oder seine Mutter und so mancher andere politische "Berater" ihr schon gestellt haben müssen. Mit der Erwartung, daß sie darauf keine Antwort haben könne. Aber Prinzessin Diana, dieses schüchterne Mädchen, hat eine Antwort darauf. Eine Antwort, die niemand erwartet hatte:

"Ich bin in einer privilegierten Position seit 15 Jahren. Ich habe sehr viel Wissen über Menschen und wie man kommuniziert. Ich habe das gelernt. Ich besitze es. Und ich möchte es nutzen. Wenn ich auf Menschen im öffentlichen Leben schaue .... Ich bin kein politisches 'Tier'. Aber ich denke, die größte Krankheit, an der diese Welt leidet heute und in diesem Zeitalter, ist die Krankheit, daß sich Menschen ungeliebt fühlen. Und ich weiß, daß ich Liebe geben kann. Sei es nur für eine Minute, für eine halbe Stunde, für einen Tag, für einen Monat. Aber ich kann geben. Und ich bin sehr glücklich, das tun zu können. Und ich möchte das tun."

Hier ist ein Mensch, für den Liebe Leben ist, und der einfach nur leben möchte. Und den Wunsch nach "Leben" zu artikulieren - in ihrer Position: Das ist ein Machtanspruch. Ein Machtanspruch im Namen der Liebe. Auch im Namen ihrer eigenen Kinder. Es ist ein Wille zur Macht - - - aber - wie selten! - um eines Zweckes willen, den nur wenige so glaubwürdig würden aussprechen können, wie ihn Prinzessin Diana aussprechen konnte.

Diana's Hoffnungen für die britische Monarchie

Wer die Unwägbarkeiten der menschlichen Seele nicht kennt, wer die Trauer beim Tod von Prinzessin Diana bei Millionen von Menschen nur für "aufgesetzt" halten und empfinden kann, wer dahinter keine Sehnsucht herausspürt, jene Ahnung, jenes Wissen, daß es einmal auf dieser Erde schöner war, weil Menschen anders waren, und daß es auf ihr auch wieder schöner werden kann, weil sich Menschen und Gesellschaften ändern können - und warum nicht auch einmal zum Besseren hin? - der kann nicht verstehen, der wird es niemals verstehen, warum eine Prinzessin Diana hatte - ermordet werden müssen.

Von jenen Kräften, die versuchen, der Weltgeschichte eine umgekehrte Richtung aufzuzwingen. Ermordet von Kräften, die - höchstwahrscheinlich - mit Prinzessin Diana historisch gesehen nicht die erste Hoffnung von Völkern nach einer besseren Welt ermordet haben. Von Kräften, die nicht wollen, daß Liebe Menschen, ja, ganze Völker seelisch stark und optimistisch und handlungsfähig - statt lethargisch, passiv und lebensunfähig - macht. Zum Spielball in der Hand der korruptesten Kräfte in der Weltgeschichte.

Wer konnte auch nur im Leisesten den Gedanken hegen, eine Prinzessin Diana zu ermorden? Und welche Macht muß man in ihr gesehen haben, wenn man glaubte, daß man sie ermorden - - - "müsse". Wieviel Angst müssen solche Menschen haben vor Liebe - - - ihrer Liebe?


/letzte Überarbeitungen:
7.8.17/

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Noch eine Ergänzung (24.10.09): Zum Beispiel die monotheistisch gefärbte "Templeton Foundation" redet in einem ständigen, allzu deutlich christlich gefärbten - Strom von Schmalz von den guten Eigenschaften des Menschen, die es - nun neuerdings auch durch die Wissenschaft - zu fördern gelte. Sie redet etwa von der Fähigkeit, vergeben zu können und von vielen ähnlichen guten Eigenschaften und Dingen. Das ist einem einfach auf die Dauer zu dick aufgetragen und man ist dann doch mehr oder weniger froh, wenn einer - ebenso falsch natürlich - ständig nur von Egoismus und egoistischen Genen redet.

Da einem aber dieser Schmalz auf die Dauer schlichtweg gar nichts mehr sagt, da man darüber schlichtweg nichts mehr hören möchte, möchte man zu solchen Dingen eigentlich nur noch etwas von dem wenigen sagen, was darüber vielleicht noch zu sagen wäre: Sorgt doch einfach dafür, auch ihr bei der "Templeton Foundation", daß Menschen, die diese, von Euch so sehr gewünschten positiven Eigenschaften an prominenter Stelle glaubwürdig vorleben, nicht ständig ermordet werden oder ihnen gegenüber Rufmord geübt wird. Dann braucht ihr gar nicht mehr darüber reden. Denn dann verstehen sich diese Dinge doch früher oder später ganz von selbst. Lebt es doch einfach vor. Aber hört - bitte, bitte - auf, darüber zu reden, als würdet ihr jene Predigten in der Kirche halten, bei denen jeder anständige Christ gleich zu Anfang einschläft - und das mit allzu viel Recht. (... Und nach dieser Ergänzung bekommt dieser Beitrag auch noch den "Tag" "evolutionäre Ethik".)

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*) Im Original:

BASHIR: What role do you see for yourself in the future?

DIANA: I'd like to be an ambassador for this country. I'd like to represent this country abroad.

As I have all this media interest, let's not just sit in this country and be battered by it. Let's take them, these people, out to represent this country and the good qualities of it abroad.

When I go abroad we've got 60 to 90 photographers, just from this country, coming with me, so let's use it in a productive way, to help this country.

BASHIR: You say you feel that your future is as some form of ambassador. At whose behest is that? On what grounds do you feel that you have the right to think of yourself as an ambassador.

DIANA: I've been in a privileged position for 15 years. I've got tremendous knowledge about people and how to communicate. I've learnt that, I've got it, and I want to use it.

And when I look at people in public life, I'm not a political animal but I think the biggest disease this world suffers from in this day and age is the disease of people feeling unloved, and I know that I can give love for a minute, for half an hour, for a day, for a month, but I can give - I'm very happy to do that and I want to do that.

BASHIR: Do you think that the British people are happy with you in your role?

DIANA: I think the British people need someone in public life to give affection, to make them feel important, to support them, to give them light in their dark tunnels.

I see it as a possibly unique role, and yes, I've had difficulties, as everybody has witnessed over the years, but let's now use the knowledge I've gathered to help other people in distress.

BASHIR: Do you think you can?

DIANA: I know I can, I know I can, yes.

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